W&F 2006/4

Neues von der »Anti-Terror-Front«

von Jürgen Nieth

Der Oberste Gerichtshof der USA hat im Juni 2006 die Behandlung der Häftlinge in Guantanamo als illegal bezeichnet. Zudem entschieden die Richter, dass die Regierung mutmaßliche Terroristen gemäß der Genfer Konvention zu behandeln hätten. Die Antwort der Bush-Regierung: Sie legalisiert die Folter per Gesetz. Nach dem Repräsentantenhaus hat am 28.September auch der Senat der Schaffung von Militärtribunalen zur Aburteilung von »Terror-Gefangenen« verabschiedet. Den Gefangen wird zukünftig das Recht vorenthalten, vor einem Bundesgericht die Legalität ihrer Inhaftierung anzufechten.

Folter legalisiert

Erstmals wird in diesem Gesetz der „Begriff des »ungesetzlichen feindlichen Kämpfers« (definiert). Als solcher gilt künftig jeder, der gewaltsame Akte gegen die USA »gezielt und erheblich unterstützt«… Gefangene feindliche Kämpfer, die keinen US-Pass besitzen, sollen vor neu geschaffene Militärtribunale gestellt werden können… Die Regierung behält damit die Möglichkeit, Häftlinge zunächst weiter auf unbestimmte Zeit ohne Anklage und Verfahren festzuhalten. Auch die umstrittenen Geheimgefängnisse der CIA können weitergeführt werden.“ (FR 30.09.06)

Folter light…

Nach Aussage des Senators Mc Cain – der zu den Kritikern des ursprünglichen Gesetzentwurfs zählte – sind zukünftig einige besonders harte Foltermethoden nicht mehr erlaubt, wie „extremer Schlafentzug, Unterkühlung und das berüchtige Waterboarding, bei dem bei Gefangenen das Gefühl des Ertrinkens erzeugt wird.“ (Neue Zürcher Zeitung, 30.09.06).

…oder große Grauzone

Die FAZ (30.09.2006) zitiert dazu den republikanischen Mehrheitsführer im Senat, Bill Frist, der die Nennung der Foltertechniken kritisiert, „weil es den Terroristen helfe, wenn man ihnen sage, »dies sind die zehn Techniken, die wir anwenden, und diese zehn wenden wir nicht an«. Die FAZ zieht die Schlussfolgerung: „Was unter allen Umständen verboten ist und was der Präsident in Ausnahmefällen zulassen kann, bleibt mithin in einer Grauzone.“

Ähnlich sieht das auch Martin Lederman, Verfassungsrechtler an der Georgtown University. Er ist sich sicher, „dass das Gesetz dem Geheimdienst CIA weiterhin ermöglicht Gefangene zu foltern »Sie haben scheinbar eine gesetzliche Definition von grausamer Behandlung festgelegt, die aber nicht für die CIA gilt. Vielmehr verhindert das neue Gesetz die Klärung durch Gerichte, ob eine Befragungstechnik der Genfer Konvention entspricht oder nicht«.“ (taz 30.09.06)

Unrecht wird zu Recht

„Der Kongress gab den Segen für ein unerträgliches Gesetzespaket,“ schreibt Reymer Klüver in der Süddeutschen Zeitung (30.09.06). Und weiter: „ Zu Beginn des 21. Jahrhunderts lugt die grinsende Fratze des Mittelalters durch den Türspalt, und das ausgerechnet in Amerika. Folter, zumindest Folter light, ist im Krieg gegen den Terror nun wieder eine legitime Verhörmethode. Wenn es ihm beliebt, kann der Präsident kurzen Prozess mit Gefangen machen. Wenn nicht, ist es ebenso legal, dass er die Delinquenten in ihren Zellen verrotten lässt.“

Irak fördert Terror

Praktisch parallel zur Verabschiedung der »Folterregeln« hat das US-Repräsentantenhaus mit großer Mehrheit auch die Mittel für den Irak- und Afghanistan­krieg um 70 Milliarden Dollar aufgestockt. „Die Kosten für den Irakkrieg belaufen sich derzeit auf rund acht Milliarden Dollar pro Monat.“ (TAZ 28.09.06).

Da ist es natürlich peinlich für Bush, dass ausgerechnet zum selben Zeitpunkt eine geheime Lagebewertung aller 16 US-Geheimdienste bekannt wird, nach der der Irakkrieg „zum Erstarken einer globalen terroristischen Dschihad-Bewegung“ beigetragen hat. (FR 28.09.06) Zu den Terror fördernden Faktoren rechnet die Analyse (nach FR) „neben hausgemachten Problemen in der islamischen Welt Korruption, Ungerechtigkeit, Reform­stau einen tief sitzenden Antiamerikanismus sowie den Irakkonflikt. Der sei zu einer »berühmten Sache« für Heilige Krieger geworden, vertiefe die Abneigung zu den USA und treibe der globalen Dschihad-Bewegung neue Unterstützer zu.“

»Deutsche Kraft«

Das die deutschen Geheimdienste in den so genannten Anti-Terrorkampf der USA aktiv einbezogen werden, ist seit dem Irakkrieg bekannt. Das es immer noch etwas mehr ist, als die Regierung zu gibt, zeigt der Fall Murnat Kurnaz. Die Bundesregierung hat eingeräumt, dass er 2002 von zwei BND und einem Verfassungsschutz-Mitarbeiter in Guantanomo verhört wurde. Im Stern-Interview (5.10.06) wird jetzt deutlich, dass die amerikanischen Folterer über viele Detailkenntnisse zur Person Kurnaz verfügten, die sie von deutschen Stellen bekommen haben mussten.

Hinzu kommt, dass Kurnaz nach seinen Aussagen nicht nur 2002 sondern auch 2004 durch Deutsche verhört wurde und das deutsche Geheimdienste ihn für den Fall seiner Entlastung anwerben wollten.

Kurnaz gibt auch an, in Afghanistan von deutschen Soldaten misshandelt worden zu sein. Soldaten, die sich mit den Worten vorstellten: „Wir sind die deutsche Kraft.“

Es ist noch nur eine Behauptung – kein Beweis. Zu befürchten ist aber, dass es mit der Bundeswehr genauso ist, wie mit den Geheimdiensten: Sie ist immer etwas mehr verwickelt, als offiziell zugegeben.

Bundeswehr in Afghanistans Süden

Das wird auch an einem anderen Beispiel deutlich. Während der Bundestag das Nord-Afghanistanmandat für die Bundeswehr um ein Jahr verlängert und das für die 36 Militärbeobachter im Süden nur für zwei Wochen, wird bekannt, dass tatsächlich bereits seit langem die Bundeswehr „insgeheim auch im umkämpften Süden engagiert“ ist. (Spiegel Nr. 40/2006) „Deutsche Hubschrauber und Transall-Transporter (flogen) bereits zahlreiche Unterstützungsmissionen für die Alliierten… Dabei wurden Nachschub und Truppen transportiert sowie Verwundete ausgeflogen. Allein die Transall-Maschinen haben… in diesem Jahr bereits an die 60 Flüge absolviert.“

„Die Regierung hat uns glatt angelogen“, kommentierte der außenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Norman Paech, diese Tatsache in der TAZ (2.10.06)

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2006/4 Zivil-militärische Zusammenarbeit, Seite