„Nicht ohne uns!“
Der partizipative Friedensprozess in Kolumbien
von María Cárdenas
Am 4. September 2012 begannen in Kolumbien die Friedensverhandlungen zwischen der Regierung unter Juan Manuel Santos und der Guerilla FARC-EP, die 2016 abgeschlossen wurden. In diesen Jahren und bis heute beteiligt(e) sich die Zivilgesellschaft auf vielfältige Weise an der Aushandlung und Umsetzung des Abkommens. Der Artikel zeigt die Etappen der zivilgesellschaftlichen Partizipation auf und beschreibt die Hindernisse, denen die friedensorientierte Zivilgesellschaft dabei begegnet(e), aber auch ihre Erfolge. Eine stärkere Partizipation bietet leider nicht nur das Potential für einen inklusiveren Frieden, sondern öffnet auch denen die Tür, die das verhindern möchten.
Der bewaffnete Konflikt in Kolumbien kann im Rahmen dieses Artikels nicht näher beleuchtet werden.1 Seine Geschichte reicht bis in die dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts zurück, und er wandelte sich von einem Parteien- und Landkonflikt zu einem komplexen Konflikt mit zahlreichen bewaffneten Akteuren. Wenngleich der Konflikt vor allem auf dem Land ausgetragen wurde, sind viele der Ursachen im Zentrum des Landes zu verorten: im institutionellen und infrastrukturellen Zentralismus, in der wirtschaftlichen und politischen Kontrolle durch traditionelle Eliten und internationale Interessen sowie in der Abwesenheit des Rechtsstaats und den fehlenden Partizipationsmöglichkeiten für einen Großteil der Bevölkerung – vor allem (aber nicht nur) auf dem Land.
Die Gründung der FARC-EP und der vielen anderen Guerilla in den 1960er und 1970er Jahren sowie der Paramilitärs muss also in diesem Kontext gesehen werden; verschärfend kam der lukrative Drogenanbau und -export hinzu. Die Persistenz der militärischen Gewalt, das Stadt-Land-Gefälle und die politische Polarisierung führten zu einer Spaltung der Gesellschaft in die, die eine militärische Lösung befürworten, und die, die ein Ende der Gewalt nur für möglich hielten, wenn es aus Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien resultiert.
Beide Optionen sind in den letzten siebzig Jahren gescheitert. Ex-Präsident Alvaro Uribe Vélez (2002-2010) setzte die militärische Option gegen die FARC-EP radikal durch, u.a. mit der Konsequenz der 2.248 »Falschen Positiven« – Zivilpersonen, die von der Armee ermordetet wurden, um als Gueriller*s der FARC verkleidet die Statistik über die Aufstandsbekämpfung aufzubessern (Pacheco Jiménez 2018). Aber auch die Friedensverhandlungen und -abkommen der 1980er und 1990er Jahre blieben im Ergebnis hinter den Ansprüchen zurück: So gab es als Resultat eines Friedensprozesses 1991 zwar eine neue Verfassung mit weitreichenden Minderheitenrechten, gleichzeitig wurden viele friedensrelevante Teile dieser neuen Verfassung nie umgesetzt. Ebenso führten die Friedensabkommen weder zu Frieden auf dem Land noch verhinderten sie die kontinuierliche und gezielte Ermordung linker Politiker*innen. So wurde die damals vielversprechende linke Partei Unión Patriótica (UP) in den 1980er und 1990er Jahren durch die Ermordung von zwei Präsidentschaftskandidaten, 13 Parlamentarier*innen, 70 Kongressabgeordneten, elf Bürgermeister*innen und 5.000 Partei-Mitgliedern buchstäblich begraben.
Das Friedensabkommen von 2016
Das 2016 von der FARC-EP und der Regierung unterzeichnete Friedensabkommen umfasste sechs Kapitel, die das Land und das politische System so verändern soll(t)en, dass die Ursachen der bewaffneten und organisierten Gewalt nachhaltig bekämpft werden: 1. integrale Landreform, 2. politische Partizipation, 3. Beendigung des bewaffneten Konflikts, 4. Bekämpfung des illegalen Drogenanbaus, 5. Anerkennung und Rechte der Opfer des Konflikts sowie Aufbau des »Integralen Systems für Wahrheit, Vergangenheitsaufarbeitung, Gerechtigkeit, Wiedergutmachung und Nicht-Wiederholung« (SIVJRNR)2 und 6. Umsetzung, Verifizierung und Abstimmung. Hiermit ist das Friedensabkommen gleichzeitig eine Revolution und auch wieder nicht: ja, weil es strukturverändernde und umverteilende Maßnahmen vorsieht; nein, da es sich in vielen Punkten lediglich um die Umsetzung der Verfassung von 1991 und die Anwendung bereits erlassener Gesetze handelt bzw. sich an diesen orientiert (wie dem »Gesetz für die Opfer des bewaffneten Konflikts« 1448 von 2011). Darüber hinaus muss das Friedensabkommen auch als Strategie verstanden werden, Investitionssicherheit zu schaffen und einem Verfahren durch den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) mit seinen deutlich höheren Strafen zuvorzukommen.3
Partizipation im Friedensprozess
Der Rahmen für die Partizipation im kolumbianischen Friedensprozess wird durch die Verfassung von 1991 und verschiedene nationale Gesetze und internationale Abkommen vorgegeben (Brett 2017). Die Partizipation sollte drei Zielen dienen: Erstens ging es einem Großteil der Zivilgesellschaft darum, dass Regierung und FARC-EP ihre historische Schuld ihr gegenüber begleichen und sie als historisch relevante Säule der Friedensförderung anerkennen. Diesem Diskurs stimmten beide Parteien zu, wenngleich es Differenzen hinsichtlich der Frage gab, wer aus dieser Zivilgesellschaft wie beteiligt werden sollte. Zweitens ging es der FARC darum, sich als alternative politische Kraft, die die Interessen der Zivilgesellschaft verteidigt, neu zu etablieren bzw. zu inszenieren. Drittens sollte eine breite Beteiligung die Legitimität des Friedensabkommens in der stark polarisierten Gesellschaft erhöhen und damit seine Umsetzung erleichtern.
Vor diesem Hintergrund gab es während der Friedensverhandlungen folgende Partizipationsmechanismen: Zunächst gab es eine Internetplattform, über die 9.306 Vorschläge zu den sechs Kapiteln der Verhandlungsagenda eingereicht wurden (Brett 2017, S. 12). Außerdem fanden verschiedene nationale und regionale Foren zu vier spezifischen Punkten statt: integrale Agrarreform, politische Partizipation, illegale Drogenökonomie und Anerkennung und Rechte der Opfer des Konflikts (ibid.). Zuletzt bekamen Vertreter*innen spezifischer Opfergruppen die Möglichkeit, in Havanna bei den beiden Parteien vorzusprechen und so das fünfte Kapitel (s.o.) zu beeinflussen.
Hierdurch wurde die vielerorts kritisierte passive Interpretation der »Opferrolle« in eine aktive, gestaltende Rolle umgedeutet und umgewandelt. Die bislang durch die Perspektive der bewaffneten Akteure geprägte Interpretation des Konflikts wurde in Frage gestellt, korrigiert, herausgefordert und angepasst. Die beiden Parteien mussten sich der Diskrepanz zwischen ihren politischen Ambitionen und den realen Auswirkungen ihrer Handlungen stellen. Auf nationaler Ebene war vor allem Letzteres für viele Betroffene ein symbolisch wichtiger Moment der Anerkennung, und auch international erfuhr dieser Schritt großen Zuspruch. Kritik kam hingegen sowohl von der dem Friedensabkommen ablehnend gegenüberstehenden Seite (ibid., S. 13), die vor allem die Einbeziehung des Militärs als Konfliktakteur ablehnte,4 als auch aus der dem Friedensabkommen eigentlich positiv gegenüberstehenden Zivilbevölkerung. Beispielsweise gab es Kritik hinsichtlich der Individualisierung und Entpolitisierung der Opfer und des Unterschlagens struktureller Diskriminierung als Einflussfaktoren auf die Konfliktbetroffenheit, unter der die ethnischen Bevölkerungsgruppen überproportional leiden.5
So kritisierten ethnische Organisationen, dass sie nicht nur als individuelle Opfer (Zwangsrekrutierte, Opfer sexueller Gewalt, Angehörige von Verschwundenen, Minenopfer) angehört werden müssten, sondern auch als Gemeinden, deren kulturelle, soziale, wirtschaftliche, politische und physische Rechte durch den Konflikt eingeschränkt oder untergraben wurden. Neben individuellen Traumata, die sich auf das Gemeindegefüge auswirken, oder den Landminen, die sich auf die Arbeitsleistung und die Handlungsfähigkeit von Gemeinden auswirken, gibt es auch kulturspezifische, kollektive Betroffenheiten durch den bewaffneten Konflikt, zum Beispiel, wenn nomadische Völker ihre traditionellen Wanderrouten aufgrund bewaffneter Auseinandersetzungen einschränken müssen, was sich negativ auf Gesundheit, kulturelle Traditionen, Geburtsraten und Kindersterblichkeit auswirkt (Interview vom 17.3.2018). Oder wenn durch die Ermordung von spirituellen Führungspersonen und kulturell-politischen Autoritäten das kollektive Gedächtnis der Gemeinde vernichtet wird, was sich neben der kollektiven Identität auch auf die medizinische Versorgung und die politische Organisation der Gemeinden auswirkt. Dies spiegelt sich darin wider, dass durch den bewaffneten Konflikt 39 indigene Völker vom Aussterben bedroht sind (CEJIDI 2018).
Aber nicht nur ihre kollektive Betroffenheit müsse anerkannt werden, sondern auch ihr Recht auf eine ethnisch sensible Gestaltung und Umsetzung des Friedensabkommens gemäß ihren Praktiken und Bräuchen (nach ILO-Konvention 169, siehe Comisión Étnica 2016). Zudem befürchteten sie, dass der Friedensvertrag auf dem Rücken der ethnischen Bevölkerung ausgetragen würde (beispielweise durch die integrale Landreform6 oder die Zonen zur Demobilisierung und Wiedereingliederung der FARC-EP).7 Kurz gesagt: Die ethnischen Organisationen forderten, als kollektive Opfer und als Friedenskonstrukteur*innen anerkannt und aktiv am Friedensprozess und seiner Umsetzung beteiligt zu werden.
Dies machte einen Konflikt hinsichtlich der Spielregeln der Partizipation sichtbar, die die staatlichen Verhandlungspartner vorgaben: Sie hatten eine individualistische und liberale Partizipation im Sinn, keine strukturelle. Partizipation ist aber nicht von einer Einladung abhängig, sondern kann auch eingefordert werden. Nach entsprechendem Lobbying bei Schlüsselakteuren (im US-Kongress, bei den Vereinten Nationen und bei der kubanischen Regierung) und inoffiziellen Gesprächen mit den Verhandlungspartner*innen erreichten die Vertreter*innen ethnischer Organisationen kurz vor Unterzeichnung des Friedensabkommens die Aufnahme des ethnischen Kapitels (Kapitel 6.2) (Comisión Étnica 2016).
Als letztes Element der Partizipation an den Friedenverhandlungen muss auch die Abstimmung über das Friedensabkommen genannt werden. Entgegen der FARC-Präferenz einer Kongressabstimmung ließ die Regierung die Gesamtbevölkerung am 2.10.2016 über das Friedensabkommen entscheiden: 37,43 % der Bevölkerung nahmen am Plebiszit teil, 50,21 % stimmten gegen und 49,78 % für die Umsetzung. Nach einigen Anpassungen wurde das Friedenabkommen schließlich doch vom Kongress abgesegnet, und die Implementierungsphase konnte beginnen (Londoño 2018).
Das ethnische Kapitel
Kapitel 6.2 schreibt eine transversale Berücksichtigung ethnischer Belange bei der Umsetzung aller sechs Kapitel des Friedensabkommens vor, vergleichbar mit dem im Friedensabkommen festgehaltenen gendersensiblen Fokus (mehr dazu in Londoño 2018). Darüber hinaus sieht es Schutzmaßnahmen für spezifische Gemeinden vor, beispielsweise die Rückführung vertriebener und vom Aussterben bedrohter Gemeinden, aber auch die staatliche Anerkennung, Legalisierung und Förderung gemeindebasierter Schutzmaßnahmen, wie die »Guardias«. Ebenso wurde in Kapitel 6.2 der Aufbau einer »Hohen Sonderinstanz für ethnische Völker« (IEANPE) vereinbart, die aus Vertreter*innen der ethnischen Organisationen besteht. Diese soll die Kommission zur Überprüfung des Abkommens (CSIVI) beraten und die Implementierung überprüfen. Hiermit existiert auch in der Umsetzung ein Element der kollektiven zivilgesellschaftlichen Partizipation.
Mit Beginn der Implementierung wurden jedoch unterschiedliche Interpretationsrahmen deutlich: Während für die Regierung und die FARC die aktive Partizipation der ethnischen Gemeinden mit der formalen Einbeziehung des ethnischen Kapitels und der Gründung der IEANPE abgeschlossen war, beharrte die IEANPE auf ihrem Mitspracherecht auch bei der ethnisch sensiblen Gestaltung des zentralen Implementierungsplans.8 Schließlich wurden 37 Ziel- und 98 Monitoringindikatoren für das ethnische Kapitel in den Implementierungsplan aufgenommen – ohne jedoch ein Budget hierfür festzulegen. In den verschiedenen Instanzen des SIVJRNR wurde die ethnische Partizipation zunächst durch die Einbindung von ethnischem Personal gesichert und Ende 2018 nach Konsultationen mit indigenen und afrokolumbianischen Organisationen auf nationaler Ebene abgeschlossen (Comisión Étnica 2018, S. 57-58). Hierauf aufbauend werden nun ethnisch sensible und gemeindebasierte Implementierungsstrategien entwickelt.
Nach dem Friedensabkommen
Parallel zu den Erfolgen bei der ethnischen Partizipation in den Postkonfliktinstitutionen dürfen die Rückschritte nicht verschwiegen werden, durch die das Risiko entsteht, ebendiese Inklusion und Teilhabe ad absurdum zu führen. So wurden zwischen 2016 und 2018 bzw. seit der Unterzeichnung des Friedensabkommens 533 soziale Aktivist*innen ermordet (Cumbre Agraria et al. 2018, S. 7). Im Schatten des internationalen Lobs für das Abkommen scheint sich das Phänomen aus den 1980er Jahren zu wiederholen: die Auslöschung oppositioneller Politiker*innen und Aktivist*innen – viele von ihnen Repräsentant*innen ethnischer Gemeinden.9 Die Morde müssen im Kontext von vier Aspekten des Friedensabkommens gesehen werden: 1. der Landreform, die u.a. die Formalisierung von Landtiteln vorsieht, 2. dem Recht auf Rückkehr und Wiedergutmachung für Vertriebene, 3. der historischen Aufklärung, die nur mit Zeug*innen geschehen kann, und 4. den »Entwicklungsprogrammen mit territorialer Perspektive« (PDET), die in Zusammenarbeit mit den Gemeinden geplant werden. Ein weiterer Grund für die Morde sind die Regionalwahlen in diesem Jahr, bei denen viele Aktivist*innen antreten und sich für die Umsetzung des Abkommens und einen realen sozialen, politischen und wirtschaftlichen Wandel einsetzen werden, der auch finanzielle und strafrechtliche Folgen für die nationalen Eliten und internationalen Akteure haben könnte, die bislang von der Gewalt und Straflosigkeit profitiert haben.
Mit der Kongress- und Präsidentschaftswahl fand 2018 ein Kurswechsel im Friedensprozess statt: Zwar zogen – bedingt durch Kapitel 2 des Friedensabkommens (politische Partizipation) – nun fünf FARC-Abgeordnete in den Senat ein, allerdings erhielt der Block, der das Friedensabkommen ablehnt, im Senat und Repräsentantenhaus die absolute Mehrheit. Der Wahlsieger, der rechtskonservative Präsident Ivan Duque,10 begann, die Umsetzung des Friedensabkommens durch eine konfrontative Rhetorik und Praxis abzulösen: Das »Ministerium für den Postkonflikt« wurde in »Ministerium für die Stabilisierung« umbenannt und die Übergangsjustiz, die bereits vom Verfassungsgericht geprüft und abgesegnet worden war, wird mit allen Mitteln blockiert. Damit wird das ohnehin labile Friedensabkommen weiter geschwächt.
Hoffnung durch mehr Partizipation?
Es bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen das Friedensabkommen und seine partizipativen Maßnahmen langfristig auf die Struktur und das politische Klima des Landes haben werden. Die Partizipationsmaßnahmen sind zwar zahlreich und vielseitig, sie bergen aber auch Risiken. So fand durch die Volksabstimmung auch eine Partizipation der Zivilbevölkerung statt, deren moralische Legitimation durchaus fragwürdig ist: Wenn Partizipation als eine (direkte) Demokratisierung politischer Entscheidungsprozesse verstanden wird, wie demokratisch ist es, über Frieden (Leben) und Fortsetzung des Krieges (Tod) abstimmen zu lassen? Die Debatten um ethnische Partizipation und ihre (nur mangelhafte und widerspenstige) Umsetzung machen überdies die Kolonialität sichtbar, die der kolumbianischen Politik und Wirtschaft im Ganzen – und damit auch dem Friedensabkommen, der Geschichtsschreibung und Vergangenheitsaufarbeitung – noch immer innewohnt.11
Auf der anderen Seite haben die Partizipationsmaßnahmen und strukturellen Veränderungen den ethnischen Gemeinden, linken Oppositionellen, Friedensbefürworter*innen sowie Cis-Frauen und LGBTQI*-Personen Wege in die Institutionen und politischen Debatten geöffnet, die sie nun einfordern und wahrnehmen, in denen sie auf Augenhöhe debattieren und sich hör- und sichtbar machen. Dies stellt nicht nur den hegemonialen Diskurs in Frage, sondern auch das nationale Selbstbild, das gerne die Existenz der nicht-weißen, nicht-urbanen und nicht-heteronormativen Sektoren verdrängt.
Dies sind manchmal schwierige, konfliktive Wege, bei denen auch anerkannte, weiße, männliche, akademische, friedenspolitische Intellektuelle damit konfrontiert werden, dass ihre gut gemeinte Wahrheit nicht die einzige ist, sondern sich einfinden muss in einen breiteren Kanon. Es sind aber auch Wege, in denen sich friedenspolitische Sektoren über gruppenspezifische, politische, und räumliche Grenzen hinweg zusammentun und Brücken bauen. Dies zeigt sich in der breiten Mobilisierung in der Minga,12 dem Nationalstreik und der Aktion »Humanitäre Flucht«, die ihre Forderungen nach Einhaltung des Friedensabkommens und dem Ende der Gewalt in die Hauptstadt tragen.
Anmerkungen
1) Für eine Einführung in den bewaffneten Konflikt ab den 1960er Jahren und den Friedensvertrag siehe Schwarz und Huck 2018.
2) Das SIVJRNR besteht aus der Übergangsjustiz (JEP), der Wahrheitskommission für Vergangenheitsaufarbeitung (CEV) und der Einheit für die Suche nach Verschwundenen (UBPD) sowie Mechanismen für die individuelle und kollektive Wiedergutmachung.
3) Kolumbien unterzeichnete 2002 das Rom-Statut des IStGH. Aktuell liegen dem IStGH fünf Fälle zu Kolumbien vor, die angesichts des Inkrafttretens der Übergangsjustiz vorerst suspendiert sind.
4) In der Vergangenheit wurde die Verantwortlichkeit des Militärs für Menschenrechtsverbrechen und die von Dritten (Politiker*innen und Konzerne, wie Coca-Cola, Chiquita etc., als Auftraggeber*innen von paramilitärischer Gewalt) kategorisch ausgeschlossen.
5) Als ethnische Bevölkerung sind 102 indigene Völker (knapp 4 % der Bevölkerung), Afrokolumbianer*innen, Raizal und Palenquero (zwischen 10-20 %) sowie Roma (0,01 %) anerkannt. Die ethnische Bevölkerung, die auf dem Land die Hälfte der Bevölkerung stellt, ist stärker als die nicht-ethnische Bevölkerung vom bewaffneten Konflikt betroffen. So ist die Gefahr für indigene Kinder 674 mal höher, zwangsrekrutiert oder Opfer des Konflikts zu werden (Dulce Romero 2019).
6) Die Landreform sieht neben gemeindebasierten Entwicklungsansätzen auch einen Vormarsch der Agrarindustrie vor. Der Bergbau beeinträchtigt schon jetzt die Gesundheit der afrokolumbianischen und indigenen Bevölkerung, die von den mittlerweile kontaminierten Flüssen leben. Für ethnische Gemeinden sind Bergketten, Lagunen, Flüsse und feuchte Hochlandsteppen überdies spirituelle Orte, die Leben produzieren und daher nicht ausgebeutet werden dürfen. Dadurch gibt es grundsätzliche Interessenkonflikte mit FARC-EP/Regierung und Wirtschaftseliten, die die Natur als ein Produktionsgut sehen, dessen primäre Funktion es ist, die Wirtschaft auf dem Land anzukurbeln.
7) Die Demobilisierungs- und Wiedereingliederungszonen der FARC wurden ohne Zustimmung ethnischer Gemeinden (nach ILO-Konvention 169) auf ethnischen oder angrenzenden Terroritorien angesiedelt. Dies führt(e) vielerorts zu Konflikten, Unsicherheit und steigender Gewalt (Comisión Étnica 2018, S. 47 f.).
8) Die Regierungen sind laut Oberstem Gerichtshof dazu verpflichtet, sich für die Erstellung der nationalen Entwicklungspläne bis zum Jahr 2031 am Implementierungsplan zu orientieren.
9) Allein seit Beginn der Amtszeit des Präsidenten Duque (zwischen August 2018 und Februar 2019) wurden 53 indigene Aktivist*innen ermordet (ONIC 2019, o.S.).
10) Duque ist Zögling des Ex-Präsidenten Alvaro Uribe Vélez, gegen den 2018 28 Strafverfahren am obersten Gerichtshof anhängig waren (RCN Radio 2019).
11) So war beispielsweise nur eine der acht von den Konfliktparteien berufenen Expert*innen zu den Ursachen des Konflikts weiblich, und es gab keine*n ethnische*n Expert*in.
12) Siehe »Die Minga aus den Anden« von Tambaco Díaz und Sempértegui auf S. 17 in diesem Heft.
Literatur
Brett, R. (2017): La Voz de Las Víctimas En Una Negociació – Sistematización de Una Experiencia. Programa de las Naciones Unidas para el Desarrollo – PNUD, S. 120.
Centro por la Justicia y el Derecho Internacional/CEJIDI (2018): Riesgo de extinción de pueblos indígenas de Colombia queda evidenciado ante la CIDH. 11.5.2018; cejil.org/es.
Comisión Étnica (2016): Comunicado 003. Organización Nacional Indígena de Colombia, Comunicados ONIC, 24.8.2016.
Comisión Étnica (2018): 1 Informe de cumplimiento del capítulo étnico en el marco de la implementación del acuerdo final de paz entre el gobierno y las Farc-EP.
Cumbre Agraria; Marcha Patriotica; INDEPAZ (Hrsg) (2018): Todos los nombres, todos los rostros – Informe de derechos humanos sobre la situación de líderes/as y defensores de derechos humanos en los territorios. Separata de actualización. 19.11.2018; onic.org.co.
Dulce Romero, L. (2019): Afros, indígenas y pueblo rom, en la lucha por contar la verdad invisible. El Espectador, 23.2.2019; colombia2020.elespectador.com.
Organización Nacional Indígena de Colombia/ONIC (2019): Todos somos ONIC – Frente a las amenazas, los asesinatos y despojo, la palabra y movilización por la vida. 23.2.2019; onic.org.co.
Londoño, A. (2018): »Gender-Ideologie« in Kolumbien – Oder: Wie man Ängste schürt, um den Frieden zu behindern. W&F 3-2018, S. 21-24.
López Montaño, C. (2019): Asesinatos de líderes sociales: ¿por qué? Las 2 orillas, 19.3.2019; las2orillas.co.
Pacheco Jiménez, S. (2018): La real dimensión de las ejecuciones extrajudiciales en Colombia. El Espectador, 27.7.2018; colombia2020.elespectador.com/.
RCN Radio (2019): Corte Suprema adelanta 28 procesos contra Álvaro Uribe. 20.2.2018. rcnradio.com.
Redacción Judicial (2019): Exterminio de la UP, crimen de lesa humanidad. El Espectador, 20.10.2014; elespectador.com.
Schwarz, C.; Huck, A. (2018): Kolumbien. In: Bundeszentrale für politische Bildung: Innerstaatliche Konflikte. Dossier, 27.3.2018; bpb.de.
María Cárdenas, Redaktionsmitglied bei W&F seit 2012, promoviert seit 2017 am Graduate Center for the Study of Culture der Universität Gießen zu Fragen der inter-ethnischen Kooperation und Partizipation im kolumbianischen Friedensprozess und bei seiner Implementierung.