Öl- und Gas vor Zypern
Entsteht ein neuer Krisenherd im östlichen Mittelmeer?
von Hubert Faustmann
Reichhaltige Öl- und Gasvorkommen im östlichen Mittelmeer bergen enormes Konfliktpotential. Derzeit zeichnet sich ein Konflikt um die Exploration zwischen der Türkei und der türkisch-zypriotischen Volksgruppe auf der einen Seite und der griechisch-zypriotisch dominierten Republik Zypern auf der anderen ab. Spannungen über diese Ressourcen gibt es ebenfalls zwischen dem Libanon und Israel, in die auch die Republik Zypern hineingezogen werden könnte. Zudem hat Nikosia mit Israel ein bilateralesAbkommen über eine enge Zusammenarbeit bei der Ressourcenausbeute abgeschlossen, und eine enge sicherheitspolitische Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern wird zumindest erwogen.. Die Konfliktlage hat unabsehbare Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen Zypern, Israel, der Türkei und der arabischen Welt – günstigstenfalls aber auch das Potential, den schwelenden Zypernkonflikt endlich beizulegen und die Kooperation in der Region zu stärken.
Zypern wurde 1960 von Großbritannien in die Unabhängigkeit entlassen. Die alte Kolonialmacht garantierte zusammen mit Griechenland und der Türkei die verfassungsmäßige Ordnung und die Unabhängigkeit der Insel. Nach den gewalttätigen innerzypriotischen Auseinandersetzungen von 1963 wurde die Republik Zypern ausschließlich von den griechischen Zyprioten kontrolliert. Durch die türkische Invasion von 1974 wurde die Insel faktisch geteilt: Die Türkische Republik Nordzypern erklärte 1983 ihre Selbstständigkeit, wurde aber bis heute nur von der Türkei anerkannt. Die Republik Zypern gilt international als alleiniger Repräsentant der ganzen Insel und trat 2004 der EU bei. Der Aqcuis Communautaire (die Rechtsgebung der EU) ist für den Norden suspendiert, auch wenn das Gebiet als Teil der Republik Zypern formal Mitglied der Europäischen Union ist.
Zahlreiche Versuche, die Insel auf dem Verhandlungswege wieder zu vereinigen, sind seit 1974 gescheitert. Von wenigen Ausnahmen abgesehen blieb es in und um Zypern herum friedlich, und zumindest bis zur Aufnahme des EU-Beitrittsverhandlungen mit der Republik Zypern Anfang der 1990er Jahre galt der Zyperndisput als vergessener Konflikt von geringer Intensität. Die Lage auf der Insel galt und gilt als stabil, und der so genannte »Friedhof der Diplomaten« verschliss zahlreiche internationale Vermittler, ohne dass – bei allen Spannungen und Krisen – vom Zypernkonflikt eine ernstliche Bedrohung für Frieden und Stabilität in der Region ausging. Damit könnte es bald vorbei sein.
Viel Streit um viel: die Positionen der beteiligten Parteien
Bereits 2009 wurden vor der Küste Israels größere Erdgasvorkommen entdeckt. Nach Schätzungen des amerikanischen Geological Survey befinden sich im östlichen Mittelmeer etwa 3,5 Billionen Kubikmeter Erdgas und 1,7 Milliarden Barrel Öl (Lakes 2011/12). Wenn sich diese Zahlen bewahrheiten sollten, stellen diese Vorräte eine ernsthafte Alternative zur Energieabhängigkeit Europas von Russland dar. Derzeit wird die Bonanza zwischen den Anrainerstaaten aufgeteilt, und das führt naturgemäß zu Spannungen, die durch das ungelöste Zypernproblem verstärkt werden. Die Vorkommen werden zweifelsohne zu Veränderungen der regionalen geostrategischen Situation und Machtverteilung führen, die – zusammen mit den Ergebnissen des arabischen Frühlings und dem schwelenden Konflikt zwischen Israel und seinen Nachbarstaaten, dem Iran sowie der Türkei – die Region in ein Pulverfass verwandeln könnten.
Spätestens seit 2003 gibt es einen offenen Disput zwischen Ankara, den türkischen Zyprioten und der griechisch-zypriotischen Regierung über das Recht der Republik Zypern, Abkommen über die jeweilige exklusive Wirtschaftszone mit anderen Anrainerstaaten des Mittelmeeres abzuschließen. Derartige Vereinbarungen sind Voraussetzung für die konfliktfreie Ausbeutung der vermuteten Vorkommen in der Region. Die türkische Seite steht auf dem Standpunkt, dass die Regierung der Republik Zypern illegitim sei, da sie seit 1963 allein aus griechischen Zyprioten bestünde und die türkischen Zyprioten mit Gewalt um ihre verfassungsmäßigen Rechte gebracht worden seien. Daher verfüge sie über keinerlei Berechtigung, derartige Abkommen ohne Zustimmung und Beteiligung der türkischen Zyprioten abzuschließen. Als eine der drei Garantiemächte der Republik Zypern nimmt die Türkei für sich in Anspruch, die Rechte der türkischen Zyprioten zu repräsentieren. Die türkische Seite verlangt zudem ein Ende aller Explorationsaktivitäten, solange die Verhandlungen über eine Wiedervereinigung der Insel andauern (Akyel 2012).
Als die Republik Zypern Abkommen über ihre exklusive Wirtschaftszone mit Ägypten (2003), dem Libanon (2007) und Israel (2010) abschloss und 2007 eine Bohrlizenz an die amerikanische Firma Noble Energy vergab, begann die Situation zu eskalieren. Neben den oben genannten Argumenten bestehen die türkischen Zyprioten darauf, dass auch sie Rechte an allen Bodenschätzen Zyperns besitzen und es ohne ihre Zustimmung und Beteiligung an den Entscheidungsprozessen sowie einer Beteiligung an den Einnahmen keine Ausbeutung der Ressourcen geben dürfe (Kaymak 2012). Die griechischen Zyprioten ignorierten diese Position, machten aber nach einigem internationalen Druck immerhin das vage Zugeständnis, dass die türkischen Zyprioten auch ohne eine formelle Lösung an den Gewinnen beteiligt würden – allerdings ohne ein eigenes Mitspracherecht.
Die Türkei fügte dem Streit noch eine weitere Dimension hinzu, indem sie eigene Ansprüche formulierte. Nach der 1982 verabschiedeten Seerechtskonvention der Vereinten Nationen hat jeder Küstenstaat das Recht, außerhalb der eigenen Territorialgewässer (zwölf Seemeilen) bis zu 200 Seemeilen als exklusive Wirtschaftszone zu deklarieren und dort etwaige Rohstoffvorkommen auszubeuten. Als international allein anerkannte Regierung ganz Zyperns stehen die griechischen Zyprioten daher in diesem Konflikt auf einer abgesicherten völkerrechtlichen Position. Die Türkei ist als einer von wenigen Staaten dieser Konvention jedoch nicht beigetreten und beharrt daher darauf, dass im östlichen Mittelmeer sämtliche Wirtschaftszonen zwischen allen Anrainerstaaten auf dem Verhandlungswege festgelegt werden müssten. Die Rechtmäßigkeit der drei Abkommen Zyperns mit Ägypten, dem Libanon und Israel wird von Ankara daher prinzipiell bestritten. Insbesondere im Gebiet westlich der Insel, auf das sich das Abkommen der Republik Zypern mit Ägypten bezieht, überlappen sich aus türkischer Sicht fünf Blöcke, die von der Republik Zypern beansprucht werden, mit türkischen Rechten (Akyel&Sezer 2012). Türkischer Druck führte denn auch dazu, dass das Abkommen der Republik Zypern mit dem Libanon bislang vom libanesischen Parlament nicht ratifiziert worden ist.
Im August 2011 gab dann die Republik Zypern bekannt, dass im Block 12, südöstlich von Zypern und an das bereits in Ausbeutung befindliche riesige israelische Gasfeld »Leviathan« angrenzend, die amerikanische Firma Noble Energy Probebohrungen durchführen werde. Die Türkei protestierte heftig. Als sich die griechischen Zyprioten davon nicht einschüchtern ließen und am 19. September 2011 die Probebohrungen begannen, schloss die Türkei im Gegenzug mit der Türkischen Republik Nordzypern ein eigenes Abkommen, in dem die beiderseitigen Wirtschafszonen abgegrenzt wurden, und drohte mit eigenen Bohrungen vor der Nordküste Zyperns. Am 22. September 2011 gestattete die Führung der türkischen Zyprioten der türkischen Ölfirma TPAO, in den Gewässern rund um die ganze Insel nach Gas und Öl zu suchen. Ein von der türkischen Marine begleitetes türkisches Forschungsschiff führte anschließend seismische Messungen in den von der Republik Zypern zur Ausbeutung demarkierten Gewässern südlich der Insel durch.
Im Dezember 2011 gab Noble Energy bekannt, dass in Block 12 große Mengen Erdgas gefunden worden seien. Davon ermutigt, begann die Republik Zypern im Februar 2012 eine zweite Vergaberunde für Bohrlizenzen für alle übrigen zwölf Blöcke, die zur Erkundung und Ausbeutung vorgesehen sind. Die Angebote müssen bis Mai 2012 eingereicht sein (Cyprus Mail, Februar 2012). Damit ist eine weitere Eskalation der Situation vorprogrammiert. Gleichzeitig begann die Türkei mit Probebohrungen im Nordteil der Insel, die im Erfolgsfall wiederum neues Konfliktpotential in sich bergen, da die griechischen Zyprioten eine Ausbeutung etwaiger Funde, die ja völkerrechtlich auf dem von der Türkei besetzten Staatsgebiet der Republik Zypern gemacht würden, zu verhindern suchen werden. Die seit 2008 laufenden Verhandlungen zur Wiedervereinigung der Insel stehen zudem aus verschiedenen Gründen vor dem zumindest vorläufigen Scheitern, womit der eleganteste Ausweg für alle Seiten blockiert ist.
Ausweitung der Interessenallianz
Auch wenn Premierminister Erdogan – wohl unter amerikanischem Druck – öffentlich die Anwendung militärischer Gewalt ausgeschlossen hat , bleibt die Lage angespannt. Durch eine breite Streuung unter Firmen, die aller Wahrscheinlichkeit nach vor allem aus Ländern kommen werden, die zu den ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates gehören, wird die Republik Zypern wohl versuchen, eine möglichst breite Interessen- und Abschreckungsallianz gegen die türkische Seite zu schaffen.
In diesen Kontext gehört auch eine energie- und möglicherweise auch sicherheitspolitische Kooperation zwischen Zypern und Israel. Bei einem Besuch des israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu auf der Insel im Februar 2012 wurde eine energiepolitische Partnerschaft zwischen Israel und Zypern besiegelt. Beide Länder werden ihre Ressourcen gemeinsam entweder über Zypern nach Europa oder über Israel nach Asien exportieren. Dabei werden eine Gasverflüssigung, die den Transport über Tanker ermöglichen würde, oder eine Tiefseeskabelverbindung, die Strom direkt von Zypern und Israel nach Griechenland und von dort weiter nach Europa leiten würde, favorisiert. Im Vorfeld des Besuchs war in einigen griechisch-zypriotischen Kreisen und in israelischen Zeitungen über ein Sicherheitsbündnis mit Israel spekuliert worden. In diese Allianz könnte auch Griechenland eingebunden werden, das ohnehin mit der Republik Zypern in einem Verteidigungsbündnis steht und in der Ägäis mit der Türkei in einen ähnlichen Disput verwickelt ist. Zu einem derartigen Abkommen kam es bislang nicht, obgleich die griechisch-zypriotische Seite weiterhin versuchen wird, von Israel politischen und militärischen Beistand zu erhalten, um die Türkei von eigenen Aktionen in den fünf umstrittenen Blöcken 1 sowie 4-7 abzuhalten. Eine Nutzung der zypriotischen militärischen Infrastruktur zum Schutz der israelischen Interessen wird wohl zumindest erwogen, mit all den Implikationen, die eine enge Zusammenarbeit mit Jerusalem oder gar eine militärische Nutzung der Insel durch israelische Streitkräfte auf das traditionell gute Verhältnis der Republik Zypern mit den arabischen und islamischen Staaten der Region haben würde.
Während des israelischen Staatsbesuchs führte die Türkei ein Seemanöver mit scharfer Munition im zypriotischen Block 12 durch. Gleichzeitig drohte die Türkei, dass sie „alle notwendigen Maßnahmen“ ergreifen werde, um eine Öl- oder Gasförderung in den fünf von der Republik ausgeschriebenen Blöcken, die nach Ansicht Ankaras innerhalb des eigenen Kontinentalsockels liegen, zu verhindern (Cyprus Mail, Februar 2012).
Zypern und der israelisch-libanesische Disput
Die türkische Seite und die griechischen Zyprioten sind nicht die einzigen, die in der Region einen offenen Konflikt über die Rohstoffvorkommen austragen. Es existiert auch ein Disput zwischen dem Libanon und Israel über die genauen Grenzen ihrer exklusiven Wirtschaftszonen und ein Machtkampf zwischen den Palästinensern und Israel über Vorkommen vor Gaza (Lakes 2011).
Der Libanon begann erst 2010 mit den Vorbereitungen für die Ausbeutung der vermuteten Vorkommen vor der eigenen Küste. Dabei legte das libanesische Parlament eine südlichere Seegrenze mit Israel fest als die von Israel bestimmte Demarkationslinie. Dadurch entstand eine 850 Quadratkilometer große Zone, die von beiden Ländern beansprucht wird. Da Zypern den Vertag über die jeweiligen Wirtschaftszonen mit Israel bereits ratifiziert hat, kommt das einer zypriotischen Anerkennung der israelischen Demarkationslinie gleich. Daher versucht der Libanon, eine Änderung des bilateralen Abkommens mit Zypern von 2007 zu erreichen, das vom Parlament der Republik Zypern schon ratifiziert worden ist, aber noch nicht vom libanesischen. Im Juni 2011 beschwerte sich der libanesische Außenminister Adnan Mansur offiziell beim Generalsekretär der Vereinten Nationen und erklärte, dass es sich bei den Vereinbarung zwischen Zypern und Israel um eine „Verletzung der libanesischen Souveränität und ökonomischen Rechte“ handle, die „den Frieden und die Sicherheit in der Region gefährde“ (Lakes 2012).
Während israelische und libanesische Politiker wiederholt vor Bohrungen der anderen Seite in der umstrittenen Zone warnten, versuchte Beirut, Zypern zu einer Konferenz der drei Länder einzuladen, um den Disput beizulegen. Dies hätte die Insel aber nur tiefer in den Konflikt hineingezogen. Nikosia verweigerte sich erfolgreich und man kam überein, das Thema bilateral weiter zu diskutieren. Es gibt jedoch keine Chance, dass sich Zypern der libanesischen Sichtweise anschließen wird, da eine Anerkennung der libanesischen Ansprüche im Widerspruch zur bereits beidseitig ratifizierten Vereinbarung mit Israel stünde und die Beziehungen zwischen Israel und der Republik Zypern eine neue strategische Dimension angenommen haben. Da die zypriotische Wirtschaftzone von dem Disput nicht betroffen ist, wird sich die Insel wohl aus diesem Konflikt heraushalten können.
Ausblick
Im Laufe dieses Jahres werden auf Zypern die Weichen im Hinblick auf die Ausbeutung der Öl- und Gasvorkommen gestellt. Auf politischer Ebene wird entscheidend sein, wer die Lizenzen für die ausgeschriebenen zwölf Blöcke bekommt und inwieweit sich diese Lizenzen in politische Unterstützung in der Auseinandersetzung mit der Türkei und den türkischen Zyprioten umwandeln lassen. Israel und die Republik Zypern favorisieren zudem den etwa zehn Milliarden Euro teuren Bau einer Gasverflüssigungsanlage, die beide Länder im Unterschied zu einem Export über Pipelines unabhängig von regionalen Akteuren mache würde. Wer diese Anlage wo bauen, betreiben und kontrollieren wird, ist ebenfalls potentiell von politischer Bedeutung. Auch eine Tiefseekabelverbindung nach Griechenland würde sehr teuer werden. Eine Pipeline in und über die Türkei wäre die beste Option, ist aber ohne Lösung des Zypernproblems und eine Wiederannäherung Israels und der Türkei keine realistische Alternative. Und beides ist in näherer Zukunft unwahrscheinlich.
Sollten die Funde in den 13 Blöcken so reichhaltig ausfallen, wie von Nikosia erhofft, hätte das ohne Zweifel Auswirkungen auf die Machtbalance im östlichen Mittelmeer. Entscheidend wird sein, wie die äußerst selbstbewusste Regionalmacht Türkei mit der Situation umgeht. Ankara dürfte vor einem internationalen Gerichtshof bei den meisten Blöcken südlich von Zypern keine Chancen haben, da die Seerechtskonvention von 1982 mittlerweile gewohnheitsrechtlichen Charakter angenommen hat, und wird den Gang vor Gericht daher wohl scheuen. Da die Türkei aber die Seerechtskonvention nicht unterzeichnet hat, bleibt Verhandlungsspielraum im Norden und in den umstrittenen fünf Blöcken.
Rhetorisch hat sich Ankara so weit aus dem Fenster gelehnt, dass es schwierig sein wird, diesen Disput ohne Gesichtsverlust und eigene Aktionen unterhalb einer gefährlichen Schwelle zu halten. Dennoch bleibt eine bewaffnete Auseinandersetzung das unwahrscheinlichste Szenario, vor allem wenn hinter den Interessenten für die zwölf Blöcke politische und militärische Schwergewichte inklusive der USA stehen sollten; letztere sind ja durch Noble Energy bereits involviert. Die wahrscheinlicheren türkischen Reaktionen werden wohl gewaltfreier Art sein. Neben eigenen Bohrungen im Nordteil und in den nördlichen Gewässern der Insel sind vor allem ein Ende oder eine Aussetzung der Verhandlungen über eine Lösung des Zypernkonflikts und gleichzeitige verstärkte Bemühungen für eine internationale Anerkennung des Nordens zu erwarten. Unwahrscheinlich ist hingegen eine Annexion des Nordens durch die Türkei, die vom türkischen Europaminister Bagis für den Fall des Scheiterns der Verhandlungen zur Lösung des Zypernkonfliktes als Möglichkeit angekündigt wurde. Gefährlicher sind Gedankenspiele in Ankara, eigene Bohrungen in den fünf umstrittenen Feldern durchzuführen, oder auch – deutlich weniger wahrscheinlich – eine eigene Bohrung im Block 12. Es wird also entscheidend sein, ob die fünf umstrittenen Blöcke Interessenten finden und welche Länder wie stark hinter diesen Interessenten stehen. Bislang gibt es wohl vor allem von chinesischer Seite Angebote für einige der zwölf Blöcke. Für Russland, das traditionell als Interessenwahrer der griechischen Zyprioten innerhalb des UN-Sicherheitsrates fungiert, stellen die Funde im Mittelmeer eine unliebsame Konkurrenz und eine potentielle Schwächung der europäischen Abhängigkeit von russischem Öl und Gas dar. Daher ist auch von Bedeutung, wie sich Russland in diesem Konflikt positioniert und engagiert. Gleichzeitig könnte gerade die Abhängigkeit von Russland für die Europäer ein bedeutender Anreiz sein, in der Region die eigenen energiepolitischen Interessen zu wahren, was den griechischen Zyprioten in die Karten spielen könnte. Dies würde allerdings auch aus europäischer Sicht eine Lösung des Zypernproblems deutlich dringlicher machen, um eine Konfrontation mit der Türkei zu vermeiden.
Eine Chance für eine Lösung des Zypernproblems eröffnet sich wohl frühestens nach den zypriotischen Präsidentschaftswahlen im Februar 2013. Die derzeitigen, fast schon verzweifelten Versuche der Vereinten Nationen, das Zypernproblem vor der zypriotischen EU-Ratspräsidentschaft von Juli bis Dezember 2012 zu lösen, werden nicht zum Erfolg führen. Die Türkei hat bereits angekündigt, dann die offiziellen Kontakte zur EU – zumindest auf höherer Ebene – einzufrieren, was umgekehrt auch eine sechsmonatige Pause im ohnehin stockenden und derzeit eher aussichtslosen türkischen Beitrittsprozess zur EU bedeuten wird.
Der Konflikt um Öl und Gas und das Zypernproblem werden aller Wahrscheinlichkeit nach in den nächsten Jahren weitergehen. Dass dies zum bewaffneten Konflikt eskaliert, erscheint unwahrscheinlich – vor allem wenn es den USA gelingen sollte, die Situation unter Kontrolle zu halten. Dennoch sind erhebliche Spannungen vorprogrammiert, die immer ihre eigene Dynamik entwickeln können. Ob die Energiefunde vor Zypern den drei Konfliktparteien genug Anreiz bieten, den Konflikt in den nächsten Jahren mit einer »win-win-win«-Lösung für beide zypriotischen Volksgruppen und die Türkei beizulegen, ist die große Frage. Derzeit spricht wenig dafür.
Literatur
Akyel, Didem (2012): Hydrocarbons in the Eastern Mediterranen and Turkey’s Position. In: Faustmann, Hubert; Gurel, Ayla; Reichenberg, Greg (Hrsg.) (in Vorbereitung): The Hydrocarbon Wealth of Cyprus: Equitable Distribution and Regional Politics. Nicosia: Peace Research Institute Oslo/Friedrich Ebert Foundation
Faustmann, Hubert et.al., a.a.O.
Kaymak, Erol (2012): Wealth Sharing and Geopolitical Strategies: Excluding Hydrocarbons from Cyprus Settlement Negotiations. In: Faustmann, Hubert et.al., a.a.O.
Lakes, Gary (2011): Energy Prospects for East Mediterranean. Unveröffentlichter Vortrag im Rahmen der Reihe »ERPIC Round Table«, 8.3.2011.
Lakes, Gary (2012): Lebanon: Efforts to Establish a Hydrocarbon Sector. In: Faustmann, Hubert et.al., a.a.O.
Leventis, Yiorghos (2012): Projecting for Control of Warm Waters. Turkey’s Posturing for Hydrocarbon Hegemony in the Eastern Mediterranean. In: Faustmann, Hubert et.al., a.a.O.
Sezer, Sema (2008): Greek Oil Exploration Licenses and Economic Zone Agreements in Eastern Mediterranean. Vortrag gehalten auf der »International Conference on Middle East and North Cyprus Relations: Perspectives in Political, Economic and Strategic Issues«, Famagusta,/Zypern, 20.-21. März 2008.
Shaffer, Brenda (2011): Israel – New Natural Gas Producer in the Mediterranean. In: Energy Policy, Nr. 39, S.5379-5387.
Tukey ramps up sabre rattling over exploration. The Cyprus Mail, 17.2.2012
Landmark visit all about the gas. The Cyprus Mail, 17.2.2012
En route to a natural gas army. Haaretz, 20.2.2012
Hubert Faustmann ist Professor für Politik und Geschichte an der Universität von Nikosia/Zypern.