Dossier 93

Künstliche Intelligenz zieht in den Krieg

von Hans-Jörg Kreowski, Aaron Lye, Thomas Reinhold, Elke Schwarz, Christoph Marischka und Marius Pletsch

Herausgegeben von der Informationsstelle Wissenschaft und Frieden e.V. (IWIF) und dem Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung e.V. (FIfF)

Beilage zu Wissenschaft und Frieden 4/2021
ermöglicht durch finanzielle Unterstützung der Rosa-Luxemburg-Stiftung

Vorwort

von Hans-Jörg Kreowski und Aaron Lye

Künstliche Intelligenz (KI) ist ein Teilgebiet der Informatik, in dem es vor allem darum geht, einzelne isolierte Aufgaben, für deren Bewältigung Menschen ihre Intelligenz bemühen, von Programmsystemen bewerkstelligen zu lassen. Solche Entwicklungen werden der »schwachen« KI zugeordnet, um die es in diesem Dossier ausschließlich geht. Dagegen verweist die »starke« KI auf Überlegungen zu Systemen, die selbst intelligentes Verhalten hervorbringen, bisher aber reine Spekulation geblieben sind. Typische Beispiele im Sinne der schwachen KI sind Spiele wie Schach, Go und Poker sowie Sprach- und Bildverarbeitung. In den letzten Jahren sind für derartige Anwendungen äußerst erfolgreiche KI-Systeme entwickelt worden.

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Überlegungen zur Militarisierung Künstlicher Intelligenz

Von Fallstricken, Grenzen und Problemen der Rüstungskontrolle

von Thomas Reinhold

Gegenwärtig wird viel zu künstlicher Intelligenz (KI) und maschinellem Lernen (ML) geschrieben. Mit Blick auf diese Publikationen scheint es der Leser*in fast so, als wären diese Technologien aktuell das »nächste große Ding« – zumindest so lange bis das Forschungsfeld des Quantencomputings weitere bahnbrechende Ergebnisse liefert. Auch für militärische Entscheidungsträger*innen muss KI aktuell wie die nächste »revolution in military affairs« (Umwälzung des Militärwesens) aussehen, die ihnen den winzigen Vorteil verschafft, nach dem sie stets verzweifelt suchen. Aktuelle Debatten gehen noch einen Schritt weiter und deuten scheinbar darauf hin, dass KI innerhalb weniger Jahre in bestehende Waffensysteme eingebaut werden könne, was die Effektivität der Waffen erhöhen würde und zwar ohne die Erfordernisse jahr(zehnt)elanger Planungen, Finanzierungen und Forschung wie bei früheren Waffensystemen. Einige Politiker*innen betrachten KI sogar als diejenige Technologie, deren Überlegenheit in Zukunft über das globale Mächteverhältnis entscheiden wird (Meyer 2017). Generell wird KI in den aktuellen Debatten häufig als »enabling technology« bezeichnet, die neue Vorgehensweisen ermöglichen wird.

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Menschenzentrierte Künstliche Intelligenz in der Kriegsführung: Ein Widerspruch?

von Elke Schwarz

Künstliche Intelligenz (KI) für militärische Waffensysteme wird oft in der Rubrik »aufkommende Technologien« aufgeführt, obwohl die Ursprünge von KI als Technologie und Wissenschaft schon in der Kybernetik und aufkommenden Informatik der 1950er Jahren lagen. Seither gab es immer wieder neue Wellen an technischen Fortschritten in diesem Bereich – alle mit der Zielsetzung, eine »Denkmaschine« zu produzieren, die dem Menschen in der Entscheidungsfindung ähnelt. KI ist auch augenblicklich in aller Munde, da Fortschritte sowohl im maschinellen Lernen mit künstlichen neuronalen Netzen als auch in der Prozessortechnik neue, bisher unerreichbare Erfolge versprechen. Das gilt auch für das Militär, wo man zunehmend auf KI in allen Bereichen setzt – auch in der Zielbearbeitung. Autonome Waffensysteme kann es zum Beispiel ohne KI nicht geben – das wirft allerlei ethische Probleme auf. Das Internationale Rote Kreuz nennt die KI – insbesondere mit dem maschinellen Lernen – als eine der größten Herausforderungen für das humanitäre Völkerrecht und das aus gutem Grund (ICRC 2019).

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Bilderkennung und Aufklärung: Wie Künstliche Intelligenz längst mitkämpft

von Christoph Marischka

Militärische Relevanz hat Künstliche Intelligenz unter anderem in der Bild­erkennung. Während diese eine ihrer wesentlichen Wurzeln in der zivilen Fernerkundung und militärischen Satellitenaufklärung hat, findet mittlerweile an vielen Standorten in Deutschland unter verschiedenen Aspekten damit zusammenhängende Forschung an KI in der Bilderkennung statt, die für Rüstung und Militär interessant ist. Explizit militärische Forschung zur Bilderkennung findet in der Rüstungsindustrie, einigen Standorten des Deutschen Zentrums Luft- und Raumfahrt (DLR), der Bundeswehruniversität in München, einigen zivilen Hochschulen (TU München und Leibniz-Universität Hannover), sowie einigen Fraunhofer-Instituten statt. Einen expliziten Schwerpunkt auf die Bilderkennung hat das Fraunhofer Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung (IOSB) in Karlsruhe und Ettlingen, weshalb wir dort unsere kleine Erkundung zur militärischen Bilderkennung beginnen wollen.

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Mensch-Maschine

EU-Großprojekte zum Manned-Unmanned-Teaming

von Marius Pletsch

Wenn Soldat*innen mit Robotern, zusätzlichen Sensoren und unbemannten Luft- oder Landfahrzeugen während des Kampfgeschehens interagieren, wird das als »Manned-Unmanned-Teaming« (MUM-T) bezeichnet. Das amerikanische Verteidigungsministerium hat MUM-T im Jahr 2013 wie folgt definiert: MUM-T „kombiniert die inhärenten Stärken der bemannten Systeme mit den Stärken der UAS [unbemannten Luftfahrzeuge], wobei Produktsynergien entstehen, die bei einfachen Systemen nicht zu finden sind. MUM-T kombiniert Robotik, Sensorik, bemannte/unbemannte Fahrzeuge und zu Fuß operierende Soldat*innen, um ein verbessertes Lagebewusstsein, erhöhte Kampfkraft, verbesserte Überlebensfähigkeit und Unterstützung zu erreichen. Bei richtiger Konzeption erweitert MUM-T die Sensorabdeckung in Zeit und Raum und bietet zusätzliche Möglichkeiten zur Erfassung und Bekämpfung von Zielen“ (Department of Defense 2013, S. 139). Ziele des MUM-T sind dabei im Wesentlichen, die Reichweite von Sensoren und Waffen zu erweitern, die Risiken für die eigenen Soldat*innen zu reduzieren und eine verbesserte Früherkennung von möglichen Gefahren (Paul und Brämer 2013, S. 34). MUM-T kann in allen Teilstreitkräften genutzt werden und entsprechende Systeme werden aktuell in zahlreichen Forschungsprojekten entwickelt und erprobt. Am Boden können z.B. Infanteriesoldat*innen auf Informationen von sie umgebenden unbemannten Systemen zurückgreifen und diesen Systemen Zielgebiete vorgeben, in denen diese operieren sollen. Die Soldat*innen können von weitestgehend autonomen Fahrzeugen begleitet werden, die Lasten, Verwundete oder ­schwerere Bewaffnung tragen können. In der Luft werden bemannte Kampfflugzeuge begleitet von Drohnen, denen Aufgaben zugewiesen werden können, z.B. ein unsicheres Gebiet vor ihnen aufzuklären und zu sichern, also mögliche Gefahren für das Flugzeug mit Pilot*in, wie Radarstationen oder Flugabwehrstellungen, zu zerstören. Zu Wasser können Kriegsschiffe oder U-Boote durch unbemannte Wasser- oder Luftfahrzeuge begleitet werden, die in einem bestimmten Radius um das Schiff oder U-Boot agieren.

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Future Combat Air System

Künstliche Intelligenz fliegt und kämpft mit

von Hans-Jörg Kreowski und Aaron Lye

Beim Future Combat Air System (FCAS) handelt es sich um ein gigantomanisches europäisches Rüstungsprojekt, das seit der Unterzeichnung eines gemeinsamen Investitionsplans im September 2021 von Deutschland, Frankreich und Spanien auf den Weg gebracht wird und dessen Kosten voraussichtlich im dreistelligen Milliardenbereich liegen werden.

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