W&F 2009/2

Ressourcenkonflikte zwischen China und Indien

von Saskia Hieber

Berichte über die Konkurrenz und das gegenseitige »Ausbooten« chinesischer und indischer Energiefirmen im Persischen Golf oder in Afrika haben Diskussionen über mögliche Ressourcenkonflikte zwischen den asiatischen Großmächten befördert. Tatsächlich bewirkt der wirtschaftliche Aufstieg der asiatischen Schwellenländer einen wachsenden Rohstoffbedarf. Asiatische Firmen kaufen Gasfelder, Öllieferungen, Konzessionen, Minen, Metalle, Farmen und Landwirtschaftsprodukte auf der gesamten Südhalbkugel – gleichzeitig suchen Investoren neue Anlagemöglichkeiten.

Einerseits ist diese Entwicklung insofern potentiell problematisch, weil dies in einem größeren sicherheitspolitischen Kontext zu verorten ist und zusätzlich die »Energiekonkurrenz« mit älteren, erfolgreichen Volkswirtschaften in Asien – wie Japan – besteht, das fast 90% seiner Energie importieren muss. Strategische Planungen wie etwa Pipelinerouten und der Ausbau von Verkehrsverbindungen, Kommunikationswegen und militärischen Anlagen in den jeweiligen Nachbarländern tragen genauso zum gegenseitigen Misstrauen bei wie die historischen Feindseligkeiten zwischen China und Indien und alte Machtkonstellationen im asiatischen Raum (Indien und die Sowjetunion gegen China und Pakistan).

Andererseits dürfen die Möglichkeiten und Schritte zu regionaler Kooperation nicht unterschätzt werden. Neben bilateralen Einigungen besteht ein großes Potential, regionale und flexible Lösungen zu entwickeln. Als Beispiel sei der »Code of Conduct« der Anrainer des Südchinesischen Meeres genannt.1 Schließlich sind die Notwendigkeit wirtschaftlichen Handels und der in der Region traditionelle Pragmatismus, der eine Kooperation auch auf wenig institutioneller Ebene ermöglicht, konstruktive Merkmale.

Der politische Rahmen

Die Beziehungen zwischen China und Indien waren schlecht. Als Gründe gelten die Grenzkriege 1962 und die Konkurrenz um Einfluss in Südostasien, in der Himalayaregion und auf der Südhalbkugel. Die Territorialdispute, Atomprogramme und Rüstungsvorhaben sind weitere Belastungsfaktoren, ebenso wie die Instrumentalisierung alter Machtkonstellationen in Bezug auf Strukturen des Kalten Krieges, terroristische Bedrohungen und die Zukunft Pakistans. Ebenfalls für Misstrauen hat der Ausbau von Verkehrs- und Kommunikationswegen und militärischer Anlagen in Nachbarstaaten gesorgt. Hier ist insbesondere Myanmar zu nennen, durch das sich China einen Zugang zum Indischen Ozean verspricht. Auch Chinas Engagement in Pakistan und der Ausbau des Golf-Hafens Gwadar wurden in Neu-Delhi kritisch betrachtet. Umgekehrt trifft Indiens neue Präsenzstrategie, die nicht nur auf die eigenen Küstengewässern abzielt, sondern auf das gesamte Arabische Meer und den Indischen Ozean, auf Besorgnis in ganz Asien. Mohan Malik argumentierte 2004, dass die bilateralen Beziehungen eher von Wettbewerb als von Kooperation geprägt werden, da das Verbindende bzw. die ähnlich gelagerte Herausforderung genau das sei, was China und Indien trenne.2

Nun haben die Piratenüberfälle im Golf von Aden und vor der afrikanischen Küste neue Bedingungen und neue Notwendigkeiten der Kooperation geschaffen. Etwa zwei Drittel des Golf-Öls geht nach Asien. Asiens Volkswirtschaften sind nicht nur abhängig von Energieimporten, sondern auch von den Exportwegen, um die produzierten Güter auf die Märkte der Erde zu bringen. Die Offenhaltung und Freiheit von Seeverkehrswegen ist nirgendwo wichtiger als in Ostasien, das alleine weit über die Hälfte des Weltcontainerverkehrs ableistet. Das indische Militär hat in der Vergangenheit mehrfach Piraten nicht nur vor den eigenen Küsten, sondern auch in internationalen Gewässern bekämpft. Die Indische Marine beschreibt in ihrem »Vision Document« von 2006 etwa die Bedeutung, die ein dreidimensionaler, flexibler Ansatz für die Fähigkeit hat, im gesamten Konfliktspektrum sowohl in den eigenen Küstengewässern, als auch auf hoher See zu operieren.3

Chinas jüngstes maritimes Engagement Richtung Westen hat noch keine Tradition und steht in zeitlichem Zusammenhang mit dem Piratenüberfall auf einen chinesischen Frachter am 16. November 2008 im Indischen Ozean. Zwei Aussagen der Zeitung »China Daily« zu diesem Zwischenfall sind interessant: »Beijing ready to combat pirates« und der fast anklagende Hinweis, dass der Überfall im Verantwortungsgebiet der 5. Amerikanischen Flotte stattgefunden hatte (und nicht verhindert wurde). So kritisch das Pentagon und asiatische Nachbarn Chinas Marineaktivitäten betrachten, so erstaunlich ist es, dass Beijing nicht schon früher Schiffe entsandte. Ein entsprechendes Papier, in dem die Chinesische Regierung beispielsweise ankündigt, Auslandsinvestitionen im Rohstoffsektor nicht nur zu fördern, sondern auch zu schützen, liegt seit 2003 vor.4

Energiepolitik und Energieträger

In China und Indien bestimmen ähnliche Faktoren die Ressourcenproblematik und die Energiepolitik: Auf der Versorgungsseite stehen in beiden Ländern sehr große Kohlevorräte, deren Nutzungsausbau aus Gründen der Luftqualität aber problematisch ist; die eigene Öl- und Gasproduktion und die vorhandenen Anlagen sind nicht ausreichend. Beide Länder müssen immer mehr Öl importieren (Indien ca. 2/3 des Bedarfs, China fast die Hälfte); beide Länder verfügen über noch unerschlossene Energiereserven, diese liegen allerdings z.T. Offshore oder in anderweitig schwierig zu erschließenden geologischen Strukturen. Die Infrastrukturmängel stellen jeweils einen empfindlichem Engpass in der Sicherung der Energieversorgung dar. Beide Länder verfügen über große Wasserkraftpotentiale, die aber aufgrund von Umwelt- und anderen Bedenken nicht mehr so massiv ausgebaut werden können. Hinzu kommt, dass Wasserkraftprojekte die Beziehungen zu den im Vergleich zu Chinas und Indiens Größe immer kleineren Flussnachbarn belasten. Im Falle Chinas sind das südostasiatische Staaten; in Bezug auf Indien sind es Nepal, Pakistan und Bangladesch.

Auf der Bedarfsseite ist zu sehen: Das hohe Wirtschaftswachstum führt zu steigendem Energieverbrauch und der wachsende Transportsektor benötigt immer mehr Treibstoff. Der Wohlstand der wachsenden Mittelschicht vervielfacht den Strombedarf für Haushaltselektronik; Ineffizienz und Stromausfälle zeichneten die staatlichen Versorger aus. Die bisher zu niedrigen Verbraucherpreise haben zu Verschwendung und zu Einkommensverlusten bei den Energiefirmen geführt und die Erfolge von Sparprogrammen geschmälert. Beide Länder sind zunehmend auf Ölimporte angewiesen und haben ihren Jahres-Ölverbrauch in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt: China von 160 auf fast 370 Millionen Tonnen, Indien von 75 auf fast 130 Millionen Tonnen. Es geht auch anders – wie der Vergleich mit hochindustrialisierten und produktiven Volkswirtschaften zeigt: Japan konnte seinen Ölverbrauch in den vergangenen 10 Jahren von 268 Millionen Tonnen auf 230 Millionen Tonnen reduzieren. Das industriell hoch entwickelte Deutschland verbraucht »nur« 112 Millionen Tonnen Öl pro Jahr.5 Dies hängt unmittelbar mit den durch die Ölkrisen der 1970er Jahre entstandenen Energiesparmaßnahmen und Effizienzsteigerungen zusammen.

China ist heute nach den USA der zweitgrößte Ölverbraucher und Ölimporteur der Welt. Indien steht an sechster Stelle. Chinas Ölindustrie gehört inzwischen zu den weltgrößten Produzenten, der größte Teil der Produktion wird aber im Land selbst verbraucht. Auch Indiens Ölindustrie muss sich immer mehr um internationale Projekte und Konzessionen bemühen, um den steigenden Ölbedarf des Landes zu decken. Die großen asiatischen Energiefirmen investieren inzwischen auf dem gesamten Globus, um ihre Lieferungen, Lieferanten und Lieferrouten zu diversifizieren. Zwar fließen etwa zwei Drittel des Öls des Persischen Golfs nach Ostasien und die Zahl der »Strategischen Ölpartnerschaften« mit den Öllieferanten der arabischen Welt wächst. Doch werden zunehmend Afrika und Lateinamerika zu wertvollen Energiepartnern. Angola beispielsweise liefert seit 2006 mehr Öl nach China als Saudi-Arabien.6

Die Gasmärkte sind regionalisiert: Südostasien liefert hauptsächlich an die ostasiatischen Großabnehmer, vornehmlich an Japan; Nordafrika und Russland liefern an Europa. Japan hat die Gasnutzung früh ausgebaut, in Südostasien den weltgrößten Flüssiggasmarkt aufgebaut und gehört zu den größten Gasnutzern. Erstaunlich ist der geringe Gas-Anteil von unter 4% in Chinas Energiestruktur und etwa 8% in Indien. Dies hat industrietraditionelle Gründe (Gas wurde zur Düngemittelproduktion verwendet) und mit der fehlenden Infrastruktur zu tun. Zur Gasnutzung ist ein Leitungsnetz von der Quelle bis zum Endverbraucher notwendig, was angesichts der geographischen Ausdehnung und der politisch-strategischen Landschaft Probleme bereitet. Ungeachtet vieler Pipelinepläne und Projekte und mit Ausnahme kleiner nationaler Anschlüsse verbinden bisher keine transkontinentale Leitungen etwa China mit den reichen Gasfeldern Sibiriens oder Indien mit Iran. Russlands Gas fließt bisher fast ausnahmslos nach Westen. Bis 2015 und 2020 sollen jedoch Leitungen von Sibirien nach China und Japan gebaut werden. Ein Grund für die Verzögerungen liegt in der Frage über die Kontrolle und das Aufbringen jeweils zweistelliger Milliardensummen für diese Bauvorhaben. Indien und China sind auch im Gasbereich Konkurrenten. Nicht nur vor Indiens Westküste liegen Gasvorkommen, auch Myanmar verfügt über reiche Offshore-Felder.

China verfeuert über 1.300 Millionen Tonnen Kohle pro Jahr zur Energieerzeugung, Indien 208 Millionen Tonnen. Kohle hat in China immer noch einen Anteil von 68% an der Gesamtenergiestruktur und die chinesische Regierung hat wenig Spielraum, dieses Dilemma zu lösen, ohne den Ölanteil (ca. 20%) und damit die teuren Ölimporte zu erhöhen. In Indien liegt der Kohleanteil bei 53% und der Ölanteil am Gesamtenergieverbrauch ist mit über 30% sogar noch höher als in China. Die erneuerbaren und »sauberen« Formen (dazu gehört Atomkraft) stellen nur einen Anteil von etwa 8% in China und ca. 7% in Indien an der Gesamtstruktur.7 Auf China fällt die Hälfte des weltweiten Kohleverbrauchs; nimmt man Indien und das restliche Asien hinzu, entsteht das erschreckende Bild, dass auf Asien ca. drei Viertel des Weltkohleverbrauchs entfallen. Regelungen zur Emissionskontrolle und zum Klimaschutz müssen folglich asiatische Regierungen stärker mit einbeziehen und in Verantwortung nehmen. China steht aber vielen internationalen Vereinbarungen, z.B. über verbindliche Ziele zur Reduzierung von Emissionen, zögerlich gegenüber.8 Indien setzt sich aus Gründen der Armutsbekämpfung gegen Vereinbarungen über Emissionsreduzierungen ein. Weitere indische Interessen beinhalten die Beziehungen zu den USA, auch unter dem Gesichtspunkt des Ausbaus des indischen Nuklearprogramms.

Um die Energieversorgung zu sichern, müssen die Staaten Asiens die vorhandene Energieindustrie ausbauen, Sparmaßnahmen durchsetzen und die Nutzung aller Energieformen und -träger ausbauen.9 So hat die Verwendung von Biomasse in Asien eine gewisse Tradition, wird aber erst langsam entwickelt. Dies liegt zum einen an der Dominanz der Kohle im Versorgungssystem, an der Bedeutung von Ölprodukten für den rasant wachsenden Verkehrssektor und an Mängeln in der Infrastruktur. Wasserkraft wird überall in Asien gefördert. China hat das größte Wasserkraftpotential der Welt und wird in diesen Sektor weiter investieren – ungeachtet ökologischer, sozialer und kulturhistorischer Bedenken. Indiens große Staudammprojekte haben schon früher durch ihre rücksichtslose Durchsetzung gegenüber Einheimischen für Schlagzeilen gesorgt. Nuklearkraft spielt nur in Japan eine große Rolle für die Energiegewinnung. China will zwar in den kommenden Jahren bis zu 40 Atomkraftwerke bauen, da der Energiebedarf insgesamt jedoch so stark steigt, wird diese Energieform auch in Zukunft nur etwa 2% zur Energieversorgung beitragen. In Indien beträgt der Nuklearkraftanteil ca. 1%.

Konflikt und Kooperation im Auslandsengagement

China und – mit etwas Verspätung – Indien betreiben heute eine diversifizierte Wirtschaftspolitik und sorgen durch weltweite Investitionen und den Kauf von Konzessionen im Rohstoffbereich für Versorgungssicherheit. So verschafft sich die Volksrepublik nicht nur in Nachbarstaaten, sondern auch im weiteren Asien, in Ozeanien, Afrika und Südamerika Zugang zu Energie- und Metallvorkommen.10 In Afrika wird beispielsweise ein ganzes Bündel von wirtschaftlichen und politischen Aktivitäten bemüht, nicht nur Rohstoffausbeutung und Handel, sondern auch die »Süd-Süd-Solidarität« gegen amerikanisches »Hegemoniestreben«, kaum konditionierte Hilfs- und Aufbauleistungen und Schuldenerlässe. Chinas Afrikagipfel hatte seinen Ausgangspunkt 2003, der erste Indien-Afrika Gipfel fand erst 2008 statt. Asiatische Regierungen zeigen hier einerseits neue Machtansprüche, sind aber im Gegensatz zu vielen westlichen Ländern auch bereit, Milliardensummen in den Kontinent zu investieren. Afrikanischen Länder sind alternative Ordnungsmodelle und das Nichteinmischungsprinzip willkommen. Es muss allerdings klar erkannt und kritisch kommuniziert werden, dass Chinas unkonditionierte Leistungen internationale Bemühungen in Bezug auf Korruptionsbekämpfung, »good governance«, Finanztransparenz und damit insgesamt Konfliktprävention unterlaufen.

Die chinesische Regierung hat ihrem Energie- und Rohstoffsektor ein Auswärtsprogramm verordnet und fordert Investitionen im Ausland. Im Ergebnis hat China im Vergleich zu Indien bisher etwa die zehnfache Summe in internationale Ölrechte investiert. Doch auch China hat nicht immer Erfolge – wie das abgewiesene Angebot von CNOOC (China National Offshore Oil Corporation) für Unocal zeigte. Indische Energiefirmen hatten bisher beim Versuch, ihr internationales Engagement zu vergrößern, oft das Nachsehen gegenüber der chinesischen Konkurrenz und wurden beispielsweise bei Ölgeboten in Sudan, Angola, Indonesien und Ecuador von China ausgestochen. Ein Ausdruck der chinesisch-indischen Rivalität war das chinesische Gebot von 2,3 Milliarden US-Dollar für einen 45%-Anteil am Nigerianischen Akpo-Offshore-Feld, wogegen Indien chancenlos war.11 Ein weiteres prominentes Beispiel war der indische Versuch, Ende 2005 die kanadische PetroKazakhstan zu kaufen, dabei jedoch gegen CNPC (China National Petroleum Corporation) verlor.12 Indiens Diplomatie kann sich selten gegen chinesische Interessen durchsetzen, die außerdem massiv durch außenpolitische Initiativen gestützt werden. Dennoch engagieren sich indische Firmen inzwischen in Energieprojekten in Russland, Vietnam, Indonesien, Sri Lanka (offshore), Kasachstan, Algerien, Libyen, Syrien, Yemen und Iran und investieren zunehmend auch in Afrika und Lateinamerika. Mit Iran hat Indien beispielsweise einen 40 Milliarden US-Dollar Vertrag über die Lieferung von 7,5 Millionen Tonnen Flüssiggas über 25 Jahre abgeschlossen und investiert in iranische Häfen und Straßennetze, die Verbindungen nach Afghanistan und Zentralasien verbessern sollen.13 Das indisch-iranische Hafenprojekt Chabahar steht in Konkurrenz zum chinesisch-pakistanischen Hafen Gwadar.

Allerdings erschweren angespannte Beziehungen zu Nachbarstaaten Indiens die Energiepolitik zusätzlich. Eine Gasleitung von Iran oder Turkmenistan nach Indien führt durch pakistanisches Gebiet und ist daher ohne Einigung mit der Regierung in Islamabad nicht zu realisieren. Ähnliches gilt für eine Gasleitung von Myanmar nach Indien, die durch Bangladesh laufen müsste. Myanmar gilt als Schlüsselspieler für Chinas Zugang zum Indischen Ozean – entsprechend wurde der Ausbau von Verkehrswegen von Südwest-China nach Myanmar und der Ausbau von Hafenanlagen betrieben.

China und Indien hoffen auf neue Projekte in Iran, Irak, Zentralasien und im Pazifik. Viele asiatische Länder folgen dem Instrumentenkatalog der Internationalen Energieagentur zur Versorgungssicherung: Energiesparmaßnahmen, Ausbau der eigenen Energieindustrie, Diversifizierung und Investitionen in die Infrastruktur. Offshore-Produktionen haben sowohl im Indischen Ozean als auch in den ostasiatischen Meeren neue Vorkommen erschlossen. Einige dieser Felder sind aber teilweise aufgrund technischer Schwierigkeiten (Tiefe, Qualität) und territorialer Dispute nicht erfolgreich zu bewirtschaften. Ein weiteres Problem bestand und besteht für die relativ jungen chinesischen und indischen Energiefirmen darin, dass sie im Vergleich zu den älteren westlichen Multis wie BP, Royal Dutch Shell oder Exxon Mobil weder am Gewinn der Hochpreisjahre teilhaben konnten noch über ausreichend Erfahrung verfügten und feststellen mussten, dass die »billigen« und leicht zugänglichen Felder in der Welt des Öls schon lange vergeben waren und sie zumindest bis Ende der 1990er Jahre unter einem Mangel an Managementqualifikation und Kapital litten.

Ein weiteres Feld in der Energiekonkurrenz sind ausländische Investitionen in die eigenen Raffinerien und Pipelines. Arabische Länder haben Interesse, insbesondere in China zu investieren: Saudi-Aramco und Kuwait steckten fast 8 Milliarden US-Dollar in südchinesische Raffineriekomplexe. Bei den Pipelineplänen ist auf die hohe Komplexität, die politischen Unsicherheiten, die Interessen der Großmächte und die großen Investitionssummen hinzuweisen. Deshalb erstaunt die Fülle der Projekte nicht. In Ost-West-Richtung verlaufen folgende Planungen: Russland-China-Japan, Russland-Kasachstan-China, Russland-Japan direkt, Iran-Indien und weiter im Westen SouthStream und die BTC-(Baku-Tbilisi-Ceyhan)-Leitung. In Nord-Süd-Richtung verlaufen Pläne, China mit dem Indischen Ozean, Russland mit Iran und Indien und jeweils Iran und Pakistan mit West- und Zentralasien zu verbinden. Zu den kleineren Projekten gehört die White-Oil-Pipeline, die den pakistanischen Hafen Qasim mit dem Norden des Landes verbindet und von der chinesischen China Petroleum Engineering and Construction Company gebaut wurde.14

Inzwischen gibt es aber auch Beispiele für Kooperationen zwischen chinesischen und indischen Energiefirmen. Im Iran haben sich beide Länder für die gemeinsame Nutzung einer Konzession entschieden: Irans größtes Ölfeld, Yadavaran, wird von China (50%), Indien (20%) und Iran (30%) gemeinsam betrieben. In Syrien kauften indische und chinesische Firmen gemeinsam die Rechte der kanadischen Petro-Canada an Al Furat Petroleum.15 Nach der »Strategischen Partnerschaft« 2005 wurde im Januar 2006 endlich ein chinesisch-indisches »Memorandum on Cooperation in Oil and Gas« beschlossen.

Zu der Bekämpfung der Umweltzerstörung stehen in den meisten asiatischen Ländern ausreichende Gesetze zur Verfügung – es hapert an der Umsetzung. Das Prinzip »Öffentlichkeit« birgt Chancen. So ist die chinesische Sepa (State Environmental Protection Agency) zwar relativ machtlos, konnte aber mit der Drohung, Umweltverstöße öffentlich zu machen z.B. einen Stahlproduzenten bewegen, fünf große und veraltete Werke zu schließen. Die indische Regierung tut sich durch eine andere und längere juristische Tradition leichter, Rechtsverstöße zu ahnden. Regionale Kooperation wäre hier wünschenswert, eine über Absichtserklärungen und Machbarkeitsstudien hinausgehende Umsetzung ist allerdings nicht sichtbar.

Fazit

Asien spielt für die internationale Energiesicherheit eine entscheidende Rolle durch seine wirtschaftliche Entwicklung und den anhaltend wachsenden Energiebedarf. Nicht nur China beeindruckt seit fast drei Jahrzehnten mit Wirtschaftswachstumsraten von 8-11%, auch andere asiatische Länder haben die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise von 1996/76 längst überwunden und benötigen immer mehr Energie. Die Sicherung von Asiens Energieversorgung erfordert eine langfristige regionale und internationale Kooperation. Dazu wäre eine Art »asiatische Energieagentur« sinnvoll. China und Indien wären ein machtvolles Käuferkartell auf internationalen Ölmärkten. Ein weiterer Baustein in der regionalen Energiesicherheit wären gemeinsame regionale strategische Lager. Insgesamt ist ein konfrontativer Ansatz nicht förderlich und die Einbeziehung Japans unerlässlich. Für den Westen gibt es Gründe, angesichts des asiatischen Ölverbrauchs dennoch nicht in Panik zu verfallen: Die anlaufenden Sparprogramme und Preissteigerungen, das Produktionspotential der OPEC, die nicht genutzten Produktionskapazitäten in Iran und Irak und die Tatsache, dass mit Ausnahme der USA der Ölbedarf der westlichen Welt nicht mehr wächst. Die IEA sollte die Hand weiter nach Asien ausstrecken. Schließlich kommen von dort nicht nur Nachfragen nach verschiedenen Energieträgern, sondern auch nach der entsprechenden Förder-, Verarbeitungs- und Transporttechnologie und auch gewaltige Investitionen in die internationale Energieindustrie. Die gegenwärtige Situation allerdings lässt trotz gelegentlicher Zusammenarbeit chinesischer und indischer Energiefirmen durch die nationalstaatlich geprägte Interessenpolitik und innenpolitische Zwänge bisher zu wenig Raum für kooperative, regionale Lösungen.

Anmerkungen

1) Joint Declaration on the Conduct of Parties in the South China Sea, 2002, http://www.aseansec.org/13163.htm.

2) Mohan Malik (2004): India-China Relations. Giants Stir, Cooperate and Compete; In: Special Assessment Asia’s Bilateral Relations; APCSS.

3) Headquarters of the Ministry of Defence – Indian Navy: Vision Document 2006; New-Delhi, http://indiannavy.nic.in/vision.pdf.

4) State Council Information Office: China’s Policy on Mineral Resources, Beijing, http://www.china.org.cn/e-white/20031223/index.htm.

5) BP Statistical Review of World Energy 2008, www.bp.com.

6) Vgl. FACTS Inc.: China Oil and Gas Monthly, 2006.

7) Energy Information Administration (EIA): Country Analysis Brief China, Country Analysis Brief India, www.eia.doe.gov.

8) Vgl. G8 Research Group – Oxford: »Outreach Five« Country Objectives Report; Heiligendamm Summit, 2007; www.g7.utoronto.ca/oxford/g8org-ox-objectives2007.pdf, S 7 ff.

9) Chinas moderne Energiepolitik ist beispielsweise im White Paper von 2007 abgebildet: State Council Information Office: White Paper on Energy, www.china.org.cn.

10) Vgl. Saskia Hieber: Chinas Energiesicherheit; In: China aktuell; 33 (April 2004) 4.

11) People’s Daily, 13. Januar 2006.

12) Energy Security, 16. Januar 2006, www.iags.org.

13) India, China locked in energy game; in: Asiatimes, 17. März 2005.

14) www.gasandoil.com, 21. Februar 2002

15) International Herald Tribune, 22. Dezember 2002.

Dr. Saskia Hieber ist als Sinologin und Politikwissenschaftlerin an der Arbeitsstelle Internationale Politik der Akademie für Politische Bildung Tutzing und als Lehrbeauftragte am Geschwister-Scholl-Institut für Politische Wissenschaft der Universität München tätig.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2009/2 Ressourcen: Ausbeutung, Krieg, Elend, Seite