W&F 2017/3


Ressourcen für den Frieden

von Klaus Harnack

„Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift; allein die Dosis macht’s, dass ein Ding kein Gift sei.“ So sprach Paracelsus und verwies damit nicht zuletzt auf die Erkenntnis, dass wenn ein Ding im Übermaß konsumiert wird, Krankheiten selten ausbleiben.

Eine ökonomische Krankheit, die sich derselben Logik bedient und ihren Ursprung im übermäßigen Konsum von materiellen Ressourcen hat, ist die »Holländische Krankheit«. Seinen Namen bekam dieses Wirtschaftsmodell, das im Kern die negativen Konsequenzen einer zu starken Fokussierung auf Rohstoffexporte beschreibt, in den 1980er Jahren. Rund zwanzig Jahre zuvor kam es in den Niederlanden zu umfangreichen Erdgasfunden, die letztlich der Grund für die folgende Wirtschaftskrise waren.Seitdem steht die Holländische Krankheit stellvertretend für die negativen Konsequenzen auf die Wirtschaft eines Landes, wenn sich das Land zu sehr auf die direkte (Aus-) Nutzung einer einzigen Ressource, meistens eines Rohstoffs, konzentriert. Der Krankheitsverlauf ist immer ähnlich: Im Zuge starker Rohstoffexporte kommen vermehrt Devisen ins Land, damit einher geht die Aufwertung der eigenen Währung. Durch die verteuerte Währung werden Exporte anderer inländischer Produkte teurer und schaffen somit ein erschwertes Umfeld für die übrigen Agar- und Industriebereiche. Im selben Zuge verbilligen sich Importe, was zur weiteren Vernachlässigung eigener Wirtschaftszweige führt. Im Resultat wird die eigene Wirtschaft geschwächt, und es entstehen starke Abhängigkeiten von einzelnen Märkten, Unternehmen oder Ländern. Der ursprüngliche Segen einer Ressource kehrt sich in einen Fluch. Zwar sind die Niederlande inzwischen von ihrer eigenen Krankheit genesen, aber in Länder wie z.B. Venezuela kam es zu einer Chronifizierung dieser Krankheit.

Diese negativen Konsequenzen einer zu starken Fokussierung auf die Rohstoffe eines Landes werden in einer umfassenderen Betrachtung oft auch als Ressourcenfluch (resource curse) bezeichnet. Der Kern dieses Begriffes bezieht sich allerdings weniger auf die wirtschaftswissenschaftlichen Zusammenhängen als vielmehr auf die Bündelung menschlichen Fehlverhaltens, das oft im Zusammenhang mit einer dominanten Rohstoffquelle auftritt. Klassische Merkmale hierfür sind die im Zusammenhang mit der Rohstoffförderung zunehmenden Umweltzerstörungen, das Aufkommen von Korruption und antidemokratischen Staatsstrukturen, die geprägt sind von politischer Instabilität und oft auch bewaffneten Konflikten. In der Folge kommt es dann meist zur Vernachlässigung des Bildungssektors und der öffentlichen Gesundheits- und Sozialversorgung. Der Gier folgt die menschliche Verachtung oder wie es so schön heißt: Gier frisst Gehirne.

Dennoch sind Ressourcen nicht per se schlecht für ein Land, sie haben vielmehr einen ambivalenten Charakter. Es liegt an den Rahmenbedingungen, die entscheiden, ob sich Ressourcen zum Wohle einer Gesellschaft auswirken oder zu einer Last entwickeln. Ein Paradebeispiel für diese starke Ambivalenz materieller Ressourcen, besonders des Rohöls, sind die Unterschiede zwischen Nigeria und Norwegen – beides Länder mit riesigen Erdölvorkommen, allerdings mit komplett unterschiedlichen Rahmenbedingungen und somit gegensätzlichen Auswirkungen auf die jeweiligen Gesellschaften.

Folgerichtig fragt W&F in der Ausgabe »Ressourcen für den Frieden« nach Dingen, Personen, Systemen und Gegebenheiten, die dem Frieden zuträglich sind, ihn unterstützen, ermöglichen und nähren. Die vorliegende Ausgabe beleuchtet weitergehend die Frage, wie und unter welchen Umständen Ressourcen nicht zum Fluch, sondern zum Segen für den Frieden werden können. Wichtig ist hierbei die Erweiterung des Ressourcenbegriffs, der nicht auf materielle Ressourcen reduziert, sondern in seiner ganzen Breite betrachtet wird. Jenseits materieller Ressourcen, unter denen meist Betriebs- oder Geldmittel, Boden, Rohstoffe, Energie, Personen und Arbeit verstanden werden, stehen in dieser Ausgabe hauptsächlich immaterielle Ressourcen im Zentrum der Analysen. Jenseits von Öl, Gold und Seltenen Erden fragen wir deshalb nach Ressourcen wie Bildung, Gesundheit, Geschichtsbewusstsein, Handel, Religion, Kultur, Rechtstaatlichkeit und Medien, die als Unterbau und Mittel für friedliche Gesellschaften dienen können. Besonders diese immateriellen Ressourcen müssen aus ihrem Schattendasein geführt werden, um sie als bewusstes Mittel einsetzen zu können und als Erweiterung des gängigen Ressourcenbegriffs zu nutzen.

Das Hauptanliegen dieser Ausgabe ist es dementsprechend, Ressourcen wieder als Chance für den Frieden zu begreifen, im Gegensatz zu den klassischen Headlines wie »Kampf um Ressourcen«, »Der Krieg ums Wasser«, »Der Fluch der Ressourcen«, etc. Steckt doch im Wort Ressource das lateinische Wort »resurgere« für Quelle und Mittel, welche in ihrem ursprünglichen Sinne positive Konstrukte sind, aber im gegenwärtig politischen Sinne eher negativ assoziiert werden.

Viel Spaß bei der Erkundung neuer Ressourcen für den Frieden wünscht Ihnen

Ihr Klaus Harnack

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2017/3 Ressourcen des Friedens, Seite 2