W&F 2010/3

Pressefotografie und Kriegs-Realität

Der Gaza-Krieg in FAZ und SZ

von Felix Koltermann

Wenn gewalttätige Konflikte zu Kriegen eskalieren, kommt der massenmedialen Berichterstattung eine wichtige Rolle zu. Dies gilt auch für den Gaza-Krieg, der zum Jahreswechsel 2008/09 über die Nachweihnachtszeit herein brach. Ein elementarer Teil der Berichterstattung war dabei die Pressefotografie. Um die stetige Bedeutungszunahme von Bildern und deren Allgegenwart in den Massenmedien zu beschreiben, ist heute viel vom sogenannten »Pictorial Turn« oder »Iconic Turn« die Rede. Im Fokus wissenschaftlicher Auseinandersetzungen stehen Bilder jedoch selten. Um diese Lücke zu füllen, wurden in einer Produktanalyse die Bildberichterstattung der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« (FAZ) und der »Süddeutschen Zeitung« (SZ) über den Gaza-Krieg miteinander verglichen. Der Untersuchung lag die Annahme zu Grunde, dass die Bildberichterstattung eine besondere Form der Wirklichkeitskonstruktion darstellt und mediumspezifische »Bilder« des Gaza-Kriegs zeichnet.

Seit Beginn massenmedialer Berichterstattung haben Bilder in den Printmedien die Funktion von Eye-Catchern. Sie lenken den Blick des Betrachters auf eine Publikation und sollen Interesse wecken. Dabei ist die Visualisierung in den Printmedien heute zu einem eigenen Nachrichtenfaktor geworden. Neu ist die Bedeutungszunahme von Bildern im letzten Jahrzehnt. In der Publikationspraxis zeigt sich dies unter anderem daran, dass sich von 2000 bis 2006 die mittlere Anzahl der Bilder pro Seite erhöht hat (vgl. Grittmann 2008: 227). Dazu kommt, dass einige Medien wie die FAZ dazu übergegangen sind, auch ihre Titelseite zu bebildern. Dies entspricht ganz entscheidend dem Konsumverhalten der Nutzer, wie eine Untersuchung von Müller zeigt. Sie weist nach, dass der Blick auf eine Zeitungsseite ganz entscheidend von Bildern geleitet wird und nur ein kleiner Teil der Betrachter einen Artikel komplett zu Ende liest (Müller 2001: 27).

Funktion von Bildern

Bildern muss in der wissenschaftlichen Analyse aufgrund der im vorhergehenden Absatz skizzierten Bedeutung eine verstärkte Aufmerksamkeit zukommen. Stärker als Text genießen sie beim Rezipienten einen Vertrauensvorschuss. Laut Leifert fungieren sie „[t]rotz aller berechtigter Zweifel (…) als Belege im Sinne von »es ist so gewesen« (…)“ (Leifert 2007: 247). Sie komprimieren die Realität1 und verdichten „Ausschnitte der Realität zu einem enträumlichten und entzeitlichten Gesamteindruck“ (Müller 2003: 86). Das entstandene Produkt kann laut Haller als versinnbildlichter Ausdruck dessen gelten, „was insgesamt das Geschehen ausmacht“ (Haller 2008: 276). Insbesondere bezogen auf die Darstellung von Kriegen und Konflikten haben Bilder nach Ansicht von Link die Funktion, maximale Authentizität herzustellen (vgl. Link 2000: 246). Sie suggerieren journalistische Objektivität und damit auch, dass ein Ereignis tatsächlich stattgefunden hat, und werden im Prozess der Bedeutungskonstruktion zur visuellen Evidenz für die geschriebene Geschichte (vgl. Woodward 2007: 12). Dabei können Bilder aufgrund ihrer technischen Beschränktheit sowie der Subjektivität des Fotografen immer nur einen Ausschnitt aus einem Geschehen zeigen.

Fotografie über Kriege

Die visuelle Kommunikationsforschung geht davon aus, dass „[n]ur Kriege, die massenmedial Bildzeugnisse hinterlassen, (…) Kriege [sind], die im Gedächtnis haften bleiben“ (Müller/Knieper 2005: 7). In der gesellschaftlichen Wahrnehmung haben Krisen und Kriege, über die nicht berichtet wird, scheinbar nicht stattgefunden, egal ob dort Menschen zu Tode kommen oder nicht (vgl. Zöllner 2007: 8). Das Besondere der Krisen- und Kriegsberichterstattung ist, dass dort meist über Regionen und Themen berichtet wird, die dem Betrachter und Rezipienten aus eigener Erfahrung unbekannt sind. Umso wichtiger sind Bilder, um Informationen plastisch zu machen. Problematisch ist, dass dem Betrachter das Korrektiv der »Primärerfahrung« fehlt, um die Bilder und Informationen einschätzen zu können. Das heißt, dass »Bilder« über Kriege und Konflikte, die wir in uns tragen, nicht auf eigenem Erleben, sondern auf medial vermittelten Bildern beruhen. Das Realgesicht des Krieges wird damit in der Wahrnehmung der Menschen nach Ansicht von Paul durch das „Deutungsgesicht“ des Krieges ersetzt (vgl. Paul 2004: 477).

Bilder und die Deutungshoheit über Konflikte

Die Berichterstattung ist dabei heute nicht mehr losgelöst vom eigentlichen Konflikt zu betrachten. Der Kampf um die Deutungshoheit des Konflikts wird allem voran in den Medien geführt. Die Art und Weise, wie Medien berichten, trägt zur Verbreitung und Verfestigung spezifischer Narrative bei. Dabei klaffen, insbesondere bezogen auf den Nahostkonflikt, die durch die Medien konstruierte Wirklichkeit des Konflikts und die Realität vor Ort meist auseinander (Dreßler 2008: 192). Die Kriegsparteien versuchen mal mehr, mal weniger strategisch geplant direkt oder indirekt Einfluss auf die Berichterstattung zu nehmen. Durch eine eigene Bildpolitik, die vor allem dadurch ausgeübt wird, dass der Zugang von Beobachtern zum Kampfgeschehen strategisch geregelt wird, beeinflussen die Kriegsparteien gezielt die öffentliche Wahrnehmung der Auseinandersetzung, sowohl auf nationaler wie internationaler Ebene. Insbesondere wenn es, wie im Gaza-Krieg, für Israel darum geht, die eigene Abschreckungsfähigkeit unter Beweis zu stellen, kommt dem medial vermittelten Bild dieser Fähigkeit eine entscheidende Rolle zu.

Untersuchungsmethode und Fallauswahl

Die Analyse der Bildberichterstattung bezieht sich auf Ansätze der visuellen Kommunikationsforschung. Laut Müller lassen sich primär drei Ebenen der Analyse visueller Produkte unterscheiden: die Produktionsanalyse, die Produktanalyse und die Wirkungsanalyse (vgl. Müller 2003: 13 ff.). Während die Produktionsanalyse den Entstehungsprozess analysiert und die Wirkungsanalyse Wahrnehmung und Rezeptionsformen untersucht, widmet sich die auch für diese Arbeit benutzte Produktanalyse dem veröffentlichten Material. Dabei werden die einzelnen Bilder nach bildimmanenten Kriterien untersucht. Einige Kriterien sind standardisiert, wie beispielsweise Form und Farbigkeit, andere müssen ausgehend vom Bildinhalt für den speziellen Untersuchungskontext neu gebildet werden. Die Medien-Auswahl fokussierte auf zwei Leitmedien der deutschen Qualitätspresse, die FAZ und die SZ, die stellvertretend für das konservative und das liberale Spektrum stehen. Für die vorliegende Analyse wurden alle Ausgaben der FAZ und der SZ untersucht, die zwischen dem 27. Dezember und 19. Januar erschienen.2 Die Untersuchung wurde im Online-Archiv durchgeführt. Das Ergebnis war ein Grundstock von 111 Bildern, von denen 34 auf die FAZ und 67 auf die SZ entfielen.

Ergebnisse der quantitativen Analyse

In einem ersten Schritt wurden die Bilder einer quantitativen Analyse unterzogen. Um die Relevanz der Bilder für die Untersuchungsmedien zu bestimmen, wurden die Bildanordnung und das Erscheinungsdatum im Medium untersucht. Bei der Bestimmung der Bildanordnung im Medium zeigte sich, dass mehr als 50% der Bilder in der FAZ wie in der SZ auf den ersten drei Seiten erschienen waren. Während die SZ hier die Rubriken »Thema des Tages« (auf der Seite 2 zu finden) und »Seite Drei« hat, gibt es bei der FAZ nur die Rubrik »Politik«. Ein Unterschied war bei der Bedeutung der Bilder für die Titelseite festzustellen. Während in der FAZ im Untersuchungszeitraum nur 9% der Bilder auf der Titelseite erschienen, waren es bei der SZ 13%. Der Blick auf das Erscheinungsdatum zeigte, dass außer an drei Tagen in der FAZ und einem Tag in der SZ an allen Tagen Bilder über den Krieg erschienen. Bezüglich der Häufung war jedoch ein Abflauen in der dritten Kriegswoche zu beobachten. Beim Blick auf die Farbigkeit bestätigte sich der allgemeine Trend in der journalistischen Fotografie weg von Schwarz/Weiß. Bei der SZ waren immerhin noch 24% der Bilder in Schwarz/Weiß, bei der FAZ nur 12%.

Zur Feststellung der Herkunft der Bilder und zur Bestimmung des Verhältnisses von Agentur-Bildern zu Material freier Fotografen wurden die Quellen der Bilder untersucht. Hier zeigte sich, dass die SZ auf ein breites Spektrum von insgesamt 14 verschiedenen Quellen zurückgreift. Die Agenturen Reuters und AP zeichnen für 21% bzw. 22% der Bilder verantwortlich, gefolgt von AFP und DPA (15% bzw. 16% der Bilder). Immerhin 4,5% der Bilder stammen von einer freien Fotografin. Bei der FAZ dagegen ist das Spektrum wesentlich schmaler. Die Bilder stammen nur aus 6 verschiedenen Quellen, mit einem Anteil von fast 41% der Bilder von Reuters, was die marktbeherrschende Position dieser Agentur bestätigt. Damit werden die Ergebnisse andere Untersuchungen bezüglich der Dominanz von Agentur-Material bestätigt. Bedenklich ist, dass der Name des Fotografen nicht genannt wird und der Betrachter somit die Herkunft des Bildes nicht zurückzuverfolgen kann.

Ergebnisse der qualitativen Analyse

Für die qualitative Analyse wurden die Bilder in die Kategorien Kleinportraits sowie situativ-journalistische Bilder aufgeteilt. Diese Einteilung wurde notwendig, da die Bilder zu unterschiedliche Charakteristika aufweisen, um sie in einer Kategorie zu fassen. Kleinportraits zeigen meist nur einen Akteur, sind ungefähr briefmarkengroß und können nur nach einem eingeschränkten Kriterienkatalog untersucht werden. Sie werden gerne dazu benutzt, um in Artikeln oder Kommentaren erwähnten Personen ein Gesicht zu geben. Bilder der Kategorie situativ-journalistisch zeigen dagegen eine größere Bandbreite von Situationen aus dem Umfeld des Krieges. Die weitere Analyse wird sich nur auf Bilder dieser Kategorie beziehen, zu der in der FAZ 30 Bilder und in der SZ 48 Bilder gehörten.

Nähe oder Distanz: Die Einstellungsgröße

Um herauszufinden, wie nah der Betrachter an die fotografierten Situationen herangeführt wird, wurden die Bilder nach vier verschiedenen Einstellungsgrößen untersucht. Dazu gehören die Großaufnahme, als kleinst-möglichem Ausschnitt aus einem Ganzen, die Nahaufnahme, die Halbtotale und die Totale als größtmögliche Übersicht über eine dargestellte Situation. Dabei zeigte sich, dass nur die SZ auf die Kategorie Großaufnahme zurückgreift und zwar in 4% der Bilder. Bei der FAZ lag der Schwerpunkt mit 46%, im Vergleich zu 25% der Bilder bei der SZ, auf der Totalen. Daraus lässt sich ableiten, dass die FAZ eher einen etwas zurückhaltenderen Blick auf das Geschehen hat, während die SZ den Betrachter näher heranführt. Die Kategorie Einstellungsgröße lässt sich gut mit der Kategorie Personen/Sachdominanz in Verbindung setzen. Hier wird versucht, die Bedeutung der Darstellung von Personen gegenüber einer rein gegenständlichen Darstellung ermessen zu können. Die Bandbreite reicht dabei von Personen ohne Raumansicht über Sachdominanz mit Personen bis zu rein gegenständlichen Bildern. Dabei zeigte sich, dass die SZ einen wesentlich stärkeren Fokus auf Personen ohne Raumansicht legt als die FAZ (19% der Bilder im Vergleich zu 3%). Die FAZ legt dagegen ein stärkeres Gewicht auf rein gegenständliche Bilder (17% der Bilder). Da rein gegenständliche Bilder weniger emotional sind als Personenabbildungen, verstärkt dies die Tendenz von mehr eingesetzten Totalen bei der FAZ und die Interpretation der Berichterstattung als zurückhaltend und distanziert.

Die geografische Einordnung

Zur geografischen Einordnung der dargestellten Orte wurden die Bildunterzeilen ausgewertet. Neben den für den Konflikt geografisch wichtigsten Regionen Israel, Gaza und Westbank wurden die beiden Cluster Naher Osten und Europa gebildet. Wenn in der Bildunterzeile keine Informationen vorhanden waren, wurden die Bilder als nicht klassifizierbar eingestuft. Hier zeigte sich die begrenzte Aussagefähigkeit der in der Bildunterzeile gegebenen Informationen, da eine genaue Zuordnung über die grobe geografische Einordnung hinaus meist nicht möglich war. Bei der SZ gab es einen etwas größeren Schwerpunkt auf Bilder aus dem Gazastreifen mit 44% im Vergleich zu 37% bei der FAZ, während der Anteil von Bildern aus Israel bei beiden untersuchten Medien ähnlich war. Erstaunlich war, dass fast 25% der Bilder in der FAZ Situationen im Nahen Osten oder Europa zeigten, während es in der SZ nur 10% waren. Nicht klassifizierbar waren in beiden Medien 10% der Bilder. Die geografische Präferenz bedeutet jedoch nicht automatisch eine inhaltliche Aussage. So zeigten viele Bilder aus dem Gazastreifen israelische Soldaten oder Panzer im Einsatz. Somit lassen sich hier allenfalls Tendenzen feststellen. Herauszuheben ist jedoch die Präferenz der FAZ für Bilder aus dem Nahen Osten und Europa.

Akteure im Bild

Um die geografischen und inhaltlichen Prioritäten auszuwerten, wurden neben der geografischen Einordnung auch die dargestellten Akteure bestimmt. Die Gruppen, die gebildet wurden, ergaben sich aus der sichtbaren Funktion der Akteure in den Bildern. Der Hauptunterschied lag zwischen zivilen und militärischen Akteuren. Diese Einteilung bedeutet nicht, dass auch immer Menschen dargestellt wurden. So stellt ein israelischer Panzer klar die israelische Armee als Akteur dar. Alle Akteure, die nicht klar durch ihr Aussehen oder die Bildinformationen als militärische Akteure gekennzeichnet waren, wurden als Zivilisten betrachtet. Andere Kategorien bezogen sich auf Repräsentanten von Organisationen. Während die verschiedenen zivilen Akteure bei der SZ zusammen 60% der Bilder ausmachten, waren es bei der FAZ nur 38%. Es wurde deutlich, dass mit 38% der Bilder ein Schwerpunkt der SZ auf Zivilisten aus dem Gazastreifen lag. Bei der FAZ waren es nur 13%. Dagegen machten in der FAZ Bilder mit Zivilisten aus anderen Ländern des Nahen Ostens und Europa 15% aus. Im Vergleich zur SZ hatte die FAZ des Weiteren einen stärkeren Schwerpunkt auf gegenständlichen Bildern. 13% waren rein gegenständlich bzw. ohne einen Akteur, doppelt so viel wie bei der SZ. Bilder palästinensischer Kämpfer spielten nur eine geringe Rolle in beiden Medien. Dies lag wahrscheinlich am Bilderverbot der Hamas im Gazastreifen. Bei den publizierten Bildern dazu handelte es sich insofern um Archivbilder, auch wenn diese nicht als solche kenntlich gemacht wurden. Die israelische Armee war in beiden Medien prozentual gesehen gleich stark vertreten. Auch wenn von der Verteilung her die FAZ eine vermeintlich größere Ausgewogenheit zeigte, ist eine deutliche Tendenz hin zur israelischen Armee und rein gegenständlichen Bildern erkennbar. Bei der SZ war dagegen klar ein Schwerpunkt auf Zivilisten aus dem Gazastreifen erkennbar. Erstaunlich ist, dass nur in wenigen Bildern zwei oder mehr Akteure auftauchten.

Bildinhalte und Motivgruppen

Ausgehend von der Untersuchung der dargestellten Bildinhalte wurden Motivgruppen gebildet. Hier zeigen sich die größten Unterschiede in der Bildberichterstattung der beiden untersuchten Medien. Die wichtigste Motivgruppe stellte bei der SZ mit 21% der Bilder materielle Kriegsfolgen dar, gefolgt vom Alltag der Zivilbevölkerung in Gaza in 12,5% der Bilder. Bei der FAZ dagegen war in 20% der Bilder die Kategorie Demonstrationen/Protestveranstaltungen zu finden. Ein Großteil dieser Bilder zeigte Proteste außerhalb der eigentlichen Konfliktregion in Europa und dem Nahen Osten. Dass es keine Bilder von Kampfhandlungen gab, ist mit der weitreichenden Zensur und dem beschränkten Zugang zur Konfliktregion zu erklären. Menschliches Leid in Form von Opfern oder Verwundeten war in der FAZ in keinem Bild zu sehen, bei der SZ in 10% der Bilder. Als Ergebnis lässt sich festhalten, dass in der FAZ die Kategorien »Demonstration«, »Einschlag/Rauchwolke«, »soldatischer Alltag« und »materielle Kriegsfolgen« überwogen. Damit wird ein Bild des Krieges gezeigt, in dem kein menschliches Leid erkennbar ist. Der Protest gegen den Krieg wird dagegen herausgehoben. In der SZ lag der Schwerpunkt der Bildberichterstattung dagegen auf den Inhalten »materielle Kriegsfolgen«, »Alltag der Zivilbevölkerung« in Gaza und »menschliches Leid«. Damit werden die negativen Folgen des Krieges für die Menschen der Region und die Infrastruktur hervorgehoben.

Auswertung der Analyse und Fazit

Die Produktanalyse der Bildberichterstattung in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und der Süddeutschen Zeitung zeigte deutlich, dass beide Medien eine unterschiedliche Wirklichkeitskonstruktion des Krieges vorgenommen haben. Damit wurden unterschiedliche »Bilder« des Krieges gezeichnet. Die Vorliebe der FAZ für Totalen und gegenständliche Bilder weist auf einen eher zurückhaltenden und distanzierten Blick auf das Kriegsgeschehen hin. Auf der inhaltlichen Ebene wird dies gepaart mit einem Schwerpunkt von Bildern aus dem größeren Kontext des Krieges, wie z.B. Demonstrationen im Nahen Osten und Europa. Der Krieg an sich wird damit eher als sauberes und technisches Ereignis dargestellt. Die SZ dagegen stellte eher den Krieg an sich als das Problem dar und thematisierte die Kriegsfolgen mit einem starken Fokus auf dem Gazastreifen. Sie war näher dran an dem Menschen und Objekten. Was der Betrachter in der Bildberichterstattung zu sehen bekam, waren verschiedene Abbilder der »Realität« in einem klar definierten Kontext. Keines der beiden untersuchten Medien schaffte es, die auf der Ereignisebene vorherrschende Konflikt-Asymmetrie zu transportieren. Erstaunlich war die fast völlige Abwesenheit ziviler Opfer. Hier zeigt sich in Ansätzen, was Paul als die Bedingung der Rezipierbarkeit von Krieg in den Medien bezeichnet: nämlich die Ästhetisierung und Entzeitlichung der Berichterstattung (vgl. Paul 2004: 11). Die Subjektivität des von den untersuchten Medien konstruierten Kriegsbildes durch die Bildauswahl wurde nicht problematisiert bzw. offen nach außen kommuniziert.

Ausblick – Aufgaben für die Friedens- und Konfliktforschung

Krisen und Konflikte sind heute kaum noch lokal begrenzt zu betrachten. Sie haben sowohl in den direkten Konfliktfolgen als auch in der massenmedialen Auseinandersetzung globale Auswirkungen. Es ist davon auszugehen, dass die über einen Konflikt veröffentlichten Informationen das Vorgehen der Kriegsparteien (in)direkt beeinflussen. Der kommunikationswissenschaftliche Diskurs hat der Bildberichterstattung über den Nahostkonflikt bisher kaum Aufmerksamkeit geschenkt. Umso wichtiger ist dieses Thema für diese Disziplin, ebenso wie für die Friedens- und Konfliktforschung. Das gemeinsame Interesse der visuellen Kommunikationsforschung und der Friedens- und Konfliktforschung ist darin zu sehen, Prozesse visueller Kommunikation in und über Kriege transparent zu machen und diese Prozesse in Beziehung zum eigentlichen Konfliktgeschehen zu setzen. Während sich die Forschung bisher vor allem mit den Zusammenhängen zwischen PR und Kriegsparteien und den vielfältigen Argumentationsstrategien der Akteure auseinandergesetzt hat, sollte es verstärkt um eine heuristische Betrachtung der veröffentlichten Produkte gehen, unter Einschluss der Bildberichterstattung, sowie eine Rezeptionsforschung um den tatsächlichen Einfluss der Berichterstattung messen zu können.

Literatur

Dreßler, Angela (2008): Nachrichtenwelten – Hinter den Kulissen der Auslandsberichterstattung. Bielefeld.

Grittmann, Elke (2008): Nachrichtenfotografie zwischen Publikumsorientierung und Kostenzwang, in: Grittmann, Elke & Neverla, Irene (Hrsg.): Global, lokal, digital. Fotojournalismus heute. Köln, S.221-237.

Grittmann, Elke & Amman, Ilona (2008): Ikonen der Kriegs- und Krisenfotografie, in: Grittmann, Elke & Neverla, Irene (Hrsg.): Global, lokal, digital. Fotojournalismus heute. Köln, S.296-325.

Haller, Michael (2008): Scheinbar authentisch, in: Löffelholz, Martin (Hrsg.): Kriegs- und Krisenberichterstattung: Ein Handbuch. Konstanz, S.271-277.

Leifert, Stefan (2007): Bildethik: Theorie und Moral im Bildjournalismus der Massenmedien. Paderborn.

Link, Jürgen (2000): »DIESE BILDER!« – Über einige Aspekte des Verhältnisses von dokumentarischen Bildmedien und Diskurs, in: Jäger, Margret & Grewenig, Adi (Hrsg.): Medien im Krieg: Holocaust, Krieg, Ausgrenzung. Duisburg, S.239-252.

Müller, Marion G. (2001): Bilder – Visionen – Wirklichkeiten, in: Knieper, Thomas & Müller, Marion G.: Kommunikation Visuell. Köln, S.14-24.

Müller, Marion G. (2003): Grundlagen der visuellen Kommunikation: Theorieansätze und Analysemethoden. Konstanz.

Müller, Marion G. & Knieper, Thomas (2005): Krieg ohne Bilder?, in: dies. (Hrsg.): War Visions. Bildkommunikation und Krieg. Köln, S.7-21.

Paul, Gerhard (2004): Bilder des Krieges – Krieg der Bilder. Paderborn.

Woodward, Michelle M. (2007): Photographic Style and the depiction of the Israeli-Palestinian Conflict since 1948. Jerusalem Quarterly 31 (2007) S.6-21.

Zöllner, Oliver & Deutsche Welle (2007): »Sagt die Wahrheit: die bringen uns um!« – Zur Rolle der Medien in Krisen und Kriegen. Berlin.

Anmerkungen

1) Realität wird hier als Synonym für Geschehnisse, die in der Erfahrungswelt der Menschen passiert sind, verwendet. Wirklichkeit wird benutzt, wenn es um die Beschreibung bzw. Konstruktion des Abbildes der Realität in den Medien geht.

2) Es wurde der Tag vor Beginn des Krieges wie der Tag nach Kriegsende, an dem zum letzten Mal ausführlich berichtet wurde, als Untersuchungszeitraum gewählt.

Felix Koltermann ist Absolvent des Masterstudiengangs »Peace and Security Studies« des IFSH in Hamburg und promoviert an der Universität Erfurt zu fotojournalistischer Krisen- und Kriegsberichterstattung. Seine Forschungsschwerpunkte sind konfliktsensitive Berichterstattung, Fotojournalismus und zivile Konfliktbearbeitung. Felix Koltermann ist aktiv im Peace and Conflict Journalism Network PECOJON.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2010/3 Afghanistan: Krieg ohne Ende, Seite 50–53