Call for Contributions

Ziviler Widerstand – Gewaltfreier Protest

Deadline: 20. Februar 2024

In den vergangenen Jahren hat Ziviler Widerstand an vielen Orten der Erde gesellschaftlichen Wandel zu erzwingen versucht – von den chilenischen Studierendenprotesten und der iranischen Revolution 2009 über die Proteste in Hongkong ab 2012, bis zur gewaltfreien Revolution im Sudan 2018/2019 bis hin zu den Black Lives Matter Protesten – die Liste der möglichen Beispiele ließe sich lang und eindrucksvoll fortführen. Gleichzeitig attestiert Chenoweth (2021) gewaltfreien zivilen Bewegungen eine abnehmende Erfolgsquote in den letzten 10 Jahren und führt dafür im Wesentlichen drei Gründe an: Lernerfahrungen der Repressionsorgane, Virtualisierung der Proteste bzw. Mobilisierung im digitalen Raum und einen falschen Fokus auf Massenproteste.

Immer wieder auch flammt im Zusammenhang mit zivilen Widerständen die Frage nach der Grenze zu bzw. der Notwendigkeit für militante Aktionen oder gar klar bewaffnetem Kampf auf (siehe u.a. Forschungsjournal Soziale Bewegungen 2/2023). Während die einen gewaltfreie Strategien als zum Scheitern verurteilt verstehen (Gelderloos 2013, u.a.), halten andere die strikte Gewaltfreiheit als strategische und praktische Handlungsgrundlage hoch (Chenoweth und Stephan 2011, u.a.). Wie also umgehen mit »gewalttätigen Rändern«? Wie die Fallstudien und Daten valide interpretieren? Welche Lernergebnisse können soziale Bewegungen für gesellschaftliche Transformation aus welchen Fallbeispielen ziehen? Und sind diejenigen, die die Forderung nach Gewaltfreiheit in Bewegungen erheben vor allem privilegierte Menschen, die die Situation vor Ort einfach nicht einschätzen können? Nicht zuletzt: Muss die Forschung zu Zivilem Widerstand dekolonisiert werden (Chabot und Vinthagen 2015)?

Für das Heft 3/2024 von »Wissenschaft und Frieden« (W&F) stellen wir diese Fragen in den Mittelpunkt des Heftes. Beiträge können sich mit einer der möglichen Fragestellungen (nicht abschließend) beschäftigen:

  • Wie sieht die Datenlage zu Gewaltfreien Widerständen insgesamt aus? Welche alternativen quantitativen Zugänge jenseits der Datenbank von Chenoweth et al (NAVCO-Datensatz) stehen zur Verfügung?
  • Fallstudien einzelner Widerstände/Protestbewegungen und ihrer Verläufe: kritische Bestandsaufnahme des Wissens zu Verlauf, Erfolgen und Scheitern einzelner Protestbewegungen; Vertiefung und Verbreiterung der bekannten Fallbeispiele
  • Erfahrungen von Bewegungen in Ozeanien, Abya Yala (Mittel- und Südamerika, sowie Mexiko), Ostasien, Südostasien, afrikanischen Staaten, zentralasiatischen Staaten.
  • Strategische Gewaltfreiheit vs. vermeintlich notwendige Militanz: Grenzfälle der Gewaltanwendung;
  • Sachbeschädigung, Sabotage, nichtpersonale Angriffe: Legitime Strategie oder Schaden für die Bewegung(en)?
  • Digitale Mobilisierung in Zeiten sozialer Medien: Hilfreich oder problematisch für den Erfolgsgrad gewaltfreien Widerstands?
  • Unterschiede in Zielen, Reichweiten, Radikalität der Bewegungen: Was ist das Ziel und wie erfolgreich können Bewegungen sein?
  • Zivile Widerstandsbewegungen zwischen Abgrenzung und Offenheit: Das Problem der „Querfront“ – rein theoretische Überlegung oder praktische Herausforderung?
  • Welche taktischen und methodischen Entscheidungen bzw. Wissensarchive braucht eine gelingende Protestbewegung, um sich der dynamischen Entwicklung gut anpassen zu können?
  • Wie können Protestbewegungen den Delegitimierungs- und Kriminalisierungsstrategien staatlicher Gewaltakteure begegnen?
  • Wie gehen Protestbewegungen mit Repression umgehen? Welche Strategien werden verfolgt, und wie erfolgreich sind sie?
  • Erfahrungen aus einzelnen Bewegungen und deren Binnenperspektiven: Wer ist das handelnde „Wir“ und welche Herausforderungen stellen sich
  • Resilienz und geistige Gesundheit bewahren: Wie können Aktivist*innen das tun?
  • Unbewaffneter ziviler Schutz (ziviles Peacekeeping) und gewaltfreier Widerstand
  • Post- und dekoloniale, sowie feministische Perspektiven auf zivilen Widerstand

W&F ist eine interdisziplinär orientierte friedenswissenschaftliche Vierteljahrszeitschrift. Wir begrüßen Beiträge aus allen Forschungsbereichen, der Friedensarbeit, Sozialen Bewegungen und des Investigativjournalismus.

Bitte senden Sie uns Ihr Abstract von max. 6.000 Zeichen bis zum 20. Februar 2024 an redaktion@wissenschaft-und-frieden.de. Hier finden sich Hinweise für Autor*innen zur Abfassung von Beiträgen für W&F: wissenschaft-und-frieden.de/projekt/autorinnen/

Nach Zusage für die Publikation soll die Fertigstellung der Beiträge bis 1. Juni 2024 erfolgen.

Die fertigen Beiträge werden üblicherweise zwischen 16.000-22.000 Zeichen lang sein (inkl. Titel, Fußnoten und Literatur); eine genaue Information erhalten Sie bei der Zusage. Beiträge können in Deutsch und Englisch eingereicht werden, die Publikation wird auf Deutsch erfolgen.

Über W&F

Wissenschaft & Frieden ist die führende interdisziplinäre Wissenschaftszeitschrift für Friedensforschung, Friedenspolitik und Friedensbewegung. W&F erscheint seit 1983 und publiziert zu friedenspolitischen, militär-strategischen und rüstungstechnischen Fragen, untersucht Gewaltursachen und -verhältnisse und thematisiert Wege und Möglichkeiten zur zivilen Konfliktlösung, zur Wahrung der Menschenrechte und zur Zukunftssicherung.