W&F 2011/1

Soziale Verantwortung in Naturwissenschaften und Ingenieurswesen

Preparing for Social Responsibility. Teaching ethics, peace and sustainability to students in science and engineering, 13.-15. Oktober 2010, Delft (NL)

von Regina Hagen

Knapp 50 TeilnehmerInnen aus acht europäischen Ländern und den Vereinigten Staaten gingen im Oktober 2010 an der Technischen Universität Delft (Niederlande) der Frage nach, wie in der universitären Lehre den Studierenden, die naturwissenschaftliche und Ingenieurs-Studiengängen belegen, ihre künftige soziale Verantwortung im Berufsleben nahe gebracht werden kann. Für etliche TeilnehmerInnen war dies nach Kopenhagen/DK 2005 und Hamburg 2008 der dritte Workshop zu diesem Thema. Initiiert wurde die Workshop-Serie auf Grund eines Aufrufs der World Conference on Science der UNESCO, die 1999 in Budapest stattgefunden hatte.

Der Workshop in Delft gliederte sich in drei Themenstränge:

Warum sind soziale Verantwortung und Frieden an naturwissenschaftlichen und Ingenieurs-Fachbereichen ein Thema?

Wie kann in Universitätsstrukturen, die häufig eher schwerfällig sind, Lehre zur sozialen Verantwortung verankert werden?

Wie kann die Zusammenarbeit mit externen Partnern organisiert oder gestärkt werden?

Zum Einstieg wurde das Thema etwas breiter und doch sehr konkret angegangen. Nur ein Beispiel von vielen: IBM brachte einen RFID – ein Gerät zur Funk-Frequenz-Identifizierung – auf den Markt, der den KäuferInnen eine Wahl lässt: Sie können nach dem Kauf die Antenne des RFID, der an der Ware angebracht ist, intakt lassen und in dem Geschäft bei künftigen Käufen Rabatte erhalten, oder sie brechen die Antenne ab und bewahren ihre Anonymität.

Dann stellten Hochschullehrer von vier Universitäten Lehrprogramme vor, die speziell für Studierende der Naturwissenschaften und des Ingenieurswesens angeboten werden und sich mit Nachhaltigkeit, Frieden, Verantwortung und Philosophie befassen. Das radikalste Konzept entwickelte die Leuphana-Universität Lüneburg. Im so genannten Leuphana-Semester belegen die Bachelor-Studierenden sämtlicher Studiengänge im ersten Semester ausschließlich fachübergreifende Vorlesungen und Seminare. Zum Semesterende organisieren sie im Rahmen des Moduls »Verantwortung der Wissenschaft« dann eine öffentliche, akademische Konferenz.

Abgeschlossen wurde der erste Workshop-Tag mit kleinen Arbeitsgruppen zu Themen wie Planspiele (role plays) in der Lehre, die Ausarbeitung von Vorlesungen, Fallstudien, Semesterplänen und ganzen Curricula zu sozialer Verantwortung bis hin zur Einführung solcher Lehrinhalte an der Universität.

Ein besonderes Merkmal des Workshops war die gleichberechtigte Einbindung von Studierendengruppen. Studierende von Sneep (Student Network for Ethics in Economics and Practice) in München und Blue Engineer (ein Studierendenprojekt an der Technischen Universität Berlin) boten Arbeitsgruppen an, organisierten und moderierten Rollenspiele und zeigten auf, wie viel Spaß es machen kann, mit Hilfe von Fragen zu lernen.

Am zweiten Tag wurden zunächst die Themen in Parallelsitzungen vertieft. Nachmittags waren mehrere Planspiele im Angebot und die TeilnehmerInnen schlüpften selbst in unterschiedliche Rollen und diskutierten anschließend, wie sich diese Methode in die Lehre integrieren lässt.

Am letzten Tag wurden zunächst die Ergebnisse, offenen Fragen und Vorschläge der acht Arbeitsgruppen vom Vortag vorgestellt und diskutiert. Dann wendete sich der Workshop den externen Akteuren und Partnern zu – beispielsweise Wissenschaftsvereinigungen und Ingenieursverbände –, die in die Lehre zur sozialen Verantwortung eingebunden werden können. Dabei stellte sich heraus, dass die Studierenden möglichst früh im Studium damit konfrontiert werden müssen, dass sie in ihrem Berufsleben eine große soziale Verantwortung tragen und dieser gerecht werden müssen. Genau so wichtig ist es aber, dieses Wissen regelmäßig zu aufzufrischen und zu vertiefen bzw. Naturwissenschaftler und Ingenieure immer wieder an ihre Berufsverantwortung zu erinnern. Daraus ergibt sich, dass sowohl Hochschullehrer als auch Berufsverbände, von denen auch einige in Delft vertreten waren, von einer engeren Zusammenarbeit zu diesem Thema profitieren können.

Schließlich vereinbarten die TeilnehmerInnen, die Zusammenarbeit fortzusetzen, 2012 an der Technischen Universität Darmstadt den nächsten Workshop durchzuführen und bis dahin bestimmte Fragen weiter zu bearbeiten. Ein gemeinsamer Antrag beim COST-Programm (European Cooperation in Science and Technology), Beiträge für eine Sonderausgabe der Zeitschrift »Science and Engineering Ethics« sowie die Strukturierung und Ausweitung des Angebots von Lehrmaterialien auf der Website des Workshops wurden ebenfalls diskutiert. Zur Vorbereitung des COST-Antrags und des Darmstädter Workshops 2012 findet in der ersten Hälfte des Jahres 2011 in Kopenhagen an der Aalborg-Universität ein kleineres Treffen statt.

Der Workshop in Delft wurde in Kooperation des niederländischen »3-TU Centre for ethics and technology«, dem Fachbereich Philosophie der Technischen Universität Delft, der Universität von Aalborg, der Technischen Universität Darmstadt, dem Carl Friedrich von Weizsäcker-Zentrum für Naturwissenschaft und Friedensforschung (ZNF) der Universität Hamburg, dem International Network of Engineers and Scientists for Global Responsibility (INES) sowie der Working Group on Ethics in Engineering Education der European Society for Engineering Education (SEFI) statt.

Informationen zum Workshop, die Vortragsunterlagen, Links zu den zwei ersten Workshops, eine Literaturliste und Kontaktdetails finden sich auf http:// preparing4socialresponsibility.net.

Regina Hagen

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2011/1 Moderne Kriegsführung, Seite 64–65