Ressourcenkonflikte in Afrika
von Jürgen Oßenbrügge
Die Ressourcenabhängigkeit afrikanischer Staaten wird im entwicklungspolitischen Diskurs als Auslöser verschiedener wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Probleme angesehen. Ressourcenprobleme entladen sich häufig auch in militanten Auseinandersetzungen, Bürgerkriegen und Dauerkonflikten mit internationaler Beteiligung. Dabei können sowohl Ressourcenverknappungen als auch die Ausbeutungsformen ressourcenreicher Regionen den Ausschlag geben.
Der immer wieder aufflammende Krieg im östlichen Kongo ist als afrikanischer Weltkrieg um Rohstoffe bezeichnet worden, das Nigerdelta ist ein Prototyp für Krieg um Öl, der Darfurkonflikt gilt als erster Klimakrieg, die Bezeichnung Blutdiamanten spricht für sich selbst. Es ist nahe liegend, das Krisen- und Konfliktgeschehen in Afrika als Ausgangspunkt für Überlegungen darüber zu wählen, in welchen Formen Ressourcen als Ausgangspunkt für konflikthafte Zuspitzungen und gewaltförmige Auseinandersetzungen anzusehen sind. Dieses soll hier in zwei Schritten erfolgen. Zunächst wird auf das Argument des »Ressourcenfluchs« eingegangen. Hierzu besteht eine breite Forschung, deren Ergebnisse am Beispiel der weltwirtschaftlichen Integration der Kriege im Kongobecken dargestellt werden. Danach werden Konflikttypen präsentiert, die auf Verknappungsphänomene zurückgeführt werden können. Hier werden Beispiele aus Kenia verwendet.
Der Ressourcenfluch als Konfliktursache
Die heutige Debatte über »schwache Staaten« beruht im afrikanischen Kontext häufig auf einem Faktorenkomplex, der mit der Bezeichnung »Ressourcenfluch« die scheinbar paradoxe Wirkung eines natürlichen Reichtums betont. Die Argumentationskette kann vereinfacht folgendermaßen zusammengefasst werden: Ressourcenreiche Staaten realisieren durch den Export des Rohöls oder der Mineralien hohe Renten. Diese werten die einheimische Währung auf, wodurch sich einerseits Exporte der weiterverarbeitenden Güter verteuern, andererseits Importe billiger werden. Beide Wirkungen befördern die monostrukturelle Abhängigkeit von Primärgütern und erhöhen die Anfälligkeit von Preisschwanken für Rohstoffe. Weiterhin etablieren sich Bereicherungsnetzwerke, die sich die Renten überproportional aneignen und entsprechende politische Macht ausüben. Diese Verteilungsmuster führen zu ausgeprägten gesellschaftlichen Polarisierungen und behindern die Ausbildung einer starken Staatlichkeit und damit Möglichkeiten, die partikulare Rentenaneignung zu unterbinden. Folglich sind ressourcenreiche Staaten in Afrika fragil und latent gewaltsamen Konflikten ausgesetzt (Kappel 1999, Auty 2004, Bulte u.a. 2005).
Politische Geographie des Ressourcenfluchs
Die Wahrscheinlichkeit, dass Ressourcenreichtum politische Verwerfungen und gewaltsame Konflikte auslöst oder zumindest beschleunigt, wird durch weitere geographische Faktoren verstärkt. Eine interessante Typologie hat beispielsweise Le Billon (2004) vorgelegt, der zwischen der Art der Lagerstätten und regionalen geopolitischen Ausstattungsmerkmalen unterscheidet. In Hinblick auf Lagerstätten sieht er eine wesentliche Differenzierung, ob es sich um sogenannte »point resources« handelt, d.h. Lagerstätten, die von einem oder wenigen Standorten mit hohem Kapitalaufwand erschlossen werden müssen. Dieses ist beispielsweise bei der Mineralölförderung oder großen Erzlagerstätten der Fall. Solche Ressourcenextraktion kann staatlicherseits vergleichsweise leicht kontrolliert werden. Eine Übernahme durch gegnerische Parteien setzt die territoriale Kontrolle der Lagerstätten voraus und ist daher verbunden mit Bestrebungen zur Sezession, wie es beispielsweise in Nigeria, im Sudan oder in Angola mit unterschiedlichen Ergebnissen versucht worden ist. Die zweite Kategorie bilden die sogenannten »diffuse resources«, also Rohstoffe, die vergleichsweise großflächig verteilt sind und daher leicht extrahiert werden können. Dazu gehören hochwertige Mineralien, aber auch wertvolle Holzbestände oder der Anbau pflanzlicher Drogen. Um die Ausbeutung derartiger Ressourcenbestände haben sich besonders im Kongo, aber auch in westafrikanischen Konfliktgebieten lokale Kriegsökonomien entwickelt, in denen sich gewaltsame Auseinandersetzungen mit ressourcenbezogenen Geschäftsinteressen vermischen. Besonders alluviale Fundorte für Gold und Diamanten, aber auch Coltan und Zinnstein sind häufig auch Standorte von lokalen und regionalen »Warlords« mit ihren Söldnern, die über schattenökonomische Netzwerke an die Weltwirtschaft angeschlossen sind und auf diese Weise ihr Kriegsgeschäft finanzieren.
Neben der Art der Lagerstätten ist auch die Frage entscheidend, ob der Staat sein Gewaltmonopol territorial durchsetzen kann. Im afrikanischen Kontext ist die innerstaatliche Geopolitik fragmentiert. Schwer zugängliche Gebiete, poröse Grenzen, aber auch große Distanzen, die Erreichbarkeitsbarrieren darstellen, geben den Raum für die Entfaltung gewaltbereiter Gruppen. Während die Förderstandorte von Öl noch vergleichsweise leicht zu kontrollieren sind, können beim Transport zu den Exportterminals wie in Nigeria Zugriffe erfolgen. Flüsse, Berge, Urwälder sowie die Möglichkeiten der Distanzüberwindung (Verkehrsinfrastruktur) bilden einen wesentlichen Faktorenkomplex, der erklären hilft, warum, wo und in welcher Intensität und Dauer Konflikte um die Extraktion und den Transport von Ressourcen auftreten.
Ressourcenfluch: Konflikte um Mineralien in der Demokratischen Republik Kongo
Ressourcenbezogene Konflikte haben in der DR Kongo eine lange und sehr gewalttätige Tradition. Diese begann mit der brutalen Ausbeutung der Rohstoffe durch den belgischen König Leopold II (v.a. Kautschuk und Elfenbein). Sie setzte sich im 20. Jahrhundert als belgische Staatskolonie und während der Unabhängigkeit Kongos (Zaire) in der Kleptokratie Mobutus fort. Internationale Verflechtungen der Rohstoffwirtschaft spielen auch in den jüngeren Konflikten eine Rolle, die im Zuge der Flüchtlingsbewegungen aus Ruanda und dem Aufstand gegen Mobutu Mitte der 90er Jahre ausgebrochen sind. Eine ergiebige Informationsquelle zur Aufdeckung dieser Bereicherungsnetzwerke jenseits gewalttätiger Warlords und lokaler Milizen stellt das »Panel of Experts on the illegal exploitation of the natural resources and other forms of wealth of the Democratic Republic of Congo« dar (Oßenbrügge 2007). Diese Expertengruppe ist von den Vereinten Nationen im Jahr 2000 eingesetzt worden und hat bis Ende 2003 die weltwirtschaftlichen Beziehungen der Kriegsökonomien in Zentralafrika untersucht. Sie hat aufgezeigt, dass die Ausbeutung von Diamanten, Gold, Coltan, Zinnstein und Kupfer mit ihren gewalttätigen Begleiterscheinungen im hohen Maße außengesteuert erfolgt, was die Expertengruppe sehr anschaulich an der Produktions- und Wertekette von Coltan aus dem Ostkongo aufzeigt.
Die Coltanvorkommen im östlichen Kongo entsprechen nach der Einteilung von Le Billon dem Typ disperser, staatsferner Ressourcen und sind mit vergleichsweise einfachen Gerätschaften zu heben. Coltan erzielte Anfang 2000 Rekordpreise auf den internationalen Märkten. In dieser Zeit intensivierten sich die ressourcenbezogenen Auseinandersetzungen im östlichen Kongo und besonders Milizen mit Unterstützung aus Ruanda und Uganda begannen im großen Stil die Coltanlager zu plündern bzw. den Abbau zu organisieren. Ein wichtiger Indikator dafür sind die Exportzunahmen aus den Nachbarländern. Sie belegen, dass Coltan aus dem Kongo geschmuggelt und aus den Nachbarländern als legalisierter Rohstoff auf den Weltmarkt gebracht worden ist. Mit dem in Analogie zur Geldwäsche gefassten Begriff »Ressourcenwäsche« lässt sich dieser Zusammenhang beschreiben, denn der grenzüberschreitende Schmuggel und die geringe Kontrolle bzw. die Unterstützung staatlicher Stellen der Nachbarstaaten verleihen den Ressourcen eine Herkunft aus konfliktfreien Staaten und können daher – politisch korrekt – von internationalen Unternehmen weiterverarbeitet werden (vgl. Global Witness 2005; Human Rights Watch 2005).
Vor dem Hintergrund der transnationalen Akteurs- und Produktionsnetze, die Gewaltmärkte prägen, sind Kriegsökonomien als »gewaltsame Knoten in globalen Netzwerken« anzusehen. Denn nur über die »erfolgreiche« Integration der gewaltförmigen Extraktion von Ressourcen ist diese Form der Kriegsökonomie aufrecht zu erhalten. Hinzu kommt, dass globale Vernetzungen auch Voraussetzungen für Gewaltmärkte sind, indem besonders Kleinwaffen und logistisches Material in die Krisengebiete geliefert werden. Wenn Ressourcen wie Coltan, Gold, Diamanten, Öl etc den Output der Gewaltmärkte bilden, sind Handfeuerwaffen, Landminen, Fahrzeuge und manchmal auch die Kombattanten notwendige Elemente des Input. Die verschlungenen Wege der Ausrüstungsgegenstände in die Konfliktregionen und der nichtformellen Ressourcen in die Weltwirtschaft und die dabei auftretenden Formen der Ressourcenwäsche sind bisher eher unterbelichtete Forschungsfragen. Einige Autoren wie z. B. Carolyn Nordstrom (2004) gehen in ihrer Interpretation afrikanischer Gewaltökonomien soweit, in diesen Netzwerkkonfigurationen ein strukturierendes Moment zukünftiger globaler Veränderungen zu sehen: „Man mag der Meinung sein, dass sich die Internationalisierung am stärksten in den kosmopolitischen Zentren dieser Welt manifestiert. Aber vielleicht sind Mozambique und Angola, Afrika und Asien die Orte, wo die neuen Machtkonstellationen, die die Welt prägen, am deutlichsten sichtbar sind“ (Nordstrom 2004:130f.).
Ressourcenverknappung als Konfliktursache
Neben der These des Ressourcenfluchs wird seit einigen Jahren auch das Argument der Ressourcenverknappung verfolgt. Dabei bilden zwei Überlegungen den Ausgangspunkt für Erklärungen von Ressourcenkriegen. Die erste knüpft an Erscheinungsformen des globalen Wandels an und leitet bestehende und zukünftige Ressourcenkonflikte aus der abnehmenden Verfügbarkeit von Süßwasser, zunehmender Bodendegradation und häufigerem Auftreten von Extremereignissen wie Dürre, Stürmen oder auch Starkregen mit Überschwemmungen ab. Die Forschungsergebnisse von Th. Homer Dixon und G. Baechler haben bereits in den 1990er Jahren auf Folgen derartiger Verknappungen aufmerksam gemacht, die zur gewaltsamen Aneignung verbliebener Ressourcen durch einzelne Gruppen, Clans oder Ethnien führen. Die Szenarien, die dem Klimawandel zugeschrieben werden, ergeben weitere Brennpunkte in Afrika, so beispielsweise in Nordafrika, in der Sahelzone, in flachen Küstenzonen des westlichen Afrikas und im südlichen Afrika mit der Ausweitung der Trockengebiete der Kalahari (WBGU 2007, Scheffran 2008). Das zweite Argument zielt auf das demographische Wachstum ab und verweist auf das Überschreiten der regionalen Tragfähigkeit, die sich in einem Kampf um landwirtschaftlich nutzbares Land, um energetische Rohstoffe oder um den Zugang zu Wasser und Nahrungsmitteln artikuliert. Allerdings ist der Begriff der Tragfähigkeit schwierig und sollte nicht als absolut bestimmbare Größe angesehen werden. Auslöser von Konflikten sind in der Regel umstrittene Verfügungs- und Eigentumsrechte um Wasserressourcen oder um Land. Unabhängig davon sind aus dem Zusammenspiel geo- und bioökologischer Veränderung und dem demographischen Wachstum erhebliche Folgeeffekte für afrikanische Gesellschaften zu erwarten, die das Potential für zukünftige auch gewaltsam ausgetragene Konflikte erhöhen.
Ressourcenverknappung: Konflikte um Land und Wasser in Kenia
Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen hat in einer aktuellen Nachricht vom 2. Februar 2009 gemeldet, dass es im Nordosten Kenias zu zahlreichen gewalttätigen Konflikten besonders zwischen Viehzüchtern wegen der anhaltenden Trockenheit kommt. Die Auseinandersetzungen haben zu zahlreichen Toten, Vertriebenen und Flüchtlingen sowie zu Folgeproblemen der Nahrungsmittelversorgung und medizinischen Hilfe geführt. Derartige Konflikte sind leider nicht neu, sondern wiederkehrendes Moment der Dürregefahren in ariden und semiariden Regionen. Die regionale Vulnerabilität Kenias ist allerdings differenzierter und Möglichkeiten zur Identifizierung besonderer Problemräume lassen sich anschaulich am Vorgehen einer Arbeitsgruppe der Universität Mailand aufzeigen. Sie nutzen das Konfliktmodell von Thomas Homer Dixon (1999), das Konfliktkonstellationen auf drei Ursachen komplex zurückführt: a) Knappheiten durch zunehmende Nachfrage nach Ressourcen, die durch hohes Bevölkerungswachstum hervorgerufen werden; b) Angebotsverknappung durch Veränderungen der geo- und bioökologischen Systeme; c) gesellschaftliche Ungleichheit in Form von Einkommensdisparitäten und Verfügungsrechten.
Das gewählte Vorgehen zur Aufdeckung latenter Regionalkonflikte basiert auf der Integration raumbezogener Daten in einem Geographischen Informationssystem (GIS). Dadurch wird eine kartographische Zusammenschau verschiedener Einzelkarten ermöglicht, die Bodendegradation, Wasserpotential, Entwaldung, Bevölkerungsvariablen sowie Entwicklungsindikatoren abbilden. GIS-Anwendungen erlauben somit eine Annährung an mögliche Konfliktregionen unter dem Gesichtspunkt der Ressourcenverknappung. Sicherlich ist der Ausbruch eines gewaltsamen Konflikts von weiteren Faktoren abhängig, die sich nicht einfach kartographisch lokalisieren lassen, aber als Werkzeug für die Benennung von Maßnahmen der Konfliktprävention und der Modellierung verschärfender Effekte des Klimawandels sind derartige Systeme hilfreich.
Konfliktursache | Kenia: Potentielle Konfliktregion | ||||
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Mount Kenya | Mount Elgon / Viktoriasee | Mombasa | Nordgebiete (östlich des Turkanasees | Somalisch-äthiopischer Grenzsaum | |
Nachfrageinduzierte Knappheit | |||||
Bevökerungsdichte und -wachstum | Hohe Dichte / starkerAnstieg | Hohe Dichte / starker Anstieg | Hohe Dichte in der Stadtregion | Geringe Dichte | Geringe Dichte |
Angebotsinduzierte Knappheit | |||||
Böden | Hohe / zunehmende Bodendegradation | Hohe / zunehmende Bodendegradation | Geringe Degradation | Degradation durch Überweidung | Degradation durch Überweidung |
Wasser | Folgeeffekte der Gletscherschmelze | Knappheiten | Knappheiten | Wassermangel | Wassermangel |
Wald | Massive Entwaldung | Massive Entwaldung | Nicht vorhanden | Nicht vorhanden | Nicht vorhanden |
Ungleichheit | |||||
Gebiete mit relativer Deprivation | Sozialräumliche Ungleichheiten | Gebiete mit relativer Deprivation | Verbreitete Armut | Sozialräumliche Ungleichheiten | |
Tabelle: Identifikation potentieller Ressourcenkonfliktregionen in Kenia nach Bocchi u.a. 2004 |
Die in der Tabelle aufgezeigten potentiellen Konfliktregionen Kenias verweisen auf drei mögliche Konflikttypen, die sich in Afrika als Folge von Ressourcenverknappungen ergeben können. Der erste Typ nimmt die eingangs geschilderten gegenwärtigen Gewaltformen auf, die in den Nordregionen Kenias und dem nordöstlichen Grenzsaum zu Somalia zu finden sind. Hier führen geo- und bioökologische Angebotsverknappungen zu Konflikten besonders um den Zugang zu Wasser und Weideflächen. Als Gewaltakteure können hier Gruppen mit gleichen ökologischen Raumansprüchen (Viehzüchter) und konfligierenden Landnutzungsinteressen (Viehzüchter gegen Ackerbauern) auftreten. Derartige Konflikte bilden auch einen wichtigen Hintergrund für den Krieg im Darfur und finden sich in unterschiedlichen Intensitätsstufen in den tropischen und subtropischen Trockenräumen, die durch Dürre- und Desertifikationserscheinungen geprägt sind.
Der zweite Typ veranschaulicht den demographisch-ökologischen Verknappungskonflikt, der durch Bevölkerungswachstum (Kombination aus natürlichem Bevölkerungswachstum und Zuwanderung) und die Überbeanspruchung bestehender ökologischer Potentiale hervorgerufen wird. Entscheidend ist hier der konkurrierende Zugang zur landwirtschaftlichen Nutzfläche, der Landkonflikte erzeugt. Neben den konfliktträchtigen, allerdings auch abnehmenden Möglichkeiten zur inneren Kolonisation, d.h. die Erweiterung agrarwirtschaftlicher Nutzfläche durch Rodung von Primärwälder, spielen auch Landrechte eine große Rolle, da sie über die Verteilungs- und Zugangsmodi entscheiden. In Kenia bestehen private, staatliche und diverse traditionelle Landrechte nebeneinander, auf die sich Akteure im Konfliktfall berufen und gewalttätige Aktionen legitimieren. Ähnliches gilt für unterschiedliche ethnisch oder territorial definierte Gemeinschaften, die angestammte Rechte zur Geltung bringen. Derartige demographisch-ökologische Konflikte finden sich nicht nur in Kenia am Berg Elgon, sondern im gesamten zentralafrikanischen Konfliktraum und auch im feuchttropischen Westafrika. In einer beeindruckenden Studie weisen André und Platteau (1998) nach, dass Zugang zu Land auch im Hintergrund des Genozids in Ruanda 1994 eine wichtige Rolle gespielt hat.
Urbane Räume stellen den dritten Typ potentieller Konfliktregionen dar, die von Ressourcenverknappungen massiv betroffen sein können und in denen als Folge massive gewaltförmige Auseinandersetzungen ausbrechen können. Mombasa steht hier stellvertretend für die Proteste und Revolten, die als Folge der Preiserhöhungen und Knappheiten in verschiedenen afrikanischen Städten aufgetreten sind. Sicherlich handelt es sich dabei um vermittelte Konflikte, die nicht linear auf umliegende Ökosysteme zurück bezogen werden können. Jedoch ist die Ressourcenlage für urbane Räume angesichts der rapiden Verstädterung in Afrika und der schnell anwachsenden und sich räumlich ausbreitenden Stadtregionen generell sehr prekär.
Fazit
Die Geschichte der Kolonisierung Afrikas, das Eindringen der Siedler und die koloniale Aufteilung im Zuge der Berliner Konferenz 1884/85 ist gleichzeitig eine Geschichte der Aneignung von Ressourcen durch externe Akteure und Mächte. Gewalttätige Beziehungen bei der Extraktion von Rohstoffen, der territorialen Kontrolle und dem Transport von Rohstoffen und harte Konflikte über die Aneignung und Verteilung der Renten gehören seit Jahrhunderten zur afrikanischen Alltagsrealität. Diese problematischen Strukturen haben sich in der postkolonialen Phase nahezu ungebrochen fortgesetzt und damit von Beginn an die Eliten in den nun formal unabhängigen Staaten kompromittiert und auf struktureller Ebene verhindert, dass sich Formen moderner Staatlichkeit ausbilden konnten. Gegenwärtig erfahren die Ressourcenbestände in Afrika durch das zunehmende Interesse der USA, Europas und neuerdings Chinas an Rohstoff- und Energiesicherung eine geopolitische Neubewertung (Kneissl 2008). Neue Verbindungen von Militär- und Entwicklungspolitik bilden sich aus und artikulieren sich beispielsweise in Forderungen nach robusten Eingriffsrechten von Blauhelmsoldaten, um illegale Ressourcenausbeutungen zu unterbinden oder in der Errichtung eines eigenständigen U.S. Kommandos AFRICOM, um die Präsenz der USA in Afrika zu erhöhen wie in verschiedenen Initiativen der EU, eine aktive Energiesicherheitspolitik zu etablieren. Neben der in diesem Beitrag in den Vordergrund gestellten lokalen und regionalen Ebene besteht demnach ein geopolitischer Diskurs, der auf die Interventionsbereitschaft der Welt- und Großmächte abzielt. Die militärische Option scheint für sie nach wie vor naheliegender zu sein als die Abkehr von ressourcenintensiven Entwicklungsstilen. Dieses steigert sich zu einem schwer erträglichen Zynismus, wenn der im Norden verursachte Klimawandel zur sicherheitspolitisch legitimierten Kontrolle der Ressourcenverknappung im Südens aufruft (vgl. dazu Beiträge im Friedensgutachten 2008, v.a. Brzoska).
Literatur
André, Catharine/Platteau, Jean (1998): Land relations under unbearable stress: Rwanda caught in the Malthusian trap. Journal of Economic Behavior and Organization 34 (1), 1-47.
Auty, Richard M. (2004) Natural Resources and Civil Strife: A Two-Stage Process. Geopolitics 9, 29-49.
Bocchi, Stefano/Disperati, Stefano/Rossi, Simone (2006): Environmental Security: A Geographic Information System Analysis Approach – The Case of Kenya. Environmental Management 37 (2), 186–199.
Brzoska, Michael (2008): Der konfliktträchtige Klimawandel – ein Sicherheitsproblem. Friedensgutachten 2008, 195-207
Bulte, Erwin H./Damania, Richard/Deacon, Robert T. (2005): Resource Intensity, Institutions and Development. World development 33 (7), 1029-1044.
Global Witness (2005): Same Old Story. A background study on natural resources in the Democratic Republic of Congo. Washington D.C.
Homer-Dixon, Thomas (1999): Environment, Scarcity, and Violence. Princeton, NJ.
Human Rights Watch (2005) The Curse of Gold. Democratic Republic of Congo. New York.
Le Billon, Phillip (2004): The Geopolitical Economy of Resource Wars. Geopolitics 9, 1-28.
Kappel, Robert (1999): Wirtschaftsperspektiven Afrikas zu Beginn des 21. Jahrhunderts: Strukturfaktoren und Informalität. In: ders. (Hrsg.): Afrikas Wirtschaftsperspektiven. Strukturen, Reformen und Tendenzen. Hamburg.
Kneissl, Karin (2008): Die neue Kolonialisierung Afrikas: China, die USA und Europa im Kampf um die Rohstoffe. In: Österreichisches Studienzentrum für Frieden und Konfliktlösung (Hrsg.) Von kalten Energiestrategien zu heißen Rohstoffkriegen? Münster: LIT, S.177-191.
Nordstrom, Carolyn (2005): Leben mit dem Krieg. Menschen, Gewalt und Geschäfte jenseits der Front. Frankfurt.
Oßenbrügge, Jürgen (2007): Ressourcenkonflikte ohne Ende?. Zur Politischen Ökonomie afrikanischer Gewaltökonomien. Zeitschrift für Wirtschaftsgeographie 51, 150-162.
Scheffran, Jürgen (2008): Climate Change and Security. Bulletin of the Atomic Scientists 64, 19-25.
WBGU (Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung – Globale Umweltveränderungen) (2007): Welt im Wandel: Sicherheitsrisiko Klimawandel. Berlin.
Prof. Dr. Jürgen Oßenbrügge lehrt Wirtschaftsgeographie und Politische Ökologie an der Universität Hamburg mit Schwerpunkten zur Stadt- und Konfliktforschung europäischer und afrikanischer Regionen.