Es stand in W&F
Zivilgesellschaftlicher Widerstand im Sudan
Mit dem Ausbruch des Krieges zwischen den militärischen Kräften der beiden herrschaftsanstrebenden Generäle al-Burhan (Armee) und Dagalo (RSF) am 15. April stehen die Zeichen für eine baldige zivile Transition im Sudan schlecht. Dabei hatte alles so gut begonnen. Die Geschichte der kraftvollen gewaltfreien und zivilen Revolution im Sudan 2018/2019 hatte in Heft 4/2019 Christina Hartmann für uns aufgeschrieben. Schon damals schrieb sie: „Durch friedlichen Widerstand erreichte die sudanesische Protestbewegung mit der Einigung auf eine Übergangsregierung einen vorläufigen Teilerfolg. Ob der Sudan die These […] stützt, nach der ein friedlicher Widerstand längerfristig die Ziele der Protestierenden erreicht, bleibt abzuwarten.“ Es gilt, sich heute erst recht wieder aktiv auf die Möglichkeiten ziviler Akteure zu besinnen und diese zu stärken – gegen alle Widrigkeiten einer besitzenden Klasse von Militärs.
Uranmunition
Im März 2023 wurde darüber diskutiert, ob Großbritannien panzerbrechende Munition mit abgereichertem Uran (DU-Munition) an die Ukraine liefern sollte. In der Debatte wurden Umwelt- und Gesundheitsgefahren relativ wenig thematisiert, obwohl seit Jahren die Gefährlichkeit dieser Munition international diskutiert wird. Dossier 56 von 2008 führte den damaligen Wissensstand zu Uranmunition auf und die Autor*innen Brigitte Runge und Fritz Vilmar kamen zu dem Schluss: „Die eigentliche Katastrophe der Erfindung und des Einsatzes dieser »kleinen«, unscheinbaren Nuklearwaffen der »depleted uranium«(DU)-Waffen-Gattung ist der weitgehende Mangel ihrer angemessenen öffentlichen und offiziellen Wahrnehmung.“ Dies gilt bis heute. Seither sind zwar einige weitere Studien zur Uranmunition veröffentlicht worden, doch die Ergebnisse bleiben auch weiterhin uneindeutig. Umso wichtiger wäre ein Abkommen zur Bannung dieser Waffengattung. Mehr zu Uranmunition: wissenschaft-und-frieden.de/blog/
Berliner Notizen
Anmerkungen aus dem Politikbetrieb
Sondertribunal für die Ukraine?
Nachdem Außenministerin Annalena Baerbock auf internationalem Parkett die Einrichtung eines Sondertribunals zur Strafverfolgung angesichts des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine gefordert hatte, lud der Auswärtige Ausschuss in der Beratung eines Antrags der CDU/CSU-Fraktion im Februar zu einer öffentlichen Expert*innenanhörung. Dabei wurde deutlich, dass der Internationale Strafgerichtshof in diesem Fall nicht zuständig ist, da weder die Ukraine noch Russland das Römische Statut ratifiziert haben. Möglich könne eine Anklage und Verurteilung der russischen Staatsführung aus Expert*innensicht über ein Sondertribunal werden (Prof. Frank Hoffmeister, Prof. Andreas Zimmermann), an dessen Zuständigkeit, Effektivität, Neutralität und Legitimität einzelne der Sachverständigen dann aber deutlich zweifelten (Prof. Claus Kreß, Prof. Christian Walter, Prof. Norman Paech, Prof. Gerd Seidel). Prof.in Susanne Buckley-Zistel betonte, dass es für die Akzeptanz eines Sondertribunals wichtig sei, dass „alle Verbrechen von allen geahndet werden“. Mit Blick auf das „gespaltene Land Ukraine“ müsse zudem überlegt werden, welche Auswirkungen ein Sondertribunal auf die politische Struktur der Ukraine in der Zukunft habe. Das Tribunal könne zum politischen Spielball innerhalb des Landes werden, gab sie zu bedenken.
Wehrbeauftragte Högl: Bedarf von 300 Mrd. €, Armee soll wachsen
Nach ersten Berichten im Januar über einen langfristigen Mehrbedarf der Armee, den die Wehrbeauftragte des deutschen Bundestages auf 300 Mrd. € bezifferte, bekräftigte sie diese Forderung auch in ihrem Wehrbericht Mitte März (20/5700) und in der dazugehörigen Bundestagsdebatte Ende April, in der nur sehr vereinzelte Kritik an einem solch massiven monetären Aufwuchs laut wurde.
Eva Högl forderte zudem die Erreichung des sogenannten 2 %-Ziels und einen zügigen Aufwuchs der Armee auf über 200.000 Soldat*innen. Von den 100 Mrd. € des Sondervermögens vom Sommer 2022 sei noch kein einziger Cent angekommen. Sie forderte, Deutschland „müsse seine Verpflichtungen gegenüber der Nato erfüllen“. Das Beschaffungswesen sei „zu behäbig“. In der Bundestagsdebatte versprach der Verteidigungsminister sogleich die Reform des Beschaffungswesens. Damit stellt er sich in eine Tradition ähnlich lautender Vorhaben der letzten Jahre.
Geräuschlose Verlängerung der militärischen Auslandsmandate
Zwischen März und Mai standen eine Reihe von Mandatsverlängerungen der Auslandsmissionen der Bundeswehr zur Abstimmung. Die Anträge dazu wurden weitgehend geräuschlos mit den Stimmen der Regierungsfraktionen positiv bewilligt (Südsudan, Mittelmeer). Auch das neue Mandat für die militärische »Kapazitätsaufbau«-Mission der EU in Niger wurde Ende April bewilligt. Allerdings stand zum Zeitpunkt der Abfassung dieser Zeilen die Verlängerung des Einsatzes in Mali noch aus, die in den letzten Monaten zunehmend öffentlich umstritten war. Die Verlagerung der Kapazitätsaufbaumission nach Niger lässt aber darauf schließen, dass sich der deutsche Fokus auch von Mali weg verschiebt – aber nicht unbedingt weniger militärisch geprägt ist. Ebenso stand noch die (zu erwartende) Verlängerung des KFOR-Mandates aus, das nach den erst kürzlich wieder deutlich manifesteren Konfliktepisoden wohl für unabdinglich gehalten werden wird.
Die nachträgliche Bewilligung der Bundeswehrmission zur Evakuierung von deutschen Staatsbürger*innen aus dem Sudan nach Beginn der dortigen Kampfhandlungen Mitte April 2023 (siehe auch nebenan) wurde gar ohne Gegenstimmen verabschiedet. Die LINKE gab ihren inhaltlichen Dissens immerhin zu Protokoll: „Wir stellen allerdings fest, dass andere Länder ihre Staatsbürger ohne militärischen Einsatz auf zivilem Wege evakuieren konnten, und hinterfragen daher die Notwendigkeit einer robusten Militärmission und die Ausgestaltung des Mandats, die auch den Einsatz von militärischer Gewalt erlaubt. Ebenso kritisieren wir die unzureichende Evakuierung von Ortskräften“ (Plenarprotokoll 20. Wahlperiode, 99. Sitzung, Anlage 3).