US-Grenzregime und Rassismus
Migration aus und durch Mexiko
von Meztli Yoalli Rodríguez Aguilera und Mirna Yazmín Estrella Vega
Ungeachtet der Bedeutung, die die nicht-dokumentierte Immigration aus Lateinamerika für das US-amerikanische Wirtschaftswachstum spielt, unterliegt sie zunehmenden Einschränkungen, die sich auf Migrant*innen in Form allgegenwärtiger Gewalt auswirken und auf rassistischen Diskursen und Praktiken beruhen. Der vorliegende Artikel analysiert ein Jahr nach dem Amtsantritt von Donald Trump, wie die Kontinuität anti-immigratorischer Politiken sich nicht nur in der Grenzpolitik zeigt, sondern auch durch andere Formen von Gewalt. Die prekäre Lage von Migrant*innen, die vor lebensbedrohlicher Gewalt in ihren Herkunftsländern fliehen, ist überdies nicht auf das US-amerikanische Gebiet beschränkt, sondern hat sich bis zur Südgrenze Mexikos ausgebreitet. Dagegen organisiert sich aber auch Widerstand.
Seit vier Jahrzehnten gibt es eine wachsende Migrationsbewegung aus Zentralamerika in die USA. Diese zu analysieren ist schwer, da das Migrationsphänomen sehr komplex ist und sich schnell verändert: Einerseits verändern sich die Vertreibungs- und Fluchtursachen, die in der wachsenden Gewalt in den Ursprungsländern liegen: Femizide und genderbasierte Gewalt, kriminelle Gewalt, politökonomische und strukturelle Gewalt. In vielen Regionen sind lebensbedrohliche Gewaltformen an der Tagesordnung, denen die Regierungen dieser Länder nur wenig oder gar nichts entgegensetzen und vor denen sich Mittel- und Unterschicht kaum noch schützen können. Diese Gewalt wird noch verstärkt durch Maßnahmen der US-amerikanischen Migrationspolitik, wie Maßnahmen zur Abschiebung und Rückführung krimineller Gang-Mitglieder aus den USA.
Mexiko ist durch die ungleichen Beziehungen zu seinem nördlichen Nachbarn, den USA, stark geprägt. Bis heute sind Millionen undokumentierter Mexikaner*innen in die USA immigriert, die ungeachtet aller Hindernisse des Transits den »American Dream« als einzige Möglichkeit betrachten, ihre sozioökonomischen Lebensbedingungen zu verbessern.
Die Protagonist*innen dieses Migrationsphänomens sowie die Ursprungs- und Zielorte haben sich mit der Zeit verändert. Ungeachtet dessen ist es möglich, die Migrationspolitiken der beiden Länder in fünf relevante Phasen einzuteilen:
- Das Programm Bracero, das 1942 begann und 1964 endete und ein Resultat des nach dem Zweiten Weltkrieg stark angewachsenen US-amerikanischen Bedarfs an Arbeitskräften war. Dieses Programm erlaubte die Eingliederung von Migrant*innen in den Agrar- und Industriebereichen über Zeitverträge.
- Das Jahrzehnt der Familienzusammenführung (1980-1990) von Migrant*innen, die angesichts der wachsenden Nachfrage von Arbeitnehmer*innen im Agrarbereich und in der Industrie beschlossen hatten, sich in den USA niederzulassen.
- Das Inkrafttreten des nordamerikanischen Freihandelsabkommens NAFTA zwischen Kanada, USA und Mexiko im Jahr 1994. Dessen unerfüllte Erwartungen waren in den USA Anlass, die undokumentierte Migration und den Zugang zu besser vergüteter Arbeit zu regulieren. Dies mündete in Anti-Immigrationsgesetzen. Beispiele hierfür sind das Gesetz 187 von Kalifornien, welches 1994 erlaubte, undokumentierten Migrant*innen soziale Leistungen im Gesundheits- und Bildungsbereich zu verwehren, und das föderale Gesetz »Illegal Immigration Responsibility Act«, welches die Inhaftierung und Abschiebung von Migrant*innen aufgrund geringfügiger Verstöße ermöglichte.
- Der »Krieg gegen den Terror« nach den Angriffen auf die Twin sTowers in New York 2001 motivierte zur Verstärkung der Grenzsicherheit und der Migrationskontrollen.
- Unter der Obama-Administration stiegen zwischen 2009 und 2012 die Abschiebungen auf ein historisches Hoch. 3,2 Millionen Ausländer*innen – davon 2,3 Millionen Mexikaner*innen – mussten die USA verlassen (Meza González 2014).
Der Rückblick zeigt, dass die Migrationspolitik der USA immer interessengeleitet war und mit der Zeit immer restriktiver wurde. Das führte dazu, dass die Lebensbedingungen nicht nur der mexikanischen, sondern aller zentralamerikanischen Migrant*innen sich deutlich verschlechterten.
Transit durch Mexiko
Seit den 1980er Jahren entwickelten sich in Zentralamerika große Migrationsbewegungen; Mexiko wurde dabei einerseits Zielland, vor allem aber Transitland Richtung USA. Die bewaffneten Auseinandersetzungen – vor allem in Guatemala, El Salvador und Nicaragua – forcierten seit den 1970er Jahren die Fluchtbewegung. In den 1990er Jahren motivierten Naturkatastrophen in Lateinamerika und ihre Auswirkungen auf die Wirtschaft Menschen, ihr Land zu verlassen und den »American Dream« zu verfolgen. Seit Beginn des 21. Jahrhunderts wächst im Migrationsstrom der Anteil von Frauen und Kindern, die aus ihren Herkunftsländern fliehen, um sich vor der extremen Gewalt gegen sie in mittlerweile vielen gesetzesfreien Gebieten in Sicherheit zu bringen. Diese Gewalt, sowohl zwischen lokalen kriminellen Banden als auch gegen die Zivilbevölkerung, wird verstärkt durch die Zusammenarbeit dieser Banden mit der organisierten Kriminalität, wie den mexikanischen »Los Zetas« oder dem Golf-Kartell.
Heute kann das gesamte mexikanische Gebiet als ein Transitgebiet gesehen werden, durch das laut ACNUR (2016) jährlich knapp eine halbe Million Menschen aus dem zentralamerikanischen Länderdreieck (El Salvador, Guatemala und Honduras) versuchen, in die USA zu kommen. Unter den schlimmsten Formen der Gewalt, denen sich Migrant*innen während des Transits ausgesetzt sehen, sind Entführungen, Erpressung, Folter, Zwangsrekrutierung und das »Verschwindenlassen« von Personen, vor allem wenn Migrant*innen in die Hände von Gruppen aus dem Drogenhandel kommen, die das Gebiet kontrollieren oder um dieses kämpfen. Für Migrantinnen und Minderjährige kommen Formen sexueller Gewalt und Menschenhandel hinzu. Letzteres geht von der organisierten Kriminalität aus, geschieht aber auch in Zusammenarbeit mit korrupten mexikanischen Behörden.
Die restriktive Migrationspolitik der USA wird als Maßnahme zur Aufrechterhaltung der nationalen Sicherheit und als Kampf gegen den Drogenhandel an US-amerikanischen Grenzen gerechtfertigt. Damit wird ein angeblich bestehender Zusammenhang von Migration und steigender Kriminalität hergestellt.
Von 1989 an unterstützten die USA eine Politik der »Kooperation« mit der mexikanischen Regierung, um die zentralamerikanischen Migrant*innen aufzuhalten. Dies ging so weit, dass Mitglieder des US-Auslandsgeheimdienstes CIA auf mexikanischem Gebiet an strategischen Punkten positioniert wurden, um die undokumentierte Migration aus dem mexikanischen Bundesstaat Chiapas in die USA zu unterbinden. Mexiko beteiligte sich aktiv an den Grenzkontrollen zwischen Zentralamerika und den USA. Mit Verweis auf den Drogenhandel und den illegalen Holzeinschlag wurde die Zahl von Polizeiagent*innen vervielfacht.
Durch den Druck, den die USA auf Mexiko ausübten, begann mit der »Operation Gatekeeper« 1994 der groß angelegte Versuch, die Migration aus Zentralamerika in die USA bereits an der Südgrenze Mexikos zu unterbinden. Mit den Programmen »Plan Sur« und zuletzt »Frontera Sur« (Villafuerte Solís 2004) sollten die südlichen Landesgrenzen quasi abgeriegelt werden. Das damit einhergehende fremdenfeindliche Verhalten der mexikanischen Behörden förderte auch die Fremdenfeindlichkeit weiter Teile der mexikanischen Bevölkerung und erschwerte einen transparenten Diskurs über die Migration. Mittlerweile werden alle lokalen Probleme in Mexiko auf die Migrant*innen geschoben. Hierdurch steigt für Migrant*innen die Gefahr von Gewaltszenarien. Ein besonders schockierendes Beispiel ist das Massaker an 72 zentral- und südamerikanischen Migrant*innen (58 Männer und 14 Frauen) in San Fernando im Bundesstaat Tamaulipas im Jahre 2010, das dem Kartell der organisierten Kriminalität »Los Zetas« zugeschrieben wird.
Frauen auf der Flucht sind zusätzlich von Gewalt betroffen. So wurden laut einem Bericht von Amnesty International (2010) sechs von zehn Migrant*innen in Mexiko Opfer sexueller Gewalt. In einem neuen Bericht von Ärzte ohne Grenzen (2017), der auf 429 Interviews mit Migrant*innen basiert, wurden 31,4 % der Frauen und 17,2 % der Männer während ihres Transits in Mexiko Opfer irgendeiner Form sexueller Gewalt.
Diese Formen von Gewalt und Straflosigkeit sind nur möglich, weil das Leben von Migrant*innen keine Bedeutung mehr hat. Diese Gewalt muss als eine Politik des Todes verstanden werden (Mbembe 2003), bei der der ausländische Körper als Wegwerfkörper betrachtet wird.
Rassismus und Kriminalisierung des »Andersseins«
Als Donald Trump, ein Multimillionär mit weltweiten Investitionen, am 9. November 2016 die Präsidentschaft des mächtigsten Landes der Welt übernahm, war das für viele ein tragischer Tag. Seine Wahlkampagne fußte auf Rassismus und Fremdenfeindlichkeit: Trump versprach als Lösung gegen die Migration aus Mexiko und Zentralamerika den Bau einer »Mauer«. Das Paradox liegt allerdings darin, dass Trump einerseits mit einer rassistischen Rhetorik den Rauswurf lateinamerikanischer Migrant*innen fordert, andererseits die Wirtschaft der USA die Arbeitskraft der Migrant*innen aber braucht.
Trumps Triumph ist nicht nur Ausdruck eines radikalen Rechtsrucks, wie wir ihn in anderen Ländern der Erde momentan auch erleben, er bedeutet auch die Hinwendung zu explizitem Rassismus als einer legitimen Form der Politik.
Eine der verheerendsten Handlungen Trumps gegen Migrant*innen ist die Einstellung des 2012 von der Obama-Regierung initiierten Programms DACA (Deferred Action for Childhood Arrivals).1 DACA hatte Personen, die als Minderjährige unter 16 Jahren ins Land gekommen waren, darin unterstützt, eine Arbeitserlaubnis und Fahrerlaubnis für zwei Jahre zu erhalten, mit der Möglichkeit der Verlängerung. Aktuell haben um die 800.000 junge Migrant*innen – die so genannten Dreamer – in den USA eine DACA Bescheinigung, die mit dem Auslaufen dieses Programms in ihre Ursprungsländer abgeschoben würden. Viele dieser von Zwangsrückführung Betroffenen kennen weder die Kultur noch die Sprache ihrer Ursprungsländer; sie haben meistens auch keine Angehörigen, die sie bei ihrer Ankunft unterstützten können. Stattdessen wären sie vollständig auf sich alleine gestellt und ohne Anpassungshilfen (wie Bildungsangebote oder Arbeitsmaßahmen), was ihnen den Aufbau eines neuen Lebens zusätzlich erschweren würde. Auch die öffentlichen Maßnahmen, die von Ländern wie Guatemala oder El Salvador im Zusammenhang mit Abschiebungen unternommen werden, haben bis jetzt kaum positive Auswirkungen. Im Gegenteil, die Zerrüttung der Gesellschaft, die strukturelle Gewalt und die wirtschaftliche und kulturelle Schwäche der Staaten wirkt sich negativ auf das Leben der Migrant*innen und ihre Entwicklung aus.
Allein in den ersten drei Monaten seit Trumps Regierungsübernahme sind die Festnahmen von Migrant*innen um 38 % angestiegen. Dies spiegelt die Prioritäten und die Sicherheitsstrategie der US-Regierung wieder. Gleichzeitig wird die kapitalistische Ausbeutung von Illegalisierten weiter angekurbelt und durch die konstante Angst vor Abschiebung gefördert. Shannon Speed bezeichnet dieses Phänomen als „neoliberalen Multikriminalismus“, eine postmultikulturelle Phase des Staates, in der die Aufrechterhaltung der neoliberalen Ökonomie mit der Herausbildung autoritärer Gesetze, Militarisierung und Kriminalisierung einerseits und finanziellen Gewinnen andererseits einhergeht. In dieser Dynamik besteht ein enger Zusammenhang zwischen dem Rassismus und dem Kapitalismus in den staatlichen Politiken der USA.
Speziell bezogen auf Zentralamerika hat Trump das Programm für zentralamerikanische minderjährige Flüchtlinge (CAM)2 beendet. Dieses Programm gab Minderjährigen aus El Salvador, Honduras und Guatemala, die alleine in die USA gereist waren, den Flüchtlingsstatus und die Möglichkeit der familiären Wiedervereinigung. Eltern, die in den USA eine legale Aufenthaltserlaubnis hatten, konnten Asyl für ihr Kind aus Zentralamerika erhalten. Es wird davon ausgegangen, dass seit 2009 mehr als 200.000 Kinder Asyl in den USA beantragt haben. Mit der Beendigung dieses Programms werden tausende Kinder und Jugendliche keine Möglichkeit der legalen Wiedervereinigung mit ihrer Familie mehr haben. Der Versuch, ihr Leben vor der strukturellen und politischen Gewalt und der in ihren Ursprungsländern weit verbreiteten Bandengewalt durch Migration zu schützen, wird hierdurch kriminalisiert.
Im US-Bundesstaat Texas – in dem Trump gewann – wurde im Mai 2017 das Gesetz SB4 verabschiedet, um auch in den so genannten »sanctuary cities« (Zufluchtsstädten) die Kooperation der lokalen Behörden mit der nationalen Migrations- und Zollbehörde (Immigration and Customs Enforcement) zu erzwingen. Mit dem neuen Gesetz SB4 sind alle Polizist*innen sowie Gefängnisbehörden dazu verpflichtet, mit den Migrationsbehörden zusammenzuarbeiten. Das trägt auch zum Anwachsen rassistischen Verhaltens bei, da Polizist*innen von Menschen mit phänotypisch »lateinamerikanischen« Merkmalen Ausweispapiere verlangen können und bei nichtvorhandenen oder fehlerhaften Papieren verpflichtet sind, diese Menschen festzuhalten und abzuschieben. Hierdurch wird Alltagsverhalten, wie der Aufenthalt auf öffentlichen Plätzen oder die Mobilität, zu einem Sicherheitsrisiko für Lateinamerikaner*innen; »racial profiling« gegen Latin*s wird legalisiert.3 Einige Bundesrichter gingen gegen dieses Gesetz in Berufung und konnten es so bis auf Weiteres stoppen. Auch zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen protestierten gegen dieses entmenschlichende und rassistische Gesetz.
DACA, CAM und SB4 sind nur drei Beispiele für die rassistische Politik, die Trump im ersten Jahr seiner Amtszeit durchgesetzt oder, wie im Fall des SB4 Gesetzes in Texas, unterstützt hat.
Neben der Regierungspolitik ist auch der an Legitimation gewinnende Alltagsrassismus Besorgnis erregend. Die Regierung Trump trägt nicht nur durch politische Initiativen von oben zu einer Kriminalisierung von Migration bei, sie sorgt auch dafür, dass rassistisches Verhalten gegen die »nichtweiße« Bevölkerung als normal gilt. Durch diese Regierung wird die weiße Vorherrschaft nicht nur legitimiert, sondern zunehmend auch repräsentiert. Das wurde besonders während der Proteste in Charlottesville, Virginia, im August 2017 deutlich, bei denen weiße Männer verschiedener Gruppierungen, wie Neonazis und Neo-Konföderalisten, gegen die Entfernung der Statue des Konföderalisten Robert E. Lee protestierten und den weißen Nationalismus der US-amerikanischen Ultrarechten und den verschärften Rassismus verteidigten.
Antirassistische Kämpfe und Widerstand
Ungeachtet der oben genannten Gesetzesinitiativen und der Normalisierung von Rassismus und institutioneller Gewalt in den USA gibt es aber auch Widerstand von unten gegen die verschiedenen Gesichter der Unterdrückung. Die Bewegung »Black Lives Matter« sowie die Bewegungen von Migrant*innen in vielen Städten des Landes richten sich gegen Polizeigewalt, gegen anti-schwarzen Rassismus sowie gegen die Kriminalisierung der Migration. Zu den Protestformen gehören Initiativen, um Druck auf den US-Kongress auszuüben, genauso wie künstlerische Ausdrucksformen, z.B. Wandmalereien oder Lieder gegen die Gewalt und den Rechtsruck. Unterschiedliche soziale Gruppen haben gemeinsame Allianzen gegründet, um gegen die neoliberale und rassistische Politik Trumps vorzugehen.
Diese Formen des Widerstands sind nicht nur im Inneren des US-Imperiums sichtbar, sondern sie breiten sich geographisch aus, wie an der »Karawane zentralamerikanischer Mütter« deutlich wird. Diese Frauen haben vor drei Jahren den Kampf gegen Hass und Gewalt aufgenommen und auf ihrem Marsch mittlerweile 4.000 Kilometer auf mexikanischem Gebiet zurückgelegt. Mit der Suche nach ihren Kindern, die während des Transits verschwunden und seitdem vermisst sind, verurteilen diese Frauen nicht nur die Gewalt, der die Menschen beim Transit der verschiedenen Grenzen aufgrund der Institutionalisierung fremdenfeindlicher und anti-immigratorischer Politiken und der Gewalt krimineller Netzwerke ausgesetzt sind. Mit ihrem Weg, ihrer Erinnerung und ihrer Würde bieten die Frauen der Welt die Möglichkeit an, auch weiterhin an eine andere Welt zu glauben und an ihrem Aufbau mitzuwirken.
Ein Jahr nach Trumps Amtsantritt ist es notwendig, dass von den sozialen Bewegungen – wie die Zapatist*innen sagen würden, von unten und von links ausgehend – sich mehr Widerstand organisiert. Ein Widerstand, der von den Herkunftsländern der Migrant*innen ausgehend sich mit dem in den USA verknüpft. Als »change agents« – als Akteure des sozialen Wandels, die ein uneingeschränktes Recht auf ein Leben in Würde haben – müssen die Migrant*innen aktiv werden gegen die verschiedenen Formen struktureller und alltäglicher Gewalt, der sie in ihren Herkunftsländern, während ihres Transits in Mexiko und in den USA ausgesetzt sind.
Die neoliberale und neofaschistische Politik Trumps ist mit Hassrhetorik und Terror überladen. Die »nichtweiße« Bevölkerung (Latin*s, Afroamerikaner*innen, Native Americans und Muslime) dient als Sündenbock für die negativen Effekte des Kapitalismus, der nur aufgrund der Herrschaftsbeziehungen entlang der Idee von »Rasse« funktioniert (Garcia 2016). Die Gruppen, die die Regierung ausweist, symbolisch unsichtbar machen oder verschwinden lassen will, streiten für ihr Recht auf ein Leben in Würde in einem anderen Land, auf ein Leben ohne Rassismus und Gewalt.
Zweifellos ist der Weg des Widerstands lang. Es geht um das, was Raquel Gutiérrez die „Produktion des Gemeinen“ (Produktion einer Gemeinschaft) nennt (Gutiérrez Aguilar 2015). Indem Migrant*innen ihre Rechte und ihr Recht auf Existenz einfordern und sich in ihren Gemeinden organisieren und die Möglichkeiten der transnationalen Teilnahme aufzeigen, tragen sie dazu bei, die Welt gerechter zu machen. Dieser antirassistische und anti-fremdenfeindliche Kampf ist ein Kampf des Überlebens, bei dem die Migrant*innen ihren Körper einsetzen, bei dem ihre Familie auf dem Spiel steht. Es ist ein Kampf für das Leben.
Anmerkungen
1) Auf Deutsch etwa: Aufgeschobene Handlung bei Ankünften im Kindesalter. [die Übersetzerin]
2) Auf Englisch: Central American Minors (CAM) Refugees Program.
3) Als »latino« oder »latina« (im Folgenden: Latin*) bezeichnen die Autorinnen sowohl Lateinamerikaner*innen als auch US-Bürger*innen, die bestimmte phänotypische und/oder kulturelle Merkmale aufweisen, die einer lateinamerikanischen Herkunft zugeschrieben werden, während Lateinamerikaner*in eine Aussage über die (nicht US-amerikanische) Staatsbürgerschaft beinhaltet. Das »racial profiling« degradiert US-amerikanische Staatsbürger*innen mit lateinamerikanisch definierten Merkmalen also zu Staatsbürger*innen zweiter Klasse, deren Staatsbürgerschaft grundsätzlich erst einmal zur Debatte steht und bewiesen werden muss. [die Übersetzerin]
Literatur
ACNUR (2017): México Fact Sheet. Ciudad de México. ACNUR
Amnistía Internacional (2010): Informe Víctimas Invisibles – Migrantes en Movimiento en México. Editorial Amnistía Internacional, Madrid.
García, J. A. (2016): Reseña – Indios, negros y otros indeseables. Capitalismo, racismo y exclusión en América Latina y el Caribe. Iberoamérica Social: revista-red de estudios sociales VI , S. 163-166.
Gutiérrez Aguilar, R. (2015): Horizonte Comunitario-Popular – Antagonismo Y Producción de Lo Común En América Latina. Puebla, Pue: Benemérita Universidad Autónoma de Puebla, Instituto de Ciencias Sociales y Humanidades »Alfonso Vélez Pliego«.
Mbembe, A. (2003): Necropolitics. Public Culture, Vol. 15, No. 1, S. 11-40.
Médicos Sin Fronteras (2017): Forzados a Huir Del Triángulo Norte de Centroamérica – Una Crisis Humanitaria Olvidada. Ciudad de México.
Meza González, L. (2014): Mexicanos deportados desde Estados Unidos – Análisis desde las cifras en Migraciones Internacionales. Tijuana: El Colegio de la Frontera Norte, S. 265-276.
Speed, S. (2016): State Interpellations – Indigenous Women Migrants in the Era of Neoliberal Multicriminalism. Critique of Anthropology, Vol. 26, No. 3, S. 1-22.
Villafuerte Solís, D. (2004): La Frontera sur de Me´xico – del TLC Me´xico-Centroame´rica al Plan Puebla-Panama´. México D.F.: Plaza y Valdéz.
Meztli Yoalli Rodríguez Aguilera ist Sozialanthropologin. Sie ist Doktorantin in Lateinamerikanischen Studien mit Schwerpunkt auf Sozialanthropologie an der Universität Texas in Austin. Sie arbeitet zu den Themen Feminismus, Rassismus, dekoloniale Epistemologien, staatliche Gewalt und soziale Gerechtigkeit.
Mirna Yazmín Estrella Vega ist Absolventin des Fachs Lateinamerika-Studien mit Schwerpunkt und einem Master in Frauenstudien. Zurzeit promoviert sie in Lateinamerikastudien. Ihre Schwerpunkte sind Migration von Frauen, zentralamerikanische Migration, lateinamerikanische dekoloniale Feminismen, Friedenserziehung und Kultur des Friedens.
Aus dem Spanischen übersetzt von María Cárdenas.