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  • Artikel: Vor einer neuen Interventionspolitik gegenüber der Dritten Welt? (I)
W&F 1991/1

Vor einer neuen Interventionspolitik gegenüber der Dritten Welt? (I)

NATO • WEU • EG • Bundeswehr

von Randolph Nikutta • Caroline Thomas

Militärische Instrumentarien zur Konfliktlösung rückten schneller als gedacht und in einem seit dem Zweiten Weltkrieg nie dagewesenen Umfang wieder in den Vordergrund, diesmal im Nord-Süd-Konflikt. Globalistisch orientierte Auffassungen internationaler Politik, denen zufolge das Ende des traditionellen, vom politisch-ideologischen Systemgegensatz gekennzeichneten Ost-West-Konflikts auch zu einer stetigen Verminderung lokaler und regionaler Konflikte in der »Dritten Welt« führen wird, erwiesen sich als trügerisch. Die Vorstellung, daß in einer Zeit der neuen Entspannung zwischen den beiden Weltmächten »lediglich« Konflikte und Kriege mit »geringer« oder höchstens »mittlerer« Intensität (»Low-intensity Warfare«) in der »Dritten Welt« zu »bewältigen« seien, wurde durch den Krieg des Jahres 1991 schnell widerlegt. Vielmehr wird noch genauer zu prüfen sein, ob nicht gerade das Ende des Kalten Krieges zwischen Ost und West ein wesentlicher Faktor ist, der künftig den militärischen Konfliktaustrag mit größerer Intensität als bisher und neuer Qualität sowohl zwischen Nord und Süd als auch auf lokaler und regionaler Ebene in der »Dritten Welt« fördern wird.

An dem Krieg im Arabischen/Persischen Golf wurde weiter deutlich, daß Europa auch nach dem Ende des Kalten Krieges keine Insel ist, die sich unbeeinflußt vom »Rest« der Welt zu einer »Zone des Friedens« entwickeln läßt.

Neuorientierung westlicher Sicherheitspolitik

Seit dem Ende des Kalten Krieges ist eine sicherheitspolitische Neuorientierung der westlichen Industriestaaten in Richtung Süden deutlich erkennbar. Zwar wurde 1980 von der Carter-Administration eine neue Interventionsdoktrin verkündet, doch Absichtserklärungen und militärische Fähigkeiten der Streitkräfte für solch eine Rolle klafften lange Zeit merklich auseinander, weil der Schwerpunkt der Rüstungsanstrengungen an einer Ost-West-Konfrontation ausgerichtet war. Dies änderte sich angesichts der sich wandelnden internationalen Rahmenbedingungen erst in den letzten beiden Jahren. Ähnliches gilt für die westeuropäischen Staaten. Die beiden traditionellen europäischen Interventionsmächte Frankreich und Großbritannien verstärkten ihre militärischen Anstrengungen in dieser Hinsicht während der zweiten Hälfte der 80er Jahre. Darüber hinaus versuchten auch kleinere westeuropäische Mächte wie Italien und Spanien, sich in einem recht bescheidenen Umfang Interventionsstreitkräfte zuzulegen.

Ein entscheidender Einflußfaktor für diese Neuadjustierung der Sicherheits- und Militärpolitik sind die wachsenden Legitimationsprobleme des Militärs, die in der »Dritten Welt« jetzt »plötzlich« ein neues Gefahrenpotential entdecken, dem »natürlich« auch mit militärischen Mitteln entgegengewirkt werden soll. Die USA betreiben in diesem Kontext weiterhin eine primär nationalstaatlich orientierte Interventionspolitik, die auch während der Krise und des Krieges im Arabischen/Persischen Golf deutlich sichtbar war. Gleiches gilt auch für Frankreich und Großbritannien. Jedoch verstärkte der Beginn der Krise im Arabischen/Persischen Golf zwischen den westeuropäischen Staaten die schon seit einiger Zeit existierende Diskussion über eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik im EG/WEU-Rahmen1, die auch die Erörterung der Option für eine gemeinsame Interventionspolitik einschließt.

Auch in der Bundesrepublik zeichnet sich eine Umorientierung ihrer Außen- und Sicherheitspolitik in bezug auf die »Dritte Welt« ab. Während diese Politik bisher zumindest von einer direkten militärischen Zurückhaltung geprägt war, was durch das Grundgesetz der BRD vorgegeben wurde, soll sich die Bundesrepublik in Zukunft dem Willen der Regierungsparteien und auch von Teilen der Sozialdemokratie nach auch mit eigenen Truppen an Interventionen beteiligen, um der behaupteten gestiegenen Verantwortung insbesondere in der »Dritten Welt« gerecht zu werden.

Angesichts der zuvor kurz skizzierten Problemlage möchten wir uns in den nachfolgenden Ausführungen näher mit zwei Fragestellungen auseinandersetzen, auf die wir teilweise gesicherte Antworten und zum Teil nur begründete Trendprognosen geben können.

  • Wird die NATO oder EG/WEU eine institutionalisierte gemeinsame Interventionspolitik entwickeln und in der Folge eine »Weltpolizisten«-Rolle annehmen? Wie übereinstimmend sind die Interessen und Ziele der politischen Akteure in diesem Politikfeld? Oder ist in absehbarer Zeit weiter mit primär nationalstaatlich aufgelösten Interventionspolitiken der NATO-Länder zu rechnen?
  • Wie hat sich die Diskussion im politischen System der BRD auf der einen Seite und dem gesellschaftlichen Umfeld auf der anderen Seite in der Frage eines Einsatzes der Bundeswehr außerhalb des NATO-Vertragsgebietes entwickelt? Hat sich die Außen- und Sicherheitspolitik der Bundesrepublik unter den sich wandelnden Rahmenbedingungen des internationalen Systems verändert? Welche Tendenzen lassen sich erkennen?

Globale Rolle für die NATO nach dem Ende des Kalten Krieges?

Ähnlich wie Anfang der 80er Jahre versucht die US-Regierung seit 1989 erneut, ihre europäischen Verbündeten politisch auf eine schrittweise Institutionalisierung von »out-of-area«-Funktionen im Rahmen der NATO zu verpflichten.2 Institutionalisierte »out-of-area«-Funktionen der NATO betrachtet die US-Administration dabei als ein Mittel zur langfristigen Aufrechterhaltung des westlichen Bündnisses und zumindest teilweisen Sicherung ihrer Vormachtstellung. Nach ihrer schnellen Entscheidung für einen massiven militärischen Aufmarsch im Arabischen/Persischen Golf als Antwort auf die irakische Annexion Kuwait's übte die Bush-Administration vermehrten politischen Druck aus, die NATO als Institution direkt in diese konkrete »out-of-area«-Intervention hineinzuziehen. Eine Positionsverschiebung des westlichen Bündnisses in dieser Frage konnte die US-Regierung jedoch nicht erreichen.

Erhalt nationaler Entscheidungsautonomie und Handlungsfreiheiten, unverbindliche Konsultationen und die mögliche Bereitschaft zu einer nicht näher spezifizierten Kooperation – mit diesen politischen Setzungen der westeuropäischen Regierungen im Rahmen der NATO muß sich die US-Administration weiterhin begnügen.3 Die alten Motive der europäischen Verbündeten für die Ablehnung einer institutionalisierten globalen Rolle der NATO behalten weiterhin Gültigkeit: die schwindende, aber immer noch vorhandene Dominanz der USA im westlichen Bündnis würde wesentlich die Ausgestaltung einer Interventionspolitik und ihrer Mittel in diesem Rahmen bestimmen. Die militärischen Eskalationsgefahren und die politischen und ökonomischen Folgekosten sind den westeuropäischen Regierungen dabei schlicht zu hoch.4

Eine Änderung der das Vertragsgebiet der westlichen Allianz beschränkenden Klauseln des NATO-Vertrages ist in der Zukunft wenig wahrscheinlich. Eine Neuverhandlung des NATO-Vertrages mit dieser Zielrichtung wäre in der Sicht der überwiegenden Mehrheit der Mitglieder vermutlich ein zu risikoreiches Unterfangen, das durchaus das Ende des westlichen Bündnisses bedeuten könnte. Da die NATO ein Bündnis von sechzehn souveränen Einzelstaaten ist, würde eine geographische Vertragserweiterung Konsens unter allen Mitgliedsstaaten voraussetzen, der in dieser Frage kaum herzustellen sein dürfte.5 Die Präferenz der Mitgliedsstaaten wird daher bezogen auf das westliche Bündnis in Zukunft weiter bei nationalen Handlungsoptionen in der »out-of-area«-Frage liegen, die jedoch bi- oder multilaterale Kooperation außerhalb des NATO-Kontextes nicht ausschließt.6 So blieb NATO-Generalsekretär Wörner in einem Interview Ende Februar 1991 nicht anderes übrig, als diesen aus seiner persönlichen Sicht unbefriedigenden Zustand als künftig weitergeltenden Status quo in der »out-of-area«-Frage festzustellen:

„Q. The gulf crisis has precipitated a debate within NATO about acting 'out of area.' You have apparently written [in a confidential memo] that there is profound disagreement on this issue. >

>

>A. ….. Our treaty clearly defines the limits of our area of action. To change that, you would need the consensus of all 16 members. That consensus does not exist ….. Nato will of course politically deal with a crisis if it affects the security of our member states. We will consult, try to coordinate and even support member nations where possible. But when action out of area is needed, it will not be taken by NATO as such but by those of our member nations that are prepared to do so. It would need a special case to reach consensus of all our member nations on NATO acting out of area …. the discussions we had, they show that member nations want to deal with it in a way that does not involve the NATO alliance as such.“ 7

Die Zukunft der NATO wird daher wohl nicht in einer globalen Rolle, sondern wahrscheinlich in dem Aufbau eines von westlichen Interessen dominierten europäischen Sicherheitssystems liegen. Im Rahmen eines solchen graduellen Anpassungsprozesses könnte die NATO allerdings eine Interventionsrolle bei inner- und zwischengesellschaftlichen Konflikten in Osteuropa entwickeln.8 Eine Hauptvariable für die künftige Struktur der NATO spielt zweifelsohne die weitere Entwicklung in der Sowjetunion. Darüber hinaus wird wahrscheinlich die südliche Region der NATO in Zukunft eine stärkere sicherheitspolitische Bedeutung annehmen. Als Folge des Krieges im Arabischen/Persischen Golf werden sich vor allem Sicherheitsbedürfnisse und -anforderungen der NATO-Mittelmeerstaaten stark erhöhen.9

Integration der Außen- und Sicherheitspolitik im Rahmen der EG und WEU

Die Krise im Arabischen/Persischen Golf fungierte als Katalysator für eine Verstärkung politischer Initiativen und Vorschläge zur Integration der Außen- und Sicherheitspolitik der EG- und WEU-Mitgliedsstaaten. Mit dem Ende des Kalten Krieges ist eine sich zunächst vorsichtig vorantastende Diskussion um eine über das Ökonomische hinausreichende Rolle und Funktion der Europäischen Gemeinschaft im internationalen Herrschafts- und Machtgefüge in Gang gekommen. Die Diskussion über dieses Thema bewegt sich jedoch noch ausschließlich auf der deklaratorischen Ebene. Doch sie wird gegenwärtig ernsthafter geführt als zuvor. Dies verdeutlicht allein schon die Vielzahl der seit September 1990 publik gemachten Ideen und Vorschläge, unter denen sich auch die Forderung nach Schaffung einer militärischen Eingreiftruppe der EG vornehmlich für das Krisengebiet Naher und Mittlerer Osten befand.10

EG-Kommissionspräsident Delors brachte das gemeinsam anzustrebende Ziel deutlich auf den Punkt:

„…Mr Delors said Europe must become an 'actor on the world stage, which is prepared to assume its full responsibilities'. Failure to so would mean jeopardizing all the work done towards building a new Europe, he said.“ 11

Aufgrund dem mit seiner Funktion verbundenen Organisationsinteresse dürfte Delors sicherlich ein besonderes Interesse an diesem Ziel und seiner schnellen Realisierung haben. Neben Anforderungen aus der äußeren (internationalen) Umwelt Westeuropas12 existieren auch inner-westeuropäische Anforderungen für eine integrierte Außen- und Sicherheitspolitik. So wird von politischen Entscheidungsträgern unter Bezugnahme auf die Krise im Arabischen/Persischen Golf die langsame Reaktions- und Handlungsge- schwindigkeit Westeuropas bei »out-of-area«-Konflikten beklagt.13 Dieses perzipierte Defizit hängt mit einer institutionellen »Arbeitsteilung« zwischen EG, EPZ und WEU zusammen, die unterschiedliche Integrations- oder Koordinationsdichten reflektiert und zu politischen Reibungsverlusten führt.14

Es war vor allem die italienische Regierung, die vertreten durch Außenminister De Michelis im zweiten Halbjahr 1990 die politische Diskussion über eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik in der EG durch entsprechende Initiativen konkreter voranzutreiben und dem EG-Gipfel über die Politische Union Mitte Dezember einen »blueprint« vorzugeben versuchte. Dabei kam De Michelis der turnusgemäße Vorsitz Italiens in der EG stark zu Hilfe. Die Aktivitäten der italienischen Regierung für eine gemeinsame EG-Außen- und Sicherheitspolitik waren vorrangig von dem funktionalen Interesse geleitet, den Einfluß eines sich in den letzten Jahren politisch und ökonomisch stärker Europa zuwendenden Mittelmeerlandes auf die künftig geplanten erweiterten Integrationszusammenhänge im wirtschaftlichen und politischen Bereich durch die Verknüpfung mit außen- und sicherheitspolitischen Problemfeldern zu erhöhen.15

Die grundlegende Sitzung des Europäischen Rates in Rom Mitte Dezember 1990 brachte jedoch deutlich zum Vorschein, daß über Ziele und Inhalt des Politikfeldes »gemeinsame Sicherheit« noch lange kein Einvernehmen herrscht. Weit entfernt von einem Konsens ist vor allem die militärische Dimension einer gemeinsamen Sicherheitspolitik, die den tiefgreifendsten Eingriff in die nationale Souveränität der Mitgliedstaaten und die Entscheidungsstrukturen der EG bedeuten würde. Ob die WEU als Hilfsmittel oder »Geburtshelfer« für eine militärisch abgestützte gemeinsame Sicherheitspolitik der EG mit einer entsprechenden Beistandsverpflichtung, so der Vorschlag des italienischen Außenministers, dienen kann oder soll, ist zwischen den Regierungen der Mitgliedsstaaten gegenwärtig höchst umstritten.16

Die Positionen der einzelnen Mitgliedsstaaten lassen sich grob in drei Kategorien einteilen.

Die maximalistische Position

Eine »maximalistische« Position, d.h. eine zügige Verschmelzung der EG mit der EPZ und WEU mit dem Ziel einer alle Bereiche umspannenden gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, vertreten in erster Linie Italien und Belgien, aber auch Luxemburg, Griechenland und Spanien lassen sich dieser Gruppe zuordnen. Militärische Schutzbedürfnisse als auch das funktionale Interesse, über eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik größeren Einfluß auf die Ausgestaltung der angestrebten Politischen Union zu nehmen als es ihnen sonst möglich wäre und auf diesem Wege möglicherweise »Linkage«-Politik mit wirtschaftspolitischen »issues« betreiben zu können, bilden vor allem die Antriebsfaktoren für die Regierungen der genannten Mittelmeer-Länder.17

Die mittlere Position

Eine mittlere Position nehmen die bundesrepublikanische und französische Regierung ein. Sie möchten den Prozeß einer Vergemeinschaftung der Außen- und Sicherheitspolitik, vor allem in der militärischen Dimension, zeitlich verzögern. In einer gemeinsamen Botschaft an den amtierenden EG-Ratspräsidenten Andreotti Anfang Dezember 1990 legten Bundeskanzler Kohl und Staatspräsident Mitterrand ihre abgestimmte Position dar. Ihrer Einstellung zufolge sollte die Politische Union mittel- oder langfristig „eine echte gemeinsame Sicherheitspolitik umfassen, die am Ende zu einer gemeinsamen Verteidigung führen sollte.“ 18 Dieses Ziel soll über ein stufenweises institutionelles Zusammenführen von EG und WEU erreicht werden. Allerdings formulierten beide Seiten zugleich auch retardierende Faktoren oder potentielle Zielinkompatibiltäten, wenn sie darauf bestehen, daß die Entscheidungen für eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik „die gegenüber den Alliierten der Atlantischen Allianz eingegangenen Verpflichtungen respektieren [sollten]. Gleiches gilt für die Besonderheiten der Verteidigungspolitik jedes Mitgliedsstaates.“ 19 Auch das angesprochene Ziel einer Stärkung des sogenannten europäischen Pfeilers innerhalb der NATO ist nicht ohne weiteres kompatibel mit der Sicherheitspolitik Frankreichs und der zumindest deklaratorisch angestrebten Politischen Union mit einer vollständig integrierten und damit gegenüber der NATO selbständigen Außen- und Sicherheitspolitik.

Vorrang hat zumindest für die Bundesregierung zunächst das Vorantreiben des Prozesses der Währungsunion. Vor weitergehenden Integrationsschritten möchte die Bundesregierung erst einmal Zeit für die innenpolitische Klärung über die künftigen nationalen außen- und sicherheitspolitischen Zielprioritäten eines vereinten Deutschlands gewinnen, d.h. vor allem die künftige Richtung und Ausgestaltung ihrer Beziehungen zu den USA und der Sowjetunion. Die Bundesregierung wird sich auf der Grundlage einer Re-Nationalisierung der Sicherheitspolitik zunächst wohl zwischen nationaler Interessenbehauptung und stufenweiser politischer Integrationsbereitschaft bewegen.20

Im politischen System Frankreichs steht die angesichts der deutschen Einheit und dem Ende des traditionellen Ost-West-Konflikts notwendige innenpolitische Diskussion21 über die künftigen nationalen sicherheitspolitischen Prioritäten und Orientierungen und in Verbindung damit über das Ausmaß von Integrationsbereitschaft auch in militärpolitischer Hinsicht erst noch aus. Gegenwärtig ist Staatspräsident Mitterrand noch nicht zu einer grundlegenden Revision der französischen Sicherheitspolitik bereit. Er geht von der Prämisse aus, daß eine gemeinsame europäische Sicherheitspolitik zuvor den Aufbau eines politisch geeinten Europas voraussetzt. Zur strukturellen Abstützung und finanziellen Aufrechterhaltung seiner Großmachtrolle wird Frankreich – und sehr viel stärker noch Großbritannien – mittelfristig in jedem Fall auf ein größeres Maß an sicherheitspolitischer Integration im westeuropäischen Kontext angewiesen sein, wobei in diesem außenpolitischen Anpassungsprozeß natürlich eine Führungsrolle des Landes sichergestellt sein soll. Aus diesem Grund hat Frankreich eine Präferenz für die Entwicklung einer stärkeren Verbindung von WEU und EG, und nicht von WEU und NATO, um den (über)mächtigen Konkurrenten USA auf Distanz zu halten. Die WEU als eine Art »Unterabteilung« der NATO ist daher für die französische Regierung wenig akzeptabel.22

Vorsichtige bis distanzierte Positionen

Das außen- und sicherheitspolitische »Fusions-Projekt« stößt vor allem in Großbritannien, aber auch in den Niederlanden sowie den Nicht-WEU-Mitgliedsstaaten Dänemark und Irland auf stärkere Vorbehalte oder Widerstand. Die Haltung der britischen Regierung, die auch nach dem Regierungswechsel dem Vorhaben einer Währungsunion und Politischen Union weiterhin skeptisch gegenübersteht, ist von der Sorge getragen, daß mit der Heranziehung der WEU als Hilfsmittel für eine westeuropäische Sicherheitsunion die NATO mit Sicherheit einen drastischen Funktionsverlust erleiden wird. Ein traditionelles Militärbündnis mit souveränen Mitgliedsstaaten zieht die herrschende britische Politik einem Abtreten von nationalen Souveränitätsrechten und der Beugung vor Mehrheitsentscheidungen insbesondere in sicherheitspolitischen Angelegenheiten auf jeden Fall vor. Aus diesem Grunde möchte Großbritannien die sicherheitspolitischen Handlungszusammenhänge exklusiv bei der NATO und der WEU, die als separates westeuropäisches Militärbündnis weiterbestehen und ausgebaut werden soll, belassen und ist eindeutig gegen eine militärische Beistandsklausel in einem EG-Vertrag, wie sie etwa von dem italienischen Außenminister De Michelis vorgeschlagen worden ist. Die WEU soll primär zur Stärkung des »europäischen Pfeilers« in der NATO und zur Koordinierung westeuropäischer »out-of-area«-Interventionen genutzt werden. Frankreich soll über eine grundlegende Reform der Strukturen und Kommandoorgane der NATO politisch die Rückkehr in den militärischen Teil der westlichen Bündnisses ermöglicht werden. Allerdings sperrt sich die britische Regierung nicht gegen die Behandlung primär politischer Aspekte von Sicherheitsfragen im Rahmen der EG (z.B. Rüstungskontrollpolitik), solange dadurch nicht die bestehenden Kernfunktionen der NATO oder WEU unterminiert werden. Darüber hinaus tritt sie durchaus für stärkere politische Kontakte, aber keine Funktionsüberschneidungen oder -übertragungen zwischen EG und WEU ein.23

Irland ist aufgrund seiner politischen Neutralität strikt gegen jegliche Integration von Außen- und Sicherheitspolitik im EG-Kontext. Auch die dänische Regierung vertritt eine ablehnende Haltung. Sie möchte jede Ausdehnung einer politischen Zusammenarbeit innerhalb der EG auf den außen- und sicherheitspolitischen Bereich vermeiden, weil ihrer Ansicht nach dadurch Staaten aus dem Kreis der neutralen Efta-Länder und aus Osteuropa der Weg zu einer EG-Mitgliedschaft versperrt werden könnte.24

Interessenwidersprüche in Westeuropa

Der Krieg im Arabischen/Persischen Golf demonstrierte jedoch eindringlich, wie tiefgreifend die Interessenwidersprüche zwischen den westeuropäischen Staaten im »Ernstfall« hinsichtlich eines gemeinsamen außen- und sicherheitspolitischen Handelns noch sind. EG-Kommissionspräsident Delors sah sich zu der skeptischen Äußerung veranlaßt, daß die Reaktionen der EG-Mitgliedsstaaten auf den »Golf-Krieg« Zweifel an dem ganzen Prozeß der Politischen Union geweckt habe.25 Zwar fungierte der Krieg im Arabischen/Persischen Golf als Katalysator für eine Reihe weiterer Vorschläge und Initiativen im Februar und März mit dem Ziel, eine eigenständige, vereinheitlichte westeuropäische Außen- und Sicherheitspolitik angesichts des »Golf-Desasters« nun endlich in den ersten Schritten einzuleiten und organisatorisch umzusetzen. Doch an den zuvor beschriebenen Divergenzen in den Positionen der verschiedene EG-Mitgliedsstaaten hat sich bislang noch nichts grundlegend geändert. Kristallisationspunkt einer westeuropäischen Sicherheitspolitik und hauptsächliches Streitobjekt ist weiterhin die künftige Rolle und Funktion der WEU. Die ihr zugedachte Brückenfunktion zwischen der EG auf der einen, und der NATO auf der anderen Seite definieren die Akteure immer noch höchst unterschiedlich.

Brückenfunktion der WEU?

Anfang Februar unterbreiteten Außenminister Genscher und sein französischer Amtskollege Dumas einen als Zwischenlösung gedachten Vorschlag, die WEU in einem ersten Schritt faktisch dem Europäischen Rat (halbjährliches Gipfeltreffen der zwölf EG-Staats- und Regierungschefs) zu unterstellen: Der Europäische Rat soll Prinzipien und Orientierungen für eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik vorgeben, die dann als Richtlinien für die militärpolitische Kooperation im Rahmen des Brüsseler Vertrages (WEU) dienen sollen. Die eigentliche militärische Koordination soll in der WEU selber abgewickelt werden.26 Durch solch einen Schritt würde die WEU praktisch zum sicherheits- und militärpolitischen Arm der EG und auf diesem Weg eines Tages schließlich ganz von der EG absorbiert werden.

Der deutsch-französische Vorschlag taucht auch in einem Bericht auf, der als Grundlage für eine außerordentliche Sitzung des WEU-Ministerrats am 22. Februar diente, auf der die Rolle und der Platz der WEU in einer »neuen europäischen Sicherheitsarchitektur« behandelt wurde. Im Vorspann dieses Berichts ist festgehalten, daß die Mitgliedsregierungen über diesen einen »near consensus« herstellen konnten. Was jedoch nicht konsensfähig war, stellt den entscheidenden politischen Knackpunkt dar: die Natur der Verbindung (Institutionalisierung) der WEU zur Politischen Union auf der einen, und zur NATO auf der anderen Seite. Der Bericht enthält eine Reihe von Kompromißformulierungen, die miteinander nicht verträgliche Zielvorstellungen enthalten und Ausdruck des bestehenden Dissens sind. So wird allgemein die wichtige Bedeutung der Aufrechterhaltung der NATO als transatlantisches Bindeglied, auch in militärischer Hinsicht, für die kommenden Jahre betont.27 Allerdings müßten die Organisation NATO und ihre Strukturen reformiert werden. Als Bedingung für eine solche Reform soll jedoch gelten:

„The outcome of this reappraisal must ensure that there is no weakening of the Alliance commitments on the part of either North America or Europe which could lead to a narrower national view of defence. This would involve, in particular, reaffirming the importance of retaining North American forces in Europe and ensuring that all allies refrain from taking unilateral, uncoordinated decisions to reduce their defence effort.“»28

Dem Bericht zufolge sollen die Westeuropäer zum einen den europäischen Pfeiler innerhalb der NATO stärken, zum anderen erfordert dies aber „an identifiable European component which will only be achieved if it is linked to the broader process of achieving a European union.“ 29 Die Umsetzung des zweiten Ziels würde jedoch im Ergebnis eine schrittweise »Entmachtung« der NATO und damit eine Neudefintion des amerikanisch-westeuropäischen Machtverhältnisses bedeuten, weil die Verstärkung der westeuropäischen Militärkomponente als integraler Bestandteil der angestrebten Politischen Union definiert wird. Die WEU wird dabei als ein wichtiges institutionelles Hilfsinstrument zur graduellen Herausbildung einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EG angesehen. Doch darauf können sich die EG-Mitgliedsstaaten auch nach dem Ende des »Golf-Krieges« und den damit verbundenen politischen Erfahrungen noch nicht verständigen: „there ist yet no unanimity within the Twelve on the role the Political Union might … play in defence matters.“ 30 So enthält der Bericht, der als Diskussionsvorlage für die nächste inter-gouvernementale Konferenz der EG-Mitgliedsstaaten über die institutionellen Arrangements einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitk im Rahmen einer Politischen Union dienen soll, in dem Paragraphen, in dem die Unterstellung der WEU unter den Europäischen Rat vorgeschlagen wird, zwei Fußnoten: einige Mitgliedsstaaten bestanden auf dem Erhalt dieses Paragraphen, während zumindest eine Regierung (vermutlich die niederländische) offen seine Streichung wünschte, weil sie ansonsten eine Präjudizierung der kommenden Diskussion befürchtet.31

Gegen die Schirmherrschaft des Europäischen Rates über die WEU sperren sich unverändert vehement die britische und niederländische Regierung. Sie befürchten, daß dies der erste Schritt zu einer institutionellen »Verschwisterung« von EG und WEU ist, der gleichzeitig den Beginn der Unterminierung der NATO markieren und den Prozeß eines sicherheitspolitischen und militärischen Rückzugs der USA aus Europa einleiten würde. Schwierigkeiten mit einer Unterstellung der WEU unter den Europäischen Rat dürfte es auch mit den Nicht-WEU-, aber EG-Mitgliedern Irland, Dänemark und Griechenland geben. Aufgrund ihrer Ablehung zumindest einer gemeinsamen Sicherheitspolitik werden auch die irländische und dänische Regierung gegen die Umsetzung dieses Vorschlages opponieren. Solange der Europäische Rat zudem bei seinen Beschlüssen an das Einstimmigkeitsprinzip gebunden ist, können diese beiden WEU-"Außenseiter« jederzeit gegen Beschlüsse, die WEU-Politik betreffen, ihr Veto einlegen. Griechenland ist dagegen an einer schnellen Aufnahme in die WEU interessiert. Darüber hinaus wendet die niederländische Regierung noch ein, daß man bei einer Politischen Union mit einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik nicht die drei europäischen NATO-Staaten, die weder Mitglied der WEU noch der EG sind (Island, Norwegen, Türkei), einfach aus dem Integrationsprozeß ausperren könne.32

Arbeitsteilung zwischen NATO und WEU?

Auch WEU-Generalsekretär van Eekelen setzt sich – nicht zuletzt aufgrund seiner Funktion – für einen Rollen- und Funktionszuwachs der WEU ein und unterstützt den Vorschlag einer Schirmherrschaft des Europäischen Rates über dieses bislang »zahnlose« Militärbündnis. Das kritische Datum für die Umsetzung einer gemeinsamen westeuropäischen Sicherheitspolitik ist für den ehemaligen niederländischen Verteidigungsminister van Eekelen der im Jahr 1994 geplante Abschluß des sowjetischen Truppenabzugs aus Mitteleuropa. Falls die westeuropäischen Staaten bis dahin keine eigenständigen militärpolitischen Strukturen aufgebaut haben, droht seiner Ansicht nach ein gefährlicher Rückfall in enges nationalstaatliches Denken in der Sicherheitspolitik. Der WEU-Generalsekretär schlägt als Kompromiß eine Art Arbeitsteilung zwischen NATO und WEU vor, um vor allem mit den USA einen Konflikt über die WEU als europäische Ersatz- oder Gegen-NATO zu vermeiden: die zukünftige Aufgabe der NATO soll primär die strategische »Abschreckung« und Verteidigung gegen den vom Zerfall bedrohten Vielvölkerstaat UdSSR sein. Auf diese Weise soll auch die amerikanische Nukleargarantie für Europa bewahrt werden. Dagegen soll die WEU primär für »out-of-area«-Aufgaben zuständig werden, d.h. vorrangig militärische Interventionseinsätze der westeuropäischen Staaten im Nahen und Mittleren Osten und Nordafrika, aber eventuell auch in Osteuropa, wo die Auflösung des Warschauer Vertrages ein gefährliches »Sicherheitsvakuum« hervorgerufen habe. Van Eekelen fordert dafür den Aufbau entsprechend geeigneter westeuropäischer Interventionsstreitkräfte. Dabei schwebt ihm ein Modell mit multinationalen Streitkräftestrukturen und einer doppelten Kommandosstruktur vor, demzufolge die Truppen je nach Bedarf entweder der NATO oder der WEU unterstellt werden. Ohne eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik einschließlich der militärischen Komponente droht von der ökonomischen Weltmacht Westeuropa Eekelen zufolge der Abstieg in die »weltpolitische Ohnmacht«.33

Der Vorschlag Delors

Der jüngste Vorschlag stammt von EG-Kommissionspräsident Delors. Neben der Forderung nach einem baldigen Aufbau von multi-nationalen Streitkräften für »out-of-area«-Einsätze legte er einen Vertragsentwurf für ein Abkommen zur Politischen Union vor, der die Übernahme des Beistandsartikels des WEU-Vertrages (Art.5) beinhaltet. Mit dieser Forderung knüpft Delors an die maximalistische Position der italienischen Regierung an. Weiter fordert Delors die Entwicklung einer gemeinsamen Rüstungsforschungs- und produktionspolitik der EG-Mitgliedsstaaten. Sein hinter diesen Vorschlägen stehendes Hauptinteresse ist, der Kommission eine ausreichende Mitwirkung bzw. Mitbestimmung in diesen Politikfeldern zu sichern. Delors` sehr weitgehender Vorschlag dürfte wohl in nächster Zukunft keine Aussicht auf eine erfolgreiche Umsetzung haben. Eine kategorische Ablehnung Großbritanniens, der Niederlande, Irlands und Dänemarks ist hier gewiß.34

Angesichts der zuvor beschriebenen Ausgangslage kann der Befund und die Prognose gegenwärtig nur lauten, daß das Projekt einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik vermittels einer institutionellen Verschmelzung von EG/EPZ und WEU nicht als ein realistisches politisches Vorhaben gelten kann, welches in den nächsten Jahren umsetzbar ist. Aus einem gemeinsamen Binnenmarkt läßt sich offensichtlich noch lange keine neue Weltmacht bilden. Die Nutzung sicherheitspolitischer oder militärischer Integration als Motor für politische Integration, wie es einigen Akteuren offenbar vorschwebt, ist kein funktionsfähiges Modell, weil die essentiellen Voraussetzungen fehlen. Der vorhandene Konsens über außen- und sicherheitspolitische Interessen und Ziele zwischen den EG-Mitgliedsstaaten ist gegenwärtig von recht bechränkter Natur.

Die Interessen im Politikfeld Sicherheit, die politisch-kulturellen Grundlagen, die innenpolitischen Anforderungen als auch die primären geographischen Bezugsfelder nationaler Außen- und Sicherheitspolitik der westeuropäischen Staaten weichen partiell erheblich voneinander ab und werden noch für einige Zeit strukturelle Limitierungen der weltpolitischen Handlungsfähigkeit der EG und WEU bedingen. Nicht zuletzt die geographische Lage bringt sehr unterschiedliche Blickwinkel und Interessen hervor: Frankreich ist stark auf seine »Sonderbeziehungen« zur frankophonen Welt seiner ehemaligen Kolonien primär in Nordafrika fixiert, Italien blickt ebenfalls stark auf Nordafrika und den Nahen Osten, Großbritannien versucht die »special relationship« zu den USA sowie zu den Commonwealth-Staaten aufrechtzuerhalten und zu pflegen, Spanien sieht sich als ein Band zwischen Westeuropa und Lateinamerika, Griechenlands Perspektive ist vorrangig auf den »Erzfeind« Türkei ausgerichtet, Dänemark hat primär die skandinavischen Länder im Blick und die Bundesrepublik ist stark dem östlichen Europa zugewandt. Aus dem vorhandenen heterogenen Akteurskonglomerat und Interessenbündel ein kohärentes sicherheitspolitisches Gesamtkonzept und -strategie zu bilden, wird trotz der aktuellen Willensbekundungen etlicher politischer Entscheidungsträger für eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik aufgrund der bislang nur äußerst schwach ausgeprägten gemeinsamen Interessen in diesem Politikfeld noch einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen. Zeitweise integrationspolitische Rückschläge sind dabei vorprogrammiert. Ein gemeinsam geteiltes Antriebsmotiv für eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik könnte jedoch in langfristiger Perspektive darin bestehen, daß die Regierungen durch eine Verlagerung der nationalen in supranationale Handlungszusammenhänge den innenpolitischen Restriktionen und Legitimationsproblemen (demokratische Kontrolle) in diesem Sachbereich zu entgehen versuchen – vorausgesetzt die Kosten-Nutzen-Relationen weisen dabei für die Akteure einen positiven Saldo auf.

Der von EG-Kommissionspräsident Delors gewünschten Etablierung von EG/WEU-Europa als dritter Weltmacht (»Vereinigte Staaten von Europa«) und einem militärisch gemeinsam handelnden »out-of-area«-Akteur in der internationalen Politik stehen somit noch viele Hürden entgegen. Über dieses langfristige Ziel muß erst noch ein Konsens zwischen allen Mitgliedsstaaten hergestellt werden, ehe überhaupt an dessen graduelle Realisierung gedacht werden kann. Gegenwärtig ist es zumindest schwer vorstellbar, daß sich Frankreich und Großbritannien z.B. Mehrheitsentscheidungen in der EG beugen werden, wenn es um die Wahrung der Reste ihres Großmachtstatus geht, vor allem im nuklearen Bereich. Ob die existierenden Hindernisse eine umfassende Militarisierung der bislang zivilen EG verhindern, ist aufgrund der zahlreich zu wägenden exogenen und endogenen Einflußfaktoren momentan schwierig zu prognostizieren. Eine graduelle Militarisierung der Europäischen Gemeinschaft mit entsprechenden Zeitetappen bis zu einer konsensual vereinbarten Stufe (z.B. bis zur Ausklammerung der französischen und britischen Nuklearwaffen) liegt aber durchaus im Bereich des Möglichen.

Im Bereich der Sicherheitspolitik könnte ein konsensfähiges Ziel in mittelfristiger Perspektive darin bestehen, die militärpolitische Koordination und Zusammenarbeit innerhalb der WEU auszubauen und allmählich politische Querverbindungen zum außenpolitischen Kooperationsmechanismus der EG zu entwickeln, um die in beiden Institutionen erörterten Ziele und Maßnahmen besser aufeinander abzustimmen. Auf dieses zunächst begrenzte Ziel können sich die entscheidenden politischen Akteure Westeuropas – Bundesrepublik, Frankreich und Großbritannien – wahrscheinlich verständigen.<>

WEU-Versammlung November 1990

In einem Bericht der WEU-Versammlung vom November 1990 mit dem Titel »Europäische Sicherheit und die Golf-Krise« wird solch ein Vorgehen mit einer besonderen Konzentration auf »out-of-area«-Operationen der Mitgliedsstaaten angeregt, das nicht unrealistisch erscheint, weil die politisch äußerst sensible Frage einer Verklammerung mit der EG zeitlich unbestimmt nach hinten verschoben wird.35 Die Präferenz für die WEU wird u.a. damit begründet, daß in der NATO kein ausreichender Konsens über »out-of-area«-Operationen zu erreichen sei und die EG trotz gemeinsamer politischer und diplomatischer Aktivitäten gegenwärtig nicht über die Fähigkeit und notwendige Flexibilität für die Koordinierung von militärischen Interventionsmaßnahmen, die zunächst weiterhin in nationaler Entscheidungsverantwortung bleiben müßten, verfüge.36

Bemerkenswert an diesem Bericht ist u.a., daß für die Zukunft von einem EG-Europa der Zwölf ausgegangen wird und damit die Option einer gemeinsamen Sicherheitspolitik auf diesen Kreis eingeengt wird. Den Schwerpunkt zukünftiger militärischer Zusammenarbeit im WEU-Rahmen sieht der Berichterstatter im Bereich von Interventionen in der Dritten Welt. Geographisch bedeute dies für Westeuropa hauptsächlich die Region Mittlerer Osten und Afrika. Um für eine schnelle und flexible Reaktion auf künftige Interventionsfälle gewappnet zu sein, sollten jetzt Maßnahmen für eine effiziente Koordination vorbereitet werden, die dann im Bedarfsfalle in Kraft treten können. Dazu wird ein aus drei »Bausteinen« bestehendes Maßnahmenpaket vorgeschlagen:

„… first …. defining the framework of co-operation between the mobile forces of each member country in the event of the governments deciding on joint action .. >

>

>Second … work out the procedures necessary for conducting possible co-ordinated operations. They will then have to consider all the hypothetical cases of hostilities in which any of them might be obliged to participate in order to plan the conditions for effective co-ordination …. Finally … examine what arms equipment and means of transport each one will have to provide for its mobile force to ensure the fullest possible interoperability of the various national units.“37

Eine entscheidende Voraussetzung zur Implementierung dieses Maßnahmenpakets sei jedoch die vorherige Assignierung von geeigneten Truppenkontingenten der Mitgliedsstaaten für Interventionsoperationen, solange es keine integrierte europäische Armee für »out-of-area«-Einsätze gebe. Gedacht wird dabei an eine Größenordnung von mindestens 100 000 Soldaten. Ziel dieser Vorkehrungen im Rahmen der WEU sei, „to allow joint action by national forces, under national or European command, in joint arrangements in the event of the governments of the WEU Council deciding to take such action.“38 Dieses vorgeschlagene Handlungsmuster erscheint in den nächsten Jahren politisch konsensfähig, weil es die nationalen Entscheidungsstrukturen in diesem Politikfeld noch nicht grundlegend antastet. Die WEU könnte sich auf diesem Wege mittelfristig als homogener handelnder institutioneller Interventionsakteur als zuvor in der internationalen Politik etablieren, der jedoch im Gegensatz zu den USA eine stark regional konzentrierte Einmischungspolitik aufgrund der beschränkten militärischen Kapazitäten sowie der geographischen Schwerpunkte der außenpolitischen und -wirtschaftlichen Interessen (Naher und Mittlerer Osten, Nordafrika und Osteuropa) verfolgen wird.

Parallel zu diesem Prozeß könnten die interessierten Akteure eine etappenweise Integration der Außen- und Sicherheitspolitik ohne die militärische Dimension im Rahmen der EG auf der Basis des Konsensprinzips vorantreiben. Ende der 90er Jahre wäre dann vielleicht die Einleitung einer allmählichen institutionellen Zusammenführung von EG/EPZ und WEU denkbar, wenn der Prozeß der sicherheitspolitischen Interessensabgleichung hinreichend genug vorangeschritten ist. Der größte Hemmschuh für eine vollständig integrierte Sicherheitspolitik im EG/WEU-Rahmen wird zweifelsohne die nukleare Dimension sein.

Äußere Anforderungen, wie z.B. das Entstehen neuer oder die Eskalation existierender Konflikte im Nahen und Mittleren Osten oder eine in einen Bürgerkrieg versinkende Sowjetunion, die ein militärisches Eingreifen des Westens hervorrufen könnten, könnten aufgrund ihres Handlungsdrucks eine beschleunigende Wirkung auf die sicherheitspolitische Integration von EG-Europa ausüben. Auf der anderen Seite könnte der Implementierungsprozeß der Währungsunion aufgrund der vielfältigen Interessen, die in diesem Bereich erst einmal auf einen Nenner zu bringen sind (z.B. die Frage der Mitglieder-Ausweitung der EG, der Ausgleich ökonomischer Disparitäten im Nord-Süd-Kontext der EG etc.), eher einen retadierenden Einfluß für eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Gemeinschaft zeitigen.

Golfkrise und Versagen der EG

Die Krise im Arabischen/Persischen Golf und ihre Eskalation zu einer kriegerischen Auseinandersetzung zeigt jedoch sehr deutlich, daß die Vorstellung von einem politisch und militärisch homogener handelnden Akteur Westeuropa gegenwärtig nur eine recht begrenzte Grundlage hat. Vielmehr erwies sich das sicherheitspolitische Interessens- und Handlungsgefüge im Rahmen der EG und WEU (noch) als zu fragil, um den Anforderungsdruck einer in einen militärischen Konflikt umschlagenden Krise unbeschadet zu überstehen.39 Bezeichnend ist vor allem das eklatante politische Versagen der EG, die viel zu spät politisch erwachte und einen von den USA unabhängigeren Kurs einzuschlagen versuchte, um eine diplomatische Lösung für die Krise zu finden. Zur Ausübung eines entsprechenden Drucks in dieser Hinsicht erwies sich die EG als handlungsunfähig. Der Krieg im Arabischen/Persischen Golf führte wie schon zuvor bei anderen Krisen zur Segmentierung in einzelstaatliche Außen- und Sicherheitspolitiken der EG/WEU-Mitgliedsstaaten. Die Regierungen der drei politischen Hauptakteure Westeuropas – Bundesrepublik, Frankreich und Großbritannien – versuchen auch unter dem Druck divergierender innenpolitischer Anforderungen primär ihre jeweiligen nationalen Interessen zu wahren, die zu unterschiedlichen außenpolitischen und militärischen Handlungsweisen in diesem Krieg führen.40 Der belgische Außenminister Eyskens brachte die Situation auf folgende griffige Formel: „Die Zwölf sind ein wirtschaftlicher Riese, ein politischer Zwerg und ein militärischer Wurm“ .41 Langfristig betrachtet hat allerdings die Perspektive einer Etablierung von EG/WEU-Europa als Weltmacht mit einer supranationalen Sicherheits- und allerdings regional beschränkten militärischen Interventionspolitik aufgrund des sich abzeichnenden Niedergangs der UdSSR und auch der USA als bestimmende weltpolitische (militärische) Ordnungskräfte durchaus Realitätsgehalt.

Gemeinsame Interventionspolitik der Industrieländer eher fraglich

Die Entwicklung einer gemeinsamen militärischen Interventionspolitik der westlichen Industrieländer gegenüber der Dritten Welt ist eher mit Fragezeichen zu versehen. Zwischen den USA und den westeuropäischen Staaten als auch zwischen den Westeuropäern untereinander bestehen gewichtige Interessenunterschiede, die während der Krise und des Krieges im Arabischen/Persischen Golf nur allzu manifest geworden sind.

Für die transatlantischen Beziehungen gilt, daß eine amerikanisch-westeuropäische Kluft in der konkreten Ziel-Mittel-Setzung in bezug auf »Out-of-area«-Operationen wohl weiterhin bestehen bleiben wird und sich eventuell auch vergrößern wird. Für die USA wird aufgrund ihrer wachsenden ökonomischen Krise (fortschreitender Deindustrialisierungsprozeß, wachsendes Haushaltsdefizit, außenwirtschaftliche Verschuldung) die Bedeutung des militärischen Interventionsinstruments zur Aufrechterhaltung des Weltmachtstatus zunehmen. Doch die USA bewegen sich in mittelfristiger Perspektive strukturell auf dieselben Probleme zu, mit denen die UdSSR akut konfrontiert ist: Gefährdung der Weltmachtposition durch ein zunehmend auseinanderdriftendes Verhältnis zwischen politischer/militärischer und ökonomischer Macht. Das Ende des Krieges im Arabischen/Persischen Golf könnte bereits den Beginn des Prozesses eines allmählichen Niedergangs der USA als Weltmacht bedeuten, weil die westliche Vormacht mit dem Krieg keines ihrer zuvor benannten strukturellen Probleme lösen wird, sondern diese eher verschärfen wird.42

Die in der EG/WEU zusammengeschlossenen Staaten werden langfristig gesehen trotz einem auch von etlichen Rückschlägen begleiteten Integrationsprozesses auf dem Gebiet der Sicherheit in der internationalen Politik zunehmend als einheitlicher Akteur auftreten und stärker als zuvor eine globale Interessensperspektive entwickeln. Schwierig wird vor allem die Angleichung der bislang diametral entgegengesetzten Interessen der beiden europäischen Großmächte Frankreich und Großbritannien in bezug auf die »westeuropäische Option« sein. Doch in mittelfristiger Perspektive wird Großbritannien aufgrund seiner desolaten ökonomischen Lage nicht viel anderes übrigbleiben, als sich einer integrierten militärischen Sicherheitspolitik im EG/WEU-Rahmen anzuschließen.

Ein neu zu füllendes Machtvakuum

Ein wesentlicher äußerer Einflußfaktor für die »Harmonisierung« oder Angleichung der außen- und sicherheitspolitischen Interessen der westeuropäischen Staaten werden der allmähliche Niedergang der beiden Weltmächte UdSSR und USA und das im Gefolge dieses Prozesses entstehende und neu aufzufüllende »Machtvakuum« im internationalen System sein. Wollen die westeuropäischen Staaten eine nach westlichen Interessensmaßstäben definierte Herrschaftsordnung und Stabilität des internationalen Systems weiter aufrechterhalten, dann sind sie zu einer Bündelung und Vereinheitlichung ihrer Interessen und Handlungen gezwungen. Im Ergebnis bedeutet eine solche Entwicklung zwar eine Umschichtung in der Einflußverteilung zwischen den alten (USA und UdSSR) und neuen (EG/WEU und Japan) Kräftezentren auf die Weltpolitik, doch zugleich verfestigt und verstärkt sie die auf die Nord-Süd-Achse bezogenen Herrschaftsstrukturen im internationalen System.

Die wahrscheinlich auch in Zukunft vorhandene Begrenztheit der militärischen Mittel der Westeuropäer für eine Interventionspolitik, die in der Vergangenheit mehr zu einer Betonung der diplomatisch-politischen und ökonomischen Mittel zur Bearbeitung von Konflikten in der »Dritten Welt« geführt hat, wird im Vergleich zu den USA zu einer niedrigeren Bedeutung dieses Instruments führen. Zudem steht eine entsprechende militär- und rüstungspolitische Umsetzung einer westeuropäischen Interventionspolitik und die dafür notwendige Mobilisierung finanzieller Ressourcen noch aus. Geographisch wird sich eine mögliche militärische Interventionspolitik der EG/WEU aufgrund der auch in Zukunft begrenzten militärischen Kapazitäten sowie vorhandenen politischen und ökonomischen Interessen primär auf die Region Naher und Mittlerer Osten, Nordafrika und Osteuropa konzentrieren. Denkbar ist in diesem Zusammenhang als Übergangslösung eine militärische Arbeitsteilung zwischen den Mitgliedsstaaten. Darüber hinaus bringt die stärkere außenwirtschaftliche Orientierung und die damit verbundene Weltmarktverflechtung und Abhängigkeit Westeuropas im Vergleich zu den USA ein größeres Maß an Inkompabilität zwischen militärischer Interventionspolitik und ökonomischen (einschließlich Energieversorgungs-) Interessen hervor. Zudem steht EG/WEU-Europa aufgrund der stärkeren ökonomischen Basis über die Außenwirtschaftsinstrumente ein leichteres und effizienteres funktionales Äquivalent in der Form von ökonomischen Einmischungen zur Stabilisierung lokaler oder regionaler Konfliktlagen in der »Dritten Welt« und Osteuropa zur Verfügung. Allgemein dürften die westeuropäischen Staaten aufgrund ihres Interesse an möglichst störungsfreien weltwirtschaftlichen Austauschprozessen ein größeres Interesse als die USA haben, Konflikte in der »Dritten Welt« und Osteuropa möglichst ohne den Rückgriff auf militärische Mittel zu lösen. Daher könnten sie stärker als zumindest die gegenwärtige US-Politik an einer Stärkung des UN-Systems in Richtung einer primär gewaltfreien Streitbeilegung interessiert sein.

Teil 2: Bundesrepublik

Anmerkungen

1) Vgl. dazu die von der WEU 1987 verabschiedete »Platform on European Security Interests« Zurück

2) Vgl. z.B. die Initiative des US-Außenministers Baker vom Dezember 1989, in der er intensivierte Konsultationen in der NATO über »out-of-area«-Fragen als eine der neuen Hauptaufgaben für das westliche Bündnis vorschlägt, in: The Arms Control Reporter 1989, S.407.B.276 Zurück

3) Vgl. Kommunique der Ministertagung des Nordatlantikrates vom 17. bis 18. Dezember 1990 in Brüssel, in: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Bulletin, (147)20.12.1990, S.1540
Auf westeuropäischer Seite nahm jedoch die damalige britische Premierministerin Thatcher eine Ausnahmeposition ein, als sie Ende August 1990 öffentlich Bereitschaft von der NATO forderte, »Verantwortung« auch außerhalb des Vertragsgebietes zu übernehmen, da die USA nicht allein als Weltpolizist handeln könnten. Vgl. „Westeuropas militärischer Einsatz zu gering“>, in: FAZ v. 31.8.1990. Vorbehalte gegenüber einer die USA ausschließenden sicherheitspolitischen Integration Westeuropas, die Pflege der »besonderen Beziehungen« zu den USA, die durch die amerikanische Unterstützung für die Vereinigung Deutschlands gelitten hatten, Demonstration einer souveränen Großmachtrolle sind einige der Gründe für diese britische Forderung. Zurück

4)Unter Berufung auf »Experten« aus der »strategic community« schreibt das britische Militärfachblatt »Jane's Defence Weekly« zu dieser transatlantischen Positionsdifferenz folgendes: „As for why many European partners are fundamentally opposed to NATO acting outside Europe, the answer, say analysts, is simple: in an alliance traditionally dominated by the USA, European NATO members fear being dragged into a controversial Vietnam-type conflict.“ Lewis [Jane's Defence Weekly 14(12)22.9.1990,] S.515 Zurück

5) Vgl. Secret memo reveals deep divisions on NATO role, in: Financial Times v. 8.2.1991, S.3. Die kontroverse Diskussion über den möglichen Eintritt des sogenannten Bündnisfalls inbezug auf die Türkei zwischen den Mitgliedsstaaten deutet bereits an, auf welche Hindernisse gar der Versuch einer förmlichen Ausweitung des NATO-Vertragsgebietes stoßen würde. Zurück

6) Das britische Militärfachblatt »Jane's Defence Weekly« schließt sich dieser Argumentation mit Verweis auf einen niederländischen Strategieexperten an: „NATO reaches decision by consensus among its 16 members; there would be no consensus in favour of playing the world's policeman. 'Given that position, any broadening of the Alliance role would be more likely to divide NATO than lend it a new sense of purpose,' said Samuel Rozemond of the Clingendael Institute, a Dutch 'think tank' based in The Hague.“ Lewis [Jane's Defence Weekly 14(12)22.9.1990,] S.515 Zurück

7)We Need Each Other Badly“, Interview with NATO Secretary-General Manfred Wörner, in: Time v. 25.2.1991, S.52 Zurück

8) Im letzten Kommunique der Ministertagung des Verteidigungs-Planungsauschusses der NATO heißt es u.a.: „Wir streben an, …. in dem neuen kooperativen europäischen Sicherheitsumfeld erhöhte Stabilität und Sicherheit zu gewährleisten. Unsere künftige Streitkräftestruktur wird sich auf kleinere, mobilere und flexiblere aktive Verbände abstützen, die in der Lage sind, auf Angriffe, gleich aus welcher Richtung, zu reagieren.“;, in: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Bulletin, (145)14.12.1990, S.1525. Diese Verknüpfung zwischen dem künftigen europäischen Sicherheitsumfeld und einer neuen, für diesen Interventionszweck optimierten Streitkräftestruktur könnte in Verbindung mit Äußerungen von NATO-Generalsekretär Wörner Ende November 1990, in denen er vor der Gefahr eines „explosionsartigen“ Ausbruchs zwischenstaatlicher und ethnischer Konflikte in Osteuropa warnte, als ein Indikator für eine beabsichtigte Interventionsrolle der NATO im Osten Europas angesehen werden, vgl. Wörner: NATO auf absehbare Zeit nötig, in: Süddeutsche Zeitung v. 30.11.1990 Zurück

9) Vgl. NATO seen as a pillar of future European security, in: International Defense Review, 23(12)1990, S.1326 Zurück

10) Vgl. Delors seeks to cast EC in a bigger role, in: Financial Times v. 13.9.1990, S.6; EG geht gegen Iraks Diplomaten vor, in: Frankfurter Rundschau v. 18.9.1990, S.1; Andreotti schlägt Mitgliedschaft der EG im Sicherheitsrat vor, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 19.9.1990, S.1; De Michelis wants EC to take over defence policy role, in: Financial Times v. 19.9.1990, S.4; Heath für ständige Streitmacht der EG, in: Der Tagesspiegel v. 9.10.1990, S.6; The Gulf prods EC unity, in: Financial Times v. 15.10.1990, S.38 Zurück

11) Delors seeks to cast EC in a bigger role, in: Financial Times v. 13.9.1990, S.6; ähnlich äußerte sich auch der italienische Ministerpräsident Andreotti: im Hinblick auf die Entwicklungen in Osteuropa und am Arabischen/Persischen Golf betonte er die Notwendigkeit für die EG, „als autonomes Subjekt auf der internationalen Bühne handeln zu können“. Italien will Einigung Europas vorantreiben, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 19.10.1990 Zurück

12) Die in der Region des Nahen und Mittleren Ostens zahlreich vorhandenen virulenten Konflikte, vor allem der israelisch-arabische Konflikt, und die geographische Nähe zu Europa, mögliche Migrationsströme aus dieser Region sowie den nordafrikanischen Staaten, das Erdöl und die aufgrund ihres ökonomischen Niedergangs verstärkt auf militärische Konfliktlösungen setzende Politik der Weltmacht USA, die aus der Sicht der westeuropäischen Staaten zu für sie erheblich nachteiligen Störungen weltwirtschaftlicher Austauschprozesse führen kann, sind die wichtigsten äußeren Anforderungen, die einen starken strukturellen Zwang auf eine größere Interessenharmonisierung zwischen den westeuropäischen Staaten in der Außen- und Sicherheitspolitik ausüben. Zurück

13) Delors seeks to cast EC in a bigger role, in: Financial Times v. 13.9.1990, S.6 Zurück

14) Vgl. ausführlicher Werner Weidenfeld, Zur Handlungsfähigkeit Westeuropas in der internationalen Politik, in: Peter Haungs (Hrsg.): Europäisierung Europas?, Baden-Baden 1989, S.109-121 Zurück

15) Vgl. für die im Vorfeld der Tagung des Europäischen Rates Mitte Dezember diskutierten Vorschläge für eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EG: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 8.10.1990 Zurück

16) Vgl. Europäischer Rat in Rom. Tagung der Staats- und Regierungschefs der EG am 14. und 15. Dezember 1990. Schlußfolgerungen des Vorsitzes, in: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Bulletin (149)21.12.1990, S.1553/1554 Zurück

17) Ambitious aims for political union, in: Financial Times v. 27.10.1990, S.6; Italy's EC proposals run into trouble, in: Financial Times v. 23.11.1990; Who wants what in the brave new Europe, in: The Economist 317(7683)1.12.1990, S.24/25 Zurück

18) Vgl. Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Bulletin (144)11.12.1990, S.1513/1514 Zurück

19) Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Bulletin (144)11.12.1990, S.1513; Claire Trean, Race between NATO priorities and EC priorities, in: Le Monde (English Section), The Guardian Weekly v.16.12.1990, S.13 Zurück

20) Vgl. zur nationalen Neubestimmung bundesdeutscher Sicherheitspolitik und den damit verbundenen Re-Nationalisierungstendenzen z.B. das aufschlußreiche Buch von Lennart Souchon, Neue deutsche Sicherheitspolitik, Herford und Bonn 1990 Zurück

21) Sicherheitspolitische Themen sind in Frankreich zwischen dem politischen System und seinem gesellschaftlichen Umfeld so gut wie kein Thema. Die sicherheitspolitische Diskussion findet quasi unter Ausschluß der Öffentlichkeit fast ausschließlich innerhalb der politischen Klasse statt. Der breite innergesellschaftliche Konsens über die außen- und sicherheitspolitische Ziele Frankreichs ist ein wesentlicher Grund für eine fehlende sicherheitspolitische Debatte in der Öffentlichkeit. Eine Änderung der grundlegenden außen- und sicherheitspolitischen Zielprioritäten durch die Regierung könnte jedoch zu einem innenpolitischen Konflikt führen, wenn das politische System sich auf neue Zielprioritäten einigt, die den mehrheitlich vorhandenen gesellschaftlichen Anforderungen widersprechen. Zurück

22) Zurückhaltung bei der Politischen Union, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 23.10.1990; Politics Today: Twin tracks that might converge, in: Financial Times v. 26.10.1990, S.19; Ambitious aims for political union, in: Financial Times v. 27.10.1990, S.6; Who wants what in the brave new Europe, in: The Economist 317(7683)1.12.1990, S.24/25 Zurück

23) Vgl. „Europa im Bündnis stärken“. Der britische Außenminister Hurd über Nato, WEU und EG, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 11.12.1990, S.4 und Hurd seeks to keep defence out of Rome Treaty, in: Financial Times v. 20.2.1991, S.5 Zurück

24) Vgl. Zurückhaltung bei der Politischen Union, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 23.10.1990; Who wants what in the brave new Europe, in: The Economist 317(7683)1.12.1990, S.24/25 Zurück

25) Vgl. näher David Buchan, A gulf in Europe, in: Financial Times v. 8.2.1991, S.14 und Jac Lewis, Gulf War: European unity fails its first test, in: Jane's Defence Weekly, 15(6)9.2.1991, S.177 Zurück

26) Vgl. Tragen Europas Generale bald auch eine WEU-Mütze?, in: Frankfurter Rundschau v. 13.3.1991 Zurück

27) „(a) as the framework for the collective defence of all allies …, (b) as a framwork for broad political cooperation among the Allies and as a forum where North America and Western Europe can discuss common security concerns, (c) as a stabilizing factor on the continent of Europe where the Soviet Union retains the largest military capabilities…“. Western European Union, The Future of European Security and Defence Cooperation. Security Architecture in the 1990's, 1990 Zurück

28) Western European Union, The Future of European Security and Defence Cooperation. Security Architecture in the 1990's, 1990, S.4 Zurück

29) Ebenda, S.4 Zurück

30) Ebenda, S.6 Zurück

31) Ebenda, S.8 Zurück

32) Vgl. European ministers propel WEU into front line, in: Financial Times v. 23/24.2.1991; Dutch warning on EC defence policy, in: Financial Times v. 27.3.1991; Tragen Europas Generale bald auch eine WEU-Mütze?, in: Frankfurter Rundschau v. 13.3.1991 Zurück

33) Vgl. Willem van Eekelen, Generalsekretär der Westeuropäischen Union, Die Westeuropäische Union und das Atlantische Bündnis im Rahmen neuer europäischer Sicherheitsstrukturen, Papier für: Sicherheitspolitisches Symposium: Künftige Aufgaben der Atlantischen Allianz, 24.2.1991, Deutsche Atlantische Gesellschaft e.V., mimeo Zurück

34) Vgl. Delors calls for a common European defence policy, in: Financial Times v. 8.3.1991; Delors argues for common defence policy, in: Jane's Defence Weekly, 15(11)16.3.1991, S.367; Dutch warning on EC defence policy, in: Financial Times v. 27.3.1991 Zurück

35) Die Präferenz für dWEU-Versammlung und WEU-Generalsekretär van Eekelen sprachen sich zur Wahrung der spezifischen Organisationsinteressen im Dezember 1990 explizit gegen übereilte Veränderungen in dem existierenden institutionellen Beziehungsverhältnis zwischen NATO, EG und WEU aus. Vgl. WEU gegen Integration in die EG, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 5.12.1990 Zurück

36) Western European Union, Assembly (36th Ordinary Session, 2nd Part), European Security and the Gulf Crisis, Report submitted on behalf of the Political Committee by Mr. De Decker, Rapporteur (Document 1244), Brüssel, 14.11.1990, S.22 Zurück

37) Ebenda, S.16/17 Zurück

38) Ebenda, S.17 Zurück

39) Vgl. näher David Buchan, A gulf in Europe, in: Financial Times v. 8.2.1991, S.14 Zurück

40) Vgl. Der Golf-Krieg entzweit die Europäer, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 22.1.1991 Zurück

41) Europäische Integration steckengeblieben, in: die tageszeitung v. 26.1.1991 Zurück

42) Vgl. Golfkrieg: Auch ein Sieg würde Washingtons Probleme nicht lösen, in: Wirtschaftswoche 25(5)25.1.1991, S.36-45 Zurück

Randolph Nikutta und Caroline Thomas sind wissenschaftliche Mitarbeiter am Berghof-Institut für Friedens- und Konfliktforschung Berlin.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 1991/1 Nach dem Golfkrieg, Seite