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Aus dem Fokus: Konflikte ohne Sichtbarkeit

Deadline verlängert: 15. September 2024!

Es gehört zu den am meisten problematisierten Umständen in der Friedens- und Konfliktforschung, dass bestimmte Konflikte, Konflikttypen und Konfliktdynamiken wenig präsent und nicht sichtbar sind. In der breiten Öffentlichkeit wird über diese Konflikte als „vergessene“ Konflikte gesprochen und die Folgen davon (manchmal) lamentiert.

Doch schon bei der Einordnung fängt es an: Was zählt gesellschaftlich überhaupt als Konflikt und welche Konflikte werden dadurch „vergessen“? Wieso werden manche Konflikte breit diskutiert und andere aus der Sichtbarkeit gedrängt? An welchen (ökonomischen, politischen und sozialen) Interessen und an wem liegt das? Konflikte sind also nicht per se unsichtbar, sondern werden (bewusst oder unbewusst) unsichtbar gemacht. Ihre Sichtbarkeit kann sich zudem zeitlich und örtlich unterscheiden.

Was führt dazu, dass Konflikte die individuelle, mediale, politische oder auch die Interventions-Aufmerksamkeit nicht bekommen? Für wen scheinen Konflikte vergessen oder „vergessbar“, für wen nicht? Welche Konfliktlinien werden dadurch in der Gesellschaft, aber auch in der Friedens- und Konfliktforschung selbst erkennbar?

Wie spielen etwa der Grad der Gewaltförmigkeit eines Konfliktes, seine (politische) Geographie, die Opferzahlen oder auch externe Interessenbetroffenheit hier hinein? Welche Formen von Gewalt werden nicht als relevant betrachtet, welche Datenbanken und Indizes „produzieren“ daher auch welche Sichtbarkeiten? Welche Konsequenzen haben solche – mehr oder weniger – systematischen „Unsichtbarkeiten“ für die theoretische-konzeptionellen Grundlagen der Disziplin, welche für die konkrete Bearbeitung von Konflikten und für lokale Friedensprozesse?

Für das Heft 1/2025 von »Wissenschaft und Frieden« (W&F) stellen wir diese Fragen in den Mittelpunkt des Heftes. Beiträge können sich mit einer der möglichen untenstehenden Fragestellungen (nicht abschließend) beschäftigen.

Alle Beiträge sollen auf einem Fallbeispiel von aktuell in der deutschsprachigen medialen Öffentlichkeit und auch in der Friedensforschung wenig diskutierten Konflikten und Konfliktdynamiken aufbauen.

Konkret sind wir interessiert an Beiträgen zu:

  • Analyse der Rolle von Kriegs- und Konfliktjournalist:innen, ihren (redaktionellen) Entscheidungsprozessen und ihrem Einfluss auf Konfliktsichtbarkeit bzw. -wahrnehmung.
  • Wie wird mit der Sichtbarkeit von Konflikten politisch „gespielt“ und welche Auswirkungen hat eine mehr oder minder große Sichtbarkeit für die Handlungsspielräume der beteiligten Konfliktakteure? Wie spielen geopolitische Interessenlagen und die Verschärfung eines globalen Konfrontationssystems hier mit hinein?
  • Welche Rolle spielt der Grad an Asymmetrie in einem Konflikt, ob er sichtbar werden kann?
  • Welche Rolle spielen Diaspora-Gruppen bei der Möglichkeit, Konflikten Aufmerksamkeit zu verschaffen (Advocacy-Arbeit)?
  • Wie geraten Konflikte auf die Agenda der internationalen Staatengemeinschaft und Arenen? Welche Ausschlussprinzipien oder Marginalisierungsstrategien haben politische Akteure hier? Wie wird ein Konflikt „UN-relevant“?
  • Theoretischer und praktischer Reflexion/Kritik der wissenschaftlichen Konzepte, Blickwinkel, oder auch Ansätze, die auf Basis ihrer Erkenntnisinteresses zu einer Unsichtbarmachung von Konflikten beitragen. Welche Biases sind epistemisch? Wie zeigen sich koloniale Kontinuitäten und andere macht- und herrschaftsbasierte Gewaltformen?
  • Welche Konflikttypen, -gegenstände, oder auch -eskalationsstufen geraten leichter aus dem Fokus? Gibt es Unterschiede zwischen Werte-, Macht- oder Interessenskonflikten?
  • Welche (Teil-)Elemente eines Konfliktes gehen verloren bzw. werden „vergessen“, während andere fokussiert bleiben („vergessen im Konflikt“ bzw. marginalisierte „Ränder“ des Konfliktes).
  • Hat die Dauer, Geschichte und vormalige Intensität eines Konfliktes Einfluss auf seine Sichtbarkeit und Bearbeitungsintensität zu einem gegebenen Zeitpunkt?
  • Reflexion der Methodik von sogenannten Konflikt- oder Kriegsdatenbanken und ihrem Einfluss auf Konfliktsichtbarkeit bzw. -wahrnehmung.
  • Versagt bei „vergessenen“ Konflikten Frühwarnung, Prävention, Intervention und Nachsorge – bzw. in einem anderen Maße als bei deutlicher sichtbaren Konflikten?
  • Sind „vergessene“ Konflikte gleichzeitig unbearbeitete Konflikte? Oder können sie größeres Friedenspotential bergen, da sie bspw. weniger interessendurchzogen sind.
  • Analysen und Bewertungen der Herausforderungen in der praktischen Friedensarbeit durch geringere Aufmerksamkeit für “vergessene Konflikte”: Chance oder Risiko?

W&F ist eine interdisziplinär orientierte friedenswissenschaftliche Vierteljahreszeitschrift. Wir begrüßen Beiträge aus allen Forschungsbereichen der Friedens- und Konfliktforschung, der quantitativen Konflikt- und Kriegsforschung sowie der Friedensarbeit und -pädagogik und dem Friedensjournalismus. Wir freuen uns auch explizit über Beiträge von Studierenden, Nachwuchswissenschaftler*innen und nicht akademisch beschäftigten Forschenden.

Bitte senden Sie uns Ihr Abstract von max. 8.000 Zeichen bis zum (verlängert!) 15. September 2024 an redaktion@wissenschaft-und-frieden.de.

Mehr Informationen für Autor*innen finden sich hier: Hinweise für Autor*innen – Wissenschaft & Frieden.

Nach Zusage für die Publikation soll die Fertigstellung der Beiträge bis spätestens 15. Dezember 2024 erfolgen.

Über W&F

Wissenschaft & Frieden ist die führende interdisziplinäre Wissenschaftszeitschrift für Friedensforschung, Friedenspolitik und Friedensbewegung. W&F erscheint seit 1983 und publiziert zu friedenspolitischen, militär-strategischen und rüstungstechnischen Fragen, untersucht Gewaltursachen und -verhältnisse und thematisiert Wege und Möglichkeiten zur zivilen Konfliktlösung, zur Wahrung der Menschenrechte und zur Zukunftssicherung.