Dossier 94

Frauen, Friedensforschung, Feminismus

30 Jahre Netzwerk Friedensforscherinnen

von Christine Buchwald und Michaela Zöhrer

Herausgegeben von der Arbeitsgemeinschaft für Friedens- und Konfliktforschung e.V. (AFK)
und der Informationsstelle Wissenschaft und Frieden e.V. (IWIF)

Beilage zu Wissenschaft und Frieden 1/2022
mit finanzieller Unterstützung der Rosa-Luxemburg-Stiftung

Editorial

von Christine Buchwald und Michaela Zöhrer

Wer sich heute in der deutschsprachigen Friedens- und Konfliktforschung bewegt, wird früher oder später auch Forschung zu Gender und feministischen Perspektiven begegnen. Manche werden sich mehr, manche weniger darauf einlassen und wieder andere werden sie auch weiterhin »gekonnt ignorieren«. Doch wegzudenken sind gendersensible und feministische Ansätze aus der Friedens- und Konfliktforschung kaum noch. Das ist auch den Bemühungen jener Frauen zu verdanken, die sich seit der Gründung des Netzwerks Friedensforscherinnen innerhalb der Arbeitsgemeinschaft für Friedens- und Konfliktforschung (AFK) im Jahr 1990 in dessen Rahmen organisieren.

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Ein Schatz, den es zu bergen galt

Ein Gespräch mit Christine Buchwald und Lena Merkle, die 2019 wichtige Gestalterinnen des Netzwerks Friedensforscherinnen der AFK interviewt haben. Das Gespräch wurde geführt von Michaela Zöhrer.

Michaela Zöhrer (MZ): Wir haben bei der Erstellung des W&F-Dossiers mit dem Titel „Frauen, Friedensforschung, Feminismus“ die großartige Chance, auf Interviewmaterial zurückzugreifen, in dem Friedensforscherinnen verschiedener Generationen zu Wort kommen. Das sind Frauen, die sich im Rahmen der AFK wahlweise als Gründerinnen des Netzwerks Friedensforscherinnen hervorgetan haben oder sich in den Folgejahrzehnten als Frauenbeauftragte engagierten. Die Bergung dieses Fundus und Schatzes an Erinnerungen, Erfahrungen und auch Einschätzungen zu Entwicklungen des Netzwerkes ist euch und eurem Einsatz zu verdanken! Ihr habt euch 2019 auf »Interview-Tour« in Deutschland und Österreich begeben. Meine erste Frage an euch: Was hat euch eigentlich dazu bewogen diese Gespräche zu suchen und zu führen?

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Hier sind die Friedensforscherinnen!

Feministische Interventionen in die Friedens- und Konfliktforschung

Michaela Zöhrer

Der Text »Sag mir, wo die Frauen sind! Oder: Friedensforschung, eine männliche Wissenschaft?« aus dem Jahr 1987 von Ute Volmerg (sie war damals eine von zwei weiblichen von insgesamt 22 wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung, HSFK) ist noch aus heutiger Sicht wegweisend. Zuerst und im besonderen Maße war er dies jedoch für die damaligen politischen und inhaltlichen Auseinandersetzungen und Kämpfe, die von einigen Friedensforscherinnen in Westdeutschland »angezettelt« und ausgefochten wurden: in verschiedenen wissenschaftlichen Publikationen, insbesondere aber in den Forschungsin­stitutionen.

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»Es war einmal …«

Zur Entstehung des Netzwerks Friedensforscherinnen

von Christine Buchwald

Es war einmal – so fangen Märchen an. Aber ist die Geschichte, die ich hier erzählen will, ein Märchen? Wohl eher nicht. Denn meine Erzählung ist nicht erfunden, sondern der Versuch, gelebte Geschichte zu rekonstruieren. Gleichzeitig basiert sie auf »mündlichen Überlieferungen«, da die Berichte und Betrachtungsweisen der Beteiligten mit einfließen. Also lasset mich berichten von edlen Frauen, die sich aufmachten, für ihre Rechte zu kämpfen und deshalb das Netzwerk Friedensforscherinnen innerhalb der AFK gründeten. Diese »edlen Frauen«, die die Gründung des Netzwerks maßgeblich mitgestaltet haben, sind zuvorderst Tordis Batscheider und Regine Mehl. 1990 wurde den beiden im Gespräch miteinander deutlich, dass es eine stärkere Vernetzung unter Friedensforscherinnen brauche.

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Ein Netzwerk zum Vernetzen und für gelebte Solidarität

von Christine Buchwald

Wichtige Momente in der Wissenschaft sind der Austausch und die Kollaboration. Geteilte Daten, gemeinsame Interpretationen, Zugang zu Forschungsfeldern und -gemeinschaften sind von zentraler Bedeutung für den Erkenntnisgewinn und aus karrierestrategischer Sicht. Damit sind auch wissenschaftliche Netzwerke enorm wichtig. Gerade als gleichstellungspolitisches Element ist die Förderung expliziter, formaler Netzwerke von Frauen von Relevanz, um Frauen den Zugang zur Forschung zu erleichtern und ihnen zu mehr Sichtbarkeit zu verhelfen. Als ein solch formales Netzwerk ist auch das Netzwerk Friedensforscherinnen zu verstehen.

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Geschlechterbezogene Forschung

Angekommen im Mainstream der deutsch­sprachigen Friedens- und Konfliktforschung?

von Michaela Zöhrer

Im Jahr 2011 stellten Corinna Gayer und Bettina Engels (2011, S. 16) in ihrer Einleitung zum Sammelband »Geschlechterverhältnisse, Frieden und Konflikt« folgende kurze Bestandsaufnahme an: „Insgesamt gelang es der geschlechterbezogenen Friedens- und Konfliktforschung, bis in die frühen 2000er Jahre zwei zentrale Ziele zu erreichen: ein Mindestmaß an Akzeptanz der Kategorie Geschlecht im Mainstream/Malestream der Disziplin und die Verringerung von Forschungslücken über empirische Phänomene – insbesondere solcher, die zuvor in der Friedens- und Konfliktforschung unsichtbar waren“.1 Das Erreichen dieser wichtigen Etappenziele kann und sollte als Ergebnis der Vernetzung von Friedensforscherinnen innerhalb der deutschsprachigen Friedens- und Konfliktforschung verstanden werden.

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Literatur

AFK (1992): Protokoll der Mitgliederversammlung 1992 (AFK-Archiv).

AFK (2011): Tagungsprogramm „Neue Geschlechterperspektiven in der Friedens- und Konfliktforschung“.

Batscheider, Tordis (1991): Friedensforschung – eine männliche Wissenschaft? Feministische Kritik an Institutionen, Inhalten und Methoden der kritischen Friedensforschung. In: Jopp, Matthias (Hrsg.): Dimensionen des Friedens – Theorie, Praxis und Selbstverständnis der Friedensforschung. (Schriftenreihe der AFK, Bd. 17). Baden-Baden: Nomos, S. 81-96.

Batscheider, Tordis (1993): Friedensforschung und Geschlechterverhältnis. Zur Begründung feministischer Fragestellungen in der kritischen Friedensforschung. Marburg: BdWi-Verlag.

Batscheider, Tordis (1995): Zur Begründung feministischer Fragestellungen: Die Relevanz eines feministischen Gewaltbegriffs, in: Vogt, Wolfgang R. (Hrsg.): Frieden als Zivilisierungsprojekt – Neue Herausforderungen an die Friedens- und Konfliktforschung. 25 Jahre AFK (Schriftenreihe der AFK, Bd. 21). Baden-Baden: Nomos, S. 98-106.

Birckenbach, Hanne-Margret (1990): Friedensforschung und ihre feministischen Ansätze: Möglichkeiten der Integration, in: AFB-Texte. Bonn: Arbeitsstelle Friedensforschung Bonn.

Birckenbach, Hanne-Margret (2003): Friedensforschung und Geschlechterforschung, in: W&F 2003/4, S. 44-47.

Buchterkirchen, Ralf (2017): Fokus Gender in der Friedensbewegung. In: ders.; Kopper, Elise; Lochbihler, Barbara; Schütz, Heide; Wisotzki, Simone und andere (Hrsg.): Gender, Frauen und Friedensengagement. Dokumentation der Jubiläumsveranstaltung anlässlich 20 Jahre Frauennetzwerk für Frieden e.V. (W&F Dossier 84), S. 7-9.

Buchwald, Christine; Hinterhuber, Eva Maria; Merkle, Lena; Scheyer, Victoria; Schneider, Elke (2020): Intersektionale Zugänge. 3. Tagung des Netzwerks Friedensforscherinnen, Hochschule Rhein-Waal, 16.-17. Juni 2020. In: W&F 2020/3, S. 50-51.

Buchwald, Christine; Merkle, Lena (2020): Women Beyond Passive Victimhood. 2. Tagung des Netzwerks Friedensforscherinnen, Magdeburg, 7.-8. Oktober 2019. In: W&F 2020/1, S. 47-48.

Bojanowski, Axel (2017): Kinder, wie die Zeit nicht vergeht. Was auf Tagungen wirklich geschieht. Spiegel Online, 26.06.2017.

Clasen, Sarah; Hinterhuber, Eva Maria; Bieringer, Jutta (2011): Den Frieden im Blick. Neue Ansätze in der Friedens- und Konfliktforschung. Einleitung. In: femina politica 20 (1) (Themenschwerpunkt: Peace Matters. Leerstellen in der Friedens- und Konfliktforschung), S. 9-18.

Clemens, Bärbel; Wasmuht, Ulrike C. (1991): Friedensforschung und Feministische Wissenschaft. In: Wasmuht, Ulrike (Hrsg.): Friedensforschung. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, S. 102-125.

Dittmer, Cordula (Hrsg.) (2018): Dekoloniale und Postkoloniale Perspektiven in der Friedens- und Konfliktforschung. Verortungen in einem ambivalenten Diskursraum (ZeFKo Sonderband 2). Baden-Baden: Nomos.

Eifler, Christine; Seifert, Ruth (1999) (Hrsg.): Soziale Konstruktionen – Militär und Geschlechterverhältnis. Münster: Westfälisches Dampfboot.

Engels, Bettina; Gayer, Corinna (2011): Wie viel Feminismus soll es sein? Friedens- und Konfliktforschung zwischen feministischer Theorie, Gender und Mainstream. In: femina politica 20 (1) (Themenschwerpunkt: Peace Matters. Leerstellen in der Friedens- und Konfliktforschung), S. 30-44.

Gayer, Corinna; Engels, Bettina (2011): Feministische Denkanstöße in der Friedens- und Konfliktforschung. In: dies. (Hrsg.): Geschlechterverhältnisse, Frieden und Konflikt. Feministische Denkanstöße für die Friedens- und Konfliktforschung. Baden-Baden: Nomos, S. 9-26.

Harders, Cilja (2010): Frieden und Krieg. Feministische Positionen. In: Becker, Ruth; Kortendiek, Beate (Hrsg.): Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung: Theorie, Methoden, Empirie. 3., erweiterte und durchgesehene Auflage. Wiesbaden: VS Verlag, S. 532–537.

Hemmati-Weber, Minu (1996): Die Bedeutung informeller Netzwerke für den beruflichen Erfolg. Barrieren und Chancen für Wissenschaftler(innen). In: Kracke, Bärbel; Wild, Elke (Hrsg.): Arbeitsplatz Hochschule: Überlegungen und Befunde zur beruflichen Situation und Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Heidelberg: Mattes, S. 205-227.

Krell, Gert (2017): Zur Verantwortung der Friedensforschung: Autobiografische Anmerkungen. In: Werkner, Ines-Jacqueline; Ebeling, Klaus (Hrsg.): Handbuch Friedensethik. Wiesbaden: Springer VS, S. 951-963.

Lang, Susanne (1992): Ist Friedensforschung eine männliche Wissenschaft? Grundsätzliche Gedanken zu einem variationsreichen Thema. In: Wasmuht, Ulrike C. (Hrsg.): Ist Wissen Macht? Zur aktuellen Funktion von Friedensforschung (Schriftenreihe der AFK, Bd. 19). Baden-Baden: Nomos, S. 127-139.

Matthies, Margitta (1999): Bericht der Frauenbeauftragten der Arbeitsgemeinschaft für Friedens- und Konfliktforschung e.V. zur ordentlichen Mitgliederversammlung am 21. Februar 1998 in der Evangelischen Akademie Iserlohn für die Jahre 1996/97-1997/98. In: Vogt, Wolfgang R. (Hrsg.): Friedenskultur statt Kulturkampf. Strategien kultureller Zivilisierung und nachhaltiger Friedensstiftung (Schriftenreihe der AFK, Bd. 26). Baden-Baden: Nomos, S. 289-296.

Meinzolt, Heidi (2018): UN-Resolution 1325 in Deutschland. In: W&F 2018/3 (Themenschwerpunkt „Gender im Visier“), S. 25-27.

Merkle, Lena; Buchwald, Christine (2019): Feministische Perspektiven der Friedens- und Konfliktforschung. Tagung des Netzwerks Friedensforscherinnen, Universität Koblenz-Landau – Campus Koblenz, 7.-8. Februar 2019. In: W&F 2019/2, S. 49-50.

Schäfer, Rita (2011): Genderperspektiven in der Friedensforschung. Tagung des Netzwerks Friedensforscherinnen der AFK, 6.-7. April 2011, Schwerte. In: W&F 2011/3, S. 57-58.

Scheuing, David; Müller, Katharina (2020): Feministische Friedensarbeit. Tagung der Projektgruppe „bertha“, Hannover, 1. Februar 2020. In: W&F 2020/2, S. 49-50.

Seifert, Ruth (2018): Sexualisierte Gewalt als „Kriegsstrategie“? Zur Problematik dieser Rahmung. In: W&F 2018/3 (Themenschwerpunkt „Gender im Visier“), S. 28-31.

Senghaas-Knobloch, Eva (1988): Zu einer unterbelichteten Problemstellung in der Friedens- und Konfliktforschung: Bewußtwerdung der Frauen und Politik gegen Gewalt. In: Moltmann, Bernhard (Hrsg.): Perspektiven der Friedensforschung (Schriftenreihe der AFK, Bd. 15). Baden-Baden: Nomos, S. 111-136.

Volmerg, Ute (1987): Sag mir, wo die Frauen sind! Oder: Friedensforschung, eine männliche Wissenschaft? In: Gruppendynamik. Zeitschrift für angewandte Sozialpsychologie 18 (3), S. 205-215.

Wasmuht, Ulrike C. (1998): Die Einführung der Kategorie Geschlecht oder: Wie männlich ist die Friedensforschung? In: Ruppert, Uta (Hrsg.): Lokal bewegen – global verhandeln. Internationale Politik und Geschlecht. Frankfurt am Main: Campus, S. 56-73.

Wisotzki, Simone (2005): Gender und Frieden. Plädoyer für den Dialog über Differenzen. In: Jahn, Egbert; Fischer, Sabine; Sahm, Astrid (Hrsg.): Die Zukunft des Friedens. Die Friedens- und Konfliktforschung aus der Perspektive der jüngeren Generation. Wiesbaden: VS Verlag, S. 111-130.