Vor einem Jahr, am 24. März 1999 startete die NATO ihren Luftkrieg gegen Jugoslawien. Sie startete, ohne vorher die zivilen internationalen Institutionen ausreichend in eine Lösungssuche für den existierenden Konflikt einzubeziehen, sie bombardierte ohne internationales Mandat. Über die wahren Gründe für diesen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gibt es bis heute viele Diskussionen und Spekulationen. Dass die vorgegebenen »humanitären Aspekte« für den Krieg nicht die ausschlaggebenden – auf gar keinem Fall aber die einzigen – waren, wurde bereits nach wenigen Tagen sichtbar, als in Folge des Krieges das Elend unter der zu schützen vorgegebenen Zivilbevölkerung wuchs und die Flüchtlingszahlen explodierten.
»Freiwilliger Waffendienst«: Gleiches Recht auf Unrecht
Der Anti-Diskriminierungsausschuss der UN rügte vor einigen Tagen die Tatsache, dass Frauen in Deutschland nach wie vor in vielen Bereichen diskriminiert werden: Sie erhalten nur 77 Prozent des Durchschnittsverdienstes von Männern, haben mehr als 90 Prozent der prekären und unzureichend bezahlten Teilzeitjobs inne und, obwohl mehr Frauen als Männer ein Studium beginnen, besetzen sie nur neun Prozent aller ProfessorInnenstellen. 94 Prozent der höchstdotierten Posten in Wirtschaft und Wissenschaft sind von Männern besetzt. An dieser Situation hat sich seit zehn Jahren kaum etwas geändert.
Bundeswehr beschenkt Albanien
Die Bundeswehr hat dem albanischen Militär Ausrüstung im Wert von rund 7 Millionen DM geschenkt. Wie das Tiraner Verteidigungsministerium mitteilte, erhielt Albanien im Januar unter anderem mehr als 50 Militärfahrzeuge und 202 Tonnen logistische Ausrüstung, darunter Funkgeräte, Schlafsäcke und Kleidung. Nach einer Mitteilung der Frankfurter Rundschau vom 31.01.2000 handelte es sich dabei um die größte deutsche Spende seit Jahren.
Fjodor Tjutschew ist keineswegs allein mit dem berühmten Zitat in die Geschichte eingegangen, dass man Russland nicht verstehen, sondern nur an Russland glauben könne. Schon 1844 gelangte er zu der heute nicht minder aktuellen Erkenntnis: „Über Russland wird viel gesprochen, heutzutage ruft es eine wache und besorgte Neugier hervor, es ist offensichtlich zu einer der größten Sorgen unseres Jahrhunderts geworden, doch diese Sorge ist so verschieden von den anderen, dass sie eher bedrückt denn erregt.“1 Es ist offenbar gleichgültig, in welchem politischen Aggregatzustand sich Russland befindet, ob es in zaristisch-imperialer, marxistisch-leninistischer oder oligarchisch-demokratischer Verkleidung daher kommt, die Sorgen bleiben die gleichen.
Der Machtwechsel im Kreml und der Krieg in Tschetschenien haben andere Ereignisse im postsowjetischen Raum beinah vollkommen verdrängt. Das Kürzel »GUS« (Gemeinschaft Unabhängiger Staaten) sagt der westlichen Öffentlichkeit nach wie vor sehr wenig. Unterdessen zeichnen sich Tendenzen auf dem Territorium der ehemaligen Sowjetunion ab, die zur Neugestaltung des postsowjetischen Raums führen.
Um die gegenwärtige Situation des russischen militärisch-industriellen Komplexes – in der russischen Abkürzung VPK – zu verstehen, ist ein kurzer Rückblick auf den sowjetischen VPK und seine Rolle im innergesellschaftlichen Kräftespiel notwendig. Im Hinblick auf sein Verhältnis zu den Rüstungsindustrien in den führenden westlichen Industriestaaten ist die außerordentliche Beschleunigung des Innovationstempos in zivilen Sektoren von großer Bedeutung, das inzwischen auch die Entwicklung der meisten militärischen Systeme bestimmt. Denn das Dilemma des sowjetischen VPK bestand darin, daß er keine Verbindung zur globalen Dynamik ziviler Innovation hatte. Die zahlreichen technologischen Spitzenleistungen des VPK, z.B. in der Weltraumforschung, können nicht darüber hinweg täuschen, daß die Isolation der Sowjetunion von der Dynamik des zivilen Weltmarktes dazu geführt hat, daß man industriell das Zeitalter der Informationstechnologien verpasst hat. Wegen der nach wie vor weitgehend chaotischen Verhältnisse in der russischen Volkswirtschaft hat sich bis heute, trotz der prinzipiellen Verfügbarkeit hervorragend ausgebildeten wissenschaftlichen Personals, daran wenig geändert.
Seit Ende der Achtzigerjahre laufen die Versuche zur Reform des Rüstungskomplexes in Russland. Doch in dieser Zeit hören wir vor allem von Krise, Produktionsrückgang, erfolgloser Konversion und gefährlichen sozialen Spannungen. Selten kann über Erfolge in einzelnen Branchen oder Unternehmen berichtet werrden, etwa von »Seestart« (Morskoi Start), einem internationalen Projekt zum Start kommerzieller Satelliten von einer schwimmenden Plattform. Ansonsten ein trostloses Bild: Skandale, scharfe Konkurrenz in eng begrenzten Marktnischen, der Kampf um die Umverteilung des Eigentums und die Kontrolle von Finanzquellen der Exportgesellschaften dominieren in den Neuigkeiten über den Zustand des Rüstungskomplexes. Und am Ende der 90er-Jahre geben die Ereignisse – sowohl die politischen als auch die wirtschaftlichen – Grund zur Annahme, dass die reale Lage der Dinge bei weitem noch komplizierter und uneindeutiger ist als bisher angenommen wurde.
Die Notwendigkeit einer Reformierung des gigantischen russischen Militärapparats wurde bereits zu tiefsten Sowjetzeiten erkannt, seit dem Beginn der Perestroika heftig diskutiert, dann aber auf Grund der chaotischen Zustände im Lande und eines sich rasch verändernden politischen Umfelds – mehr von der Not getrieben, als von einem klaren Konzept – mal zögerlich, mal sprunghaft in die Tat umgesetzt. Der Hauptwiderspruch aller Reformbemühungen besteht von Anfang an in der Tatsache, dass sich Russland keine Riesenarmee mehr leisten will, dem Staat aber die Mittel für eine ausgewogene und planvolle Reform fehlen.
„Russland senkt Schwelle für den Einsatz von Atomwaffen“ meldete die französische Nachrichtenagentur afp am 14. Januar. Kaum im Amt hatte Vladimir Putin eine neue »Konzeption der nationalen Sicherheit« in Kraft gesetzt. Das Papier, so viele westliche Beobachter, erlaube nicht nur den auch von der NATO offen gehaltenen Ersteinsatz nuklearer Waffen, sondern lasse erkennen, daß Moskau angesichts der Schwäche seiner konventionellen Streitkräfte davon ausgehe, Atomwaffen künftig früher einsetzen zu müssen. Russland auf den Spuren der NATO, auf zu einer russischen Variante der Strategie der flexiblen Antwort, mit der die NATO den Kalten Krieg überwinterte? Neuer Grund zu westlicher Vorsicht?Otfried Nassauer über die neue Rolle der Atomwaffen in der russischen Sichewrheitspolitik.
Von einem »Klimawandel« zwischen Moskau und Washington ist die Rede, von einer politischen »Frostperiode« der bilateralen Beziehungen, von einem »Kalten Frieden«, der in einen neuen »Kalten Krieg« umschlagen könne. Dabei schien Russland der Berliner Zeitung noch zu Beginn des Jahres 1999 kein ernst zunehmender Machtfaktor in der internationalen Politik mehr zu sein:„Es ist unübersehbar: die »Bill-und-Boris-Ära« ist vorbei, Russland hat für die amerikanische Außenpolitik keine Priorität mehr. Ökonomisch hat man in Washington den einstigen Rivalen... abgeschrieben. Politisch ist Russland bereits seit Monaten praktisch gelähmt, sein internationaler Spielraum ist stark eingeengt. Und militärisch hat das Land nach Einschätzung von Sicherheitsexperten nicht einmal mehr die Fähigkeit, einen Nachbarstaat von der Größe Finnlands oder Schwedens zu besetzen.“1 Doch das war vor dem Kosovo-Krieg und vor dem Beginn des zweiten Tschetschenienkrieges. Seitdem ist der »russische Bär« auf die Weltbühne zurückgekehrt, die Register seiner ihm noch verbliebenen Macht ziehend. Jürgen Scheffran über innere und äußere Gründe für den russischen Positionswechsel.
Seit Anfang Juli 1999 haben sich die Kampfhandlungen im Konflikt um das zur Russischen Föderation gehörende Tschetschenien derart verdichtet, dass sie die Kriegsschwelle überschritten haben. Eine Vielzahl von Bombenanschlägen, denen im Laufe des letzten Jahres in verschiedenen russischen Republiken mehr als 350 ZivilistInnen zum Opfer gefallen waren, hatten den Konflikt bereits vorher wieder in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses in Russland wie in den westlichen Industrienationen rücken lassen. Trotz fehlender Fahndungserfolge wurden die Anschläge von der russischen Regierung tschetschenischen Attentätern angelastet. Mit der am 1. Oktober begonnenen Bodenoffensive der russischen Truppen eskalierte der Tschetschenienkonflikt endgültig, drei Jahre nachdem er 1996 eine vorläufige Beendigung gefunden hatte, ohne allerdings jemals politisch tragfähig beigelegt worden zu sein. Marc Schlaphoff von der Hamburger »Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung« analysiert die letzten Jahre des »Tschetschenienkonflikts«.
Jahrzehnte lang wurden weltweit nukleare Sprengköpfe und Reaktoren produziert ohne dass man wusste, wie ausgedientes nukleares Material sicher entsorgt werden kann. Erklärt wurde dies in Ost und West mit der Logik des Kalten Krieges. Nuklearsektoren unterlagen absoluter Geheimhaltung und waren öffentlicher Kritik und Kontrolle vollständig entzogen. Die Risiken kannte man nicht genau und dementsprechend unzureichend waren vielerorts die Sicherheitsstandards, wenn es sie überhaupt gab. Zu den Regionen, die von den Folgen dieser Politik besonders stark betroffen sind, zählt die Kola-Halbinsel in Nordwestrussland. Wiederholt wies der Euro-Arktische Barentsrat (BEAC) daraufhin, dass die nukleare (Un-)Sicherheit und der radioaktive Müll in Nordwestrussland ein wachsendes Umwelt- und Sicherheitsproblem darstellen.
Alexandr Nikitin, ehemaliger Kapitän eines Atom-U-Bootes und Chefinspektor für die atomare Sicherheit bei der russischen Marine, kannte die Praktiken des Verteidigungsministeriums im Umgang mit Atommüll und machte sie öffentlich. Das bezahlte er mit 10 Monaten Gefängnis, Einzelhaft und acht Prozessen innerhalb von vier Jahren. Als er am 29. Dezember letzten Jahres überraschend freigesprochen wurde hatten ihn Haft und Verfolgung schwer gezeichnet. Antje Bultmann berichtet über die Arbeit des »Whistleblowers« und die Verfolgung.
Der NATO-Krieg gegen Jugoslawien zwischen Interessen und Moral
„Es entsteht eine neuartige, postnationale Politik des militärischen Humanismus – des Einsatzes transnationaler Militärmacht mit dem Ziel, der Beachtung der Menschenrechte über nationale Grenzen hinweg Geltung zu verschaffen. ... Und Krieg wird zur Fortsetzung der Moral mit anderen Mitteln.“ Die These des bekannten Soziologen Ulrich Beck illustriert exemplarisch das grundlegende Legitimationsmuster, mit dem der 79-tägige Luftkrieg der NATO gegen Jugoslawien begründet worden war: Als ein Krieg – manche sprechen gar von einem Kreuzzug – im Namen der Menschenrechte gegen eine Macht des Bösen, einen »Schurkenstaat« laut der von der atlantischen Hegemonialmacht präferierten Terminologie. Aber hat hier tatsächlich nichts weiter stattgefunden als ein ausschließlich aus moralischen Erwägungen gespeister Interventionskrieg zur Verhinderung einer sogenannten »humanitären Katastrophe«, bei dem (nationale) Interessen angeblich keine Rolle gespielt haben sollen.
Die Mehrheit der europäischen Regierungen gibt sich empört über die neue österreichische Regierung. Ein ÖVP-Regierungschef, abhängig von einer FPÖ, deren »starker Mann« schon mal die Verbrechen des Faschismus verharmlost, ausländer- und intellektuellenfeindliche Sprüche klopft und der mit der Charakterisierung als »Rechtspopulist« sicher noch gut bedient ist; ein konservativer Ministerpräsident, der mit der FPÖ-Regierungsbeteiligung möglicherweise zum Steigbügelhalter für einen Kanzlerkandidaten Haider wird; das hat zu heftigen Gegenreaktionen in der EU geführt. Hinter den Schlagzeilen über die diplomatische Isolierung droht allerdings die Auseinandersetzung über die Politik der schwarz-braunen Regierung Österreichs zu kurz zu geraten.Peter Strutynski über die Außen- und Sicherheitspolitik der österreichischen Konservativen und das FPÖ-ÖVP-Regierungsprogramm.
Nach Jahren der politischen Ignoranz gegenüber der Friedensforschung liegt nun Frühlingsduft in der Luft: Am 20. Januar beschloss der Dt. Bundestag die Bundesregierung aufzufordern, eine Deutsche Stiftung für Friedensforschung zu gründen. Verschiedene Abstimmungsprozesse waren zwischenzeitlich durchlaufen worden: Nachdem im Forschungshaushalt 1999 bereits sechs Mio. DM für die Friedens- und Konfliktforschung eingestellt worden waren, wurden Ende August 11 Initiativgutachten in Auftrag gegeben um eine breite Expertise für die inhaltlichen und strukturellen Erfordernisse zur Förderung der Friedensforschung zu erhalten, im Oktober wurde die sogenannte Struktur- und Findungskommission berufen, die sich auf inhaltliche Leitlinien für die Arbeit der Stiftung in den nächsten fünf Jahren einigte. Im November beschloss der Haushaltsausschuss die finanziellen Voraussetzungen für das 50 Millionen DM umfassende Stiftungskapital schrittweise über drei Jahre zu schaffen. Im Januar folgte dann der o.g. Gründungsbeschluss des Bundestages und inzwischen gibt es auch einen mehrfach überarbeiteten Satzungsentwurf, der die Struktur und die Aufgaben der Stiftung regelt. Was fehlt ist nur noch die Benennung der Stiftungsgremien und dann kann es hoffentlich noch im Mai losgehen.
Die Interdisziplinäre Arbeitsgruppe Naturwissenschaft, Technik und Sicherheit (IANUS) an der TU Darmstadt ist am 9. März mit dem Göttinger Friedenspreis ausgezeichnet worden. Die Jury würdigt damit die innovativen Leistungen der Arbeitsgruppe auf dem Gebiet fächerübergreifender und praxisorientierter Friedenswissenschaft in der Bundesrepublik Deutschland: Mit IANUS „habe sich ein für die deutsche Wissenschaftslandschaft neuer und ungewöhnlicher Arbeitszusammenhang naturwissenschaftlich-technisch fundierter, militärkritischer Expertise etabliert.“