Dossier 43

Christliche Kirchen als friedliche Stimme der Vernunft

In the name of the Prince of Peace

von Dr. Thomas Nauerth

Einleitung

Als 1939 mit dem deutschen Überfall auf das katholische Polen der II. Weltkrieg begann, haben die deutschen Kirchen, katholische wie evangelische, den in diesen Krieg ziehenden »Gotteskindern« ihren Segen auf dem Weg des Mordens mitgegeben. Man sprach zu den Soldaten von der „trostvollen Gewissheit“: dass ihr (…) „nicht bloß dem Vaterlande dient, sondern zugleich dem heiligen Willen Gottes folgt, der alles Geschehen, auch das Schicksal der Völker und der einzelnen Menschen in seiner weisen Vorsehung lenkt.“1 Es war die Erfahrung dieses furchtbaren Weltkrieges, die die im Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) zusammengeschlossenen Kirchen 1948 in Amsterdam formulieren ließ: „Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein“. Das von Pius XII vorgetragene katholische Resumee, wonach „die Unsittlichkeit des Angriffskrieges immer augenfälliger geworden“ sei,2 war allerdings präziser, weil es zunächst allein den Angriffskrieg als offenkundig unsittlich verwirft. Denn ungeachtet der volltönenden Formel vom Krieg, der nach Gottes Willen nicht sein solle, war schon auf der Konferenz von Amsterdam 1948 strittig, welche Folgerungen für die Kirchen aus dieser Einsicht zu ziehen sind. Und die Frage, welche Konsequenzen der Satz vom göttlichen Unwillen über den Krieg praktisch für die Kirchen (und für die Gesellschaft) haben muss, blieb von Amsterdam an bis heute unter den christlichen Kirchen strittig und kontrovers. Soll (oder muss gar) eine christliche Kirche gegen den (jeden?) Krieg Stellung beziehen? Gibt es weiterhin Situationen, wo ein Krieg zwar nach Gottes Willen nicht sein soll, aber aufgrund menschlichen Unvermögens eben doch sein muss? Die Zerrissenheit der christlichen Kirchen in diesen Fragen, verbunden mit weithin ungeklärten Fragen bezüglich des Verhältnisses Kirche-Staat und nicht zuletzt im Verbund mit einer gehörigen Portion Ängstlichkeit, in Konfrontation mit staatlicher Machtpolitik zu geraten, haben dazu geführt, dass die Stimme der christlichen Kirchen in Europa in den Kriegen nach 1989 Jahre schwach geblieben ist, die Positionen vorsichtig formuliert und niemals eindeutig von allen Mitgliedern der Kirchenführung geteilt und vertreten wurden.

Erst vor diesem hier nur knapp skizzierten Hintergrund wird die historische Dimension dessen, was zur Zeit zu beobachten ist, deutlich.

Die christlichen Kirchen sagen einmütig und gemeinsam wie selten: Nein. Sie verweigern sich der Logik der Macht, sie bedauern nicht nur, „dass die mächtigsten Länder der Welt Krieg auch weiterhin als annehmbares Instrument der Außenpolitik ansehen“3 , sie verwerfen solche Außenpolitik, sie verwerfen die aktuellen Kriegsplanungen der zentralen politischen Macht dieser Welt in Bezug auf den Irak grundsätzlich.

Eine solche weltweite Einmütigkeit aller christlichen Kirchen in der Beurteilung der traditionell als schwierig und komplex eingeschätzten Wirklichkeit »Krieg«, ist ein historisch einmaliges Ereignis. Zum ersten Mal in der Geschichte nehmen christliche Kirchen jeglicher Denomination weltweit, mit großem Engagement und mit klarer Argumentation negativ Stellung zu einem Krieg, bevor dieser begonnen hat.

In dieser theologisch wie politisch neuen Situation liegt der Grund für dieses aktuelle Dossier, in dem neun repräsentative kirchenoffizielle Stellungnahmen dokumentiert werden, und indem eine erste Analyse versucht wird. Vollständigkeit ist in beiden Fällen weder möglich noch angestrebt.4 Angesichts eines sich täglich ändernden Sachstandes können hier nur erste Anmerkungen und Beobachtungen vorgelegt werden zu einem Phänomen, das politologisch wie theologisch eine neue Chance, eine neue Hoffnung, auf jeden Fall aber eine neue Herausforderung ist.

Alte Lehren und modernes Völkerrecht

Liest man die Stellungnahmen der verschiedenen christlichen Denominationen, so findet man überraschenderweise das gewohnte breite Spektrum an friedensethischen und friedenstheologischen Aussagen. Es reicht von der stärker naturrechtlich, sozialethisch argumentierenden katholischen Tradition bis zu den eher biblisch, christologisch argumentierenden Traditionen bestimmter evangelischer (Frei)Kirchen. „We believe war is incompatible with the teachings and example of Christ“ schreibt Sharon A. Brown Christopher, Präsidentin des Bischofsrates der United Methodist Church, während ihre katholischen Kollegen formulieren, dass „für die Charta der Vereinten Nationen und für die katholische ethische Tradition (…) jeder Rückgriff auf Waffengewalt trotz wünschenswerter Ziele für das Gemeinwohl eine schwerwiegende Entscheidung“ sei, „die nur als letzte Möglichkeit erwogen werden darf und nur unter ganz strengen Bedingungen.“5

Es hat also kein »Paradigmenwechsel« kirchlicher Lehrmeinungen bezüglich des Krieges stattgefunden. Von einer pazifistischen Wende kann nicht gesprochen werden. Alle Kirchen und christlichen Gemeinschaften bleiben im Rahmen ihrer traditionellen Lehre, die einen lehnen grundsätzlich Krieg als Mittel ab, die anderen können sich in Ausnahmefällen unter besonderen Umständen eventuell Krieg weiterhin als letzte Handlungsmöglichkeit vorstellen. Es wird verschiedentlich sogar explizit Bezug genommen auf den Rahmen der traditionellen Lehre. So formulieren die deutschen katholischen Bischöfe, dass „wir uns in der Pflicht“ sehen, „an einige Grundsätze der katholischen Friedensethik zu erinnern.“6 Darüber hinaus wird mehrfach in katholischen Erklärungen auf die einschlägigen Bestimmungen des Weltkatechismus verwiesen. Auch die methodistische Kirche verweist zur Begründung für ihre Position auf ihr »Book of Resolutions 2000«, aus dem hervorgehe, dass „unsere Kirche Interventionen kategorisch ablehnt.“7

Es liegt also nicht an einer Veränderung der Lehrbasis, dass aktuell so gut wie alle christlichen Kirchen einmütig die Kriegsplanungen gegen den Irak verwerfen. Dies ist insofern bemerkenswert, als die traditionelle inner- wie außerkirchliche Kritik die offiziellen Lehrdoktrinen immer für zu schwach gehalten hat. Nun aber zeigt sich, dass auch die traditionelle Lehre in jeder Kirche für deutliche Worte und ein eindeutiges Urteil ausreicht.8 Aus Sicht der Kirchenleitungen wäre zu formulieren, nicht die Lehre wurde neu gefasst, sondern die politische Realität hat sich so verändert, dass Widerspruch nötig wurde.

Die entscheidende politische Veränderung, die die christlichen Kirchen zum Widerspruch nötigte, sind die Überlegungen, um bestimmter politischer Zwecke willen (Regimewechsel, Abrüstung, Öl?) Krieg als Mittel in Erwägung zu ziehen, bzw. konkret zu planen und vorzubereiten. Das Stichwort »Präventivkrieg« findet sich in so gut wie allen kirchlichen Stellungnahmen. An diesem Wort und an der dahinter stehenden politisch-militärischen Konzeption kristallisiert sich der kirchliche Protest. „Keine Präventivkriege! Nicht gegen den Irak und auch sonst nicht“, so ist programmatisch die Stellungnahme der Evangelisch-Methodistischen-Kirche vom 26.11.2002 überschrieben. Die Deutsche katholische Bischofskonferenz hatte schon im September grundsätzlich geurteilt: „Die Beanspruchung eines Rechts zum »Präventivkrieg«, der auf Verdacht und Vermutung hin erklärt würde, ist nicht zulässig.“9 Hinter diesen deutlichen Stellungnahmen gegen die konkreten Planungen eines bestimmten Präventivkrieges wird allerdings noch eine grundsätzlichere Sorge erkennbar: Krieg als „eines der schwerwiegendsten Übel (…) darf (…) niemals zu einem normalen »Mittel« der internationalen Politik werden.“10 Die Befürchtung, dass genau solch ein Prozess der Normalisierung im Gang ist, erklärt, warum die christlichen Kirchen so massiv gegen die Kriegsplanungen bezüglich des Irak protestieren: „damit sie nicht in Torheit geraten“ (s. Text 4). Die Kirchen, möglicherweise sensibilisiert durch die bioethischen Debatten und Entwicklungen, fürchten einen (weiteren) Dammbruch. Es geht ihnen darum, „zu vermeiden, dass ein negativer Präzedenzfall geschaffen wird, der die Hemmschwelle erniedrigt, gewaltsame Mittel zur Lösung internationaler Konflikte einzusetzen“ (s. Text 7).

Wie weit die Hemmschwelle inzwischen gesunken ist, zeigt unfreiwillig J. Ch. Koecke, der Teamleiter Religion und Wertorientierung bei der CDU-nahen Konrad-Adenauer Stiftung in einem kürzlich erschienenen Zeitungsbeitrag.11 Koecke spricht von einer Weltinnenpolitik , in der ein „Krieg, wie der jetzt diskutierte (…) als eine (…) angeordnete Polizeimaßnahme angesehen werden“ kann.

Gegen solche politischen Träume von der Lösungsfähigkeit militärischer Gewalt setzen die Kirchen eindringlich und nachdrücklich immer wieder die Erinnerung an die realen, sicheren Folgen eines Krieges: „Kann man daran zweifeln, dass ein Krieg gegen den Irak aller Wahrscheinlichkeit nach eine Unzahl von Toten und Verwundeten, von Flüchtlingen und um ihre Existenz Gebrachten mit sich bringen würde?“ (s. Text 5).

Der Vorwurf, dass die Kirchen nicht auf der „Höhe der veränderten Weltlage“ seien, trifft also die Sachlage in keiner Weise. Gerade aufgrund einer aktuell veränderten Weltlage melden sich die Kirchen zu Wort. Allerdings bestehen zwischen dem Weltlageverständnis bestimmter politischer Kreise und dem Weltlageverständnis der christlichen Kirchen erhebliche Differenzen. Die Kirchen sind weder überzeugt von den Beweisen gegen den Irak („Stellt das irakische Regime, wenn es auch noch so zu verurteilen ist (…) wirklich eine gefährliche und unmittelbare Bedrohung dar?“)12 , noch können die Kirchen „neue und vorbildlose Handlungsfragen“ aufgrund des 11.9.2001 erkennen.13 Wie die in dieses Dossier zusätzlich aufgenommene Predigt des amerikanischen Bischofs und ehemaligen Kampfpiloten Bowmann zeigt (s. Text 9), ist die Rede von neuen und vorbildlosen Handlungsfragen in der Tat mehr als problematisch. Das Phänomen des Terrorismus ist sowenig neu, wie die von Koecke beschworene angeblich „neue Asymmetrie von Verteidigung und Angriff.“ Gerade weil heute eine „Strategie der ordnenden Gestaltung des Kriegsvorfeldes angestrebt werden“ muss, ist für die Kirchen Kriegsprävention die neue ultima ratio. Und die Leitkategorien christlicher Kriegsprävention heißen Solidarität und Gerechtigkeit, nicht Präventivkrieg. Wer davon spricht, dass die „Unterscheidung in einen unmittelbar bevorstehenden (…) und einen potentiellen Angriff keinen Sinn mehr“ mache, und wer damit offenkundig die Beschränkungen aufgrund des derzeit geltenden Völkerrechtes für überholt erklären will, der hat sich jeder Chance beraubt noch »kirchlich ernst genommen zu werden«. Wer für eine Strategie der ordnenden Gestaltung des Kriegsvorfeldes mit militärischen Mitteln votiert, der betreibt, so würde es der biblisch orientierte Teil der christlichen Kirchen formulieren, nicht Politik nach Maßstäben des Lammes, sondern Politik nach Maßstäben des Tiers aus dem Abgrund (vgl. Offenbarung 13).

Beachtenswert an den kirchlichen Stellungnahmen ist gerade vor dem Hintergrund solcher Analysen der ständige Rekurs auf die völkerrechtlichen Grundlagen. „Selbst nach den Regeln des Völkerrechts wäre ein Angriff auf den Irak derzeit nicht zu rechtfertigen. (…) Erst recht kann ein Krieg allein zum Zwecke des Regimewechsels in einem anderen Staat nicht in Frage kommen, und schon gar nicht die willkürliche Ausweitung des nach dem Völkerrecht äußerst begrenzten Begriffes der Prävention.“14 Die Kirchen beschränken sich in ihren Stellungnahmen also keineswegs auf ihren eigenen theologischen, religiösen Kompetenzbereich. Auf die theologische Aussage, dass „die Vorstellung, das Böse könne durch Krieg vernichtet werden (…) der biblischen Sicht der Welt und des Menschen“ widerspricht folgt unmittelbar die Aussage, dass eine „militärische Intervention ohne UN Mandat (…) die Autorität der Vereinten Nationen“ untergräbt.15 Die Vertreter des Glaubens werden zur Stimme der Vernunft.

Mit solchen politischen und rechtlichen Argumenten versuchen die Kirchen offensichtlich Gehör im Raum einer immer stärker säkularisierten Öffentlichkeit zu finden Die Stimme der Kirchen muss zur Zeit als stärkste und lauteste Stimme der Verteidigung von internationalem Recht und von internationalen Institutionen wie der UNO, bezeichnet werden. Immer wieder wird betont, dass die Auffassung von Krieg als legitimem Mittel „sowohl gegen die Vereinten Nationen als auch gegen die christliche Lehre“ verstoße.16 Die Kirchen als nichtstaatliche Akteure bitten die Staaten eindringlich „sich zum Erreichen gewaltfreier angemessener Lösungen internationaler und nationaler Konflikte unablässig für eine Stärkung der Autorität der Vereinten Nationen und der Europäischen Union einzusetzen, die sicherstellt, dass Gewaltanwendung nicht mehr als Ausdruck des Recht des Stärkeren, sondern nur noch zur Stärkung des Rechts erlaubt oder auch geboten sein darf.“17 Dabei verlieren die Kirchen keineswegs aus dem Blick, dass „eine bloße UN Autorisierung einen Krieg noch nicht gerecht macht. Wenn der präventive Aspekt eines Angriffs fortbestehe, sei dieser auch weiterhin inakzeptabel.“18

Weltweites Netzwerk und weltweite Interessen

Dass zum erstenmal in der Geschichte sich weltweit so gut wie alle christlichen Kirchen und Gemeinschaften in der Ablehnung eines Krieges einig sind, ist nicht ganz zufällig. Denn von Beginn an ist bei allen Kirchen ein starkes Bemühen nach Vernetzung untereinander zu beobachten. „We Christians of the Middle East urge the churches of the West, to speak to their governments.“ So formulierte am 5.8.2002 das Middle East Council of Churches. Die Kirchen des Westens sind dieser Bitte inzwischen weitgehend gefolgt. Auch dabei ist ein Bedürfnis nach Zusammenarbeit zu beobachten, das ungewöhnlich ist. So haben 37 Kirchenobere aus den USA, Kanada und aus Großbritannien am 30.8.2002 einen gemeinsamen Appell »A Call to Stop the Rush to War« veröffentlicht. Am 18.1.2003 wurde unter dem Titel »Krieg ist keine Antwort. Frieden ist der Weg zum Frieden« eine gemeinsame Erklärung der Kirchenprovinz Sachsen und der United Church of Christ verabschiedet (s.Text 4). „Wir stellen uns an die Seite der Kirchen in den Vereinigten Staaten“, hat im November 2002 bereits die kleine lippische Landeskirche auf ihrer 32. Synode formuliert. Und am 5.2.2003 trafen sich auf Initiative des Ökumenischen Rates der Kirchen Repräsentanten von über 20 verschiedenen protestantischen wie orthodoxen Kirchen aus Europa wie aus den USA in Berlin um eine gemeinsame Position zu finden und zu formulieren

(s. Text 7). Am Ende ihrer Erklärung richten sie den Blick auf die Schwesterkirche(n) des Irak, ihre Erklärung sei als Zeichen der Solidarität und Unterstützung zu verstehen.

Politisch ist die Stoßrichtung solcher Zusammenschlüsse deutlich, man möchte vermeiden, dass die einzelnen Kirchen gegeneinander ausgespielt werden, man möchte gerade in Europa jeden Anschein von Antiamerikanismus vermeiden und man versucht das Gewicht der Erklärungen durch möglichst »breite Bündnisse« zu stärken. Theologisch ist dabei vor allem spannend, dass ganz unterschiedliche christliche Kirchen hier zu gemeinsamen Tun, zu gemeinsamem Widerstand finden. Dies ist ein ökumenischer Lernprozess ganz besonderer Art.

Die weltweite Vernetzung christlicher Kirchen untereinander führt dazu, dass „our knowledge of and links with church partners in the Middle East and our unity in Christ with Christians there make us very sensitive to the destabilizing potential of a war against Iraq for the whole region.“19 Deutlich wird an dieser Formulierung auch, dass die von Politikern öfter geäußerte Meinung, dass die christlichen Kirchen sich allein aus humanitären Gründen zu Wort melden (und man deswegen ihre Wortmeldung nicht so ganz ernst zu nehmen habe, weil Kirchen ja so reden müssten), nicht ganz stimmt. Kirchen, die Partnerschaften pflegen und Verbindungen aufgebaut haben, die sich evtl. sogar materiell und personell in verschiedenen Ländern engagieren, haben ganz unmittelbare institutionelle Eigeninteressen und sie haben ganz elementare emotionale Bindungen weltweit. Christliche Kirchen sind in dieser Hinsicht nicht mit Staaten zu vergleichen, sondern eher mit weltweit operierenden Konzernen. Liest man die Berichte des Ökumenischen Rates der Kirchen oder die Nachrichtenübersichten aus dem Vatikan, ist es erstaunlich zu sehen, wie konkret die Fragen von Gerechtigkeit, Frieden und Menschenrechten behandelt werden; wie oft ein fundamentaler Dissens zwischen dieser globalen Institution »Kirche(n)/Christenheit« und den jeweiligen staatlichen Akteuren gegeben ist und wie oft ein fundamentaler Interessengegensatz zwischen kirchlichen Interessen und US-amerikanischen Regierungsinteressen besteht (z.B. Kolumbien). Es dürfte auch politologisch und nicht nur theologisch angezeigt sein, die Rolle dieser humanitär ausgerichteten Global Player als Anwalt der Völker dieser Erde stärker in den Blick zu nehmen.

Die Kriegsplanungen der USA und Großbritanniens haben daher eine von diesen Mächten sicher nicht beabsichtigte Nebenwirkung. Der Weltkonzern »Christenheit« entdeckt seine unmittelbar bedrohten Filialen im Irak in ganz neuer Weise. Über lange Jahre waren es lediglich vereinzelte Friedensaktivisten, die Solidaritätsreisen in den Irak durchführten. Diese Arbeit wurde wenig beachtet in den Großkirchen, so dass in den christlichen Gemeinden des Westens weithin unbekannt blieb, dass es eine zwar kleine, aber real existierende und ihren Glauben lebende christliche Minderheit im Irak gab. Das hat sich deutlich geändert. Nicht nur die Zahl der Solidaritätsreisen ist angestiegen, inzwischen sind auch offizielle Kirchenvertreter in den Irak gefahren. Das Motto, mit dem der Dominikanerorden die Solidarität mit seinen Klöstern im Irak umschreibt, lautet „Wir haben eine Familie im Irak.“ Dieses Motto wird immer mehr zur Erfahrung der Christenheit insgesamt. Um die Aufmerksamkeit der westlichen Christenheit auf die Schwestern und Brüder im Irak zu richten, werden dabei auch ungewöhnliche Wege beschritten. Ausgerechnet in dieser spannungsgeladenen Zeit wollen die Bibelgesellschaften Jordaniens und Libanons Tausende von Bibeln in den Irak bringen und bitten alle Christen zum Gebet für das Gelingen dieser Aktion!20

Kritisch anzumerken bleibt, dass trotz dieses wachsenden Bewusstseins über die bedrohte Lage der christlichen Brüder und Schwestern im Irak, die mörderischen Auswirkungen der Sanktionen in den kirchlichen Erklärungen wenig thematisiert werden (vgl. aber Text 6, 7 und 8). Eine Sonderrolle spielt hier allerdings der Vatikan. Die chaldäische Kirche des Irak zählt zu den katholisch unierten Kirchen, ihre Bischöfe sind daher regelmäßig im Vatikan zu Besuch, der Austausch und die Kontakte sind eng. Bereits im Dezember 2001 hatte Johannes Paul II zusammen mit Bischöfen aus dem Irak und dem vorderen Orient einen Appell, zur Aufhebung der Sanktionen verabschiedet.21 Und im Oktober 2002 bereiste eine Delegation der Internationalen Caritas den Irak. Die Sanktionen seien ineffizient, weil sie das Regime nicht beträfen, sie seien grausam, weil die Armen darunter leiden und sie seien gefährlich, weil sie die irakische Gesellschaft zerstörten und zu starken Ressentiments gegen die westlichen Mächte führten, so das bündige Fazit.22

Neuer Mut und neue Einigkeit

Wenn auch, wie gezeigt, kein Paradigmenwechsel in der kirchlichen Lehrentwicklung vorliegt, sondern die traditionellen friedensethischen Positionen vertreten werden, so ist doch etwas ganz und gar Neues zu beobachten. Die Beharrlichkeit, mit der die Kirchen ihr Nein in die Öffentlichkeit tragen, der Mut zur Kontroverse und die innerkirchliche Geschlossenheit, mit der diese Kontroverse geführt wird, waren in dieser Form und vor allem in dieser Breite bisher nicht zu beobachten. Die offiziellen Stellungnahmen kirchlicher Gremien, die in diesem Dossier dokumentiert bzw. zitiert werden, sind bildlich gesprochen nur die Spitze des Eisbergs. Denn anders als bei so vielen anderen Gelegenheiten belassen es die christlichen Kirchen diesmal nicht bei einer theoretischen Erklärung ihrer Führungsgremien. Eine Fülle von Stellungnahmen einzelner Kirchenführer, einzelner Gemeinden oder einzelner Verbände bzw. Werke liegt vor. Auch die Kirchenoberen selbst melden sich ausgehend von ihrer Stellungnahme immer wieder zu Wort. Sie wollen, dass ihre Stimme Gehör findet, gerade auch in den politisch relevanten Gremien: „As you prepare for further deliberations of the United Nations Security Council this week, I would like to draw your attention to the numerous voices of Christians around the world, who, committed to the teachings of Jesus Christ and the prophetic vision of peace, strongly believe that preemptive war against Iraq is illegal, immoral and unwise,“ mit diesen Worten wandte sich der Generalsekretär des ÖRK, Konrad Reiser, am 15.10.2002 an den Sicherheitsrat. Sie wollen politischen Einfluss nehmen. Nicht an den Sicherheitsrat, sondern direkt an den Präsidenten der Vereinigten Staaten wendet sich seit August 2002 immer wieder die Kirchenführung der United Methodist Church. „Methodisten haben eine besondere Pflicht sich gegen einen solchen Angriff auszusprechen. Präsident Bush und Vizepräsident Cheney sind beide Mitglieder unserer Kirche. Wenn wir jetzt schweigen, könnte das als stillschweigendes Einverständnis mit diesem Krieg interpretiert werden.“23 „Especially lift your prayers for United Methodists President Bush and Vice-President Cheney,“ so schließt ein Brief der Präsidentin der Methodistischen Bischofsversammlung, Bischöfin Sharon A. Brown Christopher vom 4.10.2002. Dieser Brief war begleitet vom (vergeblichen) Versuch mit dem Kirchenmitglied Bush selbst ins Gespräch zu kommen. Die methodistische Kirche aber gibt nicht auf in ihrem seelsorgerischen Bemühen um das Kirchenglied G. W. Bush: „We pray that every possible means to prevent war will be pursued in the coming days. (…) The Council of Bishops holds you before God in prayer in this time of decision. In the name of the Prince of Peace“, mit diesen eindringlichen Worten schließt ein Brief der Bischöfin vom 4.2.2003.24

Gerade im Bereich des deutschen Episkopats, der deutschen katholischen Bischöfe, fällt besonders auf, wie geschlossen alle Bischöfe hinter den gemeinsam verabschiedeten Erklärungen stehen und wie beharrlich und geschickt sie jede sich bietende Gelegenheit (jede Kamera, jedes Mikrofon, jeden Notizblock) nutzen, um ihre Ablehnung des Krieges immer wieder zu unterstreichen. „Krieg gehöre wie die Folter und die Todesstrafe in die Mottenkiste der Geschichte“, mit diesen Worten wird der Aachener Bischof Mussinghof vom katholischen Internetradio kip-radio.de zitiert (23.1.2003). Eine solche Ausdrucksweise war bislang eher Kennzeichen bestimmter friedensbewegter Basiskreise, für die kirchliche Hierarchie ist dies ein recht neuer Ton. Einen neuen Ton hat am 30.1.2003 auch Kardinal Meisner anlässlich eines Soldatengottesdienstes gefunden. Gerade Soldatengottesdienste waren in der Vergangenheit ein beliebter Anlass, um die offizielle Lehre ein wenig militärfreundlicher zu interpretieren. Bei dem von der katholischen Militärseelsorge verantworteten Festgottesdienst zur Feier des Weltfriedenstages 2003 aber bleibt Meisner in seiner Predigt vor den versammelten Soldaten ganz im Rahmen der neuen »Mottenkistendoktrin«: „Die Soldaten mit ihrem Dienst sind nicht dazu da, Kriege zu führen, sondern sie zu verhindern und den Frieden zu erhalten. (…) Sich für die Bewahrung, Verteidigung und Erhaltung des Friedens berufen und ermächtigt zu wissen, sollte die Frucht dieser Stunde sein. Amen.“ Der letzte Satz von Kardinal Meisner ist besonders interessant. Er scheint aus dem Formulierungsfundus traditioneller Soldatengottesdienste zu stammen, doch Meisner hat ein Wort ausgetauscht und damit die Aussage vollkommen verändert. Statt von der Verteidigung der Freiheit spricht er nun von der Verteidigung des Friedens!

In den USA wurde inzwischen sogar während einer CNN Talkshow ein kirchlicher Werbespot geschaltet. Zusammen mit einer Schauspielerin und politischen Aktivistin erklärt darin ein methodistischer Bischof, dass ein Angriff auf den Irak »Gottes Gesetz verletzt«. So weit gehen die deutschen Kirchenleitungen noch nicht. Aber sie haben immerhin bereits die Möglichkeiten der Morgenandachten entdeckt bzw. deren Nutzung für eine Ansprache gegen Krieg und Kriegsvorbereitung freigegeben.25 Die kirchliche Stimme ist darüber hinaus recht häufig in den Leserbriefspalten zu finden. Nicht nur Pfarrer melden sich hier lokal zu Wort, auch der Altbischof der Methodistischen Kirche in Deutschland Hermann Sticher hat sich mit einem längeren Leserbrief eingemischt. Als Grund für seinen Brief führt er an, dass die „deutschen Medien (…) mehr an den konservativen bis fundamentalistischen Kirchen (…) in den USA interessiert“ seien, als an dem, was die »Main-Line« Kirchen, die zahlenmäßig stärksten (…) Kirchen sagen, und tun.“26 Explizite Medienkritik und die Sorge, dass die kritische Stimmen der Kirchen kein Gehör findet, haben demnach diesen Bischof zum Schreiben bewogen. Damit die in seinem Leserbrief skizzierten kritischen Stimmen der amerikanischen Kirchen hierzulande aber wirklich bekannt werden, wurde dieser Leserbrief zeitgleich ins Internet gestellt. Die souveräne Nutzung des Internet durch die Kirchen hat begonnen, und trägt zur Verbreitung kirchlicher Positionen im Sinne einer Gegenöffentlichkeit erheblich bei.

Neue politische Geschicklichkeit und alte Handlungsmodelle

Zum neuen Mut gesellt sich eine neue politische Geschicklichkeit. Der Vatikan mit den Möglichkeiten, die die Staatlichkeit bietet, agiert traditionell gerade auch friedenspolitisch gekonnt auf dem diplomatischen Parkett. Der Papst hat in Privataudienz fast alle in diesem Konflikt wichtigen Politiker empfangen, er sandte darüber hinaus Mitte Februar mit Kardinal Roger Etchegaray einen hochrangigen Gesandten in den Irak. Neben der Stärkung der dortigen Kirche waren politische Gespräche auch mit Saddam Hussein die Hauptaufgabe dieser Mission. Die Staatlichkeit des Vatikan erlaubte es dann auch Ende Februar vor dem UN Sicherheitsrat das Wort zu ergreifen. Die Aussage war klar und eindeutig. Zur Aufhebung der Bedrohung, welche die Massenvernichtungswaffen, die man dem Irak zuschreibt, darstellen, sei der Griff zu den Waffen nicht rechtens. Der Vatikan sei vielmehr der Ansicht, dass die Arbeit der UN-Inspektoren zu einer „ehrbaren Konsenslösung des Problems“ führen könnte, wenn nur sie von der internationalen Staatengemeinschaft unterstützt werden.27 Bemerkenswert ist die Formulierung „ehrbare Konsenslösung“, hier wird deutlich, wie sehr die vatikanische Diplomatie aufgrund ihrer weltweiten Kontakte die kulturellen Besonderheiten der arabischen Welt im Blick hat, es geht in der Tat bei jeder Lösung immer auch um Ehre und Ansehen!

Doch diplomatische Einflussnahme, politisches Geschick und ein Sinn für symbolhafte Aktionen sind inzwischen nicht nur Kennzeichen des Vatikan. „Ich glaube nicht, dass sie eine nicht verhandelbare Einstellung hätten“, so äußerte sich M.G.Talbert, Bischof der Evangelisch-Methodistischen Kirche nach seiner Rückkehr aus dem Irak, wo er Gespräche u.a. mit Tarek Aziz, dem stellvertretenden Premierminister des Irak führen konnte.28

Genau an jenem Tag, an dem der amerikanische Außenminister im UN Sicherheitsrat Beweise für permanente Verstöße des Irak gegen die Abrüstungsauflagen präsentierte, und damit die Welt für die Notwendigkeit eines Präventivkrieges gewinnen wollte, wurde vom Ökumenischen Rat der Kirchen eine Zusammenkunft von über zwanzig orthodoxen wie evangelischen Kirchenführern durchgeführt. Dieses Treffen fand in Berlin statt, am Sitz jener Regierung, die als einzige angekündigt hatte, im Sicherheitsrat mit Nein zu stimmen und am Sitz jener Regierung, der von der Opposition seit Wochen vorgeworfen wurde, sie isoliere das Land. An jenem politisch so wichtigen Tag war der deutsche Regierungschef erkennbar nicht isoliert, sondern eingerahmt von einer schwarzen Menge kirchlicher Würdenträger. Die Bedeutung dieses Tages war auch dem Vatikan nicht entgangen. Er verkündete an jenem Tag, dass Tarek Aziz vom Papst in Kürze in Privataudienz empfangen würde und sendete damit ein deutliches Signal, dass die Zeit für Gespräche noch nicht abgelaufen sei. Zwei Tage später wurde zudem der deutsche Außenminister Fischer im Vatikan hochoffiziell empfangen. Was ein Fernsehkommentar spöttelnd zu Gerhard Schröders Auftritt mit den protestantisch / orthodoxen Kirchenführern anmerkte, das galt nun auch für Fischer: der deutsche Außenminister im Kreis von Gleichgesinnten.

Das Treffen wichtiger Kirchenrepräsentanten des Ökumenischen Rates der Kirchen in Berlin hat darüber hinaus zu einer Einladung einer Delegation der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in die USA geführt. Auch bei dieser Reise Ende Februar geht es nicht nur um pastorale Besuche amerikanischer Partnerkirchen. Am 26. Februar findet in Washington am Capitol Hill, im Zentrum der politischen Macht, eine Zusammenkunft von kirchlichen Vertretern aus den Ländern, die ständige Mitglieder im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen sind, statt. Ziel ist es „nationale und internationale kirchliche Stimmen für den Frieden zu erheben“ – in den Räumen des amerikanischen Senats! 29

Wie die Kriege der 90 er Jahre exemplarisch gezeigt haben, ist die Rückgewinnung des Krieges als politisches Instrument für Demokratien nur über massive Beeinflussung der öffentlichen Meinung zu erreichen. Die öffentliche Meinung muss in einem wie auch immer demokratisch verfassten politischem System gewonnen werden. Es scheint, dass die Verantwortlichen der Kirchen die hierin liegenden Möglichkeiten der Kriegsprävention erkannt haben. Durch ihre Wortmeldungen weit im Vorfeld des Krieges und nicht erst, wie bisher, nach dem Beginn des Krieges, erschweren sie den Politikern die Überzeugungsarbeit erheblich. Gegen alle mediale und politische Verharmlosung des Krieges steht diesmal die einige Stimme der Kirchen, dass „niemand (…) den Krieg als Lösung ansehen“ darf, „denn er bleibt immer eine Katastrophe mit unberechenbaren Folgen, eine Niederlage menschlicher Bemühungen.“30 Die deutschen Bischöfe sprechen in ihrer Erklärung daher mit einigem Stolz davon, dass die Stimme der Kirche, „in diesen Monaten der sich ständig weiter zuspitzenden Krise unüberhörbar ist“ (s. Text 5).

Dabei ist eine zunehmende verbale Radikalisierung zu beobachten. Gerade der Vatikan, ausgestattet mit einer eigenen Zeitung, dem Osservatore Romano und einem eigenen Radiosender, spielt recht virtuos mit diesen verschiedenen Äußerungsebenen, um über offiziöse Quellen Deutlichkeit und Schärfe in die Debatte zu bringen. So wurde der die Idee eines Präventivkrieges verteidigende Außenminister Italiens im Osservatore Romano mit der Formulierung bedacht: „Den Präventivkrieg als einen Akt der Besonnenheit zu definieren bedeutet, die Intelligenz, die auf einer gewissen Ebene nötig wäre, entweder nicht zu haben oder sie nicht ausüben zu können.“31 Von ähnlich brutaler Deutlichkeit waren die Äußerungen des Radioleiters Pasquale Borgomeo, der am 18.2. den USA „die Attitüde eines Kreuzzüglers“ bescheinigte. Washington scheine „Diplomatie für Zeitverschwendung“, das „internationale Recht für einen Knüppel zwischen den Beinen“ und die „Vereinten Nationen für einen Sophisten-Club“ zu halten. Die öffentliche Meinung werde von den USA nach Gutdünken instrumentalisiert, und wenn dies nicht möglich sei, ignoriert. Die AFP Meldung vom 18.2. 2003 über diese Äußerungen des vatikanischen Radios ist übertitelt: „Vatikan [!] übt scharfe Kritik an US-Haltung im Irak-Konflikt“. Diese journalistische Unschärfe dürfte ganz im Sinne des Vatikans sein.

Solch ein offensives, fast aggressives Agieren im öffentlichen Kommunikationsraum ihrer Gesellschaften ist ein eminent politisches Vorgehen. Selbst das traditionellste und intimste, anscheinend unpolitischste Mittel, das Gebet um den Frieden, ist inzwischen zu einem öffentlichen Zeichen und zum öffentlichen Ausdruck des Protestes geworden. An vielen Orten wird dieses Mittel sozusagen aus der Stille der Kirchen herausgeholt und auf den Marktplatz der Gesellschaft gestellt. Die Kirche entdeckt ihre Kirchenglocken neu. So hat der Bischof von Osnabrück zusammen mit der Landessuperintendentin zu einem landesweiten gleichzeitig stattfindenden Friedensgebet aufgerufen, das eingeleitet wurde durch ein zehnminütiges Friedensgeläut. In seiner Predigt führt er zur Bergpredigt aus, dass sie „nicht ein politisches Programm“ sei, „und doch (…) die Grundlage und Wurzel unseres Handelns als Christen, von dem sich auch die Politik prägen lassen muss.“32 Prägen lassen muss, der neue entschiedene und selbstbewusste Ton ist unüberhörbar.33

Der Vorschlag von Papst Johannes Paul II., für den Frieden in der Welt den Rosenkranz zu beten, hat zu einem Aufruf geführt, weltweit demonstrative (!) Rosenkranzgebete in großen Gruppen für den 1. März zu organisieren. Das Rosenkranzgebet ist eine katholische Frömmigkeitsübung, die innerhalb der katholischen Kirche vorrangig von konservativen Kreisen gepflegt wird. Im Rahmen der neuen Entschiedenheit für den Frieden beginnen sich die alten Einteilungen in konservativ und progressiv offensichtlich aufzulösen. Das Gebet am 1. März soll außerdem dazu dienen einen Gebets- und Fastentag für den Frieden vorzubereiten, den Papst Johannes Paul II. für den 5. März ausgerufen hat.34

Vor einem Schritt allerdings scheuen bis jetzt alle kirchlichen Erklärungen zurück. Keine der Erklärungen ruft ihre Gläubigen zu Widerstandshandlungen auf, als Handlungsform wird allein das Gebet genannt. „Ich persönlich bin der Meinung, dass wir als Christen und als Kirche nur die Macht des Wortes und des Gebetes haben,“ so der evangelische Ratsvorsitzende Kock.35

Ein aktuelles Beispiel kann verdeutlichen, um welche Dimension es bei dieser Frage geht.

Zwei Lokomotivführer in England haben sich geweigert einen Munitionszug zu fahren, dessen Ladung für die britischen militärischen Aktivitäten in der Golfregion bestimmt war.36 Es ist nicht überliefert, ob diese Männer Christen waren. Wenn sie aber Christen gewesen wären, hätten sie sich auf die eindeutigen Stellungnahmen ihrer Kirchen berufen können. Denn es ist unmittelbar einleuchtend, dass Beihilfe zu Handlungen, die von der Kirchenleitung als sittlich verwerflich beurteilt werden, nach Möglichkeit zu unterbleiben haben. Damit ist nicht gesagt, dass kirchliche Verlautbarungen das Gewissen der Christen unmittelbar binden. Wer aber im Gewissen zur Auffassung kommt, eine von der kirchlichen Leitung verworfene Handlung, sei dennoch legitim und sittlich erlaubt, der trägt die volle Beweislast, so lautet zumindest in der katholischen Kirche die Verfahrensregel. Angesichts der Einmütigkeit des christlichen Nein zu dem geplanten Irakkrieg dürfte es allerdings zur Zeit schwer fallen für ein Ja die volle Beweislast zu tragen.

Wie das Beispiel der Lokführer zeigt, gäbe es also vielfältige Möglichkeiten für Christen, die kirchlichen Stellungnahmen in praktisches individuelles Handeln umzusetzen. Doch diese Möglichkeiten sind in den vorliegenden kirchenoffiziellen Erklärungen nicht im Blick.37 Es wird nicht gewagt, die allgemeinen Urteile individualethisch durchzubuchstabieren.

Erst wenn die Kirchenleitungen den Mut fänden, ihre allgemeinen Verlautbarungen auch in Bezug auf individuelle Konsequenzen und Handlungsoptionen zu dolmetschen (»Die Waffen nieder«), wäre die Christenheit eine wirkliche politische Macht.38 Warum diese Konsequenzen nicht in den Blick genommen werden, darüber können nur Vermutungen angestellt werden. Eine weitergehende Analyse ist an diesem Punkt unbedingt erforderlich. Zu vermuten ist zunächst, dass ein bestimmtes Staatsverständnis, die bürgerliche Herkunft und soziale Verankerung der Kirchenleitungen bei dieser Zurückhaltung eine wichtige Rolle spielen. Bei evangelischen Kirchenleitungen kommt noch hinzu, dass generell eine tiefe Scheu besteht, konkrete Handlungsanweisungen zu geben, weil man nicht in den Verdacht geraten will, das Evangelium gesetzlich auszulegen. Nicht zu unterschätzen dürfte aber auch die Angst vor den Folgen sein. Es gibt ein berühmtes Beispiel, welche dramatischen Konsequenzen eine derartige Konkretisierung haben kann. Als der mittelamerikanische katholische Erzbischof Oscar Arnulf Romero nach jahrelangem Protest gegen soziale Ausbeutung und Unterdrückung in El Salvador ganz konkret die Armee ansprach und sie aufforderte, die Waffen niederzulegen, da war er für die Herrschenden nicht mehr tragbar und wurde am Altar erschossen. Solche Konsequenzen wären in Bezug auf die Kirchenleitungen der westlichen Demokratien wahrscheinlich nicht zu erwarten, andererseits ist die Verbindung mit dem Staat für viele Kirchen in wirtschaftlicher Hinsicht so eng, dass handfeste materielle Folgen real zu befürchten wären. Ein weiteres Motiv für die Scheu vor Konkretionen könnte schließlich darin liegen, dass es schwerfällt, zu Handlungen aufzufordern, deren unmittelbare Folgen (Arbeitsplatzverlust etc.) man nicht selbst zu tragen hat. Ein Aufruf an die Gläubigen, Konsequenzen zu ziehen, müsste deswegen auf jeden Fall unterstützt werden durch materielle Hilfestellungen der Kirchenleitungen (Rechtsberatung, Sozialfonds für Gläubige, die aufgrund bischöflicher Weisungen ihren Arbeitsplatz verlieren etc.).

Weil die Stellungnahmen solche konkrete Umsetzung nicht in den Blick nehmen, weisen alle Erklärungen ein starkes Defizit im Bereich »Praxis« auf. An diesem Punkt haben die kirchlichen bzw. der Kirche nahe stehenden Basisbewegungen (z.B. Pax Christi; Internationaler Versöhnungsbund) immer noch einen weiten Erfahrungsvorsprung. Doch ansonsten ist eine erstaunliche Annäherung zwischen Basis und Kirchenleitung zu beobachten. Lange Jahre war die Arbeitsteilung zwischen kirchennahen Bewegungen und Kirche klar. Die Bewegungen waren für radikale Stellungnahmen und Aktionen zuständig, die Kirchen für ausgewogene Erklärungen. Was zur Zeit passiert ist eine interessante Verschiebung der Gewichte. Die Erklärungen der Kirchen nähern sich immer mehr der Eindeutigkeit der Erklärungen der Bewegungen. Als Proprium verbleiben den Bewegungen die konkretere politische Analyse und die konkretere Handlungsoption. Sollte sich der Prozess kirchenoffizieller Deutlichkeit in Friedensfragen auch auf diese beiden Felder noch ausdehnen (wobei in Bezug auf die politische Analyse fast schon von einem Anfang gesprochen werden kann), dann ergäben sich in naher Zukunft Phänomene, die politologisch und politisch eine ganz neue Herausforderung darstellen würden. Um es an einem Beispiel zu verdeutlichen: Zur Zeit sind es Aktivisten der (christlichen) Basis, die über die konkrete Begegnungs- und Solidaritätsarbeit vor Ort hinaus die Idee eines »menschlichen Schutzschildes« andenken und umzusetzen suchen. Wenn Kirchenleitungen diese Handlungsmöglichkeit aufnähmen, ergäbe sich eine neue politische Realität. Die Machtfrage wäre offen gestellt – und fast schon entschieden. Denn welche Macht kann einen Krieg durchführen, wenn mitten im Zielgebiet Kirchenführer aus aller Welt Pastoralbesuche machen und alternative Friedenskonferenzen durchführen?

Perspektiven

Wenige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg notierte der Dominikanerpater Franziskus Maria Stratmann, leicht resignierend: „Die Tatsache, dass in unserer Kirche ein übernatürlicher Weltorganismus gegeben ist, ein Friedenspotential, das zwar quantitativ, kaum aber qualitativ noch übertroffen werden kann, bleibt bestehen. Freilich, seine Güte ist objektiv. Die subjektive Ausnützung lässt viel zu wünschen übrig. Ein Friedenspotential kann wie ein Kriegspotential ruhen, rosten, veralten, wenn es nicht gebraucht und richtig eingesetzt wird, und über diese Versäumnis haben wir zu klagen.“39

Der Grad der »subjektiven Ausnutzung« dieses Friedenspotentials steigt zur Zeit deutlich. Auch wenn kein Paradigmenwechsel der kirchenoffiziellen Friedensethik zu beobachten ist, so ist die derzeitige Situation ein eminent wichtiger Lernprozess für die Kirchenleitungen. Das zu enge Bündnis mit dem Staat, die Übermacht der Staatsraison und des nationalen Gedankens waren für G. J. Heering die Hauptursachen dafür, dass die christlichen Kirchen es „seit langer Zeit verlernt“ haben, „ihre Stimme im Weltgeschehen hören zu lassen, es sei denn, »um im hohen Ton zu singen, was die Staaten wollen bringen«.“40 Wenn diese Analyse stimmt, dann passiert zur Zeit mehr und Wichtigeres, als eine Korrektur kirchenamtlicher Friedensethik. Die Haltung, aus der heraus bisher Friedensethik entworfen wurde, könnte beginnen sich zu ändern. Die „Wiedergewinnung einer von der Staatsmacht unabhängigen Haltung (die ja nicht Staatsfeindlichkeit bedeutet!)“, so hat Kaspar Mayr die zentrale Vorraussetzung genannt, damit der andere, jesuanische, Weg in der Politik Wirkung entfalten kann.41

Wohin dieser Weg führen wird, wohin dieser Weg die Kirchen noch führen wird, ist zur Zeit offen.

Der amerikanische Poet, Priester, Jesuit und radikale Pflugscharaktivist Daniel Berrigan hat 1982 auf der Jahrestagung des Internationalen Versöhnungsbundes / Deutscher Zweig in Bonn ein Referat gehalten, in dem er u.a. ausführte:

„Es scheint, als ob die Kirche eine letzte Herausforderung Gottes annimmt. Diese Herausforderung übersetzt den alten politischen Grundsatz, dass nur das Volk das Volk retten kann, dahingehend, dass nur die Kirche das Volk retten kann. Das passiert noch nicht; aber es ist möglich, dass es passiert.“ Wie so manche Sätze von Dichtern, sind auch diese Sätze zunächst sehr dunkel. Aber wenn nicht alles täuscht, ist aktuell eine Entwicklung zu beobachten, die eines Tages diese dunklen Sätze als helle Prophezeiung bewahrheiten könnte.

Stellungnahmen

Text 1: Beschluss der 9. Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) auf ihrer 7. Tagung vom 3. – 8. November 2002.

Die Synode lehnt einen Angriff gegen den Irak mit dem Ziel, Saddam Hussein aus dem Amt zu drängen, ab. Sie macht sich damit die Erklärung des Rates der EKD vom 6. September 2002 (…) zu eigen, darunter den dort unterstrichenen Grundsatz, dass die Anwendung militärischer Gewalt nur nach den Regeln des Völkerrechts erfolgen darf. Das Völkerrecht und ebenso das deutsche Verfassungs- wie Strafrecht verbieten jeden Angriffskrieg.

Die Synode verkennt nicht die Gefahren, die von Massenvernichtungswaffen in der Hand eines Regimes ausgehen, das bisher die entsprechenden UN-Resolutionen missachtet und solche Waffen in der Vergangenheit bereits eingesetzt hat.

Die Synode bekräftigt ihre bisherigen friedensethischen Aussagen, die sie zuletzt am 8. November 2001 in Amberg aktualisiert hat und erinnert insbesondere daran, dass militärische Gewalt nur dann angewendet werden darf, wenn gewährleistet ist, dass

  • „ein solches Eingreifen im Rahmen und nach den Regeln der Vereinten Nationen erfolgt,
  • die Politik im Rahmen des Schutzes oder der Wiederherstellung einer rechtlich verfassten Friedensordnung über klar angebbare Ziele einer Intervention verfügt,
  • die an den Zielen gemessenen Erfolgsaussichten realistisch veranschlagt werden,
  • von Anfang an bedacht wird, wie eine solche Intervention beendet werden kann.

Zu berücksichtigen ist bei einem solchen Einsatz militärischer Mittel weiterhin, ob solche Maßnahmen letztendlich den Aufbau und die Weiterentwicklung einer internationalen Rechtsordnung eher stärken oder schwächen.“

Sie stellt sich an die Seite all der Kirchen in den Vereinigten Staaten von Amerika, die ihre Regierung nachdrücklich aufgefordert haben, von den Kriegsplänen gegen den Irak Abstand zu nehmen.

Wir beten für den Tag, an dem das irakische Volk in Frieden und Freiheit leben kann. Die Synode bittet das Kirchenamt darum, diese Erklärung ins Englische zu übersetzen und den Partnerkirchen in den USA sowie den Kirchen im Irak zu übersenden.

Timmendorfer Strand, den 7.11.2002 Der Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (Mit dem mit einer Gegenstimme und drei Enthaltungen angenommenen Beschluss, stellte sich die Synode hinter eine Erklärung des EKD-Rates vom September. Siehe www.ekd.de)

Text 2: Keine Präventiv-Kriege! Nicht gegen den Irak und auch sonst nicht.

Mit dieser Stellungnahme erteilen wir jedem Präventivkrieg eine eindeutige Absage. Die Drohung eines Präventivkrieges der USA gegen den Irak steht nach wie vor im Raum, die Interventionsvorbereitungen laufen auf Hochtouren. Wenn wir jetzt schweigen, könnte dies von den Methodisten Bush und Cheney als still- schweigendes Einverständnis zu einem Präventivkrieg gegen den Irak interpretiert werden, deshalb äußern wir uns jetzt!

Es ist unsere tiefe Überzeugung und wir halten es für unsere Pflicht, dies öffentlich zu sagen, dass Krieg mit Lehre und Beispiel Christi unvereinbar ist, wie es in den Sozialen Grundsätzen (SG) der weltweiten EmK festgeschrieben ist. Außerdem ist Beschlusslage, dass die EmK Interventionen kategorisch ablehnt und sie es für die wichtigste moralische Pflicht aller Nationen hält, Auseinandersetzungen zwischen Völkern mit friedlichen Mitteln zu lösen (Book of Resolutions 2000, S.277).

Gerade reiche und mächtige Staaten wie die USA haben eine besondere Verantwortung beim Einsatz militärischer Gewalt. Hier stellt die EmK fest: Einige Staaten besitzen mehr militärische und wirtschaftliche Macht als andere. Die Machthaber sind dafür verantwortlich, dass ihr Reichtum und ihr Einfluss mit Zurückhaltung eingesetzt werden? (SG S.39)

Krieg als Vorsichtsmaßnahme wäre für das gesamte Rechtswesen eine unvorstellbare Vorgehensweise sowohl beim Völkerrecht wie auch als Rechtsprinzip z.B. im Strafrecht! Für andere Länder hätte dies außerdem eine erschreckende Signalwirkung! Wie könnte man dann z. B. Indien oder Pakistan oder irgend ein Land davon abhalten, einen Angriff auf das andere Land auszuführen mit der Begründung, sie könnten ja sonst eines Tages angegriffen werden?

Präventivkriege als allgemeines Prinzip würden zu Katastrophe und Chaos führen. Sie sind nicht hinnehmbar!

Wenn wir die Worte Jesu ernst nehmen, Friedensstifter zu werden (Matth.5) und Gerechtigkeit und Frieden zu suchen, müssen wir jetzt deutlich sagen, dass der Weg, den Präsident Bush einschlägt, den Worten Jesu entgegengesetzt ist und in keiner Weise mit der Position der Evangelisch-methodistischen Kirche übereinstimmt und auch die Rolle des (Völker-) Rechts als grundlegendes Prinzip der Demokratie bedroht.

Wir weisen darauf hin, dass unsere Position von allen Leitungsgremien der Evangelisch-methodistischen Kirche (EmK) geteilt wird und öffentlich gemacht wurde:

  • vom Bischofsrat der weltweiten EmK, der sich direkt an das EmK–Mitglied Präsident Bush und Vizepräsident Cheney in einem eindringlichen Appell gewandt hat;
  • von der Kommission für Kirche und Gesellschaft der weltweiten EmK in New York;
  • vom Europäischen methodistischen Jugendrat;
  • vom Europäischen Rat methodistischer Kirchen und
  • vom Bischof der deutschen EmK Dr. Walter Klaiber in einem Schreiben an Bundeskanzler Schröder und Außenminister Fischer mit der Bitte, bei der ablehnenden Haltung gegen eine militärische Aktion zu bleiben und alles zu tun, um zu verhindern, dass mit uns verbündete Staaten einen solchen Schritt tun. (Schreiben vom 11.9.2002)

Einen Präventivkrieg zu planen und führen zu wollen, stellt eine Grenzüberschreitung dar, der wir hiermit deutlich und mit aller Kraft entgegentreten. Internationale Differenzen dürfen nur auf dem Verhandlungsweg ausgeräumt werden.

Stellungnahme der Ausschüsse für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung der Evangelisch-methodistischen Kirche (EmK) in Deutschland zu einem Präventiv-Krieg gegen den Irak vom 26.11.2002. (www.emk.de/aktuelles)

Text 3: Nein zum Tod! Nein zum Egoismus! Nein zum Krieg! Ja zum Leben! – Ja zum Frieden!

Exzellenzen, meine Damen und Herren!

  1. Eine willkommene Tradition ist dieses Treffen zum Jahresbeginn, das mir die Freude zuteil werden lässt, Sie zu empfangen und gewissermaßen alle von Ihnen vertretenen Völker zu umarmen! Zu Beginn dieses Jahrtausends spürt der Mensch deutlicher denn je, wie zerbrechlich die von ihm gestaltete Welt ist.
  2. Ich bin persönlich beeindruckt (struck) von dem Gefühl der Angst, das oft in den Herzen unserer Mitmenschen wohnt. Der heimtückische Terrorismus, der jederzeit und überall zuschlagen kann; das ungelöste Problem des Nahen Ostens mit dem Hl. Land und dem Irak; die Unruhen, die Südamerika und insbesondere Argentinien, Kolumbien und Venezuela erschüttern; die Konflikte, die zahlreiche afrikanische Länder davon abhalten, sich ihrer Entwicklung zu widmen. (…) Dies alles sind Geißeln, die das Überleben der Menschheit, die innere Ruhe (peace) des einzelnen und die Sicherheit der Gesellschaften gefährden.
  3. All dies kann sich jedoch ändern. Das hängt von jedem einzelnen von uns ab. Jeder kann in sich selbst sein Potential an Glauben, Redlichkeit, gegenseitigem Respekt und an Hingabe im Dienst an den anderen entfalten. Das hängt natürlich auch von den politisch Verantwortlichen ab, die dazu aufgerufen sind, dem Gemeinwohl zu dienen. Es wird Sie nicht überraschen, dass ich vor einem Publikum von Diplomaten diesbezüglich einige Imperative aufzeige, die meiner Ansicht nach erfüllt werden müssen, wenn man vermeiden will, dass ganze Völker, ja vielleicht sogar die gesamte Menschheit in den Abgrund stürzen:

Zunächst ein »Ja zum Leben!« Die Achtung vor dem Leben an sich und vor dem Leben jedes einzelnen: Dies ist der Ausgangspunkt für alles weitere, denn das fundamentalste aller Menschenrechte ist gewiss das Recht auf Leben. (…) Auch der Krieg ist ein Angriff auf das menschliche Leben, weil er Leid und Tod mit sich bringt. Der Kampf für den Frieden ist immer auch ein Kampf für das Leben!

Dann die Einhaltung des Rechts. Das gesellschaftliche Leben – insbesondere auf internationaler Ebene – setzt gemeinsame, unantastbare Prinzipien voraus, deren Ziel es ist, die Sicherheit und Freiheit von Bürgern und Nationen zu garantieren. Diese Verhaltensnormen sind die Grundlage der nationalen und internationalen Stabilität. Heute verfügen die Verantwortlichen in der Politik über äußerst zweckmäßige Texte und Institutionen. Es genügt, sie in die Tat umzusetzen. Die Welt wäre ganz anders, wenn man damit anfinge, die unterzeichneten Abkommen aufrichtig anzuwenden!

Schließlich die Pflicht zur Solidarität. In einer mit Informationen überfrachteten Welt, der jedoch paradoxerweise die Kommunikation so schwer fällt und in der die Lebensbedingungen so skandalös ungleich sind, ist es wichtig, nichts unversucht zu lassen, damit sich alle für das Wachstum und das Wohlergehen aller verantwortlich fühlen. Es geht dabei um unsere Zukunft. (…)

  1. Aus diesem Grund müssen Entscheidungen getroffen werden, damit der Mensch noch eine Zukunft hat. Dazu müssen die Völker der Erde und ihre Verantwortlichen manchmal den Mut haben, »Nein« zu sagen:
    »Nein zum Tod!« Das bedeutet Nein zu allem, was die unvergleichliche Würde aller Menschen zu verletzen droht, angefangen bei der Würde der ungeborenen Kinder.
    »Nein zum Egoismus!«, also zu all dem, was den Menschen dazu bringt, sich in der Nische einer privilegierten sozialen Klasse oder einer kulturellen Behaglichkeit, die andere ausschließt, abzukapseln. Der Lebensstil derer, die im Wohlstand leben, und ihre Konsumgewohnheiten müssen im Licht der Auswirkungen auf die anderen Länder überprüft werden. (…)Alle Völker haben das Recht, einen angemessenen Anteil an den Gütern dieser Welt und am Know-how der entwickelten Länder zu erhalten.
    »Nein zum Krieg!« Er ist nie ein unabwendbares Schicksal. Er ist immer eine Niederlage der Menschheit. Das Völkerrecht, der aufrichtige Dialog, die Solidarität zwischen den Staaten und die ehrenvolle Ausübung der Diplomatie sind jene Mittel zur Lösung von Streitigkeiten, die des Menschen und der Nationen würdig sind. Ich sage dies mit Blick auf jene, die ihr Vertrauen noch immer in Atomwaffen setzen, und auf die allzu zahlreichen Konflikte, die unsere Mitmenschen noch immer gefangen halten. (…) Und was soll man über einen drohenden Krieg sagen, der über die Bevölkerung des Irak, des Landes der Propheten, hereinbrechen könnte, eine Bevölkerung, die schon von einem zwölf Jahre andauernden Embargo entkräftet ist? Der Krieg ist nie ein Mittel wie andere, das man zur Beilegung von Auseinandersetzungen zwischen Nationen einsetzen kann. Die Charta der Vereinten Nationen und das Völkerrecht erinnern daran, dass der Krieg, auch wenn es um die Sicherung des Gemeinwohls geht, nur im äußersten Fall und unter sehr strengen Bedingungen gewählt werden darf, ohne dabei die Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung während und nach den Kampfhandlungen zu vergessen. (…)

  1. Für einen Glaubenden kommen zu diesen Motivationen natürlich noch jene hinzu, die ihm der Glaube an Gott als Schöpfer und Vater aller Menschen eingibt, ein Gott, der ihm die Verwaltung der Erde und die Verpflichtung zur Bruderliebe überantwortet hat. (…) Der ökumenische Dialog zwischen Christen und die respektvollen Kontakte zu den anderen Religionen, insbesondere zum Islam, sind das beste Gegenmittel zu sektiererischen Verirrungen, zum Fanatismus oder religiösen Terrorismus. (…)
  2. Exzellenzen, meine Damen und Herren, wir, die wir an diesem Ort, einem Symbol der Spiritualität, des Dialogs und des Friedens, versammelt sind, sollen durch unser tägliches Tun dazu beizutragen, dass alle Völker der Erde in Gerechtigkeit und Eintracht auf glücklichere und gerechtere Zeiten zugehen können, fern von Armut, Gewalt und Kriegsgefahr!

Gott möge Sie und alle Menschen, die Sie vertreten, mit seinem reichen Segen erfüllen. Ihnen allen ein gutes und glückliches neues Jahr !

Ansprache von Papst Johannes Paul II. beim Neujahrsempfang für das beim Hl. Stuhl akkreditierte Diplomatische Korps am 13. Januar 2003. (www.vatikan.va bzw. www.dbk.de)

Text 4: Krieg ist keine Antwort! Frieden ist der Weg zum Frieden!

„Könnten wir doch hören, was Gott der Herr redet, dass er Frieden zusagte seinem Volk und seinen Heiligen, damit sie nicht in Torheit geraten.“ Psalm 85,9

Mit großer Sorge nehmen wir die Vorbereitung eines Krieges gegen den Irak wahr. (…) Wir spüren die wachsende Angst in unseren Kirchengemeinden und in unserem Volk. Das Gefühl von Ohnmacht wächst – Resignation macht sich breit, äußert sich im Wegschauen – aber auch in zornigen Aktionen.

Wir erklären gemeinsam: Krieg ist keine Antwort! Krieg ist selbst eine Niederlage! Frieden ist der Weg zum Frieden! Die Erfüllung der UN-Charta, die Präventivkriege kategorisch ausschließt, und die Erfüllung des deutschen Grundgesetzes, das Teilnahme an Angriffshandlungen gegen andere Staaten untersagt, ist unter allen Umständen einzuhalten.

Dauerhafte Sicherheit ist immer gemeinsame Sicherheit. Und diese Sicherheit lässt sich nicht durch militärische Erfolge schaffen. Krieg schürt neuen Hass. Und neu entfachter Hass wird zu neuem Terrorismus führen. Der Terror kann die ganze Welt mit seinem Schrecken überziehen. Politische Stabilität, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entfaltung für alle Völker sind für den Frieden unabdingbar. Diese Erfahrung haben die Völker Europas im vergangenen Jahrhundert immer wieder gemacht. Daran gilt es festzuhalten, und sie der Welt immer wieder mitzuteilen.

Darum sagen wir:

  • NEIN zu allem, was in den Krieg führt.
  • NEIN zu allen Anmaßungen der Mächtigen gegen geltendes internationales Recht.
  • NEIN zum Versuch, Terror mit Krieg zu überwinden; der ganze Völker wegen einzelner Diktatoren leiden lässt.
  • NEIN zu allem, was die Kluft zwischen den Kulturen verbreitert.
  • JA zu aller konsequenten Verfolgung und Verurteilung von Terroristen und Terrorgruppen auf der Grundlage der Rechtsstaatlichkeit.
  • JA zu allen entschlossenen politischen Schritten im Rahmen der Vereinten Nationen, ihrer Charta und ihrer Resolutionen.
  • JA zu jeder geduldigen, mutigen, gewalteindämmenden Friedensoffensive, die den Frieden mit dem Feind sucht, statt ihn mit Krieg loszuwerden.

Unsere Kirchengemeinden und alle – die sich aus christlicher Verantwortung – für den Frieden engagieren bitten wir:

  • Werft in dieser bedrängten Situation euer Vertrauen nicht weg.
  • Lasst euch nicht von dem Geist der fatalen Zwangsläufigkeit prägen und lähmen.
  • Widersteht aller Resignation.
  • Sucht Hilfe und Geborgenheit im Gebet und Hören auf Gottes Wort.
  • Ruft zu Friedensgebeten auf und verschweigt nicht eure Sorgen und euren Protest in der Öffentlichkeit.
  • Beteiligt euch an der Aktion der Leipziger Nikolai-Gemeinde, ein sichtbar weißes Band als Zeichen des Protestes gegen die Kriegsvorbereitung zu tragen.
  • Nutzt die Möglichkeit unserer weltweiten ökumenischen Kontakte zur Werbung für den Frieden.
  • Lasst euch nicht abbringen vom Weg des Friedens und von der Einsicht, dass Krieg nach Gottes Willen nicht sein soll.

für die United Church of Christ – John Deckenback (Central Atlantic Conference, Baltimore)

für die Evangelische Kirche der Kirchenprovinz Sachsen – Axel Noack (Bischof, Magdeburg)

Gemeinsame Erklärung der United Church of Christ (UCC) und der Kirchenprovinz Sachsen vom 18. Januar 2003. Die 1957 gegründete UCC ist eine der großen Kirchen in den USA und vereinigt evangelische Christen verschiedener Konfessionen und Traditionen zu einer Kirche. (www.Kirchenprovinz.de siehe auch www.ucc.org.)

Text 5: Ein Präventivkrieg wäre sittlich unerlaubt!

Das Ringen um Krieg und Frieden im Mittleren Osten geht weiter. Steht die Welt am Vorabend einer neuerlichen bewaffneten Auseinandersetzung oder werden doch noch Wege zu politischen Lösungen beschritten, um ein Blutvergießen zu vermeiden? Die politische Lage verändert sich von Tag zu Tag.

In dieser Situation ist es wichtig, erneut ethische Prinzipien und christliche Optionen in Erinnerung zu rufen, wie wir sie in unserem Wort »Gerechter Friede« dargelegt haben.

Wir wissen uns dabei in vollständiger Übereinstimmung mit dem Papst und mit der Kirche weltweit, deren Stimme in diesen Monaten der sich ständig weiter zuspitzenden Krise unüberhörbar ist.

Dankbar stellen wir auch die Gemeinsamkeit mit den evangelischen Christen fest.

Erstens: Ein Staat, der mehrfach den Frieden mit den Nachbarländern gebrochen und dessen Regierung den brutalen Gewalteinsatz gegen die eigene Bevölkerung nicht gescheut hat, stellt ein Risiko für die internationale Ordnung dar, das die Weltgemeinschaft nicht ignorieren darf. Das gilt zumal, wenn das Regime erkennbar danach strebt, in den Besitz von Massenvernichtungswaffen zu gelangen.

Wir bejahen deshalb das Bemühen der Vereinten Nationen, Druck auf den Irak auszuüben, um eine Produktion atomarer, biologischer und chemischer Waffen zu verhindern und die irakische Angriffsfähigkeit so weit wie möglich zu schwächen. Insoweit eine politische Strategie letztlich auf die Vermeidung eines Krieges zielen muss, kann dabei unter Umständen das Mittel der Drohung sittlich erlaubt sein; keinesfalls jedoch darf diese Politik in eine Eskalationslogik geraten, die einen Krieg am Ende unvermeidlich macht.

Zweitens: Krieg ist immer ein schwerwiegendes Übel. Er darf darum überhaupt nur im Falle eines Angriffs oder zur Abwehr schlimmster Menschheitsverbrechen, wie eines Völkermords, in Erwägung gezogen werden. Daher erfüllt es uns mit größter Sorge, dass das völkerrechtlich verankerte Verbot des Präventivkrieges in den letzten Monaten zunehmend in Frage gestellt wird.

Es geht nicht um einen Präventivkrieg, sondern um Kriegsprävention!

Eine Sicherheitsstrategie, die sich zum vorbeugenden Krieg bekennt, steht im Widerspruch zur katholischen Lehre und zum Völkerrecht. Darauf hat vor wenigen Tagen der Hl. Vater selbst mit allem Nachdruck hingewiesen: „Wie uns die Charta der Vereinten Nationen und das internationale Recht erinnern, kann man nur dann auf einen Krieg zurückgreifen, wenn es sich um das allerletzte Mittel handelt.“ Ein präventiver Krieg ist eine Aggression, und er kann nicht als gerechter Krieg zur Selbstverteidigung definiert werden. Denn das Recht auf Selbstverteidigung setzt einen tatsächlichen oder einen unmittelbar bevorstehenden Angriff voraus, jedoch nicht nur die Möglichkeit eines Angriffs.

Der Krieg zur Gefahrenvorbeugung würde das völkerrechtliche Gewaltverbot aushöhlen, politische Instabilität fördern und letztlich das ganze internationale System der Staatengemeinschaft in seinen Grundfesten erschüttern.

Drittens: Bei der Entscheidung über einen Einsatz militärischer Mittel müssen die absehbaren Folgen stets in Betracht gezogen werden. Kann man daran zweifeln, dass ein Krieg gegen den Irak aller Wahrscheinlichkeit nach eine Unzahl von Toten und Verwundeten, von Flüchtlingen und um ihre Existenz Gebrachten mit sich bringen würde? Auch drohen dann schwerste politische Verwerfungen im gesamten Nahen und Mittleren Osten, die die Erfolge der internationalen Allianz gegen den Terror gefährden. Fanatische islamische Fundamentalisten würden bei einem Krieg gegen den Irak möglicherweise überall in der Region an Einfluss gewinnen, und die jetzt schon starken Vorbehalte in der arabischen und muslimischen Welt gegen den Westen drohen sich weiter zu vertiefen. Werden nach einem Krieg die Aussichten auf Frieden, Stabilität und den Schutz der Menschenrechte in der Region verbessert?

Daher fordern wir alle Verantwortlichen auf, das in ihrer Macht Stehende zu tun, einen Krieg im Irak zu verhindern und – mit den Worten von Papst Johannes Paul II. – „das unheilvolle Flackern eines Konflikts, der mit dem Einsatz aller vermeidbar ist, auszulöschen.“

Niemandem sind in dieser Stunde Resignation oder ein taktierender Opportunismus erlaubt, der sich mit dem scheinbar unaufhaltsamen Lauf der Dinge arrangiert.

Ausdrücklich weisen wir darauf hin, dass die Weltgemeinschaft sich keineswegs zur Tatenlosigkeit verurteilt, indem sie die Option des Krieges zurückweist. Der Druck auf das Regime des Diktators Saddam Hussein und eine Politik der strikten Eindämmung seiner militärischen Handlungsfreiheit sind weiterhin erforderlich.

Wir rufen alle Gläubigen auf, in diesen Tagen und Wochen im Gebet für den Frieden nicht nachzulassen.

Im Gebet wenden wir uns an Christus, der die Friedensstifter selig gepriesen hat.

Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz zum Irak-Konflikt vom 22. Januar 2003 (www.dbk.de)

Text 6: Erklärung des Präsidiums der Schweizer Bischofskonferenz

Seit einigen Tagen wird in den Medien nicht mehr die Frage nach der Zweckmäßigkeit eines Krieges gegen den Irak gestellt, sondern das genaue Datum des Beginns der Kampfhandlungen in Erwägung gezogen. Schlimmer noch: Einige machen sich schon Gedanken über die Nachkriegszeit… Wir sind zutiefst beunruhigt über diese Sichtweise und erinnern mit Entschiedenheit daran, dass wir einen Krieg ablehnen, dessen hauptsächliches Opfer die Zivilbevölkerung wäre. Seit Jahren leidet das irakische Volk und ganz besonders die Kinder entsetzlich an den Folgen des internationalen Embargos, das gegen dieses Land verhängt worden ist. Lassen wir es nicht zu, dass dieses Volk noch mehr gefoltert wird, denn noch sind nicht alle Wege des Dialogs ausgeschöpft und noch gibt es keine eindeutigen Beweise für die durch den irakischen Diktator drohende Gefahr.

Der Krieg ist immer der schlechteste Weg, Konflikte zu lösen, selbst wenn er bisweilen das letzte Hilfsmittel gegen einen noch größeren Wahnsinn sein kann. Sind wir denn wirklich sicher, dass die Welt vor dieser Situation steht? Die Vereinigten Staaten haben für den heutigen Tag Beweise für diese uns bedrohende Gefahr versprochen. Diese müssen sicher mit Sorgfalt untersucht werden, wir zweifeln aber, dass der »point of no return« – wie ihn manche nennen – schon gekommen ist! Was wir brauchen, sind über alle Zweifel erhabene Beweise einer unausweichlichen und unmittelbaren Gefahr, um einen eventuellen Krieg zu legitimieren – wie auch der Papst schon mehrere Male unterstrichen hat. Sogar wenn – so zahlreiche Bischöfe der Welt im Wortlaut – der Irak wegen Saddam Hussein zu einer realen Bedrohung für uns werden sollte, müsste die internationale Gemeinschaft sich deswegen noch lange nicht Hals über Kopf in einen Krieg stürzen. Die Welt muss vor einem Präventivkrieg verschont werden; sie braucht vielmehr eine echte Prävention vor Krieg!

Außerdem sollten wir uns bewusst sein, dass ein Krieg gegen den Irak zahlreiche Muslime »verletzen« wird und so gewiss das Gegenteil des erhofften Effektes erreicht würde. Dies bedeutete nicht zuletzt einen starken Anstieg terroristischer Bedrohungen durch fanatische Islamisten. Statt der »neuen Weltordnung«, wie sie manche anpreisen, würde sich eher eine »Weltunordnung« einstellen.

Wir rufen alle Gläubigen unseres Landes auf, vermehrt dafür zu beten, dass der Krieg nicht ausbricht und der gute Menschenverstand siegt. Wir glauben an die Kraft des Gebetes, das fähig ist, Berge zu versetzen. Beten wir Christen aller Konfessionen zusammen – mit unseren muslimischen Mitmenschen, damit ein Blutbad verhindert werde. Gedenken wir ebenfalls in unseren Gebeten der Christen, Muslime und Juden in Palästina und Israel, die in einer ebenso dramatischen Situation leben. Erinnern wir uns daran: Niemals kann im Namen irgendeiner Religion Gewalt ausgeübt werden.

Das Präsidium der Schweizer Bischofskonferenz zum geplanten Krieg gegen den Irak am 5. Februar 2003 (www.kath.ch [bischofskonferenz])

Text 7: Verantwortliche der Kirchen vereint gegen einen Krieg im Irak

  1. Als Verantwortliche aus Kirchen in Europa, in Beratung mit den Kirchenräten in den USA und dem Nahen Osten, sind wir äußerst besorgt über die nicht nachlassenden Forderungen der USA und einiger europäischer Regierungen nach militärischen Aktionen gegen den Irak. Als Menschen des Glaubens drängt uns die Liebe zu unseren Nächsten dazu, gegen Krieg Widerstand zu leisten und friedliche Konfliktlösungen zu suchen. Als Kirchen beten wir für Frieden und Freiheit, Gerechtigkeit und Sicherheit für die Menschen im Irak und im Nahen Osten insgesamt. Solches Beten verpflichtet uns, Werkzeuge des Friedens zu sein.
  2. Wir bedauern, dass die mächtigsten Nationen dieser Welt Krieg wieder als ein akzeptables Mittel der Außenpolitik betrachten. Dies schafft ein internationales Klima der Furcht, Bedrohung und Unsicherheit.
  3. Wir können die Ziele, die von diesen Regierungen, insbesondere den USA, zur Begründung eines Krieges gegen den Irak angeführt werden, nicht akzeptieren. Ein präventiver kriegerischer Angriff als Mittel, um die Regierung eines souveränen Staates auszuwechseln, ist unmoralisch und stellt eine Verletzung der UN-Charta dar. Wir appellieren an den Sicherheitsrat, an den Grundsätzen der UN-Charta festzuhalten, die die legitime Anwendung militärischer Gewalt eng begrenzen, und zu vermeiden, dass ein negativer Präzedenzfall geschaffen wird, der die Hemmschwelle erniedrigt, gewaltsame Mittel zur Lösung internationaler Konflikte einzusetzen.
  4. Wir glauben, dass militärische Gewalt ein ungeeignetes Mittel ist, um die Abrüstung irakischer Massenvernichtungswaffen zu erreichen. Wir bestehen darauf, dass für die sorgfältig geplanten Maßnahmen der UN-Waffeninspektionen genügend Zeit eingeräumt wird, um die Arbeit zu Ende führen zu können.
  5. Alle Mitgliedsstaaten der UNO müssen sich an bindende UN-Resolutionen halten und Konflikte durch friedliche Mittel lösen. Der Irak kann keine Ausnahme sein. Wir rufen die Regierung des Irak dazu auf, alle Massenvernichtungswaffen zu zerstören und damit verbundene Forschung und Produktionsstätten aufzugeben. Der Irak muss in jeder Hinsicht mit den UN-Inspektoren zusammenarbeiten und allen seinen Bürgern die volle Anerkennung der bürgerlichen und politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte garantieren. Den Menschen im Irak muss die Hoffnung gegeben werden, dass es Alternativen sowohl zu Diktatur als zu Krieg gibt.
  6. Ein Krieg hätte unannehmbare Folgen für die Situation der Menschen, u.a. die Entwurzelung von großen Teilen der Bevölkerung, den Zusammenbruch staatlicher Funktionen, die Gefahr von Bürgerkrieg und Destabilisierung der ganzen Region. Das Leiden irakischer Kinder und der unnötige Tod hunderttausender Iraker während der letzten zwölf Jahre der Sanktionen lasten schwer auf unseren Herzen. In der gegenwärtigen Situation bekräftigen wir mit Nachdruck das seit langem geltende humanitäre Prinzip, bedingungslosen Zugang zu Menschen in Not zu gewähren.
  7. Außerdem warnen wir vor den möglichen sozialen, kulturellen und religiösen, aber auch diplomatischen Langzeitfolgen eines solchen Krieges. Weiteres Öl in das Feuer der Gewalt zu gießen, das die Region bereits auffrisst, wird den Hass nur noch weiter anfachen, indem extremistische Ideologien gestärkt und weiter globale Instabilität und Unsicherheit genährt werden. Als Verantwortliche aus Kirchen in Europa haben wir eine moralische und pastorale Verpflichtung, Fremdenhass in unseren Ländern entgegenzutreten und den Menschen in der muslimischen Welt die Furcht zu nehmen, die sogenannte westliche Christenheit stelle sich gegen ihre Kultur, Religion und Werte. Wir müssen die Zusammenarbeit für Frieden, Gerechtigkeit und Menschenwürde suchen.
  8. Alle Regierungen, insbesondere die Mitglieder des Sicherheitsrates haben die Verantwortung, diese Frage in ihrer ganzen Komplexität zu bedenken. Es sind noch nicht alle friedlichen und diplomatischen Mittel ausgeschöpft worden, um den Irak zu zwingen, den Resolutionen des UN Sicherheitsrates zu folgen.
  9. Es ist für uns eine geistliche Verpflichtung, die sich auf Gottes Liebe zur ganzen Menschheit gründet, uns gegen den Krieg im Irak zu stellen. Mit dieser Botschaft senden wir ein starkes Zeichen der Solidarität und Unterstützung an die Kirchen im Irak, im Nahen Osten und in den USA. Wir beten, dass Gott die Verantwortlichen leiten möge, Entscheidungen zu treffen, die auf der Basis sorgfältiger Überlegung, moralischer Prinzipien und hoher rechtlicher Standards beruhen. Wir laden alle Kirchen ein, sich uns in diesem Zeugnis anzuschließen, für eine friedliche Lösung dieses Konflikts zu beten und alle Menschen zu ermutigen, sich am Ringen um eine solche Lösung zu beteiligen.

Präses Manfred Kock, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) · Bischof Dr. Rolf Koppe, Leiter der Hauptabteilung Ausland und Ökumene im Kirchenamt der EKD (www.ekd.de) · Dr. Konrad Raiser, Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen, ÖRK (www.wcc-coe.org) · Dr. Keith Clements, Generalsekretär der Konferenz Europäischer Kirchen, KEK (www.cec-kek.org) · Bischof Dr. Walter Klaiber, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK), (www.oekumene-ack.de), Bischof und damit oberster Geistlicher der Evangelisch-Methodistischen Kirche (Deutschland) (www.emk. de) · Präsident Jean-Arnold de Clermont, Präsident der Fédération Protestante de France (www.protestants.org) · Bischof Mag. Herwig Sturm, Evangelische Kirche Augsburger Bekenntnisses (A. B.) in Österreich (www.evang.at) · Präsident Thomas Wipf, Vorstands-Präsident des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes (SEK) (www.sek.ch) · Bischof Jonas Jonsson, Bischof der Schwedischen Kirche (Svenska kyrkan) (www.svenskakyrkan.se) · Probst Trond Bakkevig, Norwegische Kirche (Norske Kirke) (www.kirken.no) · Erzbischof Jukka Parma, Evangelisch-Lutherische Kirche Finnlands, (Suomen Evankelis-Luterilainen Kirkko) (www.evl.fi) · Bischof Karsten Nissen, Evangelisch-Lutherische Kirche in Dänemark (Evangelisk-Lutherske Folkekirk), (www.folkekirken.dk) · Dr. Alison Elliot, Kirche von Schottland (Church of Scotland), (www.churchofscotland.org.uk) · Pfarrer Arie W. van der Plas, Vorsitzender der Generalsynode der Niederländische Reformierte Kirche und Vorsitzender des Moderamen der Protestantische Kirche in der Niederlände (www.unitingprotestantchurches.nl) · Erzbischof Feofan, Russisch-Orthodoxe Kirche, Erzbischof von Berlin und Deutschland (www.r-o-k.de) · Bischof Athanasius von Achaja, Kirche von Griechenland (Church of Greece) (www.ecclesia.gr) · Rev. Dr. Nuhad Daoud Tomeh, Sonderbeauftragter des Generalsekretariats des Middle East Council of Churches (MECC), Pastor der Presbyterian Church of Syria and Lebanon (www.mecchurches.org) · Dr. Bob Edgar, Generalsekretär des National Council of Churches (NCCC), USA (www.ncccusa. org) · James Winkler, Generalsekretar des General Board of Church and Society der United Methodist Church, USA (www. umc.org) · Dr. Rebecca Larson, Executive Director der Division for Church and Society der Evangelical-Lutheran Church in America, USA (www.elca.org) · Mister Thor Arne Prois (Director of ACT/Action of Churches Together, Genf)

Aufruf von Verantwortlichen aus europäischen Kirchen bei einem Treffen in Berlin, am 5. 2. 2003, einberufen vom Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) in Absprache mit der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK), dem Nationalen Kirchenrat in den USA (NCCCUSA) und dem Mittelöstlichen Kirchenrat (MECC), auf Einladung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). (www.ekd.de [Stellungnahmen zum Irak-Konflikt])

Text 8: Mahnwort der orthodoxen Bischöfe in Deutschland zum Irak-Konflikt

Liebe Brüder und Schwestern,

vor vier Jahren haben wir vor und während des NATO-Einsatzes in Jugoslawien in eindringlichen Worten vor dem Einsatz militärischer Gewalt gewarnt, die nicht zu einer wirklichen Lösung des Konfliktes beitragen, sondern diesen im Gegenteil noch verschärfen und für unzählige unschuldige Menschen Leid, Elend, Verstümmelung und Tod bedeuten würde.

Die Ereignisse haben uns recht gegeben: Um ein – vermeintliches oder wirkliches Unrecht – zu bekämpfen, wurde neues Unrecht zugelassen, ja durch den Krieg erst ermöglicht.

Nun scheint es so, als würde ein neuer Krieg unabsehbaren Ausmaßes unseren Planeten bedrohen, nämlich der Angriff auf den Irak.

Sicher ist nicht zu übersehen, dass das Regime im Irak seinen Teil Schuld an der Entwicklung trägt. Trotzdem sind wir mit der überwiegenden Mehrheit der christlichen Kirchen in aller Welt, auch in diesem Land, der Meinung, dass ein mit modernsten Waffen, wie sie insbesondere den USA zur Verfügung stehen, gegen den Irak geführter Krieg gerade die treffen wird, die die Eskalation des Konfliktes nicht zu verantworten haben, vor allem Frauen und Kinder.

Vergessen werden sollte in diesem Zusammenhang auch nicht, dass im Irak eine Zahl orthodoxer und orientalisch-orthodoxer Christen lebt und ihren Glauben praktizieren kann. Für sie dürfte ein solcher Krieg im wahrsten Sinne des Wortes existenzbedrohend werden.

Dem schon seit Jahren unter einer humanitären Katastrophe großen Ausmaßes leidenden irakischen Volk würde im Falle eines Krieges weiteres unermessliches Leiden und Sterben und eine politisch nicht zu kalkulierende Zukunft bevorstehen. Die Folgen können nicht nur für den Irak, sondern die gesamte krisenerschütterte Region des Vorderen Orients verheerend sein; es steht zu befürchten, dass auch diesmal die Kriegsfolgen gar nicht absehbare negative Entwicklungen begünstigen, darunter auch eine Eskalation des Terrors, den man bekämpfen will.

In diesem Sinne hat der Papst und Patriarch von Alexandreia Petros VII. jüngst dem Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, Georg W. Bush, geschrieben: „Der Mittlere Osten ist ein sensitives Gebiet, das jetzt schon viel leidet. Ein solcher Krieg würde als Angriff auf den Islam gesehen. Solch ein Eindruck, auch wenn er falsch ist, hätte weitreichende und andauernde Konsequenzen für die Religionen, die Gläubigen und ihren Ruf. Religionen haben ihrem Wesen nach nichts mit Politik, mit Terrorismus und Krieg zu tun“.

Diesen Worten können wir uns nur anschließen: Ein Krieg kann nicht gerechtfertigt werden, solange es auch nur die geringste Möglichkeit zu einer anderen Lösung der strittigen Fragen gibt. Dazu gehört auch, dass die UN-Waffeninspekteure ihre Arbeit vollständig abschließen können. Jede Form eines Präventivschlages, der erfolgt, bevor jede, auch die geringste und aussichtslos erscheinende Chance zu einer friedlichen Lösung vergeblich genutzt worden ist, aber muss verurteilt werden.

In unserer Sicht sind jedoch bei weitem nicht alle Möglichkeiten ausgenutzt worden. Insbesondere gilt dies für internationale humanitäre Aktionen, die das Los der irakischen Bevölkerung bessern und – so darf man hoffen – diplomatischen Versuchen der Verständigung mit der irakischen Regierung neue Impulse geben würden. Ein Krieg würde aber jeden Ansatz hierzu zunichte machen.

So schließen wir uns allen an, die zum Frieden mahnen, und fordern jene, die dies noch nicht getan haben, auf, ein Zeichen des Friedens zu setzen und alles in ihrer Macht stehende zu tun, dass der Menschheit ein neuer Krieg erspart bleibt, dessen Folgen für uns alle schrecklich sein können.

Unsere Gläubigen und ihre Hirten rufen wir als Orthodoxe Kirche in Deutschland, die – wie alle Orthodoxen – in jedem Gottesdienst um den »Frieden von oben« beten, inständig dazu auf, Gott den Allmächtigen zu bitten, dass Friede in der ganzen Welt herrsche und Er die Führer aller Nationen und alle Völker erleuchte, mitzubauen an einer Welt, in der die Menschen keine Gewalt mehr gegen ihre Brüder und Schwestern anwenden, einer Welt, die das gottgegebene Leben liebt und in Gerechtigkeit und Solidarität zusammenwächst.

Dortmund, 29. Januar 2003

Für das Ökumenische Patriarchat: Augoustinos, Metropolit von Deutschland, Exarch von Zentraleuropa Für die Russische Orthodoxe Kirche: Longin, Erzbischof von Klin, Ständiger Vertreter der Russischen Orthodoxen Kirche in Deutschland Für die Serbische Orthodoxe Kirche: Konstantin, Bischof für Mitteleuropa Für die Rumänische Orthodoxe Kirche: Serafim, Metropolit von Deutschland und Zentraleuropa Für die Bulgarische Orthodoxe Kirche: Simeon, Metropolit von West- und Mitteleuropa

Text 9: Robert Bowman: Weil wir gehasst werden

Wenn wir uns weiterhin über die wahren Hintergründe des Terrorismus täuschen lassen, wird er uns so lange weiter bedrohen, bis wir vernichtet werden.

Die Wahrheit ist, dass keine unserer tausend Atomwaffen uns vor dieser Bedrohung schützen kann. Kein Star-War-System – ganz egal wie technisch hochentwickelt, ganz egal wie viele Milliarden Dollar hineingesteckt worden sind – kann uns vor einer Atomwaffe schützen, die in einem Segelboot oder in einer Cessna, in einem Koffer oder in einem Mietwagen ankommt. Nicht eine einzige Waffe in unserem riesigen Arsenal kann uns gegen eine Terroristenbombe schützen. Das ist eine militärische Tatsache.

Die Frage ergibt sich: Was können wir dann tun? Gibt es denn nichts, wodurch wir unseren Bürgern Sicherheit bieten können?

Doch! Aber um das zu begreifen, müssen wir die Wahrheit über die Bedrohung kennen. (…) Wir sind das Ziel der Terroristen, weil unsere Regierung fast weltweit für Diktatur, Sklaverei und Ausbeutung steht. Wir sind das Ziel der Terroristen, weil wir gehasst werden. Und wir werden gehasst, weil unsere Regierung hassenswerte Taten begangen hat. In wie vielen Ländern haben die Vertreter unserer Regierung Führer, die von der Bevölkerung gewählt waren, abgesetzt und durch Militärdiktaturen ausgetauscht, die nichts anderes als Marionetten und bereit waren, ihre eigenen Bürger an amerikanische Großkonzerne zu verkaufen?

Wir taten dies im Iran, als die US-Marine und das CIA Mossadegh absetzten, weil er die Ölindustrie nationalisieren wollte...

Wir taten dies in Chile. Wir taten dies in Vietnam. (…) Wieder und wieder haben wir angesehene Führer verdrängt, die den Reichtum des Landes unter den Leuten, die dafür gearbeitet haben, verteilen wollten.

Wir ersetzten sie durch mörderische Tyrannen, die ihre eigenen Leute verkauften, sodass der Reichtum des Landes durch Konzerne wie Domino Sugar, Folgers und Chiquita Banana ausgebeutet werden konnte.

In einem Land nach dem anderen hat unsere Regierung Demokratie vereitelt, Freiheit unterdrückt und ist auf den Menschenrechten herumgetrampelt. Deswegen wird sie rund um die Welt gehasst. Und deswegen sind wir das Ziel der Terroristen.

In Kanada genießen die Menschen Demokratie, Freiheit und Menschenrechte; ebenso die Menschen in Norwegen und Schweden. Hast du schon mal von einer kanadischen Botschaft gehört, die bombardiert wurde? Oder von einer norwegischen oder schwedischen?

Wir werden nicht gehasst, weil wir Demokratie ausüben, Freiheit schätzen oder die Menschenrechte unterstützen. (…) Sobald die Wahrheit erkannt ist, warum diese Bedrohung besteht, wird die Lösung klar: Wir müssen unsere Richtung ändern. Unsere Atomwaffen loszuwerden gegebenenfalls einseitig – wird unsere Sicherheit erhöhen, und eine drastische Änderung unserer Außenpolitik wird sie garantieren. Anstatt unsere Söhne und Töchter um die Welt zu schicken, um Araber zu töten, damit wir das Öl, das unter deren Sand liegt, haben können, sollten wir sie senden, um deren Infrastruktur wieder in Stand zu setzen, reines Wasser zu liefern und hungernde Kinder zu füttern. Anstatt damit weiterzumachen, tagtäglich Hunderte von irakischen Kindern durch unsere Sanktionen umzubringen, sollten wir den Irakern helfen, ihre Elektrizitätswerke, ihre Wasseraufbereitungsanlagen und ihre Krankenhäuser wieder aufzubauen. (…) Anstatt Aufstand, Zerrüttung, Mord und Terror weltweit zu unterstützen, sollten wir den CIA abschaffen und das Geld Hilfsorganisationen geben.

Kurzum, wir sollten Gutes tun anstelle von Bösem. Wer würde versuchen, uns aufzuhalten? Wer würde uns hassen? Wer würde uns bombardieren wollen? Das ist die Wahrheit, die die amerikanischen Bürger – und die Welt – hören müssen.

Robert Bowman war Militärpilot in Vietnam und ist heute Bischof der Vereinigten Katholischen Kirche in Melbourne Beach, Florida/USA. Seine Stellungnahme zum Phänomen terroristischer Angriffe auf die USA erschien im Frühjahr 1999, zweieinhalb Jahre vor dem 11.9., in DER PFLUG

Anmerkungen

1) So die deutschen katholischen Bischöfe im Hirtenwort vom 26.6.1941, zitiert nach Breuer, Thomas: Gehorsam, pflichtbewusst und opferwillig. Deutsche Katholiken und ihr Kriegsdienst in der Wehrmacht. In: Stimmen der Zeit 217 (1999) 37-44.

2) Papst Pius XII: Weihnachtsansprache 1944, zit. n. Stratmann, Franziskus Maria: Krieg und Christentum heute, Trier 1950, 54.

3) Aus der »Erklärung zu den Gefahren eines militärischen Angriffs auf den Irak« des Oekumenischen Rates der Kirchen (Zentralausschuss, Tagung v. 26.8.2002 bis 3.9.2002).

4) Eine – ebenfalls keineswegs vollständige – Übersicht über Stellungnahmen zum Irak-Krieg aus der Oekumene und den deutschen Kirchen findet sich unter http://www.ecunet.de/gewaltueberwinden/gew.aktuelles/gew_aktuelles.2/

5) Erklärung der französischen Bischofskonferenz; zitiert nach www.zenit.org 21.10.2002. Es sei darauf hingewiesen, dass die zitierte Formulierung deutlich zeigt, dass die katholische Kirche nicht umstandslos von Gewalt als letztem Mittel spricht, wie dies manche Politiker suggerieren und manche Journalisten unbedacht schreiben. Die Kategorie »letztes Mittel« ist eine notwendige Bedingung, ob sie hinreichend ist, muss erst noch unter Heranziehung der anderen »ganz strengen Bedingungen« geprüft werden.

6) Erklärung der Herbstvollversammlung vom 27.9.2002.

7) So Jim Winkler, Generalsekretär der Kommission Kirche und Gesellschaft der United Methodist Church in einen Brief an die Kirchenmitglieder vom 30.8.2002.

8) Es macht deshalb aktuell wenig Sinn die theologisch wie philosophisch/ethischen Argumente der verschiedenen Erklärungen im Detail kritisch zu diskutieren. Kritische Aufarbeitung kirchenamtlicher Friedenslehre ist zudem mehrfach bereits geleistet worden (vgl. nur Beestermöller, Gerhard / Glatzel, Norbert (Hg.): Theologie im Ringen um Frieden: Einblicke in die Werkstatt theologischer Friedensethik, Stuttgart 1995 und Haspel, Michael: Friedensethik und Humanitäre Intervention. Der Kosovo-Krieg als Herausforderung evangelischer Friedensethik, Neukirchen-Vlyun 2002). Eine erneute Darstellung würde das Neue der gegenwärtigen Situation, das eben nicht in der Lehre liegt, verdecken.

9) Erklärung der Herbstvollversammlung vom 27.9.2002.

10) ebd.

11) Johannes Christian Koecke: Zwischen Pfarrhaus und Pentagon. Ist die in sich stringente und folgerichtige Haltung der Kirchen im Irak-Konflikt noch auf der Höhe der veränderten Weltlage?, FR , 4.3.2003, S.7.

12) So die Französische Bischofskonferenz am 21.10.2002.

13) Dies ist der zentrale Vorwurf von Koecke in seinem Beitrag in der FR: „Die Bischöfe argumentieren aus einer Sicht der Welt vor dem 11.9.2001 und wenden anders als die Amerikaner und die Briten die neuen Fragen, die sich stellen, auf den jetzigen Fall nicht an.“ Unbegreiflich an solchen Passagen ist die pauschale Rede von „Amerikaner und Briten“. Gemeint sind die Regierungen, nicht das Volk und vergessen sind u.a. die amerikanischen wie britischen Kirchen, die seit Sommer 2002 ihre Regierungen auf Wege des Friedens zu drängen versuchen.

14) Erklärung des Rates der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) vom 24.1.2003.

15) So die Erklärung des Bischofskollegiums und der Synodenpräsidentin der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche in der Erklärung »Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein« vom 22.1.2003.

16) Aus der »Erklärung zu den Gefahren eines militärischen Angriffs auf den Irak« des Oekumenischen Rates der Kirchen (Zentralausschuss, Tagung v. 26.8.2002 bis 3.9.2002).

17) So die Hauptversammlung des Reformierten Bundes im Juni 2002.

18) So der Generalsekretär der Italienischen Bischofskonferenz, Guiseppe Betori, zitiert nach einem Bericht der Nachrichtenagentur zenit vom 30.1.2003.

19) So das Statement von 37 Kirchenführern aus USA, Großbritannien und Kanada vom 30.8.2002 »A Call to Stop the Rush to War«.

20) Katholische Nachrichten Agentur (KNA) vom 13.01.2003.

21) „Der Patriarch dankte dem Heiligen Vater für seine mutigen und wiederholten Stellungnahmen gegen das Embargo. (…) Im Irak sind wir gegenüber der Regierung und den Muslimen stolz auf diese Position des Papstes. Wir fühlen uns stark, weil wir uns als Teil der Kirche Jesu Christi empfinden“, so Jacques Isaak, der Generalsekretäre der Synode der chaldäischen Bischöfe in Bagdad (www.zenit.org v. 18.12.2001).

22) Zitiert nach www.zenit.org vom 27.1.2003, vgl. auch www.caritas.org.

23) So Jim Winkler, Generalsekretär der Kommission Kirche und Gesellschaft der United Methodist Church (UMC) in einen Brief an die Kirchenmitglieder vom 30.8.2002.

24) Am 18. Februar 2003 konnte inzwischen eine Delegation von Vertretern verschiedener Kirchen aus den USA und Großbritannien ein überraschend langes Gespräch mit dem englischen Premierminister Blair führen. Dan Weiss von der American Baptist Church USA erklärte, dass sich das erwartete nur 15-minütige Gespräch in eine Diskussion verwandelte, die fast eine Stunde dauerte und sagte: „Wir waren erfreut, den Premierminister zu treffen, während uns unser eigener Präsident nicht sehen will.“ (s. www.umc-europe.org / emknewsalt v. 24.2.2003)

25) So z.B. am 10.2.2003 und 17.2.2003 im Deutschlandfunk.

26) Nürtinger Zeitung vom 29.1.2003 bzw. www.emk-gfs.de

27) Zitiert nach www.zenit.org v. 20.2.2003.

28) Zitiert nach www.umc-europe.org / emknewsalt v. 24.2.2003.

29) Zitiert nach der Pressemitteilung der EKD vom 14. Februar 2003.

30) So der Osnabrücker katholische Bischof Franz-Josef Bode in einer Predigt vom 7.2.2003.

31) Zitiert nach www.zenit.org vom 31.1.2003.

32) Bischof Franz-Josef Bode, Predigt vom 7.2.2003.

33) Inzwischen hat auch der Bischof von Münster und der Bischof von Fulda eine ähnliche Aktion durchgeführt, ähnliche Aktionen haben u.a. auch in der Schweiz stattgefunden. Die traditionelle Zurückhaltung staatlichen und politischen Dingen gegenüber zerbricht immer stärker.

34) www.ZENIT.org vom 24. Februar 2003.

35) Interview mit der Stuttgarter Zeitung vom 4. Februar 2003.

36) IPNW Forum 79/03, S. 5.

37) Einzelne katholische Bischöfe gehen vorsichtig etwas weiter. So heißt es in einem Bericht über die Ansprache des Fuldaer Bischofs Heinz Josef Algermissen bei einem ökumenischen Friedensgebet: „Frieden bauen bedeute aber nicht, zu allem Ja und Amen zu sagen und um des lieben Friedens willen dauernd fünf gerade sein zu lassen“. Es könne eben auch einmal heißen, ungehorsam zu sein, gab der Bischof zu bedenken. „Denn immer dann, wenn der Ruf nach Ruhe und Ordnung das Übel beschwichtigt, verfault der Friede.“ Wer den Frieden wolle, dürfe die Auseinandersetzung um Wahrheit und Gerechtigkeit nicht scheuen, sondern er müsse mit dem Konflikt leben, um den Krieg zu verhindern. (…) Der Standpunkt „ohne mich“ sei falsch. „Werden Sie politisch aktiv! Politik verdirbt nicht den Charakter, schlechte Charaktere verderben vielmehr die Politik.“ Was mit dem Stichwort »ungehorsam« näher gemeint ist, bleibt allerdings offen.

38) Damit soll nicht bestritten werden, dass in einem gewissen Sinn die christlichen Kirchen bereits jetzt zu einem politischen Machtfaktor geworden sind. Ein guter Gradmesser für ihr politisches Gewicht ist die Massivität der Reaktionen auf politischer Seite, vgl. neben dem bereits mehrfach zitierten Artikel von J. Ch. Koecke vor allem Friedbert Pflüger: Die Kirchen, Luther und der Irak (Die Welt v. 7.2.2003). Beide Artikel versuchen verschiedene Kirchen gegeneinander auszuspielen, und greifen interessanterweise jeweils den ÖRK in äußerst unsachlicher Weise an. Es fällt schwer in diesen Ausfällen nicht eine Retourkutsche für die Unterstützung des deutschen Bundeskanzlers durch den ÖRK am 5.2.2003 zu sehen. Pflügers Ausführungen sind darüber hinaus für einen Theologen sehr interessant, auf grund der enormen Bedeutung, die er dem Glauben zuspricht. Es ist allerdings nicht der christliche Glaube. Pflügers Ausführungen sind durchzogen und getragen vom festen Glauben an die Güte, Lauterkeit und Uneigennützigkeit der derzeitigen Regierung der USA.

39) Stratmann, Franziskus Maria: Krieg und Christentum heute, Trier 1950, 22.

40) Heering, J. G.: Der Sündenfall des Christentums, Gotha 1930, S. 212.

41) Mayr, Kaspar: Der andere Weg. Dokumente und Materialien zur europäisch-christlichen Friedenspolitik, Nürnberg 1957, 224.

Dr. Thomas Nauerth, katholischer Theologe, Mitglied des Internationalen Versöhnungsbundes / Deutscher Zweig, seit September 2002 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Praktische Theologie: Religionspädagogik und Pastoraltheologie (Prof. Dr. Egon Spiegel) des Institutes für Katholische Theologie der Hochschule Vechta