W&F 2006/3

Rüstung auf Rekordhöhe

von Jürgen Nieth

Das Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI hat am 12. Juni 2006 sein neues Jahrbuch vorgestellt. Danach wurden im Jahr 2005 rund 950 Milliarden Euro (1.118 Mrd. Dollar) für Rüstung und Verteidigung ausgegeben. Das ist ein Drittel mehr als noch vor 10 Jahren. Hauptverantwortlich für die Steigerung sind die USA, die alleine für 48 Prozent der weltweiten Rüstungsausgaben stehen.
Eine Reihe deutscher Tageszeitungen zitiert aus dem SIPRI-Bericht und kommentiert z.T. unterschiedliche Details. So schreibt die Berliner Zeitung (13.06.06) unter der Überschrift:

Höhere Rüstungsbudgets als im Kalten Krieg

„Ein beängstigender Rekord wird vermeldet: Die Ausgaben für Rüstung und Verteidigung lagen im Jahr 2005 erstmals über den Militärausgaben von 1987/88, dem Höhepunkt des Kalten Krieges. Kurz vor Ende der Ost-West-Konfrontation waren es Expertenschätzungen zufolge umgerechnet etwa 900 Milliarden Euro.
Im Vergleich zum Vorjahr stiegen 2005 die weltweiten Ausgaben um 33 Milliarden Dollar oder 3,7 Prozent. Das entspricht 2,5 Prozent des globalen Bruttosozialprodukts oder pro Kopf 173 US-Dollar (137 Euro).“
Nach der Süddeutschen Zeitung (13.06.06) gab Deutschland „im Jahr 2005 etwa 317 Euro pro Einwohner für Militärgüter aus.“
„Die größten Bürden des Rüstens trägt jedoch die Bevölkerung in einigen Regionen Afrikas und des nahen Ostens,“
schreibt die Frankfurter Rundschau (13.06.06). „In Eritrea, Äthiopien, Burundi, Jordanien, Jemen, Syrien, Libanon und Sri Lanka werden zwischen zehn und zwanzig Prozent der Produktionserträge für Waffen und Truppen ausgegeben.“

USA kurbeln Waffenmarkt an…

…schreiben die Stuttgarter Nachrichten (12.06.06). Fritz Kayser hebt hervor, dass „die USA im abgelaufenen Jahr für 80 Prozent aller zusätzlichen militärischen Aufwendungen“ verantwortlich sind. „Als Hintergrund für die massiven Ausgabensteigerungen der Vereinigten Staaten (werden bei SIPRI) …vor allem die Militäreinsätze im Irak und in Afghanistan“ genannt.
Diesen Einsätzen widmet die Frankfurter Rundschau (13.06.06) einen eigenen Kommentar.

Irak-Einsatz auf Pump

„288 Mrd. Dollar hat der Irakkrieg die USA laut dem Privaten Zentrum für Nationale Prioritäten (NPC) bislang gekostet. Jeden Monat kommen acht Milliarden dazu, fast doppelt so viel wie zu Kriegsbeginn im Jahr 2003“, schreibt US-Korrespondent D. Ostermann. Und weiter: „Mit dem in Irak verkämpften Geld (hätten die USA) 38 Millionen US-Kinder ein Jahr zur Vorschule schicken können – oder die Welthungerhilfe elf Jahre finanzieren, 28 Jahre alle Aids-Programme, 95 Jahre weltweite Kinderimpfungen.“
Bislang, so Ostermann, haben die US-Bürger aber „keinen Cent für Irak bezahlt. Die Kosten für die Militäreinsätze dort wie in Afghanistan , allein in diesem Jahr über 100 Milliarden Dollar, werden ausschließlich über Schulden finanziert.“
Der FR-Korrespondent zitiert den Nobelpreisträgers Joseph Stieglitz, der „ein böses Erwachen“ voraus sieht. Der Ökonom schätzt, dass der Irakkrieg die USA „langfristig 2,6 Billionen Dollar kosten“ wird, darin enthalten die „Folgekosten wie Behandlung und Rente von Kriegsinvaliden oder die Auswirkungen des Krieges auf den Ölpreis und damit die US-Konjunktur.“

Waffen nicht per se schlecht

Die Financial Times Deutschland (13.06.06) zitiert die SIPRI-Direktorin Alyson Bailes, nach der „Aufrüstung von Friedensforschern nicht mehr per se als Bedrohung gesehen werde. Nahezu alle internationalen Organisationen wollten ihr Militär für »gutartige« Aufgaben ausbauen. Mehr und mehr gelte der Grundsatz: ‘Waffen sind nicht per se schlecht, aber ihre Nutzung durch schlechte Leute für schlechte Zwecke’.“

Anti-Terror-Strategie gescheitert

„Passend zum SIPRI-Bericht erschien am selben Tag in London eine Studie der unabhängigen Oxford Research Group, die Bushs so genannten Krieg gegen den Terrorismus scharf kritisiert,“ schreibt die Berliner Zeitung (13.06.06). Und weiter: „Washington und London seien mehr darauf aus, ihre Stellung in der Welt durch militärische Gewalt zu sichern, als sich Gedanken um die eigentlichen Ursachen der weltweiten Unsicherheiten und Bedrohungen zu machen… Der so genannte Krieg gegen den Terrorismus verschlinge nicht nur hunderte Milliarden von Dollar, er habe auch mehr ‘Unterstützer des Terrorismus geschaffen als ausgeschaltet’ und den Blick auf weitaus größere Bedrohungen der Weltsicherheit verstellt.“

Zunehmende Rüstungsexporte

Nach dem SIPRI-Bericht hat sich „neben Russland und den USA… die EU als globaler Akteur auf dem Waffenmarkt etabliert,“ schreibt die FR (13.06.06).

„SIPRI, das einen Fünfjahresrahmen als Referenz heranzieht, reiht die EU-Staaten für 2001- 2005 auf Platz drei… Im Vorjahr lagen die Rüstungsexporte der EU-Länder mit 7.821 Millionen Dollar jedoch höher als die der USA (7.101 Mio.) und Russlands (5.771 Mio.), mit Frankreich und Deutschland als Hauptlieferanten.“

Exportierte Gewalt

Die zehn größten Rüstungsexporteure der Welt für die Jahre 2001 bis 2005:

Die Stuttgarter Nachrichten (12.06.06) weisen darauf hin, das 2004 „die Hundert größten Rüstunskonzerne der Welt… Güter für 212 Milliarden Euro (verkauften, sie) steigerten ihren Absatz damit gegenüber 2003 um 15 Prozent.“

Keine Notiz…

…von dem SIPRI-Bericht nahmen solch überregionale Tageszeitungen wie die Welt und die Frankfurter Allgemeine. Enthaltsamkeit auch bei früher rüstungspolitisch informativen Magazinen wie Stern und Spiegel. »Keine Information« ist auch eine Aussage.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2006/3 Konfliktherd Energie, Seite