Wissenschaftler
Verantwortung und der Krieg
von Dave Webb
Am 11. September 1939, kurz nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, erschien im »Time Magazine« ein Beitrag mit dem Titel »Wissenschaft und Krieg«. Der Artikel brachte die Ansicht zum Ausdruck, dass Wissenschaftler nicht dafür verantwortlich gemacht werden können, wie ihre Entdeckungen von „Männern mit schlechtem Ruf“ verwandt und missbraucht werden zur „Unterwerfung und Ermordung von Menschen“. Auch wenn es zutrifft, dass WissenschaftlerInnen oft nicht wissen können, wie ihre Erfindungen in der Zukunft genutzt werden, so sind es doch gewöhnlich Wissenschaftler und Ingenieure, die sich darüber Gedanken machen, welchen Verwendungen die Entdeckungen zugeführt werden können, und die sie weiterentwickeln zu Waffensystemen.
Der Beitrag fährt damit fort, wie Lord Rutherford während des Ersten Weltkrieges vermied, an Verfahren der U-Boot-Entdeckung für das Militär zu arbeiten, indem er erzählte, dass es kurz vor dem Durchbruch bei der Atomspaltung sei und dass „der Nachweis atomarer Zertrümmerung von weit größerer Bedeutung als der Krieg selbst“ sei. Im Beitrag findet sich dazu interessanterweise der Kommentar: „Wie sich herausstellte, was es das nicht.“ Den Herausgebern des »Time Magazine« war zu jener Zeit der berühmte Brief an Präsident Roosevelt, unterschrieben von Einstein und datiert auf den 2. August 1939, ohne Zweifel noch nicht bekannt. In diesem Brief wurde der Präsident davor gewarnt, dass Nazi-Deutschland an der Nuklearspaltung forsche, mit dem Ziel eine Atombombe herzustellen. Dieser Brief führte zum US-geführten »Manhattan-Projekt«, um noch vor Hitler Nuklearwaffen bauen zu können.
Es gab keine Zweifel am Grund und am möglichen Ergebnis dieses Projektes. Dazu wurden die fähigsten Wissenschaftler der USA und Europas rekrutiert, um unter der Kontrolle des »U.S. Army Corps of Engineers« und der wissenschaftlichen Leitung des Physikers J. Robert Oppenheimer tätig zu werden. Ihre Arbeit fand unter äußerster Geheimhaltung in Los Alamos statt - in einem eigens errichteten Ort in der Wüste New Mexicos. Die Beteiligten waren davon überzeugt, dass es lebenswichtig sei, die Atombombe vor Deutschland zu entwickeln, da sich niemand einen unangefochtenen Atomwaffenbesitz seitens der Nazis vorstellen mochte. Trotzdem verweigerten einige WissenschaftlerInnen die Mitarbeit. Die österreichische Physikerin Lise Meitner beispielsweise, die eine zentrale Rolle bei der Entdeckung der Atomspaltung gespielt und die im Reaktionsprozess frei werdende Energie berechnet hatte, schlug die Einladung zur Mitwirkung aus: „Ich will mit der Bombe nichts zu tun haben“ (Sime 1996).
Die meisten der angesprochenen Wissenschaftler stimmten einer Beteiligung jedoch zu und - wie es oft der Fall in der Wissenschaft und bei Entwicklungsproblemen ist - die Schwierigkeit der Problemlösung und die aufgeworfenen intellektuellen Herausforderungen erhielten bei den Beteiligten höchste Priorität. Die möglichen Nachwirkungen schienen nicht von vielen bedacht worden zu sein.
Mit der Niederlage Hitlers und der Entdeckung, dass es kein ernsthaftes Programm zur Entwicklung der Atomwaffe in Deutschland gegeben hatte, entschied die politische und militärische Führung, das Projekt fortzusetzen. Bis auf einen setzten alle Wissenschaftler ihre Arbeit am »Manhattan-Projekt« fort. Nur Joseph Rotblat verließ zu diesem Zeitpunkt das Projekt, weil der ursprüngliche Grund für seine Existenz nicht mehr gegeben war. Ein neuer Grund zur Fortführung wurde genannt - die Beendigung des Krieges gegen Japan so schnell wie möglich. Die Arbeit wurde fortgeführt und führte zur Zerstörung der Städte Hiroshima und Nagasaki, der Tötung bzw. schweren Verwundung von Hunderttausenden von Menschen und lang anhaltenden Verletzungen. Zugleich wurde ein nuklearer Waffenwettlauf in Gang gesetzt, dessen Drohung globaler Vernichtung bis heute existiert.
Einige der Wissenschaftler haben später ihre fortgesetzte Beteiligung bereut und die Frage, ob das Richtige getan wurde, ist immer noch Gegenstand von Diskussionen. Einige glaubten - möglicherweise naiv -, dass die Entwicklung von Atomwaffen den Krieg obsolet macht, weil ihr Gebrauch zu schrecklich sei - so wie Alfred Nobel gehofft hatte, die Erfindung des Dynamits im Jahr 1867 würde ähnlich wirken. Aber sie haben das militärische und politische Verlangen nach Überlegenheit und Macht entweder nicht verstanden oder ignoriert.
Die Rolle der Wissenschaft und des Wissenschaftlers im Krieg hat seit 1945 an Bedeutung zugenommen - nicht nur bei der Entwicklung von Waffentechnologien, einschließlich derjenigen der Massenvernichtung, sondern auch bei der Berechnung möglicher »Verlustraten« und der Formulierung militärischer und politischer Strategien durch Methoden wie der Spieltheorie. Als Folge hat militärische Finanzierung großen Einfluss bekommen auf die Richtung technologischen Wandels und auf die Perspektiven und Methoden der Wissenschaft. Brian Martin (1983) nimmt an, dass das große Ausmaß an militärischer Wissenschaftsförderung erhebliche Auswirkungen auf die Ausrichtung technologischer Innovation hat. Er behauptet, dass die hohe Präsenz von Themen wie Nuklearphysik, Gentechnologie und Plasmaphysik wenigstens zum Teil durch deren potentielle Bedeutung für die Kriegsführung zu erklären ist und dass der Maßstab für die Bedeutung einer Wissenschaft inzwischen mehr darin liegt, ob mit ihr die Natur manipuliert und kontrolliert werden kann, als dass diese verstanden wird. Für Martin ist Wissenschaft nicht nur eine Dienerin, sondern direkt Teil des Kriegssystems wie andere Staatsbürokratien auch. WissenschaftlerInnen sind stärker von den Entwicklungen und den finanziellen Ressourcen der Staaten abhängig geworden; daher orientieren sie sich stärker an dessen Bedarfen und sind nicht mehr unabhängig von ihm.
Aus dieser Perspektive kann die Herausbildung einer Antikriegswissenschaft nur als Teil eines umfassenden Vorhabens der Transformation eines auf Krieg basierenden Systems in eine Ordnung stattfinden, deren soziale Institutionen Kriegführung nicht zulassen. Allerdings ist eine solche gesellschaftliche Transformation extrem schwierig zu erreichen und ein langfristiger Prozess, so dass die Frage möglicherweise darin besteht, welche Hilfestellung und Beratung für WissenschaftlerInnen möglich sind, um die Fallstricke zu erkennen, die möglicherweise auftreten, und welche Leitlinien für die Entscheidungsfindung hinsichtlich des Ob und Wie der Weiterführung ihrer Forschung existieren.
Die ethischen Fragen, mit denen WissenschaftlerInnen konfrontiert sind, beschäftigen die in Großbritannien ansässigen »Scientists for Global Responsibility« (SGR) seit längerer Zeit. SGR ist eine unabhängige Organisation mit 1.000 Mitgliedern aus den Natur- und Sozialwissenschaften, Ingenieure, IT-Fachleuten und ArchitektInnen, die sich für ethisch vertretbare Wissenschaft und Technologie einsetzt - basierend auf den Prinzipien der Offenheit und Verantwortung, des Friedens und der sozialen Gerechtigkeit sowie der Umweltverträglichkeit.
Ethik in der Wissenschaft
Im Jahr 2000 befragte SGR Naturwissenschaftler und Ingenieure nach ihren Erfahrungen mit ethischen Dilemmata bei der Arbeit. 43 WissenschaftlerInnen füllten einen Fragebogen aus und 21 beteiligten sich an einem Interview. Als Probleme wurden u.a. benannt:
Nutzung der Arbeit führt zu steigenden sozialen bzw. Umweltbelastungen,
Missbrauch der Arbeit durch die Industrie,
Missbrauch der Arbeit durch das Militär,
Unterdrückung oder Manipulation der Arbeitsergebnisse,
Mitwirkung an Tierversuchen.
Die Ergebnisse dieser Studie und eine Diskussion der dort angesprochenen Probleme wurden in dem Bericht »An Ethical Career in Science and Technology?« (hrsg. von Stuart Parkinson und Vanessa Spedding) veröffentlicht. Im Vorwort wird Michael Atiyah zitiert, ein Ausnahme-Mathematiker des 20. Jahrhunderts, der 1997 in einer Schrödinger-Vorlesung sagte: „Wenn Sie etwas erschaffen, sollten Sie auch an die Folgen denken. Das sollte für die wissenschaftliche Forschung genau so gelten wie für's Kinderkriegen.“
Ein Schwerpunkt der Studie beschäftigt sich mit der Verantwortung der WissenschaftlerInnen für die Folgen ihrer Arbeit. Da PolitikerInnen oder BürgerInnen in der Regel sehr viel weniger von technischen Problemen verstehen, ist es wichtig, dass die Wissenschaftler nicht nur Wissen haben, sondern auch ein gutes Gespür für ihre Verantwortung. Oft können Wissenschaftler mit ihrem technischen Sachverstand dafür sorgen, dass unerwünschte Nebenfolgen neuer Entwicklungen erkannt werden, und sie können vor künftigen Gefahren warnen. Außerdem gehören die meisten Wissenschaftler internationalen Verbänden an, für die natürliche und politische Grenzen keine Rolle spielen. Das ist eine gute Voraussetzung, um die Dinge global zu betrachten und die Interessen der Menschheit und der Umwelt im Blick zu behalten.
Seit der Veröffentlichung von »An Ethical Career in Science and Technology?« sind zehn Jahre vergangen und es wäre interessant, heute eine ähnliche Studie durchzuführen und herauszufinden, ob sich die Probleme gewandelt haben oder noch dringlicher und wichtiger geworden sind. Inzwischen wurden an den Universitäten Ethikkommissionen etabliert und die meisten Studierenden der Natur- und Ingenieurswissenschaften müssen bei ihren Promotions- und anderen Projekten deren Regeln einhalten. Dennoch: Die Ethikkommissionen sind zwar in ein dichtes Bürokratie- und Verwaltungsgeflecht eingebettet, interessieren sich aber nur dafür, wie Forschung stattfindet, nicht warum, und sie kümmern sich normalerweise nicht um die möglichen Auswirkungen der Forschungsarbeiten. Folglich lernen die Studierenden, wo sie in den Genehmigungsformularen zur Forschungsethik die Häkchen setzen und wie sie Untersuchungen und Interviews korrekt durchführen müssen, sie werden aber nicht immer ermutigt, darüber nachzudenken, wohin die Ergebnisse ihrer Arbeit führen können. So wird zum Beispiel die Entwicklung neuer Massenvernichtungswaffen nicht kommentiert, solange die Untersuchungen richtig konzeptualisiert und durchgeführt werden. Die von ihnen entwickelten Produkte und Prozesse tragen vielleicht dazu bei, natürliche Ressourcen oder Gemeinschaften auszubeuten oder zu vernichten; auf den Ethikformularen sind für diesen Fall aber keine Kästchen vorgesehen. Diese Aspekte der Forschung werden nicht ernsthaft diskutiert, und das ist für Nachwuchswissenschaftler und -ingenieure, die ihre Fähigkeiten im Rahmen einer Karriere für Projekte einsetzen wollen, in denen sie gut sind und die sie interessieren, nicht hilfreich. Die Konzerne und Regierungen reden ihnen ein, dass die zuständigen Gremien die Einhaltung ethischer Standards und verantwortliches Handeln überwachen - dass die schwierigen moralischen Fragen bei diesen Gremien gut aufgehoben sind. Es gibt aber berechtige Gründe zum Zweifel. Denn wie können Forschende sicher sein, dass ihre Entdeckungen nicht in einer Weise benutzt werden, die sie nicht wünschen?
Die Dual-Use Problematik
Malcolm Dando (2009) hat kürzlich auf das Problem eines möglichen »dual use« von Forschungsergebnissen hingewiesen, bei dem eine bestimmte Entdeckung zu Anwendungen führt, die entweder gesellschaftlich nützlichen oder schädlichen Zwecken dienen. Als Beispiel nennt er den US-Wissenschaftler Arthur Galston, der in den 1940er Jahren entdeckt hat, dass der Einsatz bestimmter synthetischer Chemikalien den Entwicklungsprozess von Pflanzen beschleunigt, bei höheren Dosierungen diese jedoch ihre Blätter abwerfen. Gut zwanzig Jahre später musste er erkennen, dass dieses Wissen bei den umfangreichen Entlaubungsoperationen in Vietnam eine grundlegende Rolle spielte. Er selbst wandte sich entschieden gegen diese Verwendung seiner Forschungsresultate.
Dando verweist auch auf die Idee der Herausbildung einer »Kultur der Verantwortlichkeit« und auf den freiwilligen »Responsible Conduct of Research« (RCR) des U.S. Office of Research Integrity, in dem die eher traditionellen Verantwortlichkeiten von Forschenden angesprochen werden, wie die Frage von Interessenskonflikten, die Einbeziehung von Menschen in die Forschung und Fehlverhalten. Er schlussfolgert jedoch, dass weder der RCR noch die U.S. National Academies of Science mit ihrer Publikation »On Being a Scientist: A Guide to Responsible Conduct in Research« besonderes Augenmerk „auf die Möglichkeit der Nutzung wissenschaftlicher Forschung für unheilvolle Ziele bzw. Möglichkeiten entsprechender Risikosensibilisierung“ legen.
Die Welt steht vor gewaltigen Problemen. Der anthropogene Klimawandel und die nukleare Weiterverbreitung sind enorme Herausforderungen; unsere Handlungen und politischen Entscheidungen der nächsten Jahre entscheiden vielleicht über das Überleben unseres Planeten. Das Artensterben vollzieht sich momentan etwa 1.000 Mal schneller als normal, jedes Jahr werden etwa 300.000 Menschen in Kriegen getötet, jährlich sterben eine Million Menschen im Straßenverkehr und über eine Milliarde Menschen leben in absoluter Armut. Wissenschaftler und Ingenieure können bei der Bewältigung dieser Probleme helfen, sie ignorieren - oder sie verstärken.
Ein Ethik-Code für WissenschaftlerInnen
Als Antwort auf Bedenken hinsichtlich der Anwendungen und Auswirkungen von Forschung sowie der potentiellen Gefahren bei der Entwicklung moderner Waffen hat eine Gruppe von WissenschaftlerInnen aus dem schwedischen Uppsala einen »Ethik-Code für WissenschaftlerInnen« (Gustaffson u.a. 1984) entwickelt. In der Einleitung heißt es, dass „er für den einzelnen Wissenschaftler gedacht ist. Denn es ist vor allem die Aufgabe des Forschers bzw. der Forscherin selbst, die Auswirkungen seiner/ihrer Forschungen einzuschätzen. Eine solche Bewertung ist immer schwer vorzunehmen und wird nicht bis ins Letzte möglich sein; WissenschaftlerInnen haben gewöhnlich auch nicht die Kontrolle über ihre Forschungsergebnisse, deren Anwendung oder gar - wie in vielen Fällen - die Planung der eigenen Arbeit. Dennoch darf dies den einzelnen Forscher nicht davon abhalten, einen ernsthaften Versuch zu unternehmen, kontinuierlich die möglichen Auswirkungen seiner/ihrer Forschung zu bewerten, diese Urteile bekannt zu machen und sich von solcher Forschung zurückzuziehen, die er/sie für unethisch hält.“
In dieser Hinsicht erklärt der Code insbesondere folgende Aspekte für handlungsrelevant:
Forschung soll so ausgerichtet sein, dass ihre Anwendungen und anderen Auswirkungen keinen relevanten ökologischen Schaden anrichten.
Forschung soll so ausgerichtet sein, dass es ihre Konsequenzen für gegenwärtige und zukünftige Generationen nicht schwieriger machen, eine gesicherte Existenz zu führen. Daher sollten sich Forschungsanstrengungen nicht darauf richten, Anwendungen oder Fähigkeiten zu entwickeln, die im Krieg oder zur Unterdrückung eingesetzt werden. Außerdem soll Forschung nicht so ausgerichtet sein, dass ihre Auswirkungen mit grundlegenden Menschenrechten, wie sie in internationalen Abkommen zu bürgerlichen, politischen, ökonomischen, sozialen und kulturellen Rechten zum Ausdruck kommen, in Konflikt geraten.
Der/die WissenschaftlerIn hat eine besondere Verantwortung, die Auswirkungen der eigenen Forschung sorgsam abzuschätzen und diese Bewertung publik zu machen.
WissenschaftlerInnen, die zum Schluss kommen, dass die Forschung, die sie machen oder an der sie beteiligt sind, gegen den Code verstoßen, sollen diese Arbeit nicht fortsetzen und öffentlich die Gründe für ihr Urteil kenntlich machen. Solche Bewertungen sollen sowohl die Eintrittswahrscheinlichkeit als auch die Schwere der negativen Auswirkungen berücksichtigen.
Vergleichbare Überlegungen finden sich auch im Buch von Robert Hinde und Joseph Rotblat mit dem Titel »War no More« (2003): „In einer Zeit, in der wissenschaftlicher Fortschritt zur Entwicklung von Waffen bisher unbekannter Zerstörungskraft führen kann, obliegt es den Forschenden, sich ihrer sozialen Verantwortung bewusst zu sein und nicht wissentlich Forschungen durchzuführen, die der Gesellschaft Schaden zufügen können.“
Allerdings macht es die Richtung, die die Forschungsförderung genommen hat, den WissenschaftlerInnen zunehmend schwer, Arbeitsfelder zu meiden, in denen zukünftig Probleme auftreten können. Im Jahr 2005 veröffentlichten die SGR »Soldiers in the Laboratory«, einen detaillierten Bericht über das Ausmaß der Beteiligung des Militärs an Forschung und Entwicklung, der die Größe seiner Lobby-Netzwerke und die damit verbundenen ethischen und politischen Aspekte deutlich machte.
Der Bericht legte auch offen, dass Großbritannien der weltweit zweitgrößte Förderer militärisch ausgerichteter Forschung ist. Im Haushaltsjahr 2003/04 kamen 30% des gesamten öffentlichen Budgets für Forschung und Entwicklung vom Verteidigungsministerium, das auch 40% des in diesem Bereich eingesetzten Personals beschäftigte. Der Bericht schlug vor, Ethik zu einer zentralen Kompetenz der akademischen Ausbildung, aber auch in der breiteren Öffentlichkeit zu machen, um so zu verantwortlichem und ethischem Handeln zu ermutigen. Allerdings verwies das Dokument auch darauf, dass die Verantwortung für die Entwicklung ethisch vertretbarer Wissenschaft und Technologie bei der Gesellschaft als Ganzer liege und daher eine weit größere öffentliche Beteiligung an Entscheidungsprozessen wünschenswert sei. Zudem müssten das Ausmaß der Wissenschaftsförderung durch Interessengruppen einer öffentlichen Überprüfung zugänglich sein und die Universitäten beauftragt werden, detailliert ihre Geldquellen offen zu legen.
Da die Kommerzialisierung und Politisierung von Wissenschaft und Technologie sowie der Einfluss des militärisch-industriell-akademischen Komplexes wächst, sind WissenschaftlerInnen und Ingenieure immer mehr mit dem ethischen Dilemma konfrontiert, dass ihnen die zukünftige Entwicklung ihrer Forschungen aus der Hand genommen wird und für etwas eingesetzt wird, das sie nicht akzeptieren. Forschungsergebnisse können vom Auftraggeber verfälscht oder der Geheimhaltung unterworfen werden, um damit kommerzielle Ziele oder politische Vorteile zu erreichen. WissenschaftlerInnen, die mit solchen Dingen zu tun haben, verfügen gegenwärtig über wenig oder keine Fähigkeiten damit umzugehen. Die SGR-Schrift »Ethical Career in Science and Technology« enthält folgende Hinweise für Studierende der Naturwissenschaften:
Informiere Dich über die sozialen und ökologischen Aspekte Deiner Disziplin.
Entwickle »transferierbare Fähigkeiten«.
Sammle auf freiwilliger Basis oder im Urlaub Erfahrungen jenseits von Wissenschaft und Technologie.
Hole Dir Unterstützung und Rat von den SGR oder von anderswo.
Regierungen und internationale Unternehmen werden nur selten für ihre Sünden zur Verantwortung gezogen; und selbst in den Fällen, in denen Kritik formuliert wird, gibt es wenige Beispiele, wo auch ernsthaft eingegriffen wurde. Daher ist es so besonders wichtig, dass NaturwissenschaftlerInnen und IngenieurInnen sorgsam die ethischen Implikationen ihrer Arbeit berücksichtigen. Wenn sie es nicht machen, wer dann?
Literatur
Dando,M. (2009): Bringing a »culture of responsibility« to life scientists, The Bulletin of Atomic Scientists 18 December 2009.
Gustafsson, B., Ryden, L., Tibell, G. & Wallenstein, P. (1984): Focus on: The Uppsala Code of Ethics for Scientists, Journal of Peace Research Vol. 21, No 4, S.311-316.
Hind, R. & Rotlblat, J. (2003): War no More - Eliminating Conflict in the Nuclear Age. Pluto Press, London.
Langley, C., Parkinson, S. & Webber, P. (2005): Soldiers in the Laboratory. Scientists for Global Responsibility, UK. http://www.sgr.org.uk/pubdescs/SITL.html
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Martin, Brian (1983): Science and war, in: Arthur Birch (ed): Science Research in Australia: Who Benefits? Canberra: Centre for Continuing Education at Australian National University, S.101-108.
Parkinson, S. & Spedding, V. (eds) (2001): An Ethical Career in Science and Technology. Scientists for Global Responsibility, UK. http://www.sgr.org.uk/ethics.html
Sime, R.L. (1996): Lise Meitner: A Life in Physics, California Studies in the History of Science, Volume 13, (Ed) J.I. Heilbron, University of California Press, London.
Time (1939): Science and War, Time Magazine, September 11, 1939 - abrufbar unter http://www.time.com/time/magazine/article/0,9171,711767-1,00.html
Dave Webb ist Professor am »Praxis Centre« der Leeds Metropolitan University und hat zahlreiche Beiträge zu den Themen Krieg und Frieden verfasst.