W&F 2012/2

Zivile Krisenprävention

Parlamentarische Aufgabe und Verantwortung – eine Stellungnahme

von Plattform Zivile Konfliktbearbeitung

Knapp zwei Jahre nach seiner Einsetzung legte der neue Bundestags-Unterausschuss »Zivile Krisenprävention und vernetzte Sicherheit« eine erste Zwischenbilanz seiner Arbeit vor. Die Plattform Zivile Konfliktbearbeitung erarbeitete eine Stellungnahme dazu und stellte sie Anfang März 2011 den Mitgliedern des Gremiums vor. W&F dokumentiert die Kurzfassung der Stellungnahme.

Am 16. März 2010 nahm im Deutschen Bundestag der Unterausschuss »Zivile Krisenprävention und vernetzte Sicherheit« seine Arbeit auf. Angesichts des nach wie vor fehlenden politischen Willen zu einem eindeutigen und kohärenten »Vorrang für zivil« stellte die Einsetzung des neuen Gremiums für viele Akteure in Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Parlament einen Hoffnungsschimmer dar. Immerhin gibt es nun erstmals in der Geschichte des Deutschen Bundestages einen Ort, an dem sich Abgeordnete regelmäßig und systematisch mit Ziviler Krisenprävention befassen. Die Schaffung einer parlamentarischen Arbeitsstruktur birgt die Chance, friedenspolitische Debatten transparenter und offener zu führen.

Zwei Jahre nach seiner Einsetzung hat der Unterausschuss eine erste Zwischenbilanz seiner Arbeit verabschiedet. Die Plattform Zivile Konfliktbearbeitung als Zusammenschluss von Organisationen und Einzelpersonen, die in den unterschiedlichen Feldern der zivilen Konfliktbearbeitung tätig sind, möchte diese Zwischenbilanz der Abgeordneten durch die vorliegende Stellungnahme – eine Art reflexiver Blick von außen, d.h. aus zivilgesellschaftlicher Sicht – ergänzen.

Zur politischen Bedeutung des neuen Unterausschusses

Die Einschätzungen der Autoren/innen orientieren sich in erster Linie an Fragestellungen, die aus Sicht der Plattform besonders relevant erscheinen:

1.Führt die Einrichtung des Unterausschusses zu einer Qualifizierung der politischen Debatte in den Fraktionen des Bundestages und im Parlament insgesamt?

2. Hat der Unterausschuss einen positiven Einfluss auf die öffentliche Wahrnehmung des Politikfeldes Zivile Krisenprävention?

3. Wird durch den Unterausschuss die in diesem Politikfeld besonders hervorzuhebende Rolle zivilgesellschaftlicher Akteure gestärkt?

4. Und letztlich: Gibt der Unterausschuss Impulse für politische Entscheidungen und beeinflusst damit auch das Handeln der Exekutiven?

Arbeit und Wirken des Unterausschusses zeigen diesbezüglich eindeutig positive Ansätze, die es weiter auszubauen gilt:

In der laufenden Legislaturperiode wurden mehrere Anträge zu Ziviler Krisenprävention ins Plenum eingebracht und debattiert. Auch die Haushaltsmittel für Zivile Krisenprävention wurden diskutiert bzw. Anträge dazu im Haushaltsausschuss gestellt. Damit stand das Thema Zivile Krisenprävention häufiger als bisher auf der Tagesordnung.

Im Unterausschuss wird erfreulich konstruktiv und fraktionsübergreifend kooperativ miteinander gearbeitet. Ein Arbeitsklima, das vermutlich auch zu der Offenheit gegenüber den zivilgesellschaftlichen Akteuren beigetragen hat.

Aber es gibt auch Kritisches anzumerken:

Als »Türöffner« sowohl in Richtung Fraktionen als auch in Richtung Exekutive hat der Unterausschuss für die Zivilgesellschaft Positives bewirkt; in seiner parlamentarischen Kontrollfunktion ist er bisher aber wenig hervorgetreten und zur Transparenz von politischen Entscheidungsprozessen in den Fraktionen und im Parlament könnte er ebenfalls noch mehr beigetragen.

Es geht nicht nur darum, zivilgesellschaftliche Expertise zu Wort kommen zu lassen, sondern zusammen mit zivilgesellschaftlichen Akteuren auch politische Entscheidungen zu forcieren und dadurch die scheinbare Ohnmacht des Parlaments aufzubrechen.

In der breiteren Öffentlichkeit ist der Unterausschuss kaum wahrgenommen worden. Zivile Krisenprävention und Konfliktbearbeitung können sich gegenüber anderen Handlungsoptionen aber nur durchsetzen, wenn sie auch öffentlich als politisch realistisch diskutiert werden. Insofern sollte der Unterausschuss ein größeres Augenmerk auf Presse- und Öffentlichkeitsarbeit legen.

Empfehlungen der Plattform

Arbeitsstrukturen

Mittelfristig die Aufwertung zu einem eigenständigen Ausschuss anstreben.

Bei Besetzung und Arbeitsformaten ressortübergreifende Anbindung sicherstellen.

Einrichtung einer/eines Beauftragten für Zivile Krisenprävention aus den Reihen des Bundestages als Bindeglied zwischen Zivilgesellschaft und Parlament.

Möglichkeit öffentlicher Ausschussberatungen und Anhörungen noch intensiver nutzen, da sie ein hohes Maß an Transparenz und zivilgesellschaftlicher Einbindung gewährleisten.

Beratungskonzept für Unterausschussarbeit entwickeln, so dass Expertise zielgerichteter genutzt und die Außendarstellung der parlamentarischen Arbeit verbessert wird.

Verständnis der Ziele von Ziviler Krisenprävention und des Aktionsplans aus Sicht des Unterausschusses konkreter definieren und Kriterien zur Urteilsbildung bestimmen.

Nachbereitung der Ausschussarbeit systematisieren und transparenter gestalten (zeitnahe Veröffentlichung von Protokollen, Berichten, Schlussfolgerungen und »follow up«-Vereinbarungen).

Inhaltliche Aspekte

Kontroverse Themen angehen, wie die analytische Abgrenzung von Sicherheits- und Friedenspolitik sowie das eklatante Ungleichgewicht zwischen militärischen und zivilen Fähigkeiten.

Vergleichende Evaluierung und Wirkungsanalyse von Auslandsmissionen vornehmen – sowohl ziviler wie auch militärischer Einsätze.

Zum Zwecke einer Wirkungs- und Fortschrittsanalyse die vordefinierten Ziele (Wirkung und Fortschritt woraufhin?) benennen sowie gesellschaftliche Konflikt- und Krisenbedingungen berücksichtigen.

Auf Personalentwicklung im Bereich der Zivilen Krisenprävention fokussieren, damit zivile Alternativen zu militärischen Einsatzoptionen tatsächlich verfügbar werden.

Den Blick stärker als bisher der multilateralen Ebene zuwenden (sich wandelnde politische Friedensmissionen der Internationalen Gemeinschaft sowie Trend zu stärker präventiv ausgerichtetem Friedensverantwortungs-Paradigma aufgreifen).

Ausführlichere Erläuterungen und weitere Empfehlungen finden sich in der 16-seitigen Langfassung der Plattform-Stellungnahme auf konfliktbearbeitung.net. Wir hoffen, dass der Unterausschuss seine Arbeit in der bisher engagierten Form fortsetzt und Zivile Krisenprävention und Konfliktbearbeitung sich so auch durch sein Wirken weiterentwickeln.

Plattform Zivile Konfliktbearbeitung

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2012/2 Hohe See, Seite 48–49