Stabile Verhältnisse
Friedenspolitische Perspektiven von Anpassungspolitiken
von Dennis Tänzler und Alexander Carius
Angesichts nicht mehr zu vermeidender Klimaveränderungen ist Anpassung auch ein friedenspolitisches Gebot. Konfliktgeprägte Staaten verfügen in der Regel über nur geringe Anpassungsfähigkeiten, werden jedoch erheblich von zukünftigen Veränderungen wie einer verstärkten Knappheit bei der Wasser- und Nahrungsmittelverfügbarkeit betroffen sein. Um der Zunahme sozialer Spannungen und Konfliktpotentiale entgegenzuwirken, muss das politische Potential von Anpassungsmaßnahmen erkannt und ihre konfliktsensitive Ausgestaltung gewährleistet werden.
Der Klimawandel wird Staaten mit geringer Anpassungsfähigkeit in den kommenden Jahrzehnten voraussichtlich am stärksten betreffen. Gerade Nahrungs- und Wasserknappheit, extreme Wetterereignisse und Massenmigration können zur Destabilisierung sozialer Systeme und Institutionen beitragen, was wiederum Gewalt auslösen und Prozesse der Friedensentwicklung unterminieren dürfte.1 Die Herausforderungen des Klimawandels als Sicherheitsrisiko sind mittlerweile auch Gegenstand von Beratungen im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Unter deutschem Vorsitz wurde als Ergebnis der Sicherheitsratssitzung vom 20. Juli 2011 einstimmig eine Erklärung der Präsidentschaft angenommen, die vor den möglichen Folgen für Frieden und Sicherheit warnt.2
Die politische wie die wissenschaftliche Diskussion verdeutlicht aber auch: In der Debatte um Sicherheitsrisiken, die durch den Klimawandel erzeugt oder verstärkt werden, sind monokausale Erklärungsansätze zu vermeiden. Zukünftige Verteilungskonflikte um knapper werdende Ressourcen und Migrationsbewegungen werden kaum allein auf den Klimawandel zurückzuführen sein. Wahrscheinlicher ist, dass der Klimawandel als »Bedrohungsmultiplikator« bereits vorhandene Problemlagen, wie eine schwache Rechtsstaatlichkeit oder soziale und ökonomische Ungerechtigkeit, verstärken wird.
Gleichzeitig können vom Klimawandel betroffene Bevölkerungsgruppen Umweltkooperation als Sprungbrett nutzen, um Vertrauen aufzubauen und gemeinsam die Folgen des Klimawandels zu bewältigen. Dies ist gerade dann wichtig, wenn die sich verknappenden Ressourcen wie Wasser und Nahrungsmittel von traditionell rivalisierenden Bevölkerungsgruppen genutzt werden müssen. Gelingt hier kein kooperatives Vorgehen, drohen Bemühungen zur Friedenskonsolidierung geschwächt zu werden. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen hat 2009 in einem Bericht zu Klimawandel und Sicherheit auf die bedrohungsmindernden Potentiale von Klimapolitik und internationaler Zusammenarbeit hingewiesen. Als möglicher Ansatz in dieser Hinsicht wird die frühzeitige Anpassung an den Klimawandel bewertet. Der vorliegende Beitrag hat zum Ziel, die möglichen Chancen und Grenzen solcher Politiken zu bewerten und notwendige Voraussetzungen herauszuarbeiten, die dazu beitragen können, dass Klimapolitik Krisen und Konflikte eindämmt.3
Internationale Anpassungsperspektiven
Der Weltklimarat (IPCC) definiert Anpassung als „die Fähigkeit eines Systems, sich an den Klimawandel anzupassen, um potentielle Schäden abzumildern, Chancen zu nutzen oder die Folgen zu bewältigen“.4 Nach vielen Verzögerungen bei der Einrichtung eines Handlungsrahmens für Anpassungsmaßnahmen konnte auf der Klimakonferenz von Kopenhagen 2009 mit dem Adaptation Fund Board ein internationales Gremium etabliert werden, das die Umsetzung von Anpassungsprojekten in Entwicklungs- und Schwellenländer flankieren soll. Ziel dieser institutionellen Verankerung ist eine verbesserte Politikberatung sowie die Initiierung eines Prozesses zur Formulierung von nationalen Anpassungsplänen mit einer mittel- und langfristigen Ausrichtung. Auch die Verdopplung der Anpassungsfinanzierung zwischen 2010 und 2011 kann als Beleg dafür dienen, dass diesem klimapolitischen Handlungsfeld mittlerweile sehr viel größere Bedeutung beigemessen wird.
Anpassungsbemühungen in konfliktanfälligen Regionen
In konfliktgeprägten Gebieten sind erste Aktivitäten zur Klimaanpassung zu verzeichnen: Bis 2011 wurden 45 »National Action Plans for Adaptation» (NAPAs) für am wenigsten entwickelte Länder beim UN-Klimasekretariat eingereicht. 21 dieser Pläne wurden in Ländern entwickelt, welchen ein hohes Destabilisierungsrisiko zugeschrieben wird.5
Der sektorale Fokus der nationalen Aktionspläne kann zu Risikoanalysen hinsichtlich besonders stark vom Klimawandel betroffener Bereiche beitragen. In Bezug auf Wasserressourcen ermöglichen die Aktionspläne zum Beispiel, die wichtigsten Prioritäten zur Verbesserung urbaner und ländlicher Wasserversorgung zu identifizieren, Wasserspeicherung zu verbessern und Wasserverschmutzung einzudämmen. Ähnliche Analysen sind für die Verbesserung von Nahrungssicherheit verfügbar, beispielsweise durch die Änderung traditioneller Bestellungsmuster oder die Diversifizierung landwirtschaftlicher Produkte. Folglich können auch so genannte fragile Staaten von internationaler Unterstützung zur Initiierung von Anpassungsprozessen profitieren. Allerdings existieren zum einen längst nicht für alle fragilen Staaten solche Initiativen. Zum anderen stellen nationale Anpassungspläne lediglich einen ersten Schritt zu einer möglichen politischen Sensibilisierung dar. Die immer noch nur langsam voranschreitende Umsetzung von Anpassungsprojekten zeigt, dass weitere Herausforderungen zu lösen sind, etwa die einer ungenügenden Finanzierung oder des Fehlens geeigneter Governance-Strukturen.
Anpassungsprozesse als Stabilisatoren?
Wie können Anpassungsmaßnahmen dazu beitragen, trotz zu erwartender widriger Ausgangsbedingungen bedrohungsmindernd zu wirken? Zunächst ist nicht zuletzt aus Politikkohärenzgründen die Integration von Anpassungsprogrammen in laufende Entwicklungsinitiativen und Armutsbekämpfungsmaßnahmen zu gewährleisten. In Ländern wie Bhutan, Ruanda und Sudan wird versucht, Anpassungsmaßnahmen in Armutsminderungsstrategien einzubetten.6 Um tatsächlich sicherzustellen, dass Anpassungsmaßnahmen kompatibel zu weiteren Politikprozessen sind, dürfte jedoch eine weitere Stärkung unterstützender Governance-Strukturen notwendig sein.
Eine strikte Abgrenzung der Anpassungsplanung in sektorale Aufgaben kann zudem zu kurz greifen, gerade in Konfliktsituationen. Notwendig ist ein integrativer Prozess, um bestehende Konfliktdynamiken sowie übergreifende soziopolitische und ökonomische Gegebenheiten zu erfassen und bei der Gestaltung von Anpassungsmaßnahmen zu berücksichtigen. Die Wasserverfügbarkeit eines Landes oder einer Region betrifft zum Beispiel eine Vielzahl von Nutzergruppen (innerstaatliche, industrielle, landwirtschaftliche), die in den Anpassungsprozess integriert werden sollten, um sicherzustellen, dass die Bedürfnisse und Perspektiven dieser Gruppen berücksichtigt werden. Ist dies nicht der Fall, können Konflikte zwischen verschiedenen Nutzergruppen die direkte Folge sein.7
Selbst in Industrienationen mit adäquaten administrativen Kapazitäten kann die Koordination verschiedener politischer Prozesse eine wesentliche Herausforderung darstellen – in konfliktgeprägten Gesellschaften ist dieses Unterfangen umso schwerer. In dieser Hinsicht kann die Institutionalisierung der Verantwortung für eine kohärente Umsetzung von Anpassungspolitiken hilfreich sein. Die »National Implementing Entities«, die gegenwärtig in verschiedenen Ländern etabliert werden, um den direkten Zugriff eines Landes auf die Gelder des Adaption Fund zu erleichtern (wie jüngst in Ruanda), könnten sich als geeignet erweisen, diese Funktion wahrzunehmen. Damit müsste jedoch eine Erweiterung der derzeitigen Kompetenzen einhergehen, um die notwendige Steuerungsleistung tatsächlich erbringen zu können.
Schließlich fehlt es Anpassungsprogrammen häufig an einer regionalen, grenzüberschreitenden Perspektive. Der auf die Staaten-Ebene ausgerichtete Fokus des UN-Klimasekretariat bietet kaum Unterstützung für die Entwicklung regionaler Anpassungsstrategien. Auf diese Weise wird die häufig grenzüberschreitende Natur von Ressourcenknappheit, vor allem der Wasserversorgung, ausgeblendet. Dies ist problematisch, da im schlimmsten Falle ein isolierter nationaler Anpassungsansatz neue Konflikte in Nachbarstaaten auslösen kann. Überdies lässt ein Anpassungsprogramm, welches die Nachbarstaaten nicht berücksichtigt, potentiell wertvolle Chancen für grenzübergreifenden Vertrauensaufbau und Kooperation ungenutzt. Ein Schritt in die richtige Richtung wäre der Aufbau von Integrationsprozessen auf regionaler Ebene, wie dies beispielsweise auf dem afrikanischen Kontinent zu beobachten ist.
Die Herausforderung der Konfliktsensitivität
Vielfach gelten Anpassungsmaßnahmen noch als eine vornehmlich technische Herausforderung und werden auf Ansätze des Technologietransfers und des Kapazitätsaufbaus reduziert. Eine solche Perspektive droht auszublenden, dass entsprechende Maßnahmen in einem sozialen Umfeld umgesetzt werden und soziale und politische Folgen nach sich ziehen. Als soziopolitische Transformation können mit der Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen Prozesse der Um-, respektive Neuverteilung von Ressourcen innerhalb einer Gesellschaft einhergehen. Hierbei können – gerade in konfliktgeprägten Kontexten – Widerstände und Spannungen ausgelöst werden. Profiteure des Status quo werden sich gegen anpassungsorientierte Veränderungen stellen, während andere Gruppen geneigt sein könnten, die neu zur Verfügung stehenden Anpassungsmittel für andere Zwecke nutzen zu wollen.
Aber selbst auf den ersten Blick sinnvolle Maßnahmen zur Anpassung an Klimaveränderungen können nicht-intendierte Folgen haben und zum Konfliktgegenstand werden: In Kasese (Uganda) wurden zusätzliche Wasserzugangsstellen zunächst nur im Rukoki-Gebiet installiert und lösten dadurch Proteste in der Mahango-Gemeinde aus. Dieses Beispiel illustriert, dass auch für Anpassungspolitiken die Anwendung des Prinzips »do no harm«8 sinnvoll ist, um negative Folgewirkungen der eigenen Politik zu vermeiden. In dem genannten Beispiel wurden im weiteren Prozess Distriktbeamte sowie Mitglieder beider Gemeinden in die Planung, Gestaltung und Umsetzung des Projektes eingebunden.9 Überträgt man dieses Beispiel auf das Feld der Anpassung, so wird deutlich, dass sich nicht nur technische und finanzielle, sondern auch politische Fragen der Umsetzung stellen, vor allem wenn es um Maßnahmen in fragilen Staaten geht.
Um den genannten Risiken entgegenzuwirken, bedarf es der Gestaltung konfliktsensitiver Anpassungsmaßnahmen. Dazu zählt auch die systematische Erschließung von Kooperationsmöglichkeiten zwischen von Klimawandel betroffenen Gruppen bis hin zu Staaten. Mechanismen zur Konsensfindung und ein transparenter öffentlicher Dialog sind hierbei ebenso notwendig wie die Koordination verschiedener Regierungsstellen und weiterer relevanter Akteure. Durch die Berücksichtigung von Ansätzen des Krisen- und Konfliktmanagements können Anpassungsprozesse zugleich Ansätze für gute Regierungsführung befördern. Grundsätzlich lassen sich drei Anforderungen für eine konfliktsensitive Gestaltung ableiten: erstens die Berücksichtigung des Kontexts, in dem ein Projekt durchgeführt wird, zweitens die Beachtung möglicher Interaktionen zwischen den Aktivitäten und diesem spezifischen Kontext und schließlich drittens der Entwurf von Anpassungsaktivitäten in einer Art und Weise, die negative Auswirkungen zu vermeiden und positive zu maximieren sucht.
Gestaltung krisen- und konfliktsensitiver Anpassungsstrategien
Fragile Staaten sind in besonderer Weise den Risiken des Klimawandels ausgesetzt. Aber auch politisch als stabil geltende Staaten werden zukünftig mit massiven Herausforderungen konfrontiert sein, vor allem in kritischen Bereichen wie Wasser- und Nahrungsversorgung. Um der Destabilisierung von Staaten entgegenzuwirken, müssen Anpassungsmaßnahmen so umgesetzt werden, dass sie die soziale, politische und wirtschaftliche Resilienz der Bevölkerung stärken. Wie aber können die Chancen auf stabilisierende Anpassungsprozesse über die bereits genannten Elemente hinaus gesteigert werden? Die folgend aufgeführten Maßnahmen können sowohl in instabilen wie auch stabilen Staaten hilfreich sein. Allerdings sind sie besonders in konfliktträchtigen Umfeldern relevant, da der Klimawandel mit großer Wahrscheinlichkeit die zugrunde liegenden Ursachen des Konfliktes verschärfen wird.
1. Die vom Klimawandel besonders betroffenen Gesellschaftsbereiche müssen identifiziert und hinsichtlich ihrer Rolle in nationalen und auch regionalen Anpassungsstrategien abgeklärt werden. Wenn nötig, sind zusätzliche Friedens- und Konfliktbewertungen vorzunehmen, um das Risiko negativer Auswirkungen der geplanten Anpassungsmaßnahmen zu verringern.
2. Die Öffentlichkeit ist über die möglichen Auswirkungen des Klimawandels besser aufzuklären. Um die öffentliche Unterstützung für die notwendigen Maßnahmen im Bereich der Nahrungs- und Wasserversorgung sowie der Katastrophenvorsorge zu gewinnen, bedarf es einer verstärkten Zusammenarbeit zwischen Regierung und Zivilgesellschaft.
3. Anpassungsprogramme sind in bestehende Entwicklungsinitiativen und Armutsreduzierungsprogramme zu integrieren. Dies stellt zusätzliche Anforderungen an Politikkohärenz und an eine verstärkte Koordination.
4. Methoden der Konfliktsensitivität sind weiterzuentwickeln, um es der Zivilgesellschaft und Entscheidungsträgern in fragilen Staaten zu ermöglichen, konfliktsensitive Anpassungsstrategien umzusetzen. Diese Anforderung kann durch die Formulierung von Richtlinien für Geber und Umsetzungsbehörden in den Partnerländern eingeleitet werden.
5. Nationale Steuerungseinheiten können dazu beitragen, die Entwicklung der Anpassungsprogramme zu überwachen, öffentliche Behörden und externe Akteure (wie Geberorganisationen) zu koordinieren und Schlichtungsorgane einzurichten. Die gegenwärtige Ausbildung von »National Implementing Entities« ist ein wichtiger Schritt in Richtung größerer institutioneller Unterstützung von Anpassungsmaßnahmen.
6. Regionale Kooperationsansätze sind zu stärken, um den Herausforderungen der Anpassung an den Globalen Klimawandel adäquat begegnen zu können. Vorausgesetzt, dass finanzielle Mittel auf transparente und verantwortliche Art und Weise ausgegeben werden, können diese Mittel friedenskonsolidierend und stabilisierend wirken.
Anmerkungen
1) Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) (2007): Welt im Wandel: Sicherheitsrisiko Klimawandel. Berlin: Springer. Alexander Carius, DennisTänzler, Achim Maas (2008): Klimawandel und Sicherheit: Herausforderungen für die deutsche Entwicklungszusammenarbeit. Eschborn: Deutsche Gesellschaft für Technishce Zusammenarbeit (GTZ).
2) United Nations Security Council (2011): Statement by the President of the Security Council. S/PRST/2011/15, 20 July 2011. New York: United Nations.
3) Siehe auch DennisTänzler, AchimMaas, Alexander Carius (2010): Climate Change Adaptation and Peace. Wiley Interdisciplinary Reviews – Climate Change Jg. 1, Nr. 5, S.741-750.
4) Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC): Climate Change 2007: Impacts, Adaptation and Vulnerability. Contribution of Working Group II to the Fourth Assessment Report. Cambridge: Cambridge University Press, S.21.
5) Fund for Peace (2011): The Failed State Index; fundforpeace.org. Vgl. für eine ausführliche Darstellung Tänzler et al. (2010) (Fußnote 3).
6) Vgl. United Nations Development Fund Water Governance Facility (UNDP WGF) (2009): Water Adaptation in NAPAs: Freshwater in Climate Adaptation Planning and Climate Adaptation in Freshwater Planning. Stockholm: UNDP WGF.
7) Lukas Ruettinger, Antoine Morin, Annabelle Houdret, Dennis Tänzler, Clementine Burnley (2011): Water, Crisis and Climate Change Assessment Framework (WACCAF). Brussels: Initiative for Peacebuilding.
8) Mary B. Anderson (1999): Do No Harm: How Aid Can Support Peace – or War. London: Lynne Rienner.
9) Center for Conflict Resolution (CECORE, Kampala), Rwenzori Development and Research Centre (REDROC, Kasese), Saferworld (London and Kampala) and the Youth Development Organisation (YODEO, Arua) (2008): Water and Conflict. Making water delivery conflict-sensitive in Uganda.
Dennis Tänzler ist Leiter Klima- & Energiepolitik bei adelphi. Seit 2009 ist er Mitglied im Beirat Zivile Krisenprävention der Bundesregierung. Alexander Carius ist Mitbegründer und Geschäftsführer von adelphi. Er berät nationale und internationale Institutionen zu Fragen der Umwelt-, Entwicklungs- und Außenpolitik.