Rüstungsatlas Baden-Württemberg
Neues IMI-Projekt zur Vernetzung der kritischen Öffentlichkeit
von Andreas Seifert
Rüstungsindustrie und -export stehen seit dem Bekanntwerden des geplanten Verkaufs von Leopard II-Panzern an Saudi Arabien im Fokus des öffentlichen Interesses – dabei sind sie für die Friedensbewegung schon länger ein wichtiges Thema. Mit Verweis auf die großen Firmen, wie Krauss-Maffei Wegmann, Heckler und Koch oder Rheinmetall, wird dort schon seit Jahren auf die negativen Folgen von Rüstungsproduktion und -export hingewiesen. Die »erfolgreiche« deutsche Rüstungsindustrie liegt im Ranking der Waffenexporteure weltweit inzwischen auf Rang drei hinter den USA und Russland.
Oft wird bei diesen Betrachtungen übersehen, dass es nicht allein die großen Firmen sind, die vom Sterben in anderen Ländern profitieren, sondern dass es eine Vielzahl von kleineren Unternehmen in Deutschland gibt, die mit dem Tod ein gutes Geschäft machen. Der Bundesverband der Wehrtechnischen Industrie geht z.B. davon aus, dass die Hälfte aller Umsätze im Bereich Sicherheit und Rüstung in den kleinen und mittleren Unternehmen generiert wird. Auf Waffen-Messen wie der EUROSATORY in Paris stellen viele mittelständische deutsche Unternehmen ihre Produkte vor. Doch wer kennt diese?
Der »Rüstungsatlas Baden-Württemberg« versucht, diese Lücke zumindest teilweise zu schließen und damit Ansatzpunkte für eine regional basierte Kritik an Rüstung und Rüstungsproduktion mit Argumenten und Informationen zu unterfüttern. Aufgeteilt in vier Bereiche soll das Thema Rüstung von mehreren Seiten betrachtet werden. Der Atlas ist bewusst nicht als reines Verzeichnis konzipiert, sondern als ein Nebeneinander von klaren Informationen (z.B. Adresslisten) und Analysen, die in Form kürzerer oder längerer Texte Hintergründe und Argumentationen verfügbar machen. Durchgängig erleichtern Grafiken und Karten den Zugang zu den Informationen. Der »Rüstungsatlas Baden-Württemberg« erscheint im August 2012 und wird ca. 70 Seiten Umfang haben.
Der erste Teil des Rüstungsatlas hat die Standorte und die Entwicklung der Bundeswehr in Baden-Württemberg zum Fokus. In diesem Abschnitt werden Themen wie Bundeswehrreform, Truppenentwicklung und Haushalt der Bundeswehr ebenso behandelt wie die Spezialkräfte der Bundeswehr oder die Deutsch-Französische Brigade. Wir listen auf, welche Standorte bleiben werden und welche geschlossen werden sollen und beschreiben, welche Chancen sich für die Kommunen aus dem Abzug ergeben.
Der zweite Teil behandelt die Wehrindustrie in Baden-Württemberg und enthält eine umfangreiche Liste der uns bekannten Firmen, die in diesem Bereich aktiv sind. Die Beschreibung enthält Basisinformationen zu den einzelnen Firmen und verzeichnet ihre Standorte in einer Übersichtskarte. Anhand einiger ausgewählter Unternehmen wie EADS, Heckler und Koch, Kärcher Futuretech wird zudem genauer auf das Geschäftsmodell einer »Rüstungsfirma« eingegangen.
Wissenschaft und Forschung für den Krieg stehen im dritten Teil im Mittelpunkt. Anhand einiger grundsätzlicher Überlegungen sollen die Strukturen der modernen »Wehrforschung« aufgezeigt werden. Auch hier wird versucht, über verschiedene Verzeichnisse einen regionalen Zugang zu ermöglichen, der explizit dazu anregen soll, sich kritisch mit den Vorgängen in der eigenen oder benachbarten Stadt auseinanderzusetzen.
Ansatzpunkt für eine Vernetzung der kritischen Öffentlichkeit sollen schließlich im vierten Teil vermittelt werden, der sich dem Protest gegen Rüstung und der Formulierung einer positiven Alternative widmet. Mit weiteren kurzen Texten werden unterschiedliche Formen und Beispiele des Protestes vorgestellt und um eine Liste der uns bekannten Initiativen ergänzt.
Wir verstehen unseren »Rüstungsatlas Baden-Württemberg« auch als einen ersten Schritt zu einem größeren Projekt, das sich von der Printform lösen und den Aktiven die Möglichkeit zur Mitarbeit einräumen soll. Ziel dieses »interaktiven Rüstungsatlas« ist es dann, die Vernetzung innerhalb des Protestes gegen Rüstung und Rüstungsindustrie, aber auch den antimilitaristischen Widerstand voran zu treiben. Auf einer interaktiven Karte im Internet, die weit mehr umfasst als lediglich Baden-Württemberg, sollen dann all die Informationen zugänglich gemacht werden, die in einem direkten Bezug zum aufgezeigten Themenfeld stehen. Die Informationsstelle Militarisierung hat hierzu einen Projektentwurf auf ihrer Internetseite veröffentlicht (imi-online.de, Ausdruck, Juni 2012).
Andreas Seifert (IMI)