W&F 2014/4

What the FuK?!

3. Konferenz junger Wissenschaftler_innen der AFK, 2.-3. April 2014, Ev. Akademie Villigst

von AFK

Die 3. Konferenz junger Wissenschaftler_innen (ehemals Nachwuchstagung) der Arbeitsgemeinschaft für Friedens- und Konfliktforschung e.V. (AFK), »What the FuK?! - Kritische Perspektiven in der/auf die Friedens- und Konfliktforschung«, wurde in Kooperation mit der Evangelischen Akademie Villigst organisiert und von der Deutschen Stiftung Friedensforschung (DSF) gefördert. Die Konferenz befasste sich mit dem Potenzial kritischer Perspektiven in der Friedens- und Konfliktforschung (FuK). Kritische Perspektiven zeichnen sich durch die Einsicht aus, dass auch Wissenschaft zur Konstituierung und Reproduktion sozialer Fakten beiträgt und damit Teil gesellschaftlicher Herrschaftsverhältnisse ist oder sein kann. Die Beschäftigung mit konkreten Forschungsthemen beinhaltet vom Standpunkt kritischer Perspektiven daher die (Selbst-) Reflexion darüber, welche spezifischen gesellschaftlichen Kräfte die jeweils vorliegende dominante Ausdeutung von Forschungsfeldern diskursiv ermöglicht haben und welche alternativen Deutungen dabei an den Rand gedrängt wurden. So legen beispielsweise postkoloniale Ansätze nahe, den Blick auf das eigene Involviertsein von Forscher_innen zu werfen und zu fragen, aus welcher Perspektive und mit welcher Absicht und Funktion »Wissen« über »andere« generiert wird. Dabei spielen Diskurse eine ebenso große Rolle wie materielle Aspekte.

Kritische Perspektiven in Theorie und Praxis

Ganz im Sinne ihres Titels wurde bei der Tagung auch bezüglich der didaktischen Konzeption mit den üblichen Konferenzritualen gebrochen, u.a. durch den Verzicht auf eine »Keynote Speech« einer etablierten wissenschaftlichen Stimme und das Angebot alternativer Austauschformate: drei parallele Workshops (der Film »Halfmoon Files« und das Konzept »epistemischer Gewalt«; Kritische Schreibwerkstatt; Dekolonisierung von Forschungsmethodologien) und ein »World Café« zu den Schwierigkeiten und Herausforderungen junger Wissenschaftler_innen im universitären Berufsfeld. Die breit gefächerten Panels knüpften an Reflexionen über das Selbstverständnis der FuK an, aber auch an Debatten zu Ansätzen, die in einer Kritischen Friedens- und Konfliktforschung progressives Potenzial für eine inhaltliche, methodische und (meta-) theoretische Weiterentwicklung der FuK insgesamt sehen.

Insgesamt fanden acht Panels mit 18 Papieren und ein Roundtable statt. Gleich mehrere Panels befassten sich kritisch mit etablierten und neueren Konzepten der FuK. So stand im Panel »Galtung revisited?! Überlegungen zum Gewaltbegriff der FuK« das Konzept »epistemischer Gewalt« im Mittelpunkt. Das Plädoyer für eine erneute Hinwendung zu weiten Gewaltbegriffen über eine wissenschaftstheoretische bzw. wissenssoziologische Perspektive wurde zwar grundsätzlich begrüßt, muss sich jedoch auch mit der altbekannten Kritik weiter Gewaltbegriffe auseinandersetzen. Im Panel »Zentrale Konzepte in der Kritik: Staat, Governance und Demokratie« wurden zum einen die Konflikt-Blindheit und der Problemlösungsbias modernen Regierens unter dem Leitmotiv der »Governance« problematisiert; zum anderen wurde aufgezeigt, dass die These des »gescheiterten Staates« zu kurz greift und Staatlichkeit nicht auf simple Dichotomien wie erfolgreich/gescheitert reduziert werden kann. Auch Impulse für eine neue und im Ansatz breitere Fundierung der Theorie des Peacebuilding wurden diskutiert. Das Konzept des Peacebuilding stand auch im Panel »Grassrots, Communities and the local - Diskurs und Praxis vor dem Hintergrund globaler Machtverhältnisse« auf dem Prüfstand. Dabei wurde einerseits deutlich, wie »das Lokale« als wirkmächtige Wissenskategorie in (Beobachtungen von) Peacebuilding-Prozessen hervorgebracht wird. Andererseits wurde eine »Ownership of Peace«, welche von unten, durch Graswurzelinitiativen erwächst, als Alternative zu den gängigen, »top-down« konzeptualisierten Ansätzen lokaler Ownership eingebracht.

Im Panel »Rassismus - ein vernachlässigter Konflikt in der FuK« wurde eine kritische Reflexion über die (Re-) Produktion von Rassismus im Forschungsprozess angestoßen. Dabei richtete sich der kritische Blick zum einen auf die (Re-) Konstruktion von Forschungsobjekten in der Friedenspädagogik, zum anderen auf die reflektierte Wahrnehmung rassistischer, westlicher Forschungspraxis mit Blick auf jordanische Rap-Musik, die anhand von Zitatbeispielen thematisiert wurde.

Den methodischen Schwerpunkt der Tagung legten das Panel »Kritische Perspektiven in der/auf die Feldforschung» sowie der Roundtable »Forscher_innen zwischen Theorie und politischer Realität«. Während das Panel die Spannungsfelder einer kritischen Herangehensweise an (Feld-) Forschungsprozesse beleuchtete, beispielsweise anhand des Gültigkeitsanspruchs dekonstruktivistischer Herangehensweisen oder der Policy-Relevanz von Feldforschung als »Verbesserungs- vs. Bestätigungswissen«, diskutierte der Roundtable die Wahrnehmung der Friedensforschung als »männlich« dominiert - sowohl auf Grund der institutionellen Besetzung und Themensetzung als auch in Bezug auf die erlebte Praxis in Interviews und der Feldforschung. In beiden Formaten wurde deutlich, dass das Nachdenken darüber, wie kritische (Feld-) Forschung aussehen könnte, eine Reflexion des Erlebten und eine Positionierung des Forschenden in diesen Situationen bedeutet und grundlegende Fragen von Moral und Verantwortung in der Forschung aufwirft.

Ähnlich grundsätzliche Fragen behandelte das Panel »(Un-) Kritischer Wandel - Selbstbeobachtungen der FuK als Disziplin«. In einer kritischen Rekonstruktion und Reflexion des Selbstverständnisses der FuK wurde einerseits die These vertreten, dass der Etablierungs- und Anerkennungswunsch der FuK zur Anpassung an Regeln der »scientific community« geführt und somit die Verdrängung des kritischen Potentials der FuK zur Folge gehabt habe. Andererseits besäße die kritische entwicklungspolitische Bildungsarbeit das Potenzial, der fehlenden Reflexion der Selbstpositionierung von Friedens- und Konfliktforscher_innen in Lehre und Forschung entgegen zu wirken. Im Panel »Zwischen allen Stühlen - Zum Verhältnis von wissenschaftlicher Analyse, Politikberatung, gesellschaftlicher Legitimation und Kritik« wurde aus friedenswissenschaftlicher und diskursforschender Perspektive ein kritischer Blick auf das Spannungsfeld zwischen Forschungsfreiheit und Auftragsforschung, Selbstverständnis und Wertorientierung der FuK geworfen. Am Beispiel der Zivilklausel-Debatte wurde aufgezeigt, dass kaum über Frieden gesprochen werde, vielmehr ein partikularisierender Sicherheitsbegriff die Debatte dominiere. Dem Friedensbegriff stehe ein höchst individualistisch konzipierter Freiheitsbegriff gegenüber, und das in der Realität längst von unterschiedlichen Entwicklungen bedrohte Ideal der »Forschungsfreiheit« diene dazu, Rüstungsforschung zu legitimieren und Frieden als gesellschaftlichen Leitbegriff zu marginalisieren.

Schließlich wurde im Panel »Theoretisch informiert? Kritische (Meta-) Theorie-Perspektiven im Gespräch« neben postkolonialen oder poststrukturalistischen Ansätzen die in diesem Kontext eher unübliche theoretische Systemtheorie als kritischer Ansatz eingeführt. Dass das gemeinhin als eher konservativ verstandene Paradigma der Systemtheorie im Rahmen einer FuK als progressiv gelten könnte, provozierte die zentrale, tagungsübergreifende Frage: Sind kritische Theorieansätze in der FuK selbst bereits im Mainstream angelangt? Unabhängig davon zog sich als roter Faden die Frage durch die Konferenz, wie mit den theoretisch gewonnenen Erkenntnissen konkret umgegangen werden kann und soll: Wie geht der/die Forschende konkret mit der gemachten (Selbst-) Reflexion um? Wie kann ein kritischer Reflexionsprozess auch Eingang in die schriftlichen Arbeiten finden? Wie kann ein Reflexionsprozess bereits in die methodische Herangehensweise integriert werden?

Die Philosophie lehrt, dass es nicht entscheidend ist, die richtigen Antworten zu geben, sondern dass es von weit größerer Bedeutung ist, die richtigen Fragen zu stellen. Die 3. Konferenz junger Wissenschaftler_innen der AFK unterstützte die Teilnehmenden dabei, solchen Fragen einen Schritt näher zu kommen.

Resümee

Die hohe Zahl der Einreichungen auf den »Call for Papers«, die tatsächlichen Beiträge und das Feedback aller Teilnehmenden lassen darauf schließen, dass mit »Kritischen Perspektiven in der/auf die Friedens- und Konfliktforschung« ein vernachlässigtes, aber stark nachgefragtes Thema bedient wurde. Eine weitere Erkenntnis der Tagung besteht darin, dass ein hierarchiefreier Austausch im Wissenschaftsbetrieb innerhalb und zwischen unterschiedlichen Statusgruppen durchaus möglich ist. Die rege Beteiligung »passiver« wie »aktiver« Teilnehmer_innen hat gezeigt, dass junge Wissenschaftler_innen dazu ermutigt werden können, ihre eigenen kritischen Perspektiven im Forschungsfeld frei zu entwickeln und die eigene Forschung gewinnbringend mit etablierten Konzepten, Theorien und Methoden zu kontrastieren. Abschließend möchten wir, die Organisator_innen, uns bei allen Teilnehmer_innen und Unterstützer_innen für das Engagement »zur Stärkung der kritischen Stimme« herzlich bedanken!

Farhood Badri, Richard Bösch und Claudia Simons unter Mitarbeit von Claudia Brunner, Christine Buchwald, Frederik Caselitz, Patrick Delaney, Maximilian Lakitsch, Andrea Pabst, Simon Pflanz, Vera Kahlenberg und Michaela Zöhrer

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2014/4 Soldat sein, Seite 55–56