Österreich – Außenseiter oder EU- und NATO-kompatibel?
von Peter Strutynski
Die Mehrheit der europäischen Regierungen gibt sich empört über die neue österreichische Regierung. Ein ÖVP-Regierungschef, abhängig von einer FPÖ, deren »starker Mann« schon mal die Verbrechen des Faschismus verharmlost, ausländer- und intellektuellenfeindliche Sprüche klopft und der mit der Charakterisierung als »Rechtspopulist« sicher noch gut bedient ist; ein konservativer Ministerpräsident, der mit der FPÖ-Regierungsbeteiligung möglicherweise zum Steigbügelhalter für einen Kanzlerkandidaten Haider wird; das hat zu heftigen Gegenreaktionen in der EU geführt. Hinter den Schlagzeilen über die diplomatische Isolierung droht allerdings die Auseinandersetzung über die Politik der schwarz-braunen Regierung Österreichs zu kurz zu geraten.
Peter Strutynski über die Außen- und Sicherheitspolitik der österreichischen Konservativen und das FPÖ-ÖVP-Regierungsprogramm.
Ist die Außen- und Sicherheitspolitik der österreichischen Konservativen in sich schlüssig oder richtet sie sich noch viel stärker als bei anderen Parteien nach der »Machbarkeit«, sprich nach dem Koalitionspartner? Welchen Bestand haben überhaupt Erklärungen der ÖVP? Fragen, die sich nicht nur stellen nach dem Regierungsbündnis mit der FPÖ – eine Variante, die vor der Wahl auf das Energischste bestritten wurde. Auch die Außen- und Sicherheitspolitik der Konservativen wirft diese Fragen auf. Noch vor nicht einmal einem Jahr – im Bündnis mit der SPÖ – stimmten die »Schwarzen« einer Verfassungsänderung zu, die Österreich zur atomfreien Zone erklärte, jetzt im Bündnis mit den »Blauen« (die doch ehrlicher »Braune« genannt werden sollten) schicken sie sich an, Österreichs Neutralität endgültig über Bord zu werfen.
Für ein »atomfreies« Österreich
Am 1. Juli wurde es verabschiedet, am 13. August ist es in Kraft getreten: das »Bundesverfassungsgesetz für ein atomfreies Österreich«. Danach dürfen in Österreich Atomwaffen weder „hergestellt, gelagert, transportiert, getestet oder verwendet“ werden, noch dürfen „Einrichtungen für die Stationierung von Atomwaffen“ geschaffen werden. Gleiches gilt für „Anlagen, die dem Zweck der Energiegewinnung durch Kernspaltung dienen“. Auch sie dürfen in Österreich nicht errichtet werden. Bereits bestehende Anlagen dürfen nicht in Betrieb genommen werden. Das Beförderungsverbot bezieht sich auf jedes spaltbare Material, es sei denn es dient ausschließlich der friedlichen Nutzung. Hierunter zählt das Verfassungsgesetz ausdrücklich nicht spaltbares Material „für Zwecke der Energiegewinnung“. Die Vorgeschichte zu diesem Gesetz ist mehr als 20 Jahre alt und kann hier nur angedeutet werden; 1978 fand in Österreich eine Volksabstimmung über das Atomkraftwerk in Zwentendorf statt, ein Siedewasserreaktor, der Anfang der 70er-Jahre von der deutschen KWU gebaut worden war. Eine knappe Mehrheit (51 %) sprach sich damals gegen eine Inbetriebnahme aus, was für die Regierung bindend war. Alle seitherigen Versuche von Energielobby und Industrie, Zwentendorf doch noch ans Netz zu holen, erledigten sich spätestens nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl 1986: Ein Atomkraftwerk war in der österreichischen Bevölkerung nicht mehr durchsetzbar.
Gewissermaßen als »Ausgleich« für dieses Zugeständnis an die öffentliche Meinung wollten die Konservativen in den 90er Jahren auf einem anderen Feld Boden gewinnen: Die alte und neue (Mit-) Regierungspartei ÖVP begann sich für einen Eintritt in die NATO stark zu machen und damit einen wesentlichen Verfassungsgrundsatz Österreichs, den der »immerwährenden Neutralität«, in Frage zu stellen. Eine Mitgliedschaft in der NATO hieße gleichzeitig das Land für deren nukleare Optionen zu öffnen. Vor diesem Hintergrund kam noch vor dem eigentlichen Wahlkampf 1999 auf Initiative der SPÖ und unterstützt von den entschieden neutralistischen Grünen der Bundesverfassungsgesetzentwurf für ein atomfreies Österreich in das Parlament. Objektiv ist mit dessen Verabschiedung auch der Umwelt- und Friedensbewegung der Alpenrepublik ein historischer Sieg gelungen. Kritische Stimmen argwöhnen indessen, dass die Atomfreiheit von den Konservativen künftig als Beruhigungspille benutzt werden wird um der Bevölkerung einen NATO-Beitritt doch noch schmackhaft zu machen.
Hierzu passt, dass der Nationalrat eine weitere Verfassungsänderung beschlossen hat, mit der Österreich die Teilnahme an der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union gemäß dem Amsterdamer Vertrag ermöglicht werden soll. Nach dem neuen Verfassungsartikel 23f, der seit dem 1. Mai 1999 in Kraft ist, kann der österreichische Bundeskanzler im »Einvernehmen« mit seinem Außenminister bei Beschlüssen der EU »betreffend friedenserhaltende Aufgaben sowie Kampfeinsätze bei der Krisenbewältigung einschließlich friedensschaffender Maßnahmen« das Stimmrecht ausüben. Die österreichische Friedensbewegung spricht von einem »Kriegsermächtigungsartikel«.
Die Koalitionsvereinbarung vom Februar 2000
Dieser Kampf wird in dem nun rauher werdenden innenpolitischen Klima härter werden. Die Koalitionsvereinbarung zwischen ÖVP und FPÖ benennt die Bruchlinien, aber auch die Kontinuitäten zur bisherigen Außen- und Sicherheitspolitik. Während in der Öffentlichkeit des Auslands vorwiegend Befürchtungen hinsichtlich der österreichischen Innenpolitik geäußert werden (insbesondere die Kultur- und Fremdenfeindlichkeit), legt die Wiener Regierung Wert auf ein europafreundliches außenpolitisches Profil. So befasst sich das erste Kapitel im Koalitionsvertrag mit der Außen- und Europapolitik, erst sehr weit hinten folgen die Kapitel »Sicherheitspolitik« und »Bundesheer«.
Die Regierung tritt für ein „gemeinsames Europa“ ein und bekennt sich „ausdrücklich zu den allen Mitgliedsstaaten der EU gemeinsamen Grundsätzen der Freiheit, der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit.“ (S. 2) „Die Bundesregierung bekennt sich zum zügigen Aufbau einer europäischen Friedens-, Sicherheits- und Verteidigungsgemeinschaft.“
Weiter plädiert die neue Regierung für die Erweiterung der EU. Dadurch werde sich der „Friedens- und Stabilitätsraum auf dem europäischen Kontinent ausweiten.“ Die Erweiterung der EU werde sich „durch eine engere, wirksamere Zusammenarbeit in der GASP auch international für Friedens- und Konfliktlösung fühlbar auswirken. Sie liegt daher vor allem wegen dieses Friedens- und Stabilitätszuwachses im Interesse Österreichs, das schon bisher wirtschaftliche Vorteile aus der Entstehung und Öffnung neuer Marktwirtschaften in seiner Nachbarschaft gezogen hat.“
Nach diesem grundsätzlichen Bekenntnis werden anschließend aber Vorbehalte formuliert, etwa wegen der „beträchtlichen Einkommensunterschiede zwischen Österreich und den Beitrittskandidaten.“ Es werden „Übergangsregelungen bei den Kapiteln »Personenfreizügigkeit« und »Dienstleistungsverkehr« zur Sicherung des österreichischen Arbeitsmarktes“ für „notwendig“ erachtet. (S. 3) Mit anderen Worten: die ökonomischen Vorteile aus der Erweiterung des Gemeinsamen Marktes sollen genossen, gleichzeitig aber der Arbeitsmarkt abgeschottet werden.
Die Beschränkung der »Personenfreizügigkeit« bezieht sich natürlich auch auf die Abwehr unliebsamer Asylsuchender von außerhalb der EU. So heißt es auf Seite 3: „Im Interesse der inneren Sicherheit Österreichs bilden eine effiziente (Außen)Grenzsicherung und die Fähigkeit zur Übernahme der mit dem Schengen-System verbundenen Standards und Regelungen die Voraussetzungen für einen Beitritt.“
Die Regierung plädiert für die Ausdehnung von Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit auf „geeignete Bereiche.“ Ausgenommen von Mehrheitsentscheidungen sollen z.B. bleiben „Rechtsakte mit konstitutionellem Charakter, Rechtsakte, die der nationalen Ratifizierung bedürfen, Ausnahmen zum Binnenmarkt und der Eigenmittelbeschluss sowie besonders sensible Fragen, wie z.B. Wasserressourcen, Raumordnung, Bodennutzung und Wahl des Energieträgers“ (S. 4). In Sachen Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik gelten solche Vorbehalte also nicht. Dies entspricht durchaus der Haltung der deutschen Bundesregierung, die in der GASP zu Mehrheitsbeschlüssen kommen möchte.
Dass die neue österreichische Regierung von der EU eine „erhöhte Wirksamkeit außenpolitischer Aktivitäten im weltweiten Rahmen“ erwartet, und zwar ausgerechnet in Sachen „Menschen- und Minderheitenrechte“ (S. 4), klingt angesichts der fremdenfeindlichen Äußerungen Haiders wenig glaubwürdig und wird vollends fragwürdig, wenn im gleichen Atemzug davon gesprochen wird, „die Anliegen und Interessen der altösterreichischen Minderheiten im Ausland zu fördern“ (S. 4). »Altösterreichische« Minderheiten lassen sich bei Bedarf in zahlreichen mittel-osteuropäischen Ländern, auf dem Balkan und in Italien (neben Südtirol auch Friaul) ausfindig machen und gegebenenfalls auch mobilisieren.
Im Abschnitt »Sicherheit« (S. 99ff) tritt die Regierung für eine „effektive EU-geführte Krisenbewältigung“ ein, „die es der Union im Einklang mit den Grundsätzen der Satzung der Vereinten Nationen ermöglicht, ihren Beitrag zum Frieden und zur internationalen Sicherheit zu leisten. Ziel ist eine europäische Friedens-, Sicherheits- und Verteidigungsgemeinschaft, an der Österreich und die anderen EU-Mitgliedsstaaten mit gleichen Rechten und Pflichten teilhaben“ (S. 99).
Die weiteren Punkte lesen sich fast wie die rot-grüne Koalitionsvereinbarung vom Oktober 1998: „Österreich wird sich dafür einsetzen, dass diese europäische Friedens-, Sicherheits- und Verteidigungsgemeinschaft
- über effiziente gemeinsame Entscheidungsstrukturen verfügt, an denen alle EU-Mitgliedsstaaten voll und gleichberechtigt mitwirken können,
- auf glaubwürdige (nationale und multinationale) europäische, zivile und militärische Kapazitäten zurückgreifen kann,
- durch eine intensive europäische Kooperation im Bereich der Rüstungsindustrie gekennzeichnet ist und
- der zivilen Kofliktverhütung und den nicht-militärischen Aspekten der Krisenbewältigung ebenso Bedeutung beimisst wie der militärischen Krisenbewältigung“
(S. 99)
Außerdem wird für eine „Beistandsgarantie zwischen den EU-Staaten“ plädiert, „d.h. dass im Falle eines bewaffneten Angriffes auf ein Mitglied die anderen EU-Staaten im Einklang mit den Bestimmungen des Artikels 51 der Satzung der Vereinten Nationen alle in ihrer Macht stehende militärische und sonstige Hilfe und Unterstützung leisten.“
Dies wäre in der Tat gleichbedeutend mit der Umwandlung der EU in einen Militärpakt – genau das, was andere EU-Staaten, die Bundesrepublik eingeschlossen, durchaus auch anstreben. Für Österreich ist das aber nicht ganz so einfach, weil hier immer noch die Verfassung gilt, wonach das Land zur »immerwährenden Neutralität« verpflichtet ist. Diese Verpflichtung aus dem Bundesverfassungsgesetz von 1955 soll nach dem Willen der Wiener Koalitionäre auf eine sanfte Art aufgehoben werden. Diese sieht wie folgt aus:
„Im Falle einer Weiterentwicklung der österreichischen Außen- und Sicherheitspolitik im Sinne der vorstehend genannten Überlegungen soll durch eine Novellierung des Bundesverfassungsgesetzes über die Neutralität klargestellt werden, dass dieses auf die aktive und solidarische Mitwirkung Österreichs an der Weiterentwicklung der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Union und auf die Beteiligung an einer europäischen Friedens-, Sicherheits- und Verteidigungsgemeinschaft mit gleichen Rechten und Pflichten, einschließlich einer Beistandsgarantie, keine Anwendung findet.“ (S. 99)
So möchte man das dem österreichischen Publikum verkaufen: Die Neutralität wird nicht abgeschafft, sie findet nur „keine Anwendung“!
Mit zwei weiteren »Klarstellungen« will die schwarz-braune Regierung für innenpolitische Ruhe sorgen:
- „Die Bundesregierung wird sich in den internationalen Beziehungen an den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen zur Aufrechterhaltung des Weltfriedens ausrichten und sicherstellen, dass österreichische Soldaten für Aufgaben der Landesverteidigung sowie für Operationen zur Erhaltung und Durchsetzung des Friedens im Rahmen des europäischen Sicherheitssystems, aber nicht für Angriffskriege, eingesetzt werden können und dass auf österreichischem Territorium auch künftig keine Atomwaffen stationiert werden.“ (S. 99f)
- „Es besteht Übereinstimmung, dass eine solche Änderung der österreichischen Sicherheitspolitik nicht ohne Zustimmung der österreichischen Bevölkerung (Volksabstimmung) stattfinden wird.“(S. 100)
Annäherung an die NATO
Ein weiterer Passus verdient Aufmerksamkeit, weil in ihm zwar nicht eine Mitgliedschaft in der NATO angestrebt wird (dies dürfte zur Zeit noch nicht mehrheitsfähig in Österreich sein), aber doch erste Weichen für ein neues Verhältnis zur NATO gestellt werden sollen:
- „Angesichts des Umstandes, dass die europäische und die transatlantische Sicherheit auf das Engste miteinander verknüpft sind, wird sich Österreich für umfassende institutionelle Beziehungen und eine effektive Kooperation zwischen der Europäischen Union und der NATO einsetzen. Österreich wird seine engen Beziehungen zur NATO weiterentwickeln, wie es den Erfordernissen seiner Sicherheit und seiner vollen und gleichberechtigten Teilnahme an der europäischen Sicherheitsarchitektur entspricht. Die Option einer späteren Mitgliedschaft wird eröffnet.
- In diesem Zusammenhang wird Österreich mit der NATO auch in den »intensivierten Dialog« eintreten, ohne hierdurch die endgültige Entscheidung über sein künftiges Verhältnis zur NATO vorwegzunehmen.
- Auf der Grundlage dieses Dialogs wird die Bundesregierung insbesondere auch prüfen, ob Österreich von den Möglichkeiten des (von der NATO für interessierte PfP-Länder angebotenen) »Membership Action Plan« Gebrauch machen soll.“ (S. 100)
Im Anschluss an diese doch recht eindeutige NATO-Beitrittsoption (ein lang gehegter Wunsch der ÖVP) formuliert die Koalitionsvereinbarung noch eine Reihe institutioneller Vorkehrungen, die getroffen werden müssen um Österreich am Prozess der GASP gleichberechtigt teilnehmen zu lassen. Österreich will sich u.a. beteiligen
- an einem „künftigen EU-Militärstab“,
- an den »Institutionen der industriellen europäischen Rüstungszusammenarbeit«
(S. 100), - „an künftigen multinationalen Verbänden des europäischen Krisenmanagement, etwa an einem für diese Zwecke neu geschaffenen oder umgestalteten Euro-Korps“ (S. 101).
- „Österreich wird sich auch an der entstehenden europäischen Rüstungskooperation und den gemeinsamen Bemühungen zur Stärkung der industriellen Basis der europäischen Verteidigung in vollem Umfang beteiligen. Auch unter diesem Gesichtspunkt wird das Kriegsmaterialgesetz entsprechend anzupassen sein. Österreich wird die Einladung annehmen, der Westeuropäischen Rüstungsgruppe (WEAG) als Vollmitglied beizutreten.“ (S. 101)
Entsprechend der oben erläuterten außen- und sicherheitspolitischen Vorgaben werden fünf militärische Ziele für das österreichische Bundesheer formuliert: (S. 103)
- „Die militärische Landesverteidigung ist ein wesentliches und unverzichtbares Element um Österreich und seinen Bürgern Frieden, Freiheit, Sicherheit und Stabilität zu gewährleisten.
- Die Bundesregierung wird daher alles daran setzen um die Leistungsfähigkeit des Bundesheeres weiter anzuheben und den Stellenwert in der Gesellschaft zu stärken.
- In Zukunft werden neben den territorialen Verteidigungsaufgaben internationale Solidaritätsleistungen, Katastrophenhilfe sowie Assistenzleistungen des Bundesheeres (z.B. zur Grenzsicherung) im Vordergrund stehen.
- Das Bundesheer muss für alle diese Aufgaben, einschließlich der Teilnahme am gesamten Spektrum des europäischen Krisenmanagements (Petersberg-Aufgaben), der Stabilitäts- und europäischen Beistandsaufgaben, vorbereitet werden.
- Dies schließt die Teilnahme an multinationalen Verbänden für Aktionen des internationalen Krisenmanagements »Eurokorps« ebenso ein wie eine Beteiligung an den entstehenden militärischen Strukturen der EU.“
Mit den konkreten Umgestaltungsmaßnahmen des Heeres wird unverzüglich begonnen. So sollen die »vorbereitenden Einheiten« (VORAN) zur Wahrnehmung des vollen Spektrums der Petersberg-Aufgaben und der Teilnahme an multinationalen Verbänden »umgestaltet« werden.
Vorbereitet wird die „Umgestaltung des Bundesheeres zu einem Freiwilligenheer mit einer starken Milizkomponente“ (S. 103). Auch Frauen soll der Zugang zum Bundesheer eröffnet werden, aber nur »zur Milizlaufbahn«.
Die neue österreichische Regierung spricht sich für die „schrittweise Anhebung des Verteidigungsbudgets“ aus sowie für die Überprüfung der »Verteidigungsdoktrin«, was nur folgerichtig ist, denn wenn die o.g. neuen Aufgaben und Bündnisverpflichtungen übernommen werden sollen, ergibt sich schon von selbst eine neue Militärdoktrin.
Fazit
Österreich ist drauf und dran, seine Rolle als militärisch zurückhaltender Kleinstaat mit großer diplomatischer Bedeutung in der Welt sowie als neutraler Mittler zwischen West und Ost zu verspielen. Doch ein solcher außen- und sicherheitspolitischer Schwenk der österreichischen Regierung ist für das übrige EU-Europa – und auch für die deutsche Bundesregierung – nichts Alarmierendes. Die Militarisierung der EU ist Programm der europäischen NATO-Mitglieder. In diesem Punkte ziehen also die schwarz-braune Regierung Österreichs und die großen EU-Staaten an einem Strang.
Die gereizten Reaktionen in EU-Europa auf die Regierungsbeteiligung der Haider-Partei sind also weniger außen- und sicherheitspolitisch begründet als vielmehr mit der Angst der etablierten Parteien vor rechtspopulistischen Strömungen. Möglicherweise geht es aber auch noch um etwas anderes: Frankreich und die Bundesrepublik wollen in der EU auch in Bezug auf die Gemeinsame Außen-und Sicherheitspolitik das Mehrheitsprinzip einführen. Was eignet sich da besser als die drohende Vorstellung, ein Veto des Schmuddelkindes Österreich könne Entscheidungsprozesse verhindern.
Die Kritik an Haiders großmäuligem Nationalismus und Fremdenhass ist berechtigt und notwendig, doch die »Friedensbewegten« dürfen sich dadurch nicht die Sicht verstellen lassen auf die Großmachtpolitik der anderen EU-Staaten. Sonst könnten sie in nicht allzu ferner Zukunft erleben wie die herrschende EU-Außen- und Sicherheitspolitik ihre Arrangements mit Wien trifft und die Friedens- und NeutralitätsfreundInnen in Österreich eine wichtige »Schlacht« verlieren und die Militarisierung Europas weiter voran schreitet.
Dr. Peter Strutynski arbeitet an der
GH Kassel und ist Sprecher des »Bundesausschusses Friedensratschlag«.