W&F 1997/4

Was wurde aus der Friedensdividende?

von Ann Markusen

Der frühere Gegner, die ehemalige Sowjetunion, hat sich in diverse Nachfolgestaaten aufgespalten, in denen der Rüstungssektor zusammenbricht. Die vereinigte Bundesrepublik Deutschland, genauso wie Großbritanien, kürzen ihre Ausgaben für Rüstung und Militär erheblich. Mit Ausnahme einiger asiatischer Staaten gehen die Ausgaben für Militär und Rüstung weltweit zurück. Auch in den Vereinigten Staaten lassen Umfrageergebnisse erkennen, daß in der amerikanischen Bevölkerung die Akzeptanz für Rüstungsausgaben sinkt. Nur eine Minderheit der Amerikaner stimmt für steigende militärische Forschungs- und Entwicklungsausgaben, hingegen unterstützen beispielsweise 80% höhere Forschungs- und Entwickungsausgaben für den Gesundheitsbereich. Ergebnisse, die die Frage aufkommen lassen, warum eine umfangreiche Demilitarisierung in den USA nach dem Ende des Kalten Krieges nicht stattgefunden hat.

Die Vereinigten Staaten haben heute höhere Rüstungs- und Militärausgaben als in den Jahren nach dem Vietnam-Krieg, in denen der Kalte Krieg noch bestimmend war. Der Verteidigungshaushalt ist kaum niedriger als vor Beginn der Carter/Reagan-Administrationen.

Aber tiefere Einschnitte im Rüstungshaushalt werden unvermeidbar sein. Aufgrund der Finanzierungszwänge im Staatshaushalt enthüllte der vierteljährliche Bericht des Pentagons (Quadrennial Review) im Mai 1997 Empfehlungen zur Kürzung der Verteidigungsausgaben um zweistellige Milliarden US-Dollar für den Zeitraum 1999-2003. Summen, die wahrscheinlich weit geringer ausfallen, als die geplanten Einschnitte für die Gesundheitsvorsorge.

In den frühen neunziger Jahren gab es in den USA eine Chance für eine Friedensdividende. Als Bill Clinton 1992/93 die Regierung übernahm, trat er mit dem Ziel an, die zu Zeiten des Kalten Krieges geplanten Rüstungsprojekte in zivile Produktion und Serviceleistungen umzusteuern. Fast fünf Jahre später verfolgt die USA noch immer keine zielorientierte Konversionspolitik. Diejenigen Rüstungsunternehmen und Kommunen, die die Umstellung militärischer Produkte und Serviceleistungen auf nützliche zivile Produkte erfolgreich unterstützten, haben aus Eigeninitiative und auf eigenes Risiko gehandelt.

Kooperative Sicherheitsstrategie

In dem Buch »Decisions for Defense: Prospects for a New Order« analysierten W. Kaufman und J. Steinbrunner (Brookings Institution) anschaulich die dramatisch veränderten sicherheitspolischen Rahmenbedingungen der Vereinigten Staaten. Neue Bedrohungen, so argumentierten sie, sind auf kleine Nationen begrenzt, die weit weniger gut gerüstet sind als die USA. Für die USA sind nur ein oder zwei regionale Konflikte im Maßstab des Golfkrieges relevant, für die wir im Verbund mit unseren gut ausgerüsteten Alliierten ausreichend militärische Stärke zeigen können.

Solche kooperativen Sicherheitsstrategien würden Kürzungen des Verteidigungshaushaltes von über 100 Mrd. US-Dollar im Jahr ermöglichen. Wir würden dann weder die alleinige Verantwortung für Kriegsführungen im Maßstab des Golfkrieges übernehmen, noch würden wir autarke Produktionkapazitäten aufrecht erhalten müssen. Auch Les Aspin schrieb kurz nach dem Golfkrieg ein bemerkenswertes Memorandum mit verschiedenen Szenarien, in denen mit einem reduzierten Rüstungsetat militärisch agiert wird. Einige von diesen Szenarien basieren auf dem Ansatz der kooperativen Sicherheitsstruktur.

Nachdem L. Aspin zum Verteidigungsminister ernannt wurde, stellte er jedoch ein Szenario auf, in dem die Anzahl der Waffensysteme nahezu auf dem Niveau des Kalten Krieges bleibt. Im Rahmen dieses Szenarios sollten die USA auf zwei gleichzeitig stattfindende Regionalkonflikte militärisch vorbereitet sein. Eine Aussicht, die extrem unwahrscheinlich ist. Experten machten darauf aufmerksam, das Aspins Budget nicht ausreiche, um diese Strategie zu finanzieren und sie sagten voraus, das seine Forderung in zwei Regionalkonflikte gleichzeitig eingreifen zu können, die Falken der US-Verteidigungsstrategie auf den Plan rufen würde. Letzten Sommer wurde durch die republikanische Kongreßmehrheit das Verteidigungsbudget um 11 Mrd. US-Dollar erhöht (Die gleiche Summe hatten die Kürzungen der Wohlfahrts- und Sozialabgaben erbracht!), um Waffensysteme wie den B2-Bomber und den Seawolf zu finanzieren. Leider verfügen die gesellschaftlichen Gruppen, die von einer Friedensdividende am meisten profitieren würden, über keine dem Militär vergleichbare Lobby.

Das größte Hindernis gegen Konversion ist das eiserne Dreieck (Adams 1981), das Triumvirat von großen Rüstungskonzernen, dem Pentagon und dem Kongreß, das aktiven Widerstand leistete gegen jede bescheidene Konversionsinitiative im Verlauf des letzten Jahrzehnts. Die Macht dieses »Iron Triangle« ist erheblich. Sie wird durch ein ideologisches Klima gefestigt, das eine aktive Rolle der Regierung bei der Umstellung des Industriesektors nicht anerkennt.

Dennoch führte das Ende des Kalten Krieges zu neuem Denken. Die Literatur, auf die hier eingegangen wird, zeigt in unterschiedlichen Beiträgen, wie das Militär reduziert und militärische Ressourcen für den zivilen Gebrauch nutzbar gemacht werden können. Allerdings sprechen die Autoren nicht über politische Strategien. Ohne klare Anforderungen aus den nichtmilitärischen gesellschaftlichen Sektoren und ohne eine staatliche zielorientierte Konversionsstrategie wird es in den USA nicht möglich sein, die Rüstungsressourcen so schnell und effizient abzubauen, wie es z.B. unter Harry Truman in den vierziger Jahren und nach Vietnam in den siebziger Jahren geschehen ist.

Die Laissez-faire-Strategie

Von den anzusprechenden Büchern ist das von M. Weidenbaum »Small Wars, Big Defense: Paying for the Military after the Cold War« am pessimistischsten und am wenigsten zukunftsweisend. Weidenbaum, ehemaliger Vorsitzender von Reagans ökonomischem Beraterstab und gegenwärtig Direktor des Washington University's Center for the Study of American Business, ist der Meinung, daß es das beste sei, sich für die Laissez-faire-Strategie zu entscheiden.

Weidenbaum schlägt vor, den Verteidigungshaushalt einfach zu kürzen und die Umsteuerung von Technologien und menschlichen Ressourcen dem Markt zu überlassen. Denn im Sinne der neoklassischen Ökonomie werden die Probleme durch den privaten Sektor am besten geregelt. Die Anstrengungen der Regierung im Bereich der Konversion hätten versagt. Weidenbaum kommt zu der Schlußfolgerung, daß die Rüstungsunternehmen am besten Waffen produzieren können, und wenn die Produktionskapazitäten in diesem Bereich zu hoch sind, sollte man die überflüssigen Unternehmen am besten schließen.

Weidensbaums Analyse ignoriert hierbei die Entwicklung der High-Tech-Unternehmen auf dem zivilen Markt: Beispielsweise läßt sich an der Entwicklung von Boeing illustrieren, wie ein Unternehmen »Schwerter zu Pflugscharen« transformieren kann. Boeing konvertierte militärische Luftfahrttechnologie in die profitable Boeing 707. Auch die Computer- und Kommunikationsindustrien, die abhängig von Rüstungsaufträgen waren, sind jetzt erfolgreich auf kommerziellen Märkten. Weiterhin ignoriert Weidenbaums Analyse solche Betriebe wie TRW und Raytheon, die erfolgreich militärische Produkte produzieren und parallel dazu den Aufbau von zivilen Abteilungen betreiben, zur gegenseitigen Befruchtung beider Bereiche.

Obwohl er eine eher polemische Analyse betreibt, kommt Weidenbaums Buch in der Beschreibung sehr nah an die von Bush propagierte Theorie von liberalen Marktökonomen und ihren politischen Strategien heran. Weidenbaums »Schule der harten Schläge« über den Umgang mit dem Verteidigungsressort sind unrealistisch. Sie ignorieren z.B. die Tatsache, daß Unternehmen, Gewerkschaften und Kommunen eine Allianz bilden, um die lokalen Rüstungsunternehmen unter Mißachtung des Marktes zu verteidigen.

Spinoff und dual use

Zu Beginn seiner Amtszeit ist Clinton explizit mit dem Anspruch angetreten, die Verteidigungsausgaben zu kürzen und verstärkt Haushaltsmittel für Konversion bereitzustellen. Um gegenüber dem Militär glaubwürdig zu bleiben, favorisierten Clinton und seine Berater jedoch den Transfer in neue Forschung, Beschaffung und Infrastrukturprojekte, um damit zur Restrukturierung der amerikanischen Hegemonie beizutragen; so konnte gleichzeitig das Militär mit besserer Qualität und kostengünstigeren Waffen ausgerüstet werden. Das Buch »Beyond Spinoff« ist die Schablone für die Technologie- und dual use-Strategie der Clinton-Administration. Es bringt zum Ausdruck, daß in einer Welt von beschleunigtem ökonomischen Wettbewerb das US-System hinsichtlich der Innovationsfähigkeit nicht ausreichend gut funktioniert.

Während der Nachkriegsperiode vertraute Amerika auf Innovationen, die aus der militärischen Forschung resultierten. Hierfür wurden Entwicklungsaufträge an wissenschaftlich arbeitende Institute und Ingenieure in der Privatwirtschaft vergeben, die über Spinoffs neue zivile Produkte generieren sollten, um den Vereinigten Staaten Wettbewerbsvorteile auf internationalen Märkten zu verschaffen. Hinter »Beyond Spinoff« steht auch, daß dieser Weg zur Steigerung der Innovationsfähigkeit nicht angemessen ist, da er unerschwinglich teuer und irrelevant für den heutigen globalen Wettbewerb sei.

Als Lösung schlagen die Autoren vor, daß das Pentagon tatkräftig dual use-Beschaffungen verfolgen sollte, um den Abstand zwischen militärischen und zivilen Anforderungen zu verringern, damit zukünftig sowohl zivile als auch militärische Märkte bedient werden können. Aber nur die militärische und zivile Integration anzuregen, ist nicht ausreichend. Die Regierung sollte darüber hinaus in erfolgversprechenden Industriezweigen effiziente Technologieförderung betreiben.

Weder die Autoren von »Beyond Spinoff« noch die Clinton-Administration konnten voraussehen, welche geringe Wirkung ihre Visionen hatten, die sie den großen Rüstungsunternehmen und den Rüstungsarbeitern anboten. Die Rüstungsgiganten kämpfen weiterhin um ihren schwindenden geschützten Rüstungsmarkt und für militärisch dominierte technische Entwicklung. Auch in den Streitkäften gibt es viele, die gegen die dual use-Praktiken argumentieren. Gewöhnt an technologieorientierte Lösungen strategischer Probleme setzen sie weiterhin die Ausstattung der Streitkräfte über die Kostenzwänge militärischer Beschaffungen. Schließlich sehen Gewerkschafter im Rahmen der Clinton Politik, die langfristige Technologieentwicklung vor die Schaffung von Arbeitsplätzen setzt, Risiken für die Arbeitnehmer der Rüstungsindustrie.

Bessere Soldaten- Ausrüstung

J. Gansler fragt in seinem Buch »Defense Conversion«, wie Amerika seine militärische Stärke trotz eines stark reduzierten Rüstungsbudgets erhalten kann. Gansler, früher ein Vertreter des Verteidungsministeriums und jetzt Vizepräsident einer Consultingfirma für Rüstungsunternehmen, findet deutliche Worte, um die Mauer zwischen militärischer und ziviler Produktion zu brechen.

Gansler empfiehlt eine „Transformation der nationalen Industrie in große integrierte (militärisch/zivile) Strukturen.“ Da wir uns auf dem Weg zu einem Kriegstypus befänden, der auf den Informations-und Kommunikationstechnologien aufbaut, ist Gansler besorgt, daß die Entwicklung von neuer effektiver Kriegstechnologie durch die gegenwärtige Struktur auf dem Rüstungsmarkt nicht unterstützt werde. Gansler betont, daß solange Amerika seine Innovationsfähigkeit in der Militärtechnologie, Wettbewerb und Privatisierung befördert und kultiviert, es seine Welthegemonie beibehalten kann.

Gansler's Buch hat insbesondere bei einer Gruppe von Rüstungsunternehmern in der Elektronikbranche Hoffnung geweckt, die es bevorzugen würden, wenn die strittigen Rüstungsmilliarden zur Stärkung der Innovationsfähigkeit bei neuen Waffensystemen eingesetzt würden. Beim Streit über die Zusammensetzung des Rüstungshaushalts gerieten Rüstungsunternehmen mit den staatlichen militärischen Serviceeinrichtungen aneinander, weil sie sich weniger um die Innovationsfähigkeit sorgen, als um ihre Truppe, die sie gut ausbilden wollen, damit sie die High-tech-Waffensysteme gut bedienen können. Eine dritte Gruppe besteht aus großen Rüstungsunternehmen wie General Dynamics, McDonnell Douglas und Northrop-Grumman, die darauf dringen, die flüssigen Haushaltsmittel für Großprojekte wie den F16- und den B2-Bomber oder U-Boote sowie Flugzeugträger einzusetzen. Die technologiepolitisch orientierte Elite ist von Ganslers Visionen vollständig überzeugt. Der frühere Verteidigungsminister Perry stand ebenfalls hinter dieser Position; der amtierende Verteidigungsminister Cohen, in dessen Heimatstaat Militärstandorte und eine große kommerzielle, aber wenig wettbewerbsfähige Werft von General Dynamics angesiedelt sind, ist mehr dafür, daß die älteren Waffengattungen modernisiert werden. Eine politisch brauchbare Konversionsstrategie muß irgendwie die Anliegen dieser drei Gruppen zusammenbringen.

In den Büchern »Beyond Spinoff«, »Defense Conversion« und »Small Wars, Big Defense« wird ausführlich darüber diskutiert, wie der Rüstungsmarkt sich zu entwickeln hat, es wird aber nicht beschrieben, wie dies politisch umzusetzen ist. Dennoch haben alle drei Bücher die öffentliche Diskussion beeinflußt. Weidenbaums Buch war eine Argumentationshilfe für die Republikaner gegen Konversion, während »Beyond Spinoff« und »Defense Conversion« überzeugende rationale Argumente für die technokratisch orientierten Demokraten enthält. Aber keines von diesen Büchern antizipiert die Macht, die durch das eiserne Dreieck entstanden ist und den besten Konversionplan unterlaufen kann.

Clintons Programm brauchte mehr als eine bessere Verkaufstechnik, um die Initiativen der Exekutive in dem Top-Mangement der größten Rüstungsunternehmen wie Lockheed Martin, Loral, McDonnell Douglas und General Dynamics zu verankern. Die Industrie argumentiert verächtlich gegen die Dual-use- und Konversionsinitiativen, weil sie hochspezialisierte, kommerziell nicht wettbewerbsfähige Industrien betreibt, die durch die Einschnitte im Verteidigungshaushalt in ihrer Existenz bedroht sind. Sie stellt statt dessen drei Forderungen auf: erstens massive Subventionen und die Erlaubnis zum Export von Waffensystemen, zweitens entspannte Monopolaufsicht ergänzt durch Subventionen für Zusammenschlüsse der größten rüstungsabhängigen Unternehmen, und drittens umfangreiche Privatisierung von militärischen Laboratorien, Arsenalen und Depots.

Unter Clinton fügte sich das Verteidigungsministerium trotz der klaren Widerstände der Industrie gegen die dual use-Agenda. Offiziell wurden 2 Mrd. US-Dollar für Konversion angesetzt, allerdings wurden die Rüstungsunternehmen durch Verteidigungsminister Perry mit einer noch größeren Summe für ihre Exportaktivitäten unterstützt. Wie man sehen kann, hat das eiserne Dreieck seine Stellung gefestigt. Konsequenterweise hat sich die Möglichkeit zur nationalen Politikgestaltung hinsichtlich der rüstungsindustriellen Basis verringert.

New Deal für das Militär

Zwei andere Bücher vermitteln eine willkommene historische Perspektive; sie untersuchen die Bedingungen, die den gewaltigen Sicherheitsstaat aufrechterhalten und sehen einen enormen institutionellen Aufwand voraus, um die amerikanische Rüstungsindustrie den Realitäten nach dem Ende des Kalten Krieges anzupassen. Hooks führt in seinem Buch »Forging the Military-Industrial Complex« einmalige und brilliante Argumente an, die die Entstehung des modernen Sicherheitsstaates nicht aus der Gefahr des Kalten Krieges, sondern aus dem Zweiten Weltkrieg erklären. Während des »New Deal« in den dreißiger Jahren wurde die Macht in Washington zentralisiert. Staatliche Planungspolitik wurde zur legitimen politischen Praxis mit dem Ziel sozialer Wohlfahrt und Sicherheit. Als sich das Land für den Krieg mobilisierte, legte Roosevelt vieles von den sozialen Planungen zur Seite, während die Rolle des Pentagon für staatlich gelenkte Industriepolitik des privaten Sektors zunahm. Die erstarkte Planungskraft des Pentagons einschließlich der intensiven Kontrolle über die finanziellen Maßnahmen zum Aufbau von neuen militärischen Anlagen und den zu erwartenden umfangreichen Beschaffungsaufträgen führte zu einer noch nie dagewesenen Kooperationsdichte zwischen dem Pentagon und der Rüstungsindustrie.

Hooks ist der Meinung, daß die Trennung zwischen militärischen und zivilen Strukturen auch auf die Beziehungen zwischen Wirtschaft und Politik während des Krieges zurückzuführen sind. Zur Belohnung für die Ausleihe von Managern des rüstungsindustriellen Sektors an das Pentagon während des Krieges gewannen die größten nationalen kommerziellen Unternehmen nach dem Krieg das Recht zur Selbstorganisation. Nur bestimmte Segmente wie die Luftfahrt- und die militärisch orientierte Elektronikindustrie sowie die Werften blieben von den Entscheidungen des Pentagon abhängig. Weil der Staat gegenüber anderen Bereichen der Industrie eine Laissez-faire-Haltung einnahm, tolerierten die meisten Wirtschaftsbereiche die Planungsbefugnisse des Pentagon in militärisch abhängigen Bereichen. Die verschiedenen Versuche amerikanischer Präsidenten durch Schaffung neuer ziviler Agenturen, wie z.B. der Atomenergiebehörde oder der Arms-Control and Disarmament Agency, den Einfluß des militärischen Sektors zurückzudrängen, endeten schließlich immer wieder im Pentagon (deutlichstes Beispiel: das SDI-Programm unter Ronald Reagan).

Mit der Betrachtung der militärischen Bürokratie füllt Hooks eine entscheidende Lücke bei vergleichenden Interpretationen der kapitalistischen Entwicklung in der Nachkriegszeit aus. Er schlägt vor, daß die Maßnahmen während des »New Deal« mit seinen Leistungen für die nationale Sicherheit während des Zweiten Weltkrieges nun nach dem Ende des Kalten Krieges rückgängig gemacht werden können. Leider teilt er uns nicht mit, wie es zu funktionieren hat oder wie Unterstützungsmaßnahmen für den Erfolg zu generieren sind.

Reale Sicherheit

G. Bischaks Aufsätze in dem Sammelband »Real Security« bieten die beste moderne Charakterisierung dessen, was ich gern als den »angebotsseitigen Widerstand« gegen Kürzungen und institutionelle Reformen nach dem Kalten Krieg bezeichnen würde. Bischak, Ökonom und bis vor kurzem Direktor der National Commission for Economic Conversion and Disarmament, zeigt, wie weit – wenn auch selektiv – der Sicherheitsstaat in die Zivilgesellschaft hineinreicht. Während des Kalten Krieges sicherte sich das Pentagon die Unterstützung und Legitimation einer breiten Gesellschaftsschicht dadurch, daß es wichtigen ökonomischen Bereichen eine Ratgeberrolle anbot. Somit erweckte das Pentagon den Eindruck, als wäre der Planungsprozeß relativ offen. Bischak verdeutlicht die Fähigkeit politischer und ökonomischer Interessen(gruppen), im besonderen die Lobbytätigkeit der Rüstungsmanager zur Beeinflussung der Sicherheitspolitik, besser als Hooks.

Bischaks Darstellung ist der aktuelle Widerstand gegen Pentagon-Reformen und Budgetkürzungen der faktischen Planungsstäbe, die sich innerhalb der größten privaten Rüstungsunternehmen entwickelt haben, zu eigen. Da Militärtechnologie im Verhältnis zur Leistung der Soldaten zunehmend wichtiger geworden ist, hat sich die Initiative zur Gestaltung der nationalen Sicherheitspolitik in die Forschungseinrichtungen und an die Zeichenbretter jener Unternehmen verlagert, die mehr über die Technologien, die sie erschaffen, wissen, als ihre Kunden im Pentagon. Nationale Sicherheitsbedenken statten diesen Prozeß mit einem hohen Maß an Geheimhaltung aus, die ihn weiter vom prüfenden Blick der Öffentlichkeit entfernt. Durch ihre Forschungs- und Entwicklungsprogramme und ihre Sitze in den Beratungskomitees des Pentagons verfügen die Unternehmen über beträchtliche Macht, das Wettrüsten zu fördern.

Bischak macht aus Adams eisernem Dreieck ein eisernes Pentagon, indem er zwei weitere Winkel hinzufügt: die Naturwissenschaften und die organisierte Arbeitnehmerschaft. Nur wenige Amerikaner wissen, daß 69 Prozent der Luftfahrtingenieure, 50 Prozent der Ozeanographen, 34 Prozent der Physiker und Astronomen sowie 50 Prozent der Flugzeugmonteure und 20 Prozent der Maschinisten von Projekten des Verteidigungsministeriums abhängig sind. Berufsverbände und Gewerkschaften liefern Unterstützung und Legitimation für die andauernde Implementierung der industriellen Planungen des Kalten Krieges. Beispielsweise haben einige prominente Physiker im Geheimen auf die Fortsetzung der teuren Nuklearwaffenforschung gedrängt, weil andernfalls „kein Geld mehr für Physik da wäre“.

Bischak wie Hooks steuern zu wenig Spezifika bei, wie die dringend benötigte Überprüfung des militärisch-industriellen Komplexes zu erreichen wäre. Aber Bischak schlägt vor, wo die politische Führungskraft für ein solches Bestreben zu finden wäre: in der wissenschaftlichen Gemeinschaft. In einer Anzahl prominenter historischer Fälle haben Dissidenten-Wissenschaftler die technokratische Basis der Rüstungspolitik herausgefordert, wie beispielsweise hinsichtlich der Effekte des (radioaktiven) Niederschlags von atmosphärischen Tests, der Gesundheit und Sicherheit von Produktionsstätten für Nuklearwaffen usw. Tatsächlich halfen Widerspruch, Debatten und der Zusammmenschluß von Naturwissenschaftlern, Opposition gegen Reagans extravagante Star-Wars-Pläne aufzubauen. Bischak argumentiert, daß eine aktivistische Kampagne von Wissenschaftlern und Ingenieuren in der Lage sein könnte, wissenschaftliches Talent von seinem starken Sich-auf-das-Pentagon-Verlassen zu befreien und die Beziehung zwischen Regierung und Wissenschaft zu reformieren. Das ist tatsächlich genau das, auf was die Beyond Spinoff-Autoren mit einer zivilen Technologie-Initiative hoffen, wenn auch mit verhaltener Vorsicht hinsichtlich der Notwendigkeit, Rüstung bedeutend zu kürzen.

Bischak wirft ebenfalls einen Blick auf die Arbeitnehmerseite. Eine Anzahl historischer Beispiele berücksichtigend, in denen nationale Arbeitnehmervertreter aggressiv auf Konversion und Ausgabeneinschnitte gedrängt haben, stellt Bischak fest, daß ein disproportionaler Stellenabbau in der Folge von Kürzungen der Verteidigungsausgaben die Arbeitnehmer(vertreter) heute mobilisieren könnte, für Konversionsprogramme zu kämpfen. Schließlich betreiben Rüstungskonzerne in großem Stil »outsourcing« und »subcontracting«: Die damit verbundenen Arbeitsplatzverluste übertreffen in schockierender Weise den Verkaufsrückgang. Zwischen 1989 und 1994 gingen Northrops Verkäufe real um fünf Prozent zurück, aber die Arbeitnehmerschaft nahm um 27 Prozent ab. Entsprechend fielen McDonnell Douglas Verkäufe um zwei Prozent, die Anzahl der Beschäftigten jedoch um 49 Prozent; Rockwells Verkäufe gingen um elf Prozent zurück, die Anzahl der Beschäftigten um 34 Prozent. Und während Lockheed Martin seine Verkäufe um 34 Prozent steigerte, wurde die Zahl der Beschäftigten um fast zehn Prozent reduziert. Diese Disparität resultiert nur zum Teil aus der Verlagerung von Jobs in Sub-Unternehmen, ein großer Teil folgt aus Produktivitätssteigerungen und aus Vereinbarungen, große Teile der Waffensysteme in den Käuferländern herzustellen. Für die landesweiten Gewerkschaftsforderungen nach aktiver Konversionsplanung in den neunziger Jahren gibt es gute Gründe. Eine Schwäche der Konversionsunterstützung durch Gewerkschaften ist jedoch, daß die organisierte Arbeitnehmerschaft dazu tendiert, nach Konversionsprogrammen zu rufen, wenn Einschnitte notwendig sind, aber selten gegen den Ausbau der Rüstung opponiert und tatsächlich tatkräftigen Lobbyismus für individuelle Waffenverkäufe betreibt, wenn Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen.

Das unbeendete Projekt

Leider ist es weder den dual use-Vorschlägen der Wissenschaftler noch den Konversionsideen der Gewerkschaften und Friedensaktivisten unter der Clinton-Administration gut ergangen. Anläßlich des Wirtschaftsgigfels des Präsidenten 1992 kam der erste Anruf für den gewählten Präsidenten und seinen Runden Tisch von Ratgebern von einem entlassenen McDonnell Douglas-Arbeiter aus Long Beach, Kalifornien. Einem alleinstehenden Vater von fünf Kindern, der für diesen Zweck von J. McChesney (National Public Radio) treffend ausgewählt worden war. Es war ein ergreifender Moment. Seine mißliche Lage zusammenfassend, sagte er einfach, „Was werden Sie für mich tun, Bill Clinton?“ Clinton schien sprachlos und schob den Schwarzen Peter in die Runde weiter. Etwas später, nachdem er seine Gedanken wieder geordnet hatte, betonte er seine Verpflichtung gegenüber der zivilen Infrastrukturförderung und Industriepolitik.

Doch während des gesamten Treffens, in dem lange Analysen von Defizitproblemen der Wohlfahrtsbürokratie und der Krise in der Gesundheitsversorgung mit strahlenden, vielfarbigen Folien präsentiert wurden, war nicht ein einziger Vortragender eingeladen worden, um auf das Verteidigungsbudget oder die Pentagon-Bürokratien in der Zeit nach dem Kalten Krieg einzugehen. Es ist schwierig, sich vorzustellen, wie Clinton sagte, er plane den Kalten Krieg zu beenden. Tatsächlich hat kein Präsident seit Eisenhower die Fähigkeiten besessen, vor der exzessiven Macht und den nicht zu tolerierenden Ausgaben des industriell-bürokratischen Nexus, der um das Pentagon herum geformt worden ist, zu warnen.

In der Zwischenzeit hat – allem Nein-Sagen zum Trotz – ein beträchtliches Maß an Konversion tatsächlich stattgefunden. Allgemein verstanden als der Transfer von Humanressourcen, Technologien, Kapital und Einrichtungen in Richtung von Aktivitäten, die nichts mit Rüstung zu tun haben, hat es die Mehrzahl der Firmen aller Größenordnungen verstanden, ihre Rüstungsabhängigkeit zu reduzieren und ihre Verkäufe in zivilen Märkten zu steigern. Viele haben außergewöhnliche Anstrengungen unternommen, um die interne Organisation zu verändern, kostenorientiertes Design und Produktion einzuführen und insbesondere beim Marketing Know-how von außen einzubeziehen. Ihr bescheidener Erfolg unterstreicht nur, was mit einem klaren Regierungsprogramm und effektiver Konversionsunterstützung hätte erreicht werden können. In den neunziger Jahren haben die Politiker unglücklicherweise den Erfolg der GI Bill, des Marshall Plans und lokaler Unternehmensinitiativen durch die Committees for Economic Development vergessen und das Geschäft der Konversion den Firmen selbst überlassen.

Eisengeometrie

Konversion funktioniert, das eiserne Dreieck funktioniert jedoch auch. Wo Privatunternehmen und Gemeinden erfolgreich waren, waren sie dies trotz des Drucks von der Wall Street, rüstungsabhängig zu bleiben, und eher trotz der Regierungspolitik (die zu viele Anreize bietet, rüstungsabhängig zu bleiben) als mit ihrer Hilfe. In den Vereinigten Staaten hat eine intensive Forschung auf der Basis von Interviews und Umfragen in den Firmen begonnen, um definitive Belege zu erlangen, wo die Regierungsunterstützung am erfolgreichsten gewesen ist: Hiernach war die Regierung bei der zur Verfügungstellung alternativer Märkte für Firmen (hauptsächlich auf der nationalen Ebene), der Überbrückung von Finanzierungsengpässen (hauptsächlich auf bundesstaatlicher und lokaler Ebene) und der rechtzeitigen technischen Unterstützung am effektivsten.

Aber der militärisch-industrielle Komplex ist, trotz all seines Glanzes und seiner Befehlsgewalt über menschliche High-Tech-Ressourcen, nur ein bescheidener Teil der amerikanischen Wirtschaft. Reduziert auf ungefähr fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts – wenn auch mit einem disproportional großen Anteil an amerikanischer High-Tech-Forschung und -Produktion – ist es schwierig einzusehen, warum der Komplex in seinen Bestrebungen, die Budgets hochzuhalten, Waffenexporte zu liberalisieren, gigantische Unternehmen zu bilden und eine potentiell destabilisierende Rüstungsforschungsagenda zu verfolgen, notwendigerweise die Oberhand gewinnen soll. Die Erklärung, die Hooks und Bischak geben, liegt in der Abschottung des Pentagon und seinen inzestösen Verbindungen mit den Unternehmen des privaten Sektors.

Aber das Problem ist auch ein Versagen politischer Führung. Präsident Clintons Initiativen haben genau deshalb zu kurz gegriffen, weil er nicht bereit war, die Sicherheitspolitik zu überdenken und weil er einen Kader von militärischen High-Tech-Unternehmern und industriefreundlichen Bürokraten an der Spitze des Pentagon placiert hat. Deshalb werden wir bald mit den langfristigen Sicherheitskonsequenzen eines monopolisierten und internationalisierten Angebotssektors zu ringen haben, in dem die USA fundierte High-Tech-Waffen weltweit proliferieren.

Die kleine Gruppe akademischer Analytiker und Kritiker mit Insiderkenntnissen darüber, wie der Sicherheitsstaat operiert, spricht vorwiegend mit sich selbst. Es mag so scheinen, als sei die Überprüfung der Beziehungen zwischen Pentagon und Industrie zu komplex und esoterisch, um breites öffentliches Interesse erwecken zu können. Doch der Kalte Krieg beginnt Geschichte zu werden. Militärische Bedrohungen unseres nationalen Interesses haben abgenommen. Weltweiter ökonomischer Wettbewerb intensiviert sich. Die Probleme der Armen und der Älteren werden zu immer größeren sozialen und fiskalischen Herausforderungen. Früher oder später werden diese Tatsachen zu einer Erhebung gegen das Pentagon führen und eine neue Einschätzung der amerikanischen Rüstungskonversion erzwingen. Zu diesem Zeitpunkt ist öffentliche Wachsamkeit dringend erforderlich. Wenn Amerika ein verantwortliches Militärbudget und eine effektive Konversionsstrategie bekommen soll, müssen die Anwälte von Beschäftigungs-, Gesundheits-, Wohlfahrts- und Umweltprogrammen jetzt das Wort ergreifen. Rüstungsplaner sollten sich ebenfalls zu Wort melden: Amerikas Sicherheit wird am besten durch ein kleineres Rüstungsprogramm gedient sein.

Literatur

Adams, Gordon (1981): The Iron Triangle: The Politics of Defense Contracting, Council on Economic Priorities.

Alic, John / Lewis Branscomb / Harvey Brooks / Asthon Carter / Gerald Epstein (1992): Beyond Spinoff: Military and Commercial Technologies in a Changing World, Harvard Business School Press.

Bonn International Center for Conversion; Conversion Survey 1996 (1996): Global Disarmament, Demilitarization and Demobilization, Oxford University Press.

Cassidy, Kevin / Gregory Bischak (eds.) (1993): Real Security: Converting the Defense Economy and Building Peace, State University of New York Press.

Gansler, Jacques (1995): Defense Conversion: Transforming the Arsenal of Democracy, MIT Press.

Hooks, Gregory (1991): Forging the Military-Industrial Complex: World War II's Battle of the Potomac, University of Illinois Press.

Kaufman, William / John Steinbrunner (1991): Decisions for Defense: Prospects for a New Order, Washington D.C.: Brookings Institution.

Weidenbaum, Murray (1992): Small Wars, Big Defense: Paying for the Military after the Cold War, Oxford University Press.

Reprinted with the Permission of the American Prospect, vol 33, July-August Copyright 1997, P. O. Box 383080, Cambridge, Ma. 02238. All rights reserved. Übersetzung und Kürzung für W&F: Margitta Matthies

Ann Markusen ist Professorin und Direktorin des Project on Regional and Industrial Economics an der Rutgers University, New Jersey, USA und Senior Fellow am Council on Foreign Relations, New York. Sie war im 1. Halbjahr 1997 als Gastwissenschaftlerin am Bonn International Center for Conversion (BICC).

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 1997/4 USA, Seite