W&F 2011/2

Rüstungsgeschäfte und Korruption

von Tobias Bock und Anne-Christine Wegener

Sicherheits- und Verteidigungspolitik gehören zu den korruptionsanfälligsten Sektoren überhaupt. Die in diesem Bereich omnipräsente Korruption ist eine beständige Geißel von Entwicklung und Demokratisierung. Sie verschwendet knappe Ressourcen und reduziert das öffentliche Vertrauen, welches die Bürger der Regierung, den Streitkräften sowie der Polizei entgegenbringen. Nachhaltige Verbesserungen sind nur dann zu erwarten, wenn mehr Staaten und internationale Organisationen robuste Anti-Korruptionsmechanismen einführen und umsetzen, die Rüstungsindustrie sich in internen Compliance-Programmen klar und deutlich zu korruptionsfreien Geschäftsgebaren und -strategien bekennt und die Zivilgesellschaft in weitaus größerem Maße als im Moment die Möglichkeit erhält, mittels erhöhter Transparenz ihrer demokratischen Kontrollfunktion gerecht zu werden.

Sir Dick Evans ließ im vergangenen Jahr folgendes verlauten: „Ich habe den Großteil meiner Karriere in der Luftfahrt- und Verteidigungsindustrie zugebracht und weiß deshalb eine Menge über Korruption. Ich bin bei diesem Thema vermutlich kompetenter als viele andere.“1, Dick Evans ist ehemaliger Vorstandsvorsitzender von BAE Systems, einem britischen Rüstungsunternehmen und dem zweitgrößten Rüstungshersteller der Welt. Transparency International definiert Korruption als den „Missbrauch von anvertrauter Macht zum privaten Nutzen oder Vorteil“. Dies beinhaltet sowohl „Bestechung und Bestechlichkeit in der öffentlichen Verwaltung, bei der Vorbereitung von Gesetzen und Regulierungen oder beim Einfluss auf politische Entscheidungen“ als auch „Korruption zwischen Firmen (»privat-zu-privat«) und Geldwäsche“.2

Insbesondere Rüstungstransfers unterliegen oftmals einem Höchstmaß an kommerzieller und nationaler Geheimhaltung, was zu einem erhöhten Korruptionsrisiko führt. Korruption hat zweierlei negative Auswirkungen auf Rüstungsgeschäfte: Einerseits verteuert sie die Kosten für legale Rüstungsgüter, die Staaten zur (legitimen) Wahrung ihrer Interessen erwerben.3 Die Verschwendung von staatlichen Geldern für überteuerte Rüstungsgüter läuft Artikel 26 der VN-Charta diametral zuwider, demgemäß „die Herstellung und Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit so zu fördern“ sei, „dass von den menschlichen und wirtschaftlichen Hilfsquellen der Welt möglichst wenig für Rüstungszwecke abgezweigt wird.“ Andererseits erschwert Korruption Staaten den sorgfältigen Umgang mit den in ihrem Besitz befindlichen Rüstungsgütern, die nur den rechtmäßigen Endnutzern zur Verfügung stehen dürfen, aber oftmals in die Hände von organisierter Kriminalität oder terroristischen Organisationen gelangen. Die VN-Konvention gegen Korruption ist zwar als internationales Instrument rechtlich bindend (wenn sie, was in Deutschland noch aussteht, auch ratifiziert worden ist) und verlangt, dass Staaten rechtliche, institutionelle und praktische Anti-Korruptionsmechanismen einführen. Sie befasst sich aber nicht gezielt mit Sicherheits- und Verteidigungspolitik.

Ausmaß und Konsequenzen von Rüstungskorruption

Neben der Verschwendung von öffentlichen Geldern hat Korruption auch schwerwiegende Konsequenzen für den Wettbewerb im Rüstungssektor. Eine Erhebung von Control Risks, einer unabhängigen Beratungsfirma für Sicherheitsrisiken, aus dem Jahr 2006 ergab, dass ungefähr ein Drittel aller Rüstungsunternehmen angaben, im Vorjahr einen Auftrag nicht bekommen zu haben, weil ein Mitbewerber sich korrupter Mittel bediente.4 Gemäß eines Berichts des US-amerikanischen Wirtschaftsministeriums kamen 50 Prozent der Korruptionsvorwürfe von 1994 bis 1999 aus dem Sicherheits- und Verteidigungssektor, obwohl dieser weniger als ein Prozent des Welthandels ausmachte.5 Schätzungen zufolge wurden in den 1990er Jahren Bestechungsgelder im Wert von 15 Prozent der Gesamtausgaben im Rüstungsbereich getätigt.6 Das Sicherheits- und Verteidigungsprogramm von Transparency International schätzt die jährlichen Kosten von Korruption im Sicherheits- und Verteidigungsbereich auf 20 Milliarden US-Dollar.7 Dies entspricht der Summe der offiziellen Entwicklungshilfe, die Irak, Afghanistan, die Demokratische Republik Kongo, Pakistan und Bangladesch erhalten,8 oder auch der Summe, die die G8 in L’Aquila 2009 zur Bekämpfung des Hungers in der Welt zusagten.9

Eine Reihe weiterer Zahlen untermauert das Ausmaß von Korruption im Rüstungsbereich nachdrücklich:

136.000% – die Profitrate für einen einzelnen, funktionsunfähigen Bombendetektor, der nach Angaben eines Herstellers (Alpha 6) bei Herstellungskosten von 11 £ für 15.000 £ verkauft wurde. Es wird gemutmaßt, dass Exemplare dieses unbrauchbaren Bombendetektors für Hunderte von Todesfällen im Irak verantwortlich sind. Eine umfassende Betrugsermittlung der City of London Police ist angelaufen.10

30 Gefechtspanzer des Typs T-90 – laut Generalmajor Alexander Sorotschkin der Gegenwert von 2,2 Milliarden Rubel (80 Millionen US-Dollar), die im russischen Militär 2008 durch Korruption verschwendet wurden.11

22 – Anzahl von hochrangigen Managern von größtenteils kleineren Leichtwaffenherstellern, die im Januar 2010 festgenommen wurden, nachdem sie verdeckten FBI-Ermittlern Bestechungsgelder im Rahmen von 20% eines fiktiven Gesamtauftrages zugesagt hatten, um die Präsidentengarde eines nicht näher genannten afrikanischen Staates ausrüsten zu können.12

Korruptionsrisiken in Sicherheit und Verteidigung

Korruption im sicherheits- und verteidigungspolitischen Bereich kann sich auf vielerlei Art äußern.13 Welche Risiken vorhanden sind, ist von Land zu Land unterschiedlich. Transparency International identifizierte nach ausgiebiger Diskussion mit Verteidigungsministern, hochrangigen Offizieren und Vertretern der Zivilgesellschaft etliche Kernbereiche für solche Risiken, so z.B. im politischen Bereich, im Personalbereich, im Verteidigungshaushalt und bei militärischen Operationen.

Politischer Bereich

Wenn es einem korrupten Individuum gelingt, Einfluss auf Sicherheits- und Verteidigungspolitik auszuüben, kann dies gravierende Konsequenzen haben. Ein Beispiel für Korruptionsrisiken im politischen Bereich ist eine Auftragsvergabe für falsches oder so nicht benötigtes Rüstungsmaterial. Oft werden Prozesse verkompliziert oder gar manipuliert, um Korruption und ungerechtfertigte Bereicherung zu verdecken. In Extremfällen kann Korruption auf höchster Ebene dazu führen, dass es einer Elite gelingt, sämtliche Entscheidungen in einem Schlüsselbereich des Staates zu treffen (state capture). Dies ist besonders problematisch in ressourcenreichen Ländern, wo das Militärs oder Sicherheitskräfte an der Ausbeutung der Ressourcen beteiligt sind.

Bedeutend im politischen Bereich ist zudem die Verbindung zwischen organisierter Kriminalität und Korruption: Kriminelle Netzwerke benutzen Korruption in verschiedensten Formen, um möglichst ungestört ihren kriminellen Aktivitäten nachgehen zu können und Ermittlungen sowie Strafverfolgung zu vermeiden. Organisierte Kriminalität und Korruption bedingen einander und sollten in einem ganzheitlichen Ansatz analysiert werden. Ohne Gegenwehr gelingt es der organisierten Kriminalität national wie auch international, effektives Regieren, effizientes Wirtschaften und den Alltag unbescholtener Bürger zu unterminieren.14

Verteidigungshaushalte

Der Missbrauch von Verteidigungshaushalten ist eines der am häufigsten auftretenden Probleme. Eine Kultur der Geheimhaltung resultiert oftmals darin, dass Vorgänge mit dem Hinweis auf die nationale Sicherheit ohne externe Prüfung bleiben. Der Umgang mit nicht mehr benötigten Rüstungsgütern, aber auch mit Gebäuden und Grundstücken, ist ebenfalls durch Korruptionsrisiken gekennzeichnet, z.B. durch das »Verschwinden« von überschüssigen Waffen oder die gezielte Unterbewertung von Immobilien. Geheime Budgets stellen ein besonders großes Risiko dar, da sie sich jeglicher Kontrolle entziehen.

Personalbereich

Die Rekrutierung von Personal ist ein weiterer Bereich, der sich durch ein hohes Korruptionsrisiko auszeichnet. Bestechungsgelder zur Umgehung der Wehrpflicht sind bereits aus Napoleonischen Zeiten bekannt und noch heute ein großes Problem, z.B. in Russland.15 Andere Beispiele sind »Karteileichen«, deren Einkünfte von anderen Soldaten oder Offizieren einbehalten werden, sowie das Zwingen von Untergebenen zur Ausführung verschiedenster Gefälligkeiten bis hin zu harter körperlicher Arbeit.

Militäroperationen

Militäroperationen stellen die höchstmögliche Interaktion des Militärs mit der Bevölkerung dar, sowohl für Angehörige der regulären Streitkräfte als auch für private Sicherheitsanbieter. Wenn internationale Einsatzkräfte in Konfliktgebieten intervenieren, ist ihr Umgang mit Korruption maßgeblich für eine erfolgreiche Mission. Korruption zu ignorieren, führt hingegen mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu, dass Soldaten als Teil korrupter Gesamtstrukturen betrachtet werden. Die Situation in Afghanistan, aber auch die Erkenntnisse aus Bosnien und Kolumbien haben dazu geführt, dass Korruption mittlerweile als entscheidender Faktor in Militäroperationen wahrgenommen wird.

Korruption im Sicherheits- und Verteidigungsbereich ist kein Einzelfall und hat weitreichende Kosten und Folgen, sowohl für die Export- als auch die Importstaaten, wie die folgenden Fälle exemplarisch aufzeigen.

Korruption bei internationalen Rüstungstransfers

2010 durchsuchte die Stuttgarter Polizei die Büros von Heckler & Koch, dem größten deutschen Hersteller von kleinen und leichten Waffen. Heckler & Koch wird beschuldigt, illegal Handfeuerwaffen und Maschinengewehre in Regionen Mexikos exportiert zu haben, die einem Embargo unterliegen, und somit den Bundessicherheitsrat unter Vorsitz von Kanzlerin Merkel getäuscht zu haben – also das Regierungsgremium, welches über heikle Rüstungsexporte entscheidet. Es wird spekuliert, dass eine nicht näher zu bestimmende Anzahl der 8.000 Gewehre vom Typ G36, die von 2006 bis 2009 an die mexikanische Polizei geliefert wurden, jene vier der 27 mexikanischen Regionen zum Zielort hatten, die aufgrund von Menschenrechtsverletzungen einem deutschen Embargo unterliegen: Chiapas, Chihuahua, Guerrero und Jalisco.16 Der Geschäftsführer von Heckler & Koch ist mittlerweile aus »persönlichen Gründen« zurückgetreten.

Ein Beispiel für die negativen Auswirkungen, die Korruption im Rüstungsbereich auf entwicklungspolitische Ziele haben kann, stammt aus dem Jahr 2001. Tansania, ein Land, das im Human Development Report 2009 des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP) Rang 151 von 182 belegte,17 erwarb ein militärisches Flugsicherungssystem vom britischen Rüstungshersteller BAE Systems im Wert von 32 Millionen Euro. Ein ehemaliger Industriemitarbeiter soll laut einem Bericht der Tageszeitung Telegraph acht Millionen £, also fast ein Drittel des gesamten Deals, als Bestechungsgeld erhalten haben.18 Die Internationale Zivile Luftfahrtbehörde der Vereinten Nationen hatte das System zuvor als „nicht adäquat und zu teuer“ bezeichnet.19 Tansania hätte für die Kosten des Deals fast jede an Malaria leidende Person im Land behandeln lassen können.20 Der Deal stieß ebenfalls auf den Widerstand der damaligen britischen Entwicklungsministerin, die sich beklagte, dass ein Bildungspaket im Wert von 35 Millionen £ durch das Rüstungsgeschäft „verschlungen worden sei“.21

1999 wurde in Südafrika ein Geschäft zwischen der Regierung und einer Reihe europäischer Rüstungsunternehmen abgeschlossen, das eine Vielzahl von Korruptionsanschuldigungen mit sich brachte. Bei dem größten dieser Geschäfte handelte es sich um einen Vertrag für Kampf- und Trainingsflugzeuge, der ob der bereits ungenutzt vorhandenen Flugzeuge der Südafrikanischen Luftwaffe für Verwunderung sorgte. Es verblüffte darüber hinaus, dass BAE Systems und Saab den Zuschlag bekamen, obwohl ihr Angebot über Mehrzweckkampflugzeuge vom Typ Gripen in mehrerlei Hinsicht nicht der ursprünglichen Ausschreibung entsprach.22 Das anfangs veranschlagte Budget von 9,2 Milliarden Rand (900 Millionen Euro) für die Rüstungsgeschäfte war bis 2005 bereits auf 66 Milliarden Rand (7 Milliarden Euro) angewachsen.23 Zum Vergleich: 2008 wurden für jeden Rand, den der Staat für die unter AIDS leidende Bevölkerung Südafrikas ausgab, 7,63 Rand zur Finanzierung des Rüstungsdeals benötigt.24

(Post-) Konfliktgesellschaften und Korruption

Besonders verheerende Auswirkungen hat Korruption in Konfliktländern.25 Internationales Peacekeeping und -building konzentriert sich zu häufig lediglich auf die Bedürfnisse der Hauptkonfliktparteien, anstatt einen Plan hin zu Stabilität und einem funktionierenden Staat zu entwerfen. Unter diesen Bedingungen wird individuelle Gier zu einem Faktor in den Überlegungen wichtiger Akteure und Powerbroker, und Korruption wird zur Handlungsoption. Die Rolle des Militärs und der Sicherheitskräfte ist hierbei von besonderer Bedeutung. Einige Beobachter gehen so weit vorzuschlagen, dass Peacekeeping-Truppen auch umfassendere staatliche Aufgaben übernehmen sollten, wie z.B. die Sicherung von Grenzen oder die Verbrechensbekämpfung – als Koordinator anderer Akteure und als Anlaufstelle für den Aufbau langfristiger Kapazitäten.26 Unter diesen Umständen müssen der Polizei und Justiz besondere Bedeutung zukommen27 – nicht nur aufgrund ihrer Rolle für den Aufbau nachhaltiger staatlicher Institutionen, sondern auch, da sie oftmals über die meisten Ressourcen verfügen. Klare Strategien sind notwendig, um zu verhindern, dass der Aufbau staatlicher Institutionen als Mittel zur Zementierung der Interessen einflussreicher Akteure missbraucht wird, was wiederum Korruption und organisiertem Verbrechen Vorschub leistet.

Ansätze zur Korruptionsbekämpfung

Sowohl die beschriebenen konkreten Korruptionsfälle als auch die Auswirkung von Korruption und Korruptionsrisiken in Konfliktgesellschaften unterstreichen exemplarisch, dass noch ein langer Weg zurück zu legen ist, bis sich die verheerenden Auswirkungen von Korruption in diesem Sektor eindämmen lassen. Lösungsansätze hierfür liegen auf internationaler wie auf nationaler Ebene.

Auf internationaler Ebene sind insbesondere Waffenexportkontrollen durch Korruptionsrisiken gefährdet: Korruption ermöglicht illegale Waffentransfers mit schwerwiegenden negativen Konsequenzen für Humanitäres Völkerrecht und nachhaltige Entwicklung und erschwert es Staaten, die Entwendung von Waffen zu verhindern, so dass diese in den Besitz von organisierter Kriminalität oder terroristischen Gruppen gelangen können.

Um die Kontrolle von Rüstungsgütern zu stärken, die aus »westlichen« Beständen in den Besitz autokratischer Regime im Nahen und Mittleren Osten gelangten und in diesen Tagen im Mittelpunkt medialer Aufmerksamkeit stehen,28 wird zur Zeit von den Vereinten Nationen ein gesetzlich bindender »Waffenhandelsvertrag« (Arms Trade Treaty) verhandelt.

Ein robuster Arms Trade Treaty soll Standards und Kontrollen enthalten, die es Staaten ermöglichen, sich gegenseitig zu garantieren, dass sie die in ihrem Besitz befindlichen Waffen und Rüstungsgüter kontrollieren. Korruption ist jedoch darauf ausgerichtet, diese gegenseitigen Garantien zu unterlaufen. Ein Arms Trade Treaty muss daher Antikorruptionsmechanismen enthalten, die Staaten in die Lage versetzen, spezifische Waffentransfers einer Einzelfallprüfung unter Einbezug von Korruptionsrisiken zu unterziehen. Die Genehmigung von Waffentransfers sollte unter anderem von der Fähigkeit eines Staates abhängen, die Korruptionsrisiken abzuschwächen.

Auch auf nationaler Ebene kann eine Reihe von Reformen vorgenommen werden, die das Korruptionsrisiko im Sicherheits- und Verteidigungsbereich reduziert und die Integrität stärken. Durch gezielte Risikoanalyse, beispielsweise durch Anwendung von Korruptionstypologien und Analysesystemen von Nichtregierungsorganisationen oder multilateralen Organisationen (z.B. der »Building Integrity«-Initiative der NATO), und den gezielten Einsatz von Umfragen und Erhebungen kann ein erster Schritt zur Korruptionsbekämpfung vorgenommen werden. Besondere Beachtung sollte zudem die Aus- und Weiterbildung von militärischem und zivilem Personal finden: Ein klarer Verhaltenskodex, die Möglichkeit, Korruption zu melden (»whistleblowing«), Fortbildungsmaßnahmen mit speziell auf Korruptionsrisiken zugeschnittenen Kursen und beispielhaftes Verhalten der Führungsschicht sind hierfür einige Ansätze. Zudem mindern konkrete Reformen in der Bearbeitung von Auftragsvergaben, bei Militäroperationen und im Umgang mit dem Verteidigungshaushalt Korruptionsrisiken nachhaltig.29 Nichtregierungsorganisationen können hierbei sowohl als kompetente Fachleute unterstützend zur Seite stehen als auch als externe Akteure Regierungen zu Reformen anhalten.

Auch die Einbeziehung von Rüstungsunternehmen ist Teil eines holistischen Ansatzes zur Korruptionsreduzierung. Rüstungsverbände in Europe und den USA haben nach Anregung durch einige der führenden internationalen Rüstungshersteller freiwillige Selbstverpflichtungen für Unternehmen formuliert, die zunehmend eingeführt werden.30 Es ist hierbei Aufgabe der Unternehmen und Verbände selbst, diese freiwilligen Selbstverpflichtungen längerfristig verbindlich zu machen und deren Einhaltung zu kontrollieren. Nichtregierungsorganisationen kommt aber auch hierbei eine wichtige Kontrollfunktion zu.

Abschließend ist festzuhalten, dass nachhaltige und tief greifende Verbesserungen nur dann zu erwarten sind, wenn noch mehr Staaten und internationale Organisationen robuste Anti-Korruptionsmechanismen einführen und umsetzen, die Rüstungsindustrie sich in internen Compliance-Programmen klar und deutlich zu korruptionsfreien Geschäftsgebaren und -strategien bekennt und die Zivilgesellschaft in weitaus größerem Maße als im Moment die Möglichkeit erhält, mittels erhöhter Transparenz ihrer demokratischen Kontrollfunktion gerecht zu werden und diese auch tatsächlich verantwortungsvoll ausführt.

Literatur

Campos, J. Edgardo und Pradhan, Sanjay (2007): The Many Faces of Corruption: Tracking Vulnerabilities at the Sector Level. Washington D.C.: The World Bank.

Karklins, Rasma (2005): The System made me do it. Corruption in post-communist societies. Armonk, NY: Sharpe.

Transparency International (2000): TI Source Book 2000. Confronting Corruption: The Elements of a National Integrity System. London.

Transparency International (2011): Building Integrity and ReducingCorruption in Defence and Security. 20 Practical Reforms. London.

Anmerkungen

1) „As a guy who’s spent most of his career in the aerospace and defence industry, I know a lot about corruption. I’m probably better qualified than a lot of people to talk about it. I think it will increasingly become a barrier into investment, not just into Kazakhstan, but in other developing countries.“ Zitiert nach The Telegraph vom 14. Juni 2010.

2) www.transparency.de/FAQ.1224.0.html.

3) Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen (VN) bestätigt das Recht auf Selbstverteidigung im Falle eines bewaffneten Angriffs.

4) Control Risks (2006): International business attitudes to corruption. London, S.5.

5) Perlo-Freeman, Sam und Perdomo, Catalina (2008): The developmental impact of military budgeting and procurement – implications for an arms trade treaty. Stockholm: SIPRI.

6) Tanzi, Vito (1998): Corruption Around the World: Causes, Consequences, Scope, and Cures. International Monetary Fund Staff Papers, Vol. 45, No. 4, S.559-594.

7) Berechnet auf Grundlage von Daten vom Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) und der Weltbank; siehe z.B.: UK Strategic Export Controls, Session 2010-11. Evidence submitted by Transparency International; www.publications.parliament.uk/pa/cm201011/cmselect/cmquad/writev/arms/m4.htm. Dies ist eine konservative Schätzung, die annimmt, dass der Rüstungsbereich nicht korrupter als andere Sektoren ist – eine Annahme, zu der man in Anbetracht aller bisher dargelegten Fakten und Beispiele nicht zwangsläufig kommen muss.

8) Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD): Development Database on Aid from DAC Members. Vgl. IECD Development Co-operation Directorate (DCD-DAC): Development Database on Aid from DAC Members; www.oecd.org.

9) Dinmore, Guy (2009): G8 to commit $20bn for food security, Financial Times vom 10. Juli 2009.

10) Jones, Meirion. und Hawley, Caroline (2011): UK promoted failed bomb detectors. BBC Newsnight vom 27. Januar 2011.

11) Military corruption costs Russia almost $80 million in 2008. Ria Novosti vom 2. Dezember 2008.

12) Henriques, Diana B. (2010): F.B.I. Charges Arms Sellers With Foreign Bribes. The vom 20. Januar 2010.

13) Der folgende Abschnitt basiert auf Pyman, Mark und Wegener, A.-C. (2011): Building Integrity and Countering Corruption in Defence & Security. Genf: Geneva Centre for the Democratic Control of Armed Forces (DCAF), Kapitel 1.

14) Dieser Abschnitt bezieht sich auf die Rede »Corruption and organised crime – the need for a new international coalition«, die Bill Hughes, ehemals Director General der UK Serious and Organised Crime Agency (SOCA), in Zusammenarbeit mit Transparency International verfasste und am 10. November 2010 auf der 14. Internationalen Anti-Korruptions-Konferenz in Bangkok, Thailand, hielt; . Siehe auch: Center for the Study of Democracy (CSD) (2004): Partners in Crime. The Risks of Symbiosis Between the Security Sector and Organised Crime in Southeast Europe. Sofia, S.34.

15) McDermott, Roger N. (2009): Russia’s Military Reform Plan Falters. Asia Times Online vom 10. März 2009.

16) Wie Gewehre von Heckler & Koch in Krisengebiete gelangen. Südwestrundfunk, Report Mainz, 14.12.2010.

17) United Nations Development Programme (UNDP) (2009): Human Development Report 2009. Overcoming barriers: Human mobility and development. http://hdr.undp.org/en/reports/global/hdr2009/.

18) Neate, Rupert (2010): BAE radar verdict. The Telegraph vom 20. Dezember 2010.

19) Hosken, Andrew (2009): BAE: The Tanzanian connection. BBC Radio 4 vom 1. Oktober 2009.

20) WHO (2006): Facts on ACTs. January 2006 Update.

21) Ibid.

22) Hoffman, Paul (2010): South African Arms Deal. The Genie is out of the Bottle. The Institute for Accountability in Southern Africa (IFAISA); www.ifaisa.org/The_genie_is_out_of_the_bottle.html.

23) Feinstein, Andrew (2007): After the Party. A Personal and Political Journey Inside the ANC. Johannesburg: Jonathan Ball, S.208-236. Cilliers, Jakkie (1998): Defence Acquisitions – Unpacking the Package Deals. Pretoria: Institute for Security Studies (ISS), Occasional Paper Nr. 29.

24) Ibid.

25) Dieser Abschnitt basiert auf dem Kapitel »Strategic and Planning Considerations for Conflict Environments«, in: Pyman, Mark und Wegener, A.-C. (2011): Building Integrity and Countering Corruption in Defence & Security. Genf: Centre for the Democratic Control of Armed Forces (DCAF).

26) Vgl. Cockayne, James und Pfister, Daniel R. (2008): Peace Operations and Organised Crime. Geneva: Geneva Center for Security Policy (GCSP), Geneva Papers 2.

27) Vgl.u.a. Synnoth, Hilary (2009): Transforming Pakistan. Ways out of Instability. London: Routledge.

28) Vgl. exemplarisch: Wali, Sarah O. und Sami, Deena A. (2011): Egyptian Police Using U.S.-Made Tear Gas Against Demonstrators. ABC News vom 28. Januar 2011. Beaumont, Peter und Booth, Robert (2011): Bahrain uses UK-supplied weapons in protest crackdown. The Guardian vom 17. Februar 2011. Böcking, David (2011): Libyan Arms Deals Come Back to Haunt Europe. Spiegel Online vom 24. Februar 2011.

29) Weitere Informationen zu konkreten Reformmaßnahmen sind hier zu finden: Transparency International (2011): Building Integrity and Reducing Corruption in Defence and Security. 20 Practical Reforms; www.defenceagainstcorruption.org.

30) Beispiele hierfür sind die Common Industry Standards in Europa und das International Forum for Business Ethics zwischen europäischen und US-amerikanischen Unternehmen und den Dachverbänden der Industrie.

Tobias Bock ist Project Officer, Anne-Christine Wegener ist Programme Managerin des sicherheits- und verteidigungspolitischen Programms von Transparency International in London.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2011/2 Kriegsgeschäfte, Seite 23–26