W&F 2020/3

Problematische Kriegsmetaphern

Warum wir nicht von einem »Krieg gegen SARS-CoV-2« sprechen sollten

von Marcel Vondermaßen

Kriegsmetaphern sind seit Langem Teil politischer Rhetorik. »Krieg« wurde von führenden Politiker*innen der Armut erklärt (Lyndon B. Johnson, 1964), dem Krebs (Richard Nixon, 1971), Aids, den Drogen, dem Klimawandel … Derzeit wird die Kriegsmetapher zur Mobilisierung gegen eine globale Pandemie genutzt. Im Folgenden wird gezeigt, welcher Nutzen und welche Probleme sich aus ihrer Verwendung ergeben. Insbesondere wird herausgearbeitet, wie problematisch und folgenreich es sein kann, Kriegsmetaphern zu verwenden, wenn das »zu bekämpfende« Phänomen hauptsächlich medizinische und soziale Dimensionen aufweist.

Seit sich SARS-CoV-2 zu einer Pandemie entwickelte, greifen Politiker*innen gerne auf die Kriegsmetapher zurück. „SARS-CoV-2 ist unser gemeinsamer Feind. Wir müssen diesem Virus den Krieg erklären. Das bedeutet, dass die Länder die Verantwortung haben, mehr zu tun, sich zu rüsten und sich zu verstärken,“ stellte UN-Generalsekretär António Guterres fest (15.3.2020). Auch der französische Präsident Emmanuel Macron oder der italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte beschwören den Krieg oder fordern, die „ganze Feuerkraft der EU“ (Meiler 19.4.2020) gegen die neuartige Krankheit ins Feld zu führen. US-Präsident Donald Trump erklärte sich selbst zu einem „wartime President“.

Warum die Kriegsmetapher wirkt

Die meisten, die diese Aussagen tätigen, tun dies vermutlich in guter Absicht: Um die Pandemie in den Griff zu bekommen, ist es notwendig, allen Beteiligten teils drastische Einschränkungen und Umstellungen zuzumuten. Mit der Kriegsmetapher soll der Ernst der Lage beschworen und die Notwendigkeit betont werden, gegen eine Bedrohung von außen zusammenzustehen. Sie ist zur Mobilisierung durchaus geeignet. Wie Forschung im Kontext der Klima­krise zeigt, vermittelt die Kriegsmetapher, im Vergleich etwa zum Bild des »Wettlaufs«, eher die Dringlichkeit einer Lage und motiviert zu Verhaltensänderungen im Alltag (Wehling 27.5.2020).

Dieser Effekt dürfte auch bei der Verbindung von Krieg und Pandemie eintreten, da zwei der wichtigsten Grundlagen für eine Wirksamkeit gegeben sind: Verständlichkeit und Konnektivität. Wenn wir Worte verwenden, dann aktiviert dies in unserem Gehirn nicht nur eine einzelne Bedeutung, sondern einen ganzen Deutungsrahmen (Frame), der verschiedene Bedeutungen, Gefühle und Erinnerungen umfassen kann. Damit eine Metapher wirkt, muss für die Empfänger*innen der Deutungsrahmen, den sie mit der Metapher verbinden, zu der Botschaft passen, die ihnen vermittelt werden soll. Krieg wird von den allermeisten Menschen mit Elend, Tod, Vertreibung etc. assoziiert. Er sollte nur als letztes Mittel geführt und möglichst schnell beendet werden. Krieg stellt eine existentielle Bedrohung dar, die drastische Mittel von Seiten der Exekutive rechtfertigt. Dieser Deutungsrahmen ist fast überall auf der Welt selbsterklärend und verständlich.

Konnektivität meint, dass der Deutungsrahmen der Metapher auch zum Problem passen muss. So dürften zwar Sportmetaphern ähnlich verständlich sein, doch der Vergleich einer globalen Pandemie etwa mit einem Fußballspiel scheint unangemessen. Die Grundlage für die Konnektivität von Krieg und Gesundheit wurde von Robert Koch gelegt, der 1876 eindeutig nachwies, dass ein Zusammenhang zwischen bakteriellen Erregern und Krankheiten existiert. Diese Erkenntnis veränderte den Blick auf Krankheiten grundlegend: Bakterien dringen in den Körper der Erkrankten ein. Die Verbindung von »Plagen« und Seuchen mit anderen Erzählungen, wie einer Strafe Gottes oder einem üblen Schicksal, wurde zurückgedrängt. Dafür etablierten sich zunehmend militärische Sprachmuster, die sich bis heute im Sprachgebrauch finden: Wir bekämpfen die Ansteckungsgefahr, das Immunsystem verteidigt uns gegen Erreger, Medikamente vernichten die Eindringlinge.

Der Kampf gegen Viren und Bakterien ist daher auch kein Krieg im Allgemeinen, sondern ein Verteidigungskrieg. Mit Verteidigungskriegen werden jedoch zusätzliche Bedeutungen verbunden: Bedrohung von außen; gerechtfertigte Verteidigung der eigenen Gemeinschaft, des eigenen Landes, des Eigentums; ein gemeinsames Schicksal aller Angegriffenen. Die Kriegsmetapher dürfte daher die von Wehling und ihren Kolleg*innen nachgewiesenen positiven Effekte einer Mobilisierung auch im Fall der Corona-Pandemie aufweisen, denn die Metapher ist verständlich und gut mit dem Problem zu verbinden.

Ist die Wortwahl in diesem Fall also hilfreich? Um dies zu beurteilen, gilt es die verschiedenen Implikationen zu betrachten, die mit der Kriegsmetapher einhergehen:

Der Feind als äußere Bedrohung – der Staat als Bezugsgröße

Spätestens seit sich Nationen als oberste Organisationsform von Gemeinwesen durchgesetzt haben, wird »Krieg« hauptsächlich als Krieg zwischen Staaten verstanden. Die Landesverteidigung ist eine zentrale Verantwortung staatlicher Gewalt. Die Kriegsmetapher rückt daher den Staat als Akteur in den Mittelpunkt. Dies trifft zusammen mit nationalen Zuständigkeiten, was die Organisation der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung betrifft. Die Berichterstattung in den Medien verstärkt diese Wahrnehmung noch: Die Infizierten, die Gestorbenen und die Gesundeten werden national erfasst; Erfolge und Misserfolge werden in Bezug auf Regierungen und Länder diskutiert und bewertet. Eine Folge dieses nationalstaatlichen Denkens zeigte sich in Europa, als sich die Regierungen entschlossen, den grenzüberschreitenden Verkehr einzustellen, obwohl das Virus bereits in den einzelnen Staaten angekommen war. Diese Logik widerspricht jedoch den Erfordernissen einer globalen Pandemie, die eigentlich Multilateralismus, Transparenz, Solidarität und Kooperation über Grenzen hinweg erfordert.

Die Konzentration auf den Staat als maßgeblichen Akteur kann allerdings nicht nur auf internationaler Ebene Probleme verursachen. Militär-Metaphern implizieren immer auch ein hierarchisches (Top-down-) Verständnis von Führung, obwohl in einer Pandemie vielfach Bottom-up-Netzwerke unverzichtbare Arbeit leisten. Dies beginnt mit Spontanhelfenden und geht über Nachbarschaftshilfen und Tafeln bis hin zu grenzübergreifend arbeitenden Nichtregierungsorganisationen. Diese sind jedoch in Gefahr, aus dem Blick zu geraten, weshalb zentral und von oben verfügte Maßnahmen deren Arbeiten sogar erschweren können. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn in einem harten Lockdown der Einkauf für Nachbar*innen kein legitimer Grund ist, die Wohnung zu verlassen.

Viren sind keine Menschen

Wenn Politiker*innen in der Kriegsmetapher denken, besteht die Gefahr, dass sie Logiken des Krieges anwenden. So impliziert »Krieg« einen klaren, identifizierbaren Gegner und ein klares Ende, sei es durch Kapitulation einer Seite oder Friedensverhandlungen. SARS-CoV-2 hat jedoch keinen Willen. Es wird weder kapitulieren noch verhandeln. In der Kriegslogik bleibt daher als einzige Option die Überwältigung des Gegners, die totale Vernichtung. Alternative Settings, wie zum Beispiel zukünftiges Leben »mit dem Virus« aussehen könnte, sind in einer Kriegslogik schwerer zu diskutieren.

Doch auch die Identifizierung des Virus als Feind ist problematisch. Dadurch, dass das Virus von Mensch zu Mensch übertragen wird, kann schnell »der Andere« selbst zur Bedrohung werden. Übergriffe gegen vermeintliche Chines*innen zu Beginn der Pandemie haben gezeigt, wie schnell aus der Angst vor dem Virus gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit werden kann. Die Kriegsmetapher verstärkt das »Wir vs. Die Anderen«-Denken und damit potenziell auch Aggressionen und Vorbehalte gegen bestimmte Gruppen, wie sich beim Ausbruch von Covid-19 im Mai/Juni 2020 in Göttingen beobachten ließ (vgl. Heisterkamp und Sussebach 2020), anstatt Mitgefühl oder Hilfsbereitschaft auszulösen.

Der Sieg als oberstes Ziel

Es gibt Implikationen, die in einem militärischen Setting durchaus Sinn machen oder sogar überlebenswichtig sind: Gehorsam, Homogenität, Vertrauen in die Kommandostruktur. Militärische Logiken kommen jedoch in zivilen Situationen schnell an ihre Grenzen. Viele Stärken und Verhaltensweisen, die zur Bewältigung der aktuellen Krise und für eine auch zukünftig solidarische Gemeinschaft notwendig sind, finden keinen Platz in Kriegsmetaphern. Individuelle Bedürfnisse, kreative Lösungen, selbständiges In-Verantwortung-Gehen können nicht adäquat abgebildet werden. Die Kriegsmetapher verstärkt den Drang zu einem Sieg über den Feind, dem alles andere unterzuordnen sei. Dazu zählen auch Kritik, Zweifel und Skepsis. Gerade weil die Einschränkungen durch die Corona-Pandemie extrem waren bzw. sind, sollten sie von einer kritischen Öffentlichkeit begleitet und immer wieder hinterfragt werden. Der Vereinigungsdruck, den eine Kriegsmetapher auslöst, führt leicht dazu, das Infragestellen oder den Widerstand gegen Maßnahmen als Verrat zu diffamieren. Dies ist umso gravierender, da Kriegssituationen den Einsatz extremer Gewalt rechtfertigen. In allen westlichen Gesellschaften erlaubt der Verteidigungsfall weitreichende Eingriffe der Exekutive in das Leben der Bewohner*innen. Selbst Grundrechte, sei es die Versammlungsfreiheit, die Reisefreiheit oder das Recht auf Eigentum, können temporär überschrieben werden.

Die Schwierigkeit, Kritik zu äußern, betrifft auch die Langzeitfolgen, welche Maßnahmen mit sich bringen. Die zahlreichen niemals aufgehobenen Anti-Terror-Gesetzgebungen, die als Antwort auf die Anschläge vom 11.9.2001 erlassen wurden, zeigen, wie wichtig eine kritische Begleitung von Krisenmaßnahmen ist. Maßnahmen, die in einer Krise beschlossen wurden, überdauern in der Regel die Krise, die sie hervorgebracht hat.

Gesundheitsbudget als »Verteidigungshaushalt«

Wird die Sicht auf Gesundheit militarisiert, besteht die Gefahr, dass das Gesundheitsbudget als »Verteidigungsbudget« angesehen wird, was Folgen für die Priorisierung innerhalb des Gesundheitswesens hat: „Man neigt dazu, der Gesundheitsfürsorge (insbesondere der medizinischen Versorgung) Vorrang vor anderen Gütern einzuräumen. Innerhalb der Gesundheitsfürsorge wird der Intensiv­pflege Vorrang vor der präventiven und Chroniker- Versorgung gegeben. Tödliche Krankheiten werden eher angegangen als Krankheiten, die Behinderungen hervorrufen; technologischen Interventionen wird Vorrang vor weniger technischen Eingriffen gegeben. Eher wird eine heroische Behandlung sterbender Patienten durchgeführt, anstatt sie in Frieden sterben zu lassen.“ (Childress 2001, S. 189)

Viele der von Childress vorgebrachten Punkte lassen sich auch heute im Gesundheitswesen beobachten, sei es die Marginalisierung von Prävention, die hohe Priorisierung technologischen Fortschritts im Vergleich zur Care-Arbeit oder das Aufblähen des Gesundheitssektors zu Lasten anderer sozialer Güter. Hier braucht es eine kritische Diskussion, ob diese Effekte gewünscht werden – eine Diskussion, die wiederum durch die Kriegsrhetorik eher erschwert als gefördert wird.

Das Krankenhaus als Front

Wer die Bemühungen rund um die Corona-Pandemie in ein Kriegssetting versetzt, kommt nicht umhin, Krankenhäuser als Front im Kampf gegen das Virus zu sehen. Dies macht das Personal zwangsläufig zu Frontkämpfer*innen. Diese Bezeichnung des Krankenhauspersonals ist sicherlich anerkennend gemeint, doch auch in diesem Fall zeigen sich Schattenseiten. Zwar werden Soldat*innen gerne als Hero*innen verehrt, die ihr Land verteidigen, fester Bestandteil von Kriegserzählungen ist allerdings das Opfer: Der Sieg im Krieg wird nicht ohne Opfer errungen, und Opfererzählungen dienen oft sogar der Motivation der noch Kämpfenden (»Das Opfer unserer Kameraden darf nicht umsonst gewesen sein!«). Die Versorgung von Patient*innen folgt jedoch der entgegengesetzten Logik. Ein funktionierendes Gesundheitswesen vermeidet gerade die Notwendigkeit, für ein höheres Ziel Menschen zu opfern. So ist die Anwendung der Triage sicheres Zeichen eines überforderten Systems. Darüber hinaus hat sich das Krankenhauspersonal nicht willentlich dazu verpflichtet, bei der Arbeit das eigene Leben zu riskieren. Der Einsatz in der Pandemie, sich oftmals mit mangelnder Schutzausrüstung um hoch ansteckende Patient*innen zu kümmern, geht weit über das Berufsprofil hinaus. Die Wahrnehmung als Soldat*innen kann den die Grenzen der Pflicht deutlich übersteigenden Charakter dieses Einsatzes sogar verschleiern und normalisieren.

Die Kriegsmetapher betrifft auch die Erkrankten. Der Kampf gegen das Virus macht den Körper zum Schlachtfeld. Wie problematisch es ist, Kriegsmetaphern auf Krankheiten anzuwenden, lässt sich eindrucksvoll bei Susan Sontag in »Krankheit als Metapher« (1978) nachlesen. Sie schildert darin, wie ihre eigene Krebsbehandlung von Kriegsrhetorik begleitet wurde: Ziel ist die Vernichtung der Krankheit; es müssen dafür Opfer (gesunde Zellen) gebracht werden; Aufgeben ist keine Alternative; gewisses Leid und extreme Maßnahmen sind notwendig (S. 74).

Es besteht die Gefahr, dass im Zuge dieses Kampfes vergessen wird, worum es in der Behandlung letztlich geht. Der Verzicht auf invasive Maßnahmen ist kein schmachvoller Rückzug, der Tod nicht in jedem Fall die möglichst lange herauszuzögernde, absolute Niederlage. „Es geht nicht um Tapferkeit, es geht um Würde.“ (Stöcker 2020) In einer Kriegslogik gehen Mahnungen leichter unter, wie die von Palliativmediziner*innen, wenn sie darauf dringen, der Möglichkeit eines würdevollen Sterbens an Covid-19 mehr Raum zu geben.

Fazit: Kriegsmetapher vermeiden

Die Corona-Pandemie ist eine Krise, die klare Vorgaben und Vorschriften braucht. Sie ist aber auch eine Krankheitswelle, die andere Bilder und Vergleiche als die mit Kriegshandlungen benötigt. Ein Fokus auf Kriegsmetaphern verhindert, dass wir den gesellschaftlichen Blick auf jene Werte legen, die zur Bewältigung der Krise unverzichtbar sind: Eigenverantwortung, Fürsorge, Empathie, Kritikfähigkeit. Die Corona-Krise, in all ihren Facetten, darf nicht militarisiert, sie muss, im Gegenteil, zivilisiert werden.

Literatur

Childress, J.F. (2001): The War Metaphor in Public Policy – Some Moral Reflections. In: Ficarrotta, J.C. (ed.): The Leader’s Imperative – Ethics, Integrity, and Responsibility. West Lafayette: Purdue University Press, S. 181-197.

Guterres, A. (2020): Wir müssen diesem Virus den Krieg erklären. Süddeutsche.de, 15.3.2020.

Heisterkamp, L.; Sussebach H. (2020): 18 Stockwerke Stigma. DIE ZEIT, No.25, 10.6.2020, S. 3.

Meiler, O. (2020): Premier Conte fordert „ganze Feuerkraft der EU“. Süddeutsche.de, 19.4.2020.

Sontag, S. (1978): Krankheit als Metapher. München, Wien: Hanser.

Stöcker, C. (2020): Das hier ist kein Krieg. SPIEGEL Online, 5.4.2020.

Wehling, E. (2020), Krieg gegen Corona – die Macht der Worte. After Corona Club, NDR Doku, 27.5.2020; https://youtu.be/xm-­uZpr4nkk.

Dr. Marcel Vondermaßen ist Akademischer Mitarbeiter am Internationalen Zentrum für Ethik in den Wissenschaften (IZEW) der Universität Tübingen und Mitorganisator des Graduierten-Netzwerks »Zivile Sicherheit«.

Eine Kurzversion dieses Textes wurde am 2.4.2020 im Blog »Bedenkzeiten« veröffentlicht (uni-tuebingen.de/de/174903).

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2020/3 Der kranke Planet, Seite 32–34