W&F 1984/5

Rüstungsetat `85: Einstieg in neue Dimensionen

Arbeitsgruppe alternative Wirtschaftspolitik * Arbeitsgruppe Planerinnen und Planer für Frieden und Abrüstung * Bund demokratischer Wissenschaftler * Forum Informatiker für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung * Forum Naturwissenschaftler für Frieden und Abrüstung

von Friedens- und KonfliktforscherInnen

Zur Lesung des Bundeshaushaltsentwurfs äußerten sich erstmals fünf Wissenschaftlerinitiativen bzw. -organisationen zum Rüstungsetat der Bundesrepublik: die staatliche Expertokratie ist nicht mehr unter sich. Die Stellungnahme deckt auf, was von dem Gerede über „finanzielle Sachzwänge“ zu halten ist und beinhaltet Gegenvorschläge zur offiziellen Rüstungspolitik. Ihr Resümee: Nach der begonnenen Raketenstationierung steht eine neue Welle der Rüstungsbeschaffung ins Haus. Die Wissenschaftler kommen im Einzelnen zu folgenden Ergebnissen

Wie schon in den Etats seit Beginn der achtziger Jahre findet eine systematische Umverteilung der Mittel aus den Bereichen Soziales, Bildung, Umwelt, Gesundheit in den Sektor der sog. Verteidigungsausgaben statt. Die Aufrüstung ist unweigerlich von einer Pauperisierung und Verschlechterung der Lebensbedingungen für breite Teile der Bevölkerung begleitet.

Der Haushalt `85 ist ein Übergangshaushalt: Umfangreiche Beschaffungsprogramme für die Bundeswehr laufen aus, ohne daß Mittelkürzungen vorgenommen wurden; stattdessen erfolgt eine Weichenstellung für neue Beschaffungen die „Waffensysteme der dritten Generation“. Dabei geht es gegenwärtig um die massive und konzentrierte Förderung der Forschung und Entwicklung in den Neuen Technologien.

Die Einbindung der Bundesrepublik in USA-bestimmte NATO-Strategien verschafft sich vielfältig Geltung: Sie zeigt sich in entsprechenden Maßnahmen der Verkehrsplanung und der Raumordnung wie in waffentechnischen Entwicklungen. Dabei ist von besonderer Tragweite, daß die Bundesregierung offensichtlich große Anstrengungen unternimmt, um beim „Krieg der Sterne“ mitzumischen. Beteiligung an der geplanten amerikanischen Raumstation, gemeinsame Entwicklung neuer Aufklärungssatelliten und Spezialaufträge für das militärisch orientierte Raumfahrtprogramm. So werden an der Deutschen Forschungs- und Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrt (DFVLR) und in der Industrie Hochenergielaser für ein mögliches Waffensystem der 90er Jahre entwickelt. Zwischen DFVLR und der US-Administration besteht ein Informationsabkommen auf diesem Gebiet, so daß alle relevanten Forschungsergebnisse der amerikanischen Weltraumforschung zugute kommen.

Zu einschneidender Umprofilierung führt die gegenwärtig betriebene Aufrüstung im Wissenschaftssystem der Bundesrepublik. Hier scheinen zumindest Teile der Bundesregierung dem „amerikanischen Beispiel“ folgen zu wollen. Die Sicherung der wirtschaftlichen und politischen Machtstellung soll über die gezielte Förderung des Bereichs Informationstechnologie erfolgen.

Die völlig einseitige Prioritätensetzung geht zu Lasten der Forschung, die sich auf die Prävention von Krankheit und Krieg und auf die ökologisch und soziale Verträglichkeit des technischen Fortschritts orientiert.

Die Verfasser der Stellungsnahme belassen es nicht bei dieser Analyse. Sie schlagen Alternativen zum gegenwärtigen Aufrüstungskurs vor.

  • Sie fordern die Streichung der Gelder für die Stationierung der Pershing II Raketen und Cruise Missiles sowie der Pershing I B
  • fordern die Streichung der Gelder für die Entwicklung von Marschflugkörpern und die Produktion der atomtauglichen Panzerhaubitzen 155-1
  • fordern die Einstellung der Zusammenarbeit mit den USA auf dem Gebiet der Laserwaffenforschung
  • wenden sich gegen die Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland beim Aufbau einer militärischen Weltraumforschung und fordern einen Vertrag zum Verbot von Weltraumwaffen
  • fordern die Aussetzung der atom- und raketentechnischen Kooperation der BRD mit denjenigen Ländern, die den Atomwaffensperrvertrag nicht unterzeichnet haben.

Über diese speziellen Vorschläge hinaus fordern die Unterzeichner ein generelles Einfrieren der Mittel für den Einzelplan 14 auf den Stand von 1984, insbesondere der Haushaltsmittel für die militärische Infrastruktur, der Mittel für das NATO Infrastrukturprogramm und der Ausgaben für das Wartime Host Nation Support Programme.

  • Sie befürworten den Abbau der militärischen Umwelt- und Raumforschung zugunsten der Friedensforschung und Abrüstungsplanung
  • kritisieren die insbesondere von der gegenwärtigen Regierung betriebene Militarisierung sog. „Spitzenforschung“ und „Hochtechnologiegebiete“ etwa im Bereich der Informatik
  • treten für eine Verdoppelung der Mittel für Forschungsförderung in den Bereichen der Humanisierung der Arbeit, der Umweltforschung, der Gesundheitsforschung, der Wasserforschung, der Krebsforschung, der Erforschung neuer Energiequellen und der Friedens- sowie Konfliktforschung zu Lasten des geplanten Zuwachses der Rüstungsforschung ein.
erschienen in: Wissenschaft & Frieden 1984/5 1984-5, Seite