Dossier 58

Sozialabbau und Rekrutierungsstrategien der Bundeswehr

von Jonna Schürkes, Heiko Humburg und Jürgen Wagner, Bundeswehr-Wegtreten

Beilage zu Wissenschaft und Frieden 3/2008
Herausgegeben von der Informationsstelle Wissenschaft und Frieden in Zusammenarbeit mit der Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. und der Initiative Bundeswehr-Wegtreten.

Sozialabbau und andere Rekrutierungsstrategien der Bundeswehr

von Jürgen Wagner

Lange Zeit wurde ein Zusammenhang zwischen Militarisierung und Sozialabbau allein über die sinkenden Sozialausgaben bei steigenden Militärausgaben hergestellt. Gerade in Deutschland aber, wo das Militär gerne als »Spiegelbild« der Gesellschaft und der Soldat als »Staatsbürger in Uniform« dargestellt wird, verpflichten sich immer mehr Jugendliche aus gesellschaftlich unterprivilegierten Gruppen als »Freiwillig-Längerdienende«, weil sie für sich keine oder kaum eine Chance auf dem zivilen Arbeitsmarkt sehen. Ähnlich wie in den USA unterwerfen sich Jugendliche den Gefahren des Kriegseinsatzes, weil ihnen die Gesellschaft keine anderen Chancen lässt.

Für die Bundeswehr ist dies überaus praktisch, denn sie hat extreme Schwierigkeiten, an ausreichend Rekruten für ihre zunehmenden Auslandseinsätze zu gelangen, da der Soldatenberuf unter Jugendlichen, vor allem unter denen, die auf dem zivilen Arbeitsmarkt gute Perspektiven haben, extrem unbeliebt ist.

Aus diesem Grund sucht die Bundeswehr nach immer neuen Möglichkeiten, Jugendliche anzuwerben: dazu gehören

die massive Werbung auf öffentlichen Plätzen, in Schulen und Universitäten, im Fernsehen, Kino und Internet,

die Absenkung der Einstellungskriterien,

das Festhalten an der Wehrpflicht und nicht zuletzt

die schamlose Ausnutzung der Situation arbeitsloser Jugendlicher.

Besonders profitiert die Bundeswehr von der Verschärfung der Auflagen für unter 25jährige Hartz IV Empfänger. Vor diesem Hintergrund erweist sich der Sozialabbau als Rekrutierungsgehilfe der Bundeswehr. Dies geht mittlerweile soweit, dass die Bundeswehr in zahlreichen Arbeitsämtern bereits ständige Büros unterhält und sogar Berichte vorliegen, dass Hartz IV Empfängern Leistungskürzungen angedroht wurden, sollten sie sich weigern, an einer Rekrutierungsveranstaltung teilzunehmen.

Aber nicht nur unter potenziellen Rekruten, auch in der gesamten Bevölkerung nimmt die Ablehnung deutscher Kriegseinsätze in den letzten Jahren rapide zu. Diese Ablehnungshaltung hat bislang jedoch noch nicht zu einer breiten Protestbewegung geführt, die sich die Forderung nach Rückzug der deutschen Truppen, Abrüstung und Umschichtung von Rüstungsgeldern zugunsten sozialer Maßnahmen zu Eigen macht. Dies dürfte vor allem damit zusammenhängen, dass in der Wahrnehmung der meisten Menschen das Thema Auslandseinsätze trotz einer grundsätzlich kritischen Haltung eine sehr untergeordnete Rolle spielt angesichts gravierender sozialer Probleme, Jobunsicherheit usw. Der Hindukusch ist weit weg.

Dass dem nicht so ist, versuchen in jüngster Zeit zahlreiche Initiativen wie u.a. »Bundeswehr-Wegtreten« aufzuzeigen. Sie organisieren Protestveranstaltungen gegen die verschiedenen Rekrutierungsmaßnahmen der Bundeswehr und deren Vordringen in den öffentlichen Raum. Das Bestreben der Bundeswehr, die Perspektivlosigkeit von Jugendlichen mithilfe der verschärften Hartz IV-Gesetzgebung auszunutzen und dabei eng mit den Arbeitsagenturen zu kooperieren, liefert dabei einen Anknüpfungspunkt, in dem sich die Friedensfrage ganz direkt mit Fragen sozialer Gerechtigkeit verbindet.

Wie Aktionen in verschiedenen Städten gezeigt haben, reagiert die Bundeswehr sehr empfindlich auf eine Kritik ihrer Darstellung in der Öffentlichkeit und auf die Proteste gegen die Anwerbung von arbeitslosen Jugendlichen vor allem in den Arbeitsagenturen.

Man kann hoffen, dass der Soldatenberuf auch weiterhin einen Sonderstatus genießt und sich die Gesellschaft nicht damit anfreundet, dass Jugendliche de facto zum Töten gezwungen werden und sich in die Gefahr begeben, getötet zu werden. Das vorliegende Dossier informiert deshalb nicht nur über den Themenkomplex »Sozialabbau als Rekrutierungshilfe der Bundeswehr«, sondern auch über phantasievolle Aktionen gegen die »Werber in Uniform«.

Jürgen Wagner, Informationsstelle Militarisierung

Armee der Arbeitslosen?

Arbeitsagenturen als Rekrutierungsgehilfen der Bundeswehr

von Jonna Schürkes

Im Mai 2000 berichtete die Berliner Zeitung von sinkenden Bewerberzahlen bei der Bundeswehr. „Der Soldaten-Job hat an Attraktivität eingebüßt“ aufgrund der zunehmenden Bundeswehreinsätze im Ausland. Gleichzeitig wies die BZ darauf hin, dass dies aufgrund der schlechten Lage auf dem Arbeitsmarkt aber wohl kein dauerhaftes Problem sein werde.1 Tatsächlich konnte der Stern fünf Jahre später titeln: „Bundeswehr verzeichnet Zulauf wegen Arbeitslosigkeit.“ 2 Und im Januar 2006 berichtete die Berliner Zeitung, die Bundeswehr werde zu einer „Armee der Arbeitslosen“. Mehr als jeder Dritte einberufene Wehrpflichtige sei zuvor arbeitslos gewesen. Sie zitiert einen Sprecher der Arbeitsagentur Berlin-Brandenburg, nach dem der Run auf die Bundeswehr vor allem auf die Lage am Arbeitsmarkt zurückzuführen ist.3 Der Stern sah dann auch die »Gefahr«, dass eine Entspannung auf dem Arbeitsmarkt zu Problemen bei der Nachwuchsgewinnung führen könnte.4

Hinzu kommt, dass aufgrund des demografischen Wandels ein Rückgang der Menschen im wehrfähigen Alter erwartet wird, dies gilt vor allem für Ostdeutschland.5 Vor diesem Hintergrund fürchtet die Bundeswehr eine sinkende Jugendarbeitslosigkeit, da sie dann mit zivilen Arbeitgebern um Nachwuchs konkurrieren muss.6 Oder anders ausgedrückt: die Bundeswehr braucht die Perspektivlosigkeit Jugendlicher, damit diese sich zu Soldaten ausbilden lassen und bereit sind, »deutsche Interessen« unter Gefährdung ihrer körperlichen und geistigen Gesundheit rund um den Globus zu »verteidigen«.

Dies ist in der Geschichte des Militärs durchaus nichts Neues, neu ist, dass die für die Jugendlichen zuständigen Agenturen für Arbeit (ARGE) in vielen Fällen mit der Bundeswehr eng zusammenarbeiten und zum Teil auch Druck ausüben, bis hin zur Kürzung von Sozialleistungen.

Rekrutierungsprobleme

Die Bundeswehr hat trotz der oben angesprochenen für sie positiven Jugendarbeitslosigkeit in einigen Bereichen Rekrutierungsprobleme. So schreibt die FAZ im April d. J.: „In den Kampf- und Transportgeschwadern ist durchschnittlich rund ein Viertel der Stellen für Besatzungsmitglieder vakant. Der Sanitätsdienst hat ein ‚Fehl" von neun Prozent an Offizieren, also Ärzten. Das Kommando Spezialkräfte (KSK) hat sogar nicht einmal die Hälfte seiner eigentlich vorgesehenen 394 Elitesoldaten7. Nimmt man nur die ‚Shooter", die Elitekämpfer im engeren Sinne, so ist das Verhältnis sogar noch ungünstiger. Auch bei den Kampfschwimmern, der Spezialkräfteeinheit der Marine, fehlt Personal, doch nicht ganz in diesem Ausmaß.“ 8 Als Ursache für die Nachwuchsprobleme werden vom Sozialwissenschaftlichen Institut der Bundeswehr (SOWI) der demografische Wandel und die zunehmenden Auslandseinsätze genannt. Bezüglich der abschreckenden Wirkung der Auslandseinsätze schreibt das SOWI: „[Es] ist damit zu rechnen, dass den Jugendlichen immer mehr bewusst wird, dass es sich bei der Bundeswehr um eine Armee im Einsatz handelt und dass der Beruf des Soldaten erhebliche Risiken mit sich bringt. Diese Erkenntnis wird zumindest bei einem Teil der jungen Männer und Frauen die Bereitschaft verringern, zur Bundeswehr zu gehen.“ 9

Neben der abschreckenden Wirkung von Auslandseinsätzen und dem demografischen Wandel bereiten den Rekrutierern auch die Ablehung von militärischem Drill und Gehorsam Kopfschmerzen.10

Ablehnung der Auslandseinsätze

Die im Weißbuch der Bundeswehr vom Oktober 2006 nüchtern konstatierte Umwandlung der Bundeswehr hin zu einer »Armee im Einsatz« wird sowohl von den Soldaten als auch von der Bevölkerung Deutschlands zunehmend abgelehnt. Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Allensbach vom Oktober 2007 zeigt, dass 50% (2005: 34%) der Befragten der Meinung sind, die Bundeswehr solle sich zukünftig nicht mehr an Auslandseinsätzen beteiligen. Nur 34% (2005: 46%) befürworten zukünftige Auslandseinsätze.11 Auch bei den einzelnen Einsätzen sieht es ähnlich aus. Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa im April 2007 ergab, dass mehr als 70% der Befragten den Tornado-Einsatz in Afghanistan ablehnen.12 Auch der Einsatz vor der Küsten des Libanons (UNIFIL)13 und der Kongoeinsatz (EUFOR)14 wurden mehrheitlich ablehnt. Die Tendenz der Zustimmung ist bei allen Auslandseinsätzen der Bundeswehr sinkend.15 Eine Umfrage unter Soldaten, die am EUFOR-Einsatz teilnehmen sollten, zeigt, dass auch sie nicht von dem Sinn des Einsatzes überzeugt waren.16 Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes kritisierte in einer ganzseitigen Anzeige in der Süddeutschen Zeitung im Vorfeld des Einsatzes, die Soldaten müssten im Kongo „den Kopf hinhalten“ und gleichzeitig würde ihnen der Lohn gekürzt.17

Das Ansehen der Bundeswehr ist aber nicht nur unter Jugendlichen gesunken, sondern auch bei denjenigen, die sich bereits verpflichtet haben. Nach einer Umfrage des Deutschen Bundeswehrverbandes vom Februar 2007 würden über 70% der heutigen Berufssoldaten Verwandten und Freunden davon abraten, sich bei der Bundeswehr zu verpflichten. Besonders negativ ist der Umfrage zufolge das Stimmungsbild bei Soldaten, die an Auslandseinsätzen teilnehmen.18 Das SOWI beklagt, dass die Jugendlichen nur schwer vom Gegenteil zu überzeugen seien, wofür nicht unerheblich die negative Berichterstattung in den Medien verantwortlich sei. Es müssten, so der Autor der SOWI-Jugendumfrage Thomas Bulmahn, „[f]ür den Fall, dass die Negativberichterstattung über einen längeren Zeitraum anhält und das Image des Soldatenberufs nachhaltig zu beinträchtigen droht, [...] geeignete Kommunikationsstrategien auch für den Bereich der Nachwuchswerbung entwickelt werden“ 19 (Die »Kommunikationsstrategien« der Bundeswehr werden ausführlich in dem Artikel von Heiko Humburg untersucht). Die Imageverbesserung der Bundeswehr und vor allem des Soldatenberufs ist jedoch ein langwieriger Prozess. Somit liegt es auf der Hand, dass die Bundeswehr neue Wege beschreiten muss, um ihren Bedarf auch künftig decken zu können.

Absenken der Einstellungskriterien für FWLD

Eine Reaktion, die kurzfristig die Zahl der »geeigneten« Jugendlichen für den Soldatenberuf erhöhen sollte, war die Änderung der Einstellungskriterien für Freiwilliglängerdienende (FWLD) im Jahr 2006. FWLD sind Soldaten, die sich für einen bestimmten Zeitraum über den Grundwehrdienst hinaus verpflichten. Dabei erklären sie sich auch bereit zu einer Teilnahme an Auslandseinsätzen, sodass sie sich zusätzlich einem Test unterziehen müssen.

Interessant ist, dass 2006 die Einstellungskriterien in Bezug auf die physischen Anforderungen an zukünftige Soldaten angehoben wurden, während sie in Bezug auf soziale Kompetenz, psychische Belastbarkeit und Verhaltensstabilität abgesenkt wurden. Im Bericht des Wehrbeauftragten heißt es: „Ab dem Diensteintrittstermin 1. Oktober 2006 können Wehrpflichtige dieser Sondergruppe auch im Falle einer Unterschreitung der Mindestvoraussetzungen im Hinblick auf ‚soziale Kompetenz" und ‚psychische Belastbarkeit" bis Bewertungsstufe 6 und ‚Verhaltensstabilität" bis Bewertungsstufe 5 verpflichtet werden.“ 20 Das steht im Widerspruch zu der Behauptung der Bundeswehr, dass gerade die soziale Kompetenz der Soldaten bei »Friedensschaffenden Maßnahmen« im Ausland von hoher Bedeutung sei. Tatsächlich dürften Soldaten mit einer geringen sozialen Kompetenz kaum in der Lage sein die Kriegseinsätze der Bundeswehr der betroffenen Bevölkerung im Einsatzland als »humanitäre Einsätze« zu verkaufen. Und Soldaten mit einer geringen psychischen Belastbarkeit eine Waffe in die Hand zu geben und sie in den Auslandseinsatz zu schicken, ist auch nicht gerade ungefährlich.

Auch hinsichtlich der zunehmenden Anzahl an Soldaten, die mit Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) und anderen psychischen Problemen von Auslandseinsätzen zurückkehren, ist das Absenken der Kriterien verantwortungslos.

Wer berufliche Alternativen hat, geht nicht zur Bundeswehr

Neben der Absenkung der Einstellungskriterien und den massiven Werbemaßnahmen vor allem in Schulen und Medien (siehe Artikel von Heiko Humburg) macht sich die Bundeswehr die schwierige Situation von Jugendlichen auf dem zivilen Ausbildungs- und Arbeitsmarkt zunutze. In einem Artikel des Hamburger Abendblattes vom Februar 2007 heißt es: „Um an Nachwuchs zu gelangen, verfeuerte die Bundeswehr jahrelang viel Geld - unter anderem mit Werbefilmen wie ‚Bundeswehr - eine starke Truppe". ‚Wir haben Fehler gemacht", räumt Christian Louven (39) vom Zentrum für Nachwuchsgewinnung Nord ein. Doch mit der Arbeitslosigkeit kamen immer mehr junge Menschen, die sich freiwillig meldeten. Die Bundeswehr profitiere von der schlechten Wirtschaftslage. ‚Und das nutzen wir auch aus", gibt Louven zu.“ 21 Bevor auf die Zusammenarbeit zwischen der Bundeswehr und den Arbeitsagenturen eingegangen wird, lohnt sich ein Blick auf die Motivation und den sozialen Hintergrund der Jugendlichen, die bereit sind, sich bei der Bundeswehr zu verpflichten bzw. den Beruf des Soldaten zu ergreifen.

Nina Leonard vom SOWI klagt in ihrem Lehrbuch »Militärsoziologie - eine Einführung«: „Zum Soldatenberuf in der Bundesrepublik liegen nur wenige wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse vor. Die Zahl der Arbeiten, die dies anhand eines systematischen theoretischen Zugangs, mittels fundierter methodischer Instrumente und auf einer soliden empirischen Basis tun, ist noch geringer. So steht etwa eine berufssoziologische Analyse des ‚Arbeitsplatzes Bundeswehr" nach wie vor aus.“ 22 Eine wichtige Quelle sind jedoch die Umfragen des SOWI zum Thema »Berufswahl Jugendlicher und Nachwuchswerbung der Bundeswehr«. Bisher hat es je eine Umfrage in den Jahren 2003 und 2006 gegeben. Die Studien dienen der Verbesserung der Nachwuchswerbung und werden vom Verteidigungsministerium in Auftrag gegeben.

Die zur Verfügung stehenden Ergebnisse zeigen, dass ein großer Teil der Jugendlichen, die sich bei der Bundeswehr verpflichten, dies vor allem aus ökonomischen Gründen und weniger aus Überzeugung tut. Im Jahr 2003 konnten sich ca. 30% der männlichen Jugendlichen eine Verpflichtung bei der Bundeswehr vorstellen, wobei über die Hälfte davon angab, sie würden dies nur unter Umständen tun. Dieses »unter Umständen« erklärt sich daraus, dass 30% angaben, sie würden sich verpflichten, wenn sie keine Möglichkeit sehen würden, einen anderen Ausbildungsplatz zu bekommen. Über 70% der Jugendlichen, die Interesse am Soldatenberuf haben, geben an, sie würden vor allem aufgrund der Arbeitsplatzsicherheit zur Bundeswehr gehen, fast 60% nennen die guten Einkommensmöglichkeiten als Grund. Diejenigen, die sich nicht bei der Bundeswehr verpflichten wollen, geben im Gegenzug zu 90% als Grund an, sie könnten mit einem besseren Arbeitsplatz rechnen.23 Die Ergebnisse der Umfrage 2006 werden leider nicht mehr so eindeutig präsentiert. Dennoch kann der grafischen Darstellung der Ergebnisse dieselbe Tendenz entnommen werden. Leonhard fasst die Ergebnisse folgendermaßen zusammen: „Wer berufliche Alternativen hat, geht nicht zur Bundeswehr. [...] Wer über ausreichende berufliche Chancen verfügt, zieht die Möglichkeit, Soldat der Bundeswehr zu werden, gar nicht in Betracht.“ 24

Ein ähnliches Bild ergibt sich bei denjenigen, die sich verpflichten, um bei der Bundeswehr eine Ausbildung zu machen bzw. an einer Bundeswehr-Universität zu studieren. Eine Befragung von Studenten der Bundeswehr-Universitäten Hamburg und München aus dem Jahr 2002 kommt zum Ergebnis, dass fast 70% der Studenten den Beruf des Soldaten nicht gewählt hätten, wenn ihnen dadurch nicht ein Studium ermöglicht worden wäre.25 Leider gibt es zu diesem Thema keine neueren empirischen Daten. Jedoch kann davon ausgegangen werden, dass die Studiengebühren in mehreren Bundesländern diesen Trend zusätzlich verstärken. Die Bundeswehr wirbt inzwischen offensiv mit „Studieren ohne Gebühren, Studieren mit Gehalt - Studium bei der Bundeswehr“ 26 und das Studenten- und Schülermagazin Unicum warb 2006 mit dem Slogan „Sold statt Studiengebühren“ für das Studium an einer der Bundeswehr-Universitäten.

Von denjenigen, die sich verpflichten, um eine Ausbildung bei der Bundeswehr zu machen, waren 27% laut einer SOWI-Umfrage unter Unteroffizieren aus dem Jahr 2002 zuvor arbeitslos. Zudem, so die Untersuchung, könne man einen Zusammenhang feststellen, zwischen erlebter Arbeitslosigkeit und Verpflichtungszeit: „Wer vor der Bundeswehr arbeitslos war, neigte überrepräsentativ stark zu einer längeren Verpflichtungszeit.“ 27 In Hamburg waren Anfang 2007 von 328 Jugendlichen, die sich bei der Bundeswehr freiwillig verpflichteten, 107 zuvor arbeitslos gemeldet.28

Die Tatsache, dass sich junge Leute aus ökonomischen Gründen bzw. aufgrund fehlender Chancen verpflichten, lässt bereits vermuten, dass es sich größtenteils um Jugendliche aus ärmeren Familien und mit schlechteren Schulabschlüssen handelt. Allgemeine Daten über die soziale Herkunft von Zeitsoldaten stehen nicht zur Verfügung, wohl aber über diejenigen, die an einer Bundeswehr-Universität studieren. Die oben bereits erwähnte Studie der Bundeswehr-Universität Hamburg kommt zu dem Ergebnis, dass Studenten der Bundeswehr-Universitäten in München und Hamburg eher aus Familien mit geringerem Einkommen und Bildung stammen, als Studenten anderer Universitäten: „[...] der Offizierberuf [bietet] insbesondere für die Studenten aus den mittleren und niedrigen sozialen Herkunftsgruppen Chancen des Aufstiegs.“ 29 Die Befragung von Unteroffizieren im Jahr 2002 ergab, dass nur etwas mehr als 10% über die Fachhochschulreife oder Abitur verfügten.30 „Fasst man die vorliegenden Erkenntnisse zusammen, dann lässt sich sagen, dass die Bundeswehr als Arbeitgeber gegenwärtig in erster Linie für Haupt- und Realschüler mit oftmals geringen beruflichen Alternativen, die sich von der Armee Ausbildungs- bzw. Weiterbildungsmöglichkeiten versprechen, interessant ist. Demgegenüber nehmen viele Abiturienten die Streitkräfte als Beschäftigungsfeld erst gar nicht wahr“ 31, so Nina Leonhard in ihrer Untersuchung zu potenziellen Arbeitnehmern der Bundeswehr.

Es zeigt sich zudem, dass sich vor allem Jugendliche aus Ostdeutschland verpflichten und dann in erster Linie aus Regionen, in denen eine hohe Arbeitslosigkeit herrscht: „Unter den anderen Jugendlichen [die sich eine Verpflichtung bei der Bundeswehr vorstellen können] ist die Bundeswehr vor allem als Arbeit- und Ausbildungsgeber aufgrund der unsicheren Arbeitsmarktlage, der Sicherheit des Arbeitsplatzes und der Möglichkeiten der beruflichen Weiterbildung interessant. Während in Gebieten mit hoher Arbeitslosigkeit das Interesse am Soldatenberuf steigt, ist in Gegenden mit guter Arbeitsmarktlage mit Rekrutierungsproblemen zu rechnen.“ 32 Auch Heikenroths Umfrage unter Unteroffizieren zeigt, dass die Anzahl der Bewerbungen als Zeitsoldat eng mit der wirtschaftlichen Situation in der Region zusammenhängt. „In den norddeutschen und ostdeutschen Wehrbereichen und Bundesländern besitzt demnach die Bundeswehr - nicht zuletzt wegen der hohen Arbeitslosigkeit - weit größere Anziehungskraft als im wirtschaftlich prosperierenden Südwesten. Hier scheint zwar der Dienst in der Bundeswehr als durchaus vorstellbar, aber angesichts der vielfältigen beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten in der privaten Wirtschaft befindet sich die Bundeswehr in dieser Region in einem sehr ausgeprägten Konkurrenzverhältnis mit anderen potenziellen Arbeitgebern.“ 33

Die ARGEn als Rekrutierungshelfer

Der Druck auf jugendliche Arbeitslose wächst. Besonders von Bedeutung dürften dabei die Verschärfungen der Auflagen für unter 25jährige sein. Sie erhalten einen geringeren Hartz IV Satz als über 25jährige, die Miete für eine eigene Wohnung wird nicht mehr bezahlt und bereits bei einem einmaligen Verstoß gegen die Auflagen können den Jugendlichen alle Bezüge gekürzt werden. Der Druck für jugendliche Arbeitslose, jede Arbeit anzunehmen, ist demnach extrem hoch. Die so genannte Stallpflicht, also die Pflicht bei den Eltern zu wohnen, ist auch angesichts der Ergebnisse der Jugendumfrage von Bulmahn von Bedeutung, die schon 2003 ergab, dass 40% sich bei der Bundeswehr verpflichten würden, um endlich von zu Hause ausziehen zu können.34

Doch dieser Druck reicht noch nicht aus und so kooperiert die Bundeswehr mit den ARGEn auf vielfältige Weise. Die Zusammenarbeit reicht von der Werbung für den Soldatenberuf durch Mitarbeiter der ARGEn, der Bereitstellung von Räumen für Rekrutierungsveranstaltungen bis hin zu konkreten Kooperationsvereinbarungen mit der Bundeswehr.

Als Argumente für den Beruf des Soldaten werden in den unterschiedlichen Pressemitteilungen und Ankündigungen auf den Internetseiten der ARGEn die „hervorragenden Weiterbildungsmöglichkeiten“, die „Sicherheit des Arbeitsplatzes“ und das „hohe Gehalt“, aber auch die Entlastung des Ausbildungs- und Arbeitsmarktes genannt. Immer wieder werden Rekrutierungsveranstaltungen gemeinsam von Bundeswehr und Arbeitsagenturen organisiert: seien es die so genannten Girls-Days, Informationsveranstaltungen mit Wehrdienstberatern oder Veranstaltungen, bei denen unterschiedliche »Berufe in Uniform« vorgestellt werden, bei denen die Bundeswehr mit der Polizei, dem BGS oder dem Zoll um die Jugendlichen konkurriert.

Diese Form der Kooperation ist weit verbreitet. Unter dem Titel »Vorbilder mit sicherem Arbeitsplatz«, informiert die Agentur in Neuwied über die erfolgreiche Veranstaltung der Bundeswehr im Berufsinformationszentrum (BIZ). In der Presseerklärung heißt es: „In einer Zeit, in der es immer schwieriger wird, überhaupt eine interessante Lehrstelle zu finden, schätzen Jugendliche die vielfältigen Möglichkeiten, aber auch die Sicherheit [sic!], die ihnen hier geboten wird. [...] Früher mussten junge Leute erst mal schlucken, wenn sie erfuhren, dass ihre Ausbildung bei der Bundeswehr (BW) sie für mindestens acht, falls sie studieren wollten sogar für zwölf Jahren zu Soldaten machen würde. Doch die Zeit, in der diese Verpflichtung eine Hürde war, gehört längst der Vergangenheit an [...], erklärt Stabsfeldwebel und Wehrdienstberater Lothar Melms. "Wo in der freien Wirtschaft bekommt man heute schon eine solche Beschäftigungsgarantie?" [...].“ 35 Für eine Informationsveranstaltung in Leipzig warb die dortige Agentur: „In Sachsen-Anhalt und Thüringen waren Ende Dezember 2005 ca. 31.500 Jugendliche unter 25 Jahren arbeitslos, die über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügen. Für das Jahr 2006 hat die Bundeswehr einen erhöhten Bedarf zur Einstellung von Soldaten auf Zeit in der Laufbahn der Mannschaften. Die Einstellung als Soldat auf Zeit in der Laufbahn der Mannschaften bietet Jugendlichen einerseits für vier Jahre ein gesichertes Einkommen, erweitert ihre sozialen und beruflichen Kompetenzen und entlastet andererseits den Arbeitsmarkt.“ 36

Auch wenn das Anwerben von Jugendlichen für den Soldatenberuf in den Arbeitsagenturen (oder Arbeitsämtern) nicht unbedingt neu ist, so hat die Qualität und Quantität der Präsenz von Wehrdienstberatern in den ARGEn deutlich zugenommen. Bereits im September 2001 protestierten Bremer Arbeitslose gegen die Anwerbung von Arbeitslosen für Auslandseinsätze im Arbeitsamt. Der Vize-Chef des Arbeitsamtes reagierte mit Erstaunen auf die Proteste: Die Bundeswehr sei doch eine ganz normale Firma, mit der man zusammenarbeite.37 Spätestens seit 2006 sind die Auftritte der Rekrutierer in den ARGEn Normalität - wären da nicht die immer einfallsreicheren Aktionen gegen solche Veranstaltungen von Erwerbsloseninitiativen und antimilitaristischen Gruppen (siehe den Beitrag von Bundeswehr Wegtreten).

Vor allem in ostdeutschen Großstädten arbeiten die Agenturen eng mit der Bundeswehr zusammen. In Dessau finden nicht nur regelmäßig Informationsveranstaltungen (Talk im BIZ) statt. Im Januar 2008 veranstaltete die ARGE sogar eine ganze Bundeswehrwoche unter dem Motto »Entschieden gut - Gut entschieden« in ihren Räumlichkeiten. Eine ganze Woche lang hatten die Rekrutierer fast den ganzen Tag Zeit, arbeitslose Jugendliche abzufangen.38 Diese Bundeswehrwoche fand im Rahmen eines Kooperationsprogramms zwischen der Arbeitsagentur und der Bundeswehr innerhalb der Initiative »JUKAM - Junge Karriere Mitteldeutschland« statt. JUKAM ist eine privatwirtschaftliche Initiative zur »Behebung des Problems des Fachkräftemangels« und zur Senkung der Arbeitslosigkeit in Sachsen Anhalt: „Im April [2006] startete der Modellversuch in Sachsen-Anhalt und Thüringen zur Gewinnung arbeitsloser Jugendlicher als Soldat auf Zeit bei der Bundeswehr. Träger des Projekts sind die Regionaldirektion Sachsen-Anhalt-Thüringen der Bundesagentur für Arbeit, das Zentrum für Nachwuchsgewinnung OST der Bundeswehr, die Wehrbereichsverwaltung Ost und die Initiative JuKaM der bildungszentrum energie GmbH Halle/Saale.“ 39 Das Engagement der ARGE wird in der Einladung zur Messe folgendermaßen erklärt: „Intention der Kooperation ist es, arbeitslose Jugendliche für ein Engagement als Zeitsoldat zu interessieren. Im Agenturbezirk sind derzeit rund 2.000 Jugendliche unter 25 Jahre arbeitslos. Die Bundeswehr hingegen bietet freie Stellen [...].“ 40

Auch in Leipzig arbeiten ARGE und Bundeswehr zur beiderseitigen Zufriedenheit eng zusammen. Beide Seiten freuen sich über die „hervorragende Zusammenarbeit“. Die hohen Anwerbezahlen von Zeitsoldaten über die Arbeitsagenturen seien „ein gutes Zeichen für die Motivation von jungen Arbeitslosen in der Region auch nichtalltägliche Chancen bei der Suche nach einer neuen Arbeit zu ergreifen und auch ein prima Beispiel für die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Bundeswehr und Arbeitsagentur“, so der Leiter der Arbeitsagentur in Leipzig im Mai 2005.41

Diese »hervorragende Kooperation« wurde im November 2007 noch erweitert, indem ein Kooperationsvertrag geschlossen wurde. Ziel der Kooperation ist die „Unterstützung der Bundeswehr bei der passgenauen Besetzung offener Stellen für Zeitsoldaten.“ 42 Die Kooperation besteht darin, dass die Bundeswehr die Möglichkeit erhält, in den Räumen der ARGE und des Berufsinformationszentrums zu rekrutieren und die Jugendlichen über die ARGE auf die Veranstaltungen hingewiesen werden. Damit die Mitarbeiter der ARGE auch überzeugend für den Beruf des Soldaten werben können, werden sie direkt in Bundeswehreinrichtungen auf die Beratungsgespräche mit jugendlichen Arbeitslosen vorbereitet. In der Presseerklärung der ARGE Leipzig zu dieser Kooperation heißt es: „Zum einen hat die Bundeswehr weiterhin einen hohen Bedarf zur Einstellung von Soldaten. Diesen Bedarf soll auch die Kooperation mit der ARGE Leipzig decken, denn viele junge Menschen werden erstmals im Zusammenhang mit ihrer Arbeitslosigkeit auf den Arbeitgeber Bundeswehr aufmerksam. [...] Die Bundeswehr hat jährlich einen strukturellen Ergänzungsbedarf von ca. 22.000 Soldatinnen und Soldaten. [...] In der Stadt Leipzig waren zum Oktober 2007 ca. 4.900 junge Menschen unter 25 Jahren arbeitslos gemeldet.“ 43

Eine Kleine Anfrage und eine anschließende schriftliche Nachfrage der Linksfraktion im Bundestag im Februar und April 2008 hat ergeben, dass die Bundeswehr in elf ARGEn dauerhafte Büros unterhält. In 204 ARGEn finden regelmäßig Rekrutierungsveranstaltungen der Bundeswehr statt.44 (siehe Kasten auf Seite ) Es zeigt sich, dass die Zusammenarbeit zwischen ARGEn und Bundeswehr trotz massiver Kritik an dieser Praxis weiter ausgebaut wird. Die Büros der Bundeswehr befinden sich vor allem in Städten mit einer überdurchschnittlich hohen Arbeitslosenquote.45

Arbeitslosen Jugendlichen drohen Leistungskürzungen, wenn sie nicht an den Rekrutierungsveranstaltungen der Bundeswehr teilnehmen. So äußerte sich der Sprecher der ARGE Leipzig Ronny Schleicher in der Dresdner Morgenpost Ende 2007 folgendermaßen: „Ein Angebot für einen Job beim Bund werten wir als normale Wiedereingliederungshilfe. Allerdings werden wir in jedem Einzelfall prüfen, ob das Angebot zumutbar war und somit Sanktionen fällig werden.“ 46 Zudem sind Bundeswehr-Wegtreten Fälle bekannt, bei denen jugendliche Arbeitslose unter Sanktionsandrohungen zur Teilnahme an BW-Werbeveranstaltungen verpflichtet wurden. Dennoch wurde die Nachfrage nach einer solchen Praxis sowohl in einer kleinen Anfrage im sächsischen Landtag als auch in der bereits erwähnten Anfrage im Bundestag verneint. Jugendliche, die den Wehrdienst verweigern, können jedoch keinesfalls zu der Teilnahme an derartigen Veranstaltungen gezwungen werden.

Unabhängig davon, ob die Jugendlichen tatsächlich formal dazu gezwungen werden, an den Rekrutierungsveranstaltungen in den ARGEn teilzunehmen, ein faktischer Zwang besteht dennoch. Er wird durch die Kürzung von Sozialleistungen vor allem im Rahmen der so genannten U25-Maßnahmen, den Druck durch die Gesellschaft und wahrscheinlich auch ihrer Familien (Stichwort: Stallpflicht) sowie das eigene Gefühl der Perspektivlosigkeit erzeugt.

Das Berufsrisiko: Auslandseinsatz

Der Beruf des Soldaten ist jedoch kein normaler Job. Wer sich verpflichtet, erklärt sich auch bereit, an Auslandseinsätzen teilzunehmen. Der Wehrdienstberater der Bundeswehr in Neuwied, Lothar Melms, wies bei einer Werbeveranstaltung der Bundeswehr auf die Schattenseiten des Soldatenberufs hin: „Wer Soldat werden will, der muss mobil sein. Und das nicht nur innerhalb Deutschlands - zunehmend wird der Dienst auch im Ausland geleistet.“ 47 Selbst der Einsatz von Waffen und des eigenen Lebens soll den Jugendlichen positiv verkauft werden: Die Gefahren, die sie am eigenen Leibe erfahren und die hohe psychische Belastung seien später positiv bei der Suche nach einem Arbeitsplatz bei zivilen Unternehmen. So ist auf der Homepage des Magazins der Bundeswehr Y zu lesen:

„[die Soldaten] sind auch hohem psychischen Druck ausgesetzt, denn im Einsatz geht es um das eigene Leben. ‚Mehr noch als Berufstätige in der Wirtschaft, wo Entlassung, Mobbing und Reorganisation, persönliche Krisen und Leistungsdruck die Berufstätigen heutzutage belasten", sagt [die Psychologin] Simone Petersen und bringt es auf den Punkt: ‚Das verschafft den ehemaligen Soldaten einen Wettbewerbsvorteil auf dem Arbeitsmarkt von großem Wert."“ 48

Dies ist zynisch. Bis heute sind fast 70 Bundeswehrsoldaten bei Auslandseinsätzen gestorben, viele kehren mit psychischen Problemen und teilweise schweren physischen Verletzungen nach Deutschland zurück. Der Wehrbeauftragte der Bundesregierung schreibt dazu: „Nach aktuellen Erkenntnissen hat sich die Zahl der an posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) erkrankten Soldatinnen und Soldaten seit dem Jahr 2003 nahezu verdreifacht.“ 49 Bisher wurden offiziell insgesamt ca. 1.700 Soldaten wegen psychischer Erkrankungen in Bundeswehreinrichtungen behandelt, etwa 700 Soldaten davon mit PTBS. Die Dunkelziffer ist in diesem Bereich sehr hoch: Der Chef des Deutschen Bundeswehrverbandes wies darauf hin, „dass viele Soldaten ihre Probleme nicht vor den Kameraden oder der Familie zu Hause zugeben wollen, um nicht als ‚Weicheier" dazustehen. Ein Soldat habe eben ‚hart zu sein."“ 50 Inzwischen mehren sich auch die Klagen von Soldaten, die im Auslandseinsatz waren, sie würden mit ihren physischen und psychischen Problemen weitgehend alleine gelassen.51

Nicht zu vergessen ist, dass der Beruf des Soldaten schon alleine deshalb kein normaler Job ist, wie es Bundeswehr, Bundesregierung und ARGEn immer wieder betonen, weil man als Soldat das Töten lernt und damit rechnen muss getötet zu werden. Dass die Bundesregierung in diesem Zusammenhang leider dennoch keinerlei Probleme hat, die Perspektivlosigkeit Jugendlicher über die Kooperation zwischen der Bundeswehr und den ARGEn auszunutzen und damit für benachteiligte Gruppen faktisch einen Zwang zu erzeugen, sich für die Truppe zu verpflichten, zeigen ihre Antworten auf diverse Anfragen.

Anmerkungen

1) Der Soldaten-Job hat an Attraktivität eingebüßt, Berliner Zeitung, 27.05.2000.

2) Bundeswehr verzeichnet Zulauf wegen Arbeitslosigkeit, Stern, 10.06.2005.

3) Bundeswehr wird zum Heer der Arbeitslosen, Berliner Zeitung, 03.01.2006.

4) Nachwuchssorgen bei der Bundeswehr, Stern, 17.04.2006.

5) Bundeswehr gehen die Rekruten aus, Tagesschau, 15.05.2007, URL: http://www.tagesschau.de/inland/meldung31456.html

6) Bundeswehr im Wettbewerb: Soldaten gesucht, FAZ, 29.04.2008.

7) Wie die FAZ auf diese Anzahl der Elitesoldaten kommt, ist unklar. Für das KSK sind nicht 394, sondern ca. 1.000 Spezialkräfte vorgesehen. Vgl. Mut nicht verlieren, in: Y-Magazin der Bundeswehr, Februar 2007, S.46.

8) Bundeswehr im Wettbewerb: Soldaten gesucht, FAZ, 29.04.2008.

9) Bulmahn, Thomas (2007): Berufswahl Jugendlicher und Interesse an einer Berufstätigkeit bei der Bundeswehr. Ergebnisse der Jugendstudie des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr. Forschungsbericht 81, Straussberg, S.16.

10) Bulmahn, Thomas (2004): Berufswunsch Soldat, in: Sowi-News April 2004, S.4.

11) Der Preis der Freiheit und der Sicherheit, FAZ.net, 16.10.2007.

12) Mehrheit gegen Tornados in Afghanistan, Spiegel Online, 06.04.2007.

13) Umfrage: Mehrheit der Deutschen gegen Mission, Kölner Stadtanzeiger, 13.09.2006.

14) Mehrheit der Deutschen lehnt Bundeswehreinsatz ab, Die Welt, 02.06.2006.

15) Bulmahn, Thomas u.a. (2008): Sicherheits- und Verteidigungspolitisches Meinungsklima in der Bundesrepublik Deutschland, SOWI-Forschungsbericht Nr. 84, April 2008, S.125.

16) Kongo Mission: Noch nie soviel Ablehnung, N24, 17.05.2006.

17) Marischka, Christoph (2006): Den Kopf hinhalten. Für wen deutsche Soldaten unter anderem an den Congo gehen, in: Ausdruck (Juni 2006), S.15-16.

18) Umfrage beim Bundeswehrverband: Alarmierendes Stimmungsbild der Streitkräfte, in: Tagesschau, 26.04.2007, URL: http://www.tagesschau.de/inland/meldung36700.html

19) Bulmahn 2007, S.76.

20) 1: besonders ausgeprägt, 7: ungenügend ausgeprägt; Bericht des Wehrbeauftragten 2006, S.35., BT-DS 16/4700, URL: http://dip.bundestag.de/btd/16/047/1604700.pdf

21) Wir sind lieber Soldaten als arbeitslos, Hamburger Abendblatt, 06.02.2007.

22) Leonhard, Nina (2005): Soldat: Beruf oder Berufung?, in: Leonhard, Nina/Werkner, Ines-Jaqueline (Hrsg.): Militärsoziologie - Eine Einführung, Wiesbaden, S.254.

23) Bulmahn 2004.

24) Leonhard 2005, S.260.

25) Posner, Christine (2004): Untersuchung der Studenten der Helmut-Schmidt-Universität und der Universität der Bundeswehr München; Erhebung und Datengrundlage; Regionale und soziale Herkunft, Berufswahl, Helmut Schmidt Universität Hamburg, S.11.

26) Presseinfo der Bundesagentur für Arbeit Düsseldorf, 22.10.07, URL: http://tinyurl.com/4gwdh2

27) Heikenroth, André u.a. (2002): Unteroffizier und ziviler Beruf, Strausberg, S.26.

28) Wir sind lieber Soldaten als arbeitslos, Hamburger Abendblatt 06.02.2007.

29) Posner 2004, S.6.

30) Heikenroth 2002, S.26.

31) Leonhard 2005, S.260f.

32) Apelt, Maja (2002): Die Integration der Frauen in der Bundeswehr ist abgeschlossen, Soziale Welt, Nr. 3/2002, S.325-344.

33) Heikenroth (2000): Wer will zur Bundeswehr? Eine Potenzialanalyse, Strausberg, S.39.

34) Bulmahn 2004.

35) Vorbilder mit sicherem Arbeitsplatz, Pressemitteilung der Bundesagentur für Arbeit, 25.02.2005.

36) Soldat auf Zeit. Eine Informationsveranstaltung für arbeitslose Jugendliche aus Sachsen-Anhalt, Pressemitteilung der Bundesagentur für Arbeit, 10.05.2006.

37) Krieg als »Vertrauenssache«, URL: http://www.also-zentrum.de/archiv/publik/quer/2001quer/6_war.htm

38) Bundeswehrwoche in der Arbeitsagentur, Pressemitteilung der Arbeitsagentur Dessau, URL: http://tinyurl.com/4x8xkk

39) Bundeswehr kooperiert mit Wirtschaft, in: mdw, März/April 2006.

40) Eine berufliche Zukunft bei der Bundeswehr, Pressemitteilung der Bundesagentur für Arbeit vom 23.01.2008.

41) Bundeswehr sucht Soldaten auf Zeit - Bewerbungsaktion erfolgreich, Pressemitteilung der Bundesagentur für Arbeit, 25.07.2005.

42) Antwort auf die Anfrage der Linksfraktion im Sächsischen Landtag vom 21.01.2008. Drucksache: 04/10762.

43) Presseinfo der ARGE Leipzig (30.11.2007): ARGE + Bundeswehr = Job, URL: http://tinyurl.com/4qtxcd

44) Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Linksfraktion: Zusammenarbeit zwischen Bundesagentur für Arbeit, Arbeitsgemeinschaften und Bundeswehr, BT-DS 16/8285, URL: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/082/1608285.pdf; Antwort auf schriftliche Anfragen vom 18.04.2008, BT-DS 16/8842, URL: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/088/1608842.pdf

45) Die Antwort auf die schriftliche Frage von Inge Höger enthält eine Liste der Städte, in denen die Bundeswehr Büros in den ARGEn angemietet haben und in denen regelmäßig Sprechstunden der Wehrberater stattfinden.

46) Ab in den Krieg, sonst wird die Stütze gekürzt, in: Morgenpost am Sonntag, 16.12.2007.

47) Vorbilder mit sicherem Arbeitsplatz, Pressemitteilung der Bundesagentur für Arbeit, 25.02.2005.

48) Kompetent - Kampf an neuer Front, URL: http://tinyurl.com/5yubzj

49) Bericht der Wehrbeauftragten 2006, S.42.

50) Bundeswehr befürchtet Anstieg Posttraumatischer Störungen bei Soldaten, URL: www.ngo-online.de/ganze_nachricht.php?Nr=16900

51) Kriegstrauma, ZDF Mona Lisa, 18.11.2007.

Jonna Schürkes ist Mitarbeiterin der Tübinger Informationsstelle Militarisierung. Sie betreut dort ein Projekt zur Herstellung alternativer Unterrichtsmaterialien.

In Zeiten von Jugendarbeitslosigkeit und »Hartz IV«:

PR-Strategien der Bundeswehr

von Heiko Humburg

Derzeit tun 50.000 Wehrpflichtige, 58.000 Berufssoldaten und 131.000 Zeitsoldaten ihren Dienst, die sich zwischen vier und zwölf Jahre verpflichtet haben. Da in den nächsten Jahren die geburtenschwachen Jahrgänge vor der Tür stehen und die Attraktivität des Soldatenberufs rapide sinkt, steht die Bundeswehr vor erheblichen Rekrutierungsproblemen (siehe den Beitrag von Jonna Schürkes). Deshalb lautet das Fazit: Verstärkte Werbung für die Truppe ist nötig. Das Konzept der Armee sieht den Besuch von Jugendoffizieren an Schulen und die Einflussnahme auf Unterrichtsinhalte ebenso vor, wie die Teilnahme an Jugendmessen oder die Durchführung von Talentshows und sportlichen Wettkämpfen. Die Bundeswehr bedient sich bei ihrer Einflussarbeit professioneller Apparate aus Forschern und PR-Experten, aber auch »unabhängiger« Journalisten, Fernsehstationen, diverser staatlicher und halbstaatlicher Stellen sowie Städten und Kommunen. Dabei geht es allgemein gesprochen um Deutungshoheit über die Auslands- und Kriegseinsätze der Bundeswehr, um ein »normales«, positives Image der Streitkräfte und im Speziellen um Nachwuchswerbung, also um Rekrutierung für aktuelle und künftige Kampfeinsätze in aller Welt.

Verstärkte Werbung an Schulen

Wir brauchen alternative Unterrichtsmaterialien!

Aufgrund der suggestiven und einseitigen Art der Unterrichtsmaterialien »Frieden und Sicherheit« hat die Informationsstelle Militarisierung begonnen, alternative Unterrichtsmaterialien zu erarbeiten, die online kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Zielgruppe sind Schüler und Lehrer der gymnasialen Oberstufe und der Erwachsenenbildung. Geplant sind Arbeitsblätter zu unterschiedlichen Themen der Außen- und Sicherheitspolitik Deutschlands und der EU, Materialien für Lehrer zu einzelnen Themen sowie eine Referentenliste. Die Unterrichtsmaterialien können unabhängig, aber auch zusammen mit den Materialen »Frieden und Sicherheit« eingesetzt werden.

Die Informationsstelle Militarisierung würde sich freuen, wenn sich Lehrer bereit erklären würden, die Materialien im Unterricht zu testen und Verbesserungsvorschläge zu machen. Auch ist sie an Informationen interessiert, wann und wo Jugendoffiziere an Schulen auftreten, um ein vollständigeres Bild über deren Aktivitäten zu erhalten.

Kontakt: imi@imi-online.de

Die Werbung setzt immer häufiger bereits in der Schule an. Die Methoden der Bundeswehr variieren zwischen indirekter Beeinflussung von Schülerinnen und Schülern durch Einflussnahme auf Unterrichtsmaterialien und Schulbücher und direkten Kontakten zwischen Bundeswehrangehörigen und Jugendlichen.

Im Internet stellt das Portal www.frieden-und-sicherheit.de „ein Informationsangebot für junge Leute von 15 bis 20 Jahren sowie für den Unterricht in der Sekundarstufe II und den oberen Klassen der Sekundarstufe I (Klassen 9/10)“ zur Verfügung. Es wird von dem vorgeblich privaten Verein Arbeitsgemeinschaft Jugend und Bildung betrieben und unterliegt der „fachlichen Beratung“ durch das Verteidigungsministerium.1 Diese Materialien sind bereits so aufbereitet, dass den Lehrerinnen und Lehrern damit die Unterrichtsvorbereitung abgenommen wird - so soll sichergestellt werden, dass die von der Bundeswehr gewünschten Inhalte weitgehend unbesehen übernommen werden. Die Unterrichtsmaterialien umfassen ein Heft für den Unterricht (Schülerheft und Lehrerbegleitheft) und Arbeitsblätter, die als Ergänzung zum Schülerheft, aber auch unabhängig als Einzelblätter verwendet werden können. Vorgesehen ist jedoch, ganze Unterrichtssequenzen an den Materialien auszurichten, nicht nur für den Politik/Gemeinschaftskundeunterricht, sondern auch für Religion, Ethik, Geschichte und Geografie.2

Das Arbeitsblatt »Die Bundeswehr im Auslandseinsatz«3 zeigt eine Weltkarte mit den Einsatzorten der Bundeswehr. Die Schüler sollen dann auf den Bundeswehr-Internetseiten die Hintergründe der Einsätze recherchieren. Überschrieben sind die Seiten, auf denen die SchülerInnen recherchieren sollen, mit »Wege zum Frieden«, »Verantwortung tragen« sowie »Frieden schaffen«. Andere Arbeitsblätter beschäftigen sich mit den Themen »Eine Truppe für Europa« oder dem »Weißbuch« der Bundeswehr4, das bekanntlich globale Militäreinsätze zur Sicherung vermeintlich deutscher Interessen vorsieht. Darin haben SchülerInnen dann Multiple-Choice Fragen zu beantworten. Eine Arbeitsfrage lautet beispielsweise: „Das Weißbuch der Bundeswehr heißt Weißbuch, weil a) ...die Farbe weiß für den Frieden steht. b) ...es einen weißen Umschlag hat. c) ...darin so viele Weisheiten niedergeschrieben sind.“

Die Materialien sind aber keineswegs alle plump, ganz im Gegenteil. Ein »Klassiker« der Bundeswehr-Unterrichtsmaterialien ist die Hochglanz-Broschüre »Frieden und Sicherheit«.5 Für Lehrer gibt es eine Extra-Ausgabe mit Tipps und Tricks zur Planung und Leitung des Unterrichts mit dem Material.6

Die Unterrichtsmaterialien sind sehr gut aufbereitet, weshalb die konkrete Kritik an einzelnen Arbeitsblättern schwer fällt. Es wird suggeriert, dass die Materialien eine Diskussion herausfordern würden, indem verschiedene Meinungen genannt werden und die Diskussion in der Gesellschaft um den Sinn und Zweck der Bundeswehr und ihrer Einsätze im In- und Ausland aufgegriffen würden. Dies mag auf den ersten Blick zutreffen, bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass hier sehr suggestiv vorgegangen wird. Systematisch wird die emotionale Betroffenheit von Kindern und Jugendlichen als Ansatzpunkt für die Vermittlung militaristischer Inhalte genutzt: „Wenn in der Gesellschaft die Angst vor terroristischen Anschlägen zunimmt, dann trifft dies auch Jugendliche. Die Schüler sollten wissen, dass das Verbreiten von Furcht und Schrecken eines der Ziele von Terrorismus ist und dass das ‚Kopf in den Sand stecken" und Lähmung keine Lösungen sein können.“ 7

Stets wird suggeriert, Auslandseinsätze dienten zum einen dem Schutz der deutschen Bevölkerung vor terroristischen Angriffen und zum anderen der Durchführung humanitärer Aktionen. Dies führt zu der absurden Aussage im Begleitheft: „Aus dem ‚Soldaten für den Frieden", dem ‚Staatsbürger in Uniform", der zu Zeiten des ‚Kalten Krieges" zur Landesverteidigung bereitstand, ist ein ‚Soldat für den Weltfrieden", ein ‚Weltbürger in Uniform" geworden, der in entfernten Regionen und Erdteilen zum Einsatz kommt.“ 8

Neben dem schüren von Angst und der Ausnutzung von Emotionen werden in den Unterrichtsmaterialien höchst umstrittene Konzepte als wertfreie Realitäten dargestellt. Dies gilt vor allem für die Konzepte der »Neuen Kriege«, der »Vernetzten Sicherheit«, der »Zivilmilitärischen Zusammenarbeit (CIMIC)« und des »erweiterten Sicherheitsbegriffs«. Es wird nicht erwähnt, dass zahlreiche WissenschaftlerInnen und PolitikerInnen bereits den Grundannahmen widersprechen, auf denen diese angeblich unumstrittenen und wertfreien Konzepte aufbauen.

Auch die Auswahl von Texten und Links zur weiteren Recherche ist extrem einseitig und die Bewertung der Sachverhalte wird durch die Form der Fragestellung bereits vorgegeben. So zum Beispiel im Arbeitsblatt »Hilfe für Menschen in Not«9, in dem die Bundeswehr in einem Atemzug mit dem Internationalen Roten Kreuz und Amnesty International als Hilfsorganisation dargestellt wird. Zum höchst umstrittenen CIMIC-Konzept wird die Aufgabe gestellt: „Lesen Sie den CIMIC-Text, und erklären Sie in eigenen Worten, warum eine Zusammenarbeit zwischen Bundeswehr und Hilfsorganisationen in Krisengebieten wichtig ist. Wieso können sie einander nicht ersetzen?“ Die Kritik von Hilfsorganisationen ob der Vereinnahmung durch das Militär wird mit der Frage abgebügelt: „Warum empfinden manche Hilfsorganisationen die Bundeswehr als Konkurrenz?“ Diese Frage suggeriert, dass es den Hilfsorganisationen nur um die eigene Stellung geht und nicht um eine grundsätzliche Kritik an den Verflechtungen zwischen ziviler Hilfe und Militäreinsatz.

Dass mit den Unterrichtsmaterialien keine offene Diskussion über den Sinn und Zweck der Bundeswehr verfolgt wird, wird auch deutlich, wenn man die im Lehrerheft genannten Unterrichtsziele betrachtet. Darin heißt es u.a.: „Die Schülerinnen und Schüler sollen [...] erkennen, dass für die gegenwärtige Friedens- und Sicherheitspolitik bei der fortgeschrittenen Globalisierung ein System globaler kooperativer Sicherheit erforderlich ist und weiterentwickelt werden muss, [sie sollen] am Beispiel aktueller Auslandseinsätze der Bundeswehr deren friedenssichernde Rolle beurteilen.“ 10

Äußerst einseitig wird auch die Wahrnehmung der Bundeswehr durch Soldaten und Soldatinnen dargestellt. Im Schülerheft werden unter dem Titel »Warum wir Soldaten brauchen«11 Statements von Soldatinnen und Soldaten über ihren Beruf wiedergegeben. Es handelt sich um vier Aussagen, die alle ihren Job als erfüllend beschreiben und sich positiv über die Auslandseinsätze äußern. In keinem der Zitate ist auch nur ein Hauch von Kritik zu hören. Die Umfrage des Bundeswehrverbandes, nach dem 70% der Soldaten ihren Freunden und Verwandten vom Dienst bei der Bundeswehr abraten würden12, wird ebenso ignoriert, wie die Tatsache, dass viele Soldatinnen und Soldaten nach Auslandseinsätzen Probleme haben (siehe den Beitrag von Jonna Schürkes).

Abgesehen davon wird sowohl in den Arbeitsblättern als auch im Schülerheft alleine durch die Wortwahl die Bewertung der dargestellten Sachverhalte enorm beeinflusst. Handelt es sich um Kriege, die von Europa oder den USA ausgehen, so sind es „friedensschaffende Maßnahmen“ oder „humanitäre Einsätze“. Handelt es sich um Kriege in anderen Teilen der Welt, so wird von Bürgerkriegen, Terror und Völkermord gesprochen. Besonders haarsträubende Aussagen, wie die „gewaltsame Herstellung friedlicher Zustände“ 13 werden vorsorglich in Anführungszeichen gesetzt.

Die Beratung zur Herstellung der Unterrichtsmaterialien kostet das Verteidigungsministerium jährlich 223.000 Euro. Für die Jahre 2008/09 sind jährlich 330.000 Euro vorgesehen, da ein neues Schülerheft erstellt werden soll. Die Materialien werden erschreckend häufig im Unterricht verwendet: „In 2007 sind von den Schulen mehr als 325.000 Schüler- und über 16.000 Lehrerhefte für den Unterricht bestellt worden.“ 14

In der Lehrerausgabe des Heftes wird darauf verwiesen, dass das Erreichen der Lernebene des „beurteilen, abwägen, Bereitschaft entwickeln“ leichter durch das eigene Erleben einer Bundeswehreinrichtung oder im Gespräch mit einem Jugendoffizier erreicht werden kann als ohne diese »Angebote«.15 Dass dieser Appell fruchtet, zeigen aktuelle Beispiele: Im Januar 2008 brachte eine Deutschlehrerin 34 SchülerInnen aus Torgau und Delitzsch in Sachsen für vier Tage für ein Planspiel der Bundeswehr zu zwei Jugendoffizieren auf das Schloss Weidenberg bei Nürnberg. In Bremen fand eine ebenfalls viertägige Veranstaltung für SchülerInnen aus Hamburg-Bergedorf gleich in der Kaserne statt.16

Bundesweit koordiniert erfolgen die Einladungen an Schülerinnen in Bundeswehreinrichtungen durch das Bundesverteidigungsministerium am »Girls" Day«. Der Girls" Day, der seit 2001 jährlich vom Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit e.V. aus Bielefeld durchgeführt wird, geht auf eine Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung sowie des Familienministeriums zurück. Beteiligt sind neben der Bundeswehr der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), die Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), die Bundesagentur für Arbeit (BA), der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) und der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Fördermittel kommen unter anderem vom Europäischen Sozialfonds.17 Wie die Bundeswehr mitteilt, geht es ihr darum, „Schülerinnen für den ‚Arbeitgeber Bundeswehr" zu interessieren und darauf aufmerksam zu machen, dass der Beruf des Soldaten keine reine Männersache ist.“ Mit Veranstaltungen am Girls" Day, heißt es weiter, könne „der fehlend qualifizierte Nachwuchs, der so dringend gebraucht wird, [...] leichter angeworben werden.“ Insbesondere technische Fachkräfte sollen unter jungen Frauen rekrutiert werden, denn sie hätten inzwischen in allen Schulstufen die besseren Abschlüsse aufzuweisen.18 Im Jahr 2006 hatten sich insgesamt 135 Dienststellen der Bundeswehr am Girls" Day beteiligt und ihr Angebot mehr als 6.200 jungen Frauen aus dem gesamten Bundesgebiet präsentiert.19 Zahlreiche Militärveranstaltungen im Rahmen des »Mädchen-Zukunftstages« fanden in Kooperation mit den Arbeitsagenturen und in deren Räumlichkeiten statt.

Jugendoffiziere an Schulen

Ein wichtiges Instrument ihrer Nachwuchswerbung ist für die Jugendoffiziere an den Schulen das Strategiespiel POLIS (Politik und Internationale Sicherheit). Dabei handelt es sich um eine Simulation für Schüler ab der 10. Klasse, bei der anhand konkreter Beispiele weltweite Ressourcenverteilungskonflikte und Interventionsszenarien durchgespielt werden - Atomwaffeneinsatz inklusive. Lehrer und betriebliche Ausbilder können POLIS-Seminare im Rahmen von Klassenfahrten kostenlos buchen; unter der Anleitung von Jugendoffizieren wird dann mehrere Tage meist in Kasernen geübt.20 POLIS wurde 2004 insgesamt 378 mal für jeweils 30 bis 50 Schüler gebucht.

Wie ein solches Strategiespiel abläuft, beschreibt anschaulich ein Artikel in der ZEIT vom April 2003. Es wird beschrieben, wie Schüler, die sich vor Beginn des Spiels gegen jede Form von Krieg aussprachen, Krieg führen. Dass „[...] gerade friedensbewegte Schüler aufgerüstet hätten, sei ein ‚Element der Orientierung" an der Realität“, so Wolfgang Sting, Professor für Theaterpädagogik an der Universität Hamburg. Und auch der Jugendoffizier Christian Rump, „ist von der Kriegsstimmung der Schüler nicht überrascht. ‚Es gibt immer welche, die vorletzte Woche noch bei der Hand-in-Hand-Lichterkette mitgemacht haben und jetzt Krieg führen wollen", sagt der 28-Jährige, ‚viele denken plötzlich, Stärke und Gewalt sind die besten Mittel." Rump spricht davon, wie sehr die Medien gegen den [Irak-]Krieg Stimmung machten und die Schüler beeinflussten. Wenn die Schüler im Spiel aber Verantwortung trügen, setzten sie oft selbst das Militär ein.“ 21 Zusammengefasst: Das Strategiespiel POLIS treibt den Schülern die Flausen von Lichterketten und Friedensbewegung aus und soll sie mit der Realität und Alternativlosigkeit des Krieges bekannt machen.

Derzeit gibt es knapp 100 haupt- und weit über 300 nebenamtliche Jugendoffiziere. Allein im Jahr 2005 führten die Jugendoffiziere fast 8.000 Einsätze durch und erreichten knapp 181.000 Menschen. Mit über 160.000 erreichten Schülerinnen und Schülern liegt der Schwerpunkt eindeutig im schulischen Bereich. Im Vergleich zum Jahr 2004 stieg damit die Zahl der Einsätze um über 9,8% an.22 In den meisten Bundesländern gibt es kultusministerielle Erlasse und Weisungen, welche die Einbindung von Jugendoffizieren in den Schulunterricht ausdrücklich befürworten. Die Bundeswehr arbeitet bei ihren Auftritten in Schulen nach eigener Aussage eng mit der Lehrerschaft zusammen. Die Jugendoffiziere berichten: „In fast allen Betreuungsbereichen gestaltete sich dieses Miteinander vertrauensvoll, kooperativ und effektiv. Die Lehrer, mit denen die Jugendoffiziere in Kontakt stehen oder kommen, sind der Bundeswehr fast ausnahmslos positiv und offen gegenüber eingestellt. Dabei sind erfreulich viele jüngere Pädagoginnen und Pädagogen.“ 23 Dennoch ist die Bundeswehr mit der Zahl der Einladungen von Jugendoffizieren an Schulen keineswegs zufrieden. Ein Bundeswehr-PR-Experte beklagt, dass die kultusministeriellen Empfehlungen den Lehrern als End-Entscheidern einen so großen Spielraum ließen, dass diese letztendlich selbst festlegen, in welchem Maß die Bundeswehr im Unterricht behandelt und ob Jugendoffiziere hinzugezogen würden. Für die Zukunft wird deshalb angestrebt, dies verbindlicher zu regeln.24

Im Handbuch der Jugendoffiziere, herausgegeben von der Akademie für Information und Kommunikation (AIK)25, wird als Aufgabe beschrieben, dass Jugendoffiziere in „Kernfragen des militärischen Auftrages keine von den Vorgaben des Bundesministeriums für Verteidigung abweichenden Auffassungen“ vertreten dürfen. Das bedeutet also, dass sie dazu verpflichtet werden, immer streng die Position der Regierung und der Armeeführung wiederzugeben und für sie zu werben. In der Arbeit der Jugendoffiziere geht es um Überzeugungsarbeit, nicht, wie so oft betont, um Dialog und Information. Diese sind eher Mittel zum Zweck. Jugendoffiziere heißen nicht nur so, weil sie Jugendliche im Sinne der Bundeswehr beeinflussen wollen und sollen, sondern auch, weil sie selber noch jung sind, meist zwischen 27 und 32 Jahren. Für diesen »Fronteinsatz« (dieser Begriff wird auch von Jugendoffizieren selbst verwendet) ist nicht jede Person geeignet.

„Den Jugendoffizier muss Wendigkeit, Begeisterungsfähigkeit, Redegewandtheit, politisches Interesse und Freude an der Jugendarbeit auszeichnen“, heißt es in dem Handbuch für Jugendoffiziere des Verteidigungsministeriums.26 „Er soll von seinem Auftreten her frisch und jugendlich, kann sogar noch etwas jungenhaft wirken. Er muss redegewandt, schlagfertig und mit einer Portion Humor begabt sein. Er soll ein Mensch sein, zu dem man gern Kontakt sucht und der seinerseits leicht Kontakt findet. Auch soll er ein ausgeprägtes Interesse am politischen und sonstigen Tagesgeschehen haben.“ 27

Wer hauptamtlicher Jugendoffizier werden will, muss vom Notenschnitt im oberen Drittel seines Jahrgangs gewesen sein, über ein abgeschlossenes Universitätsstudium verfügen, eine Empfehlung der Bundeswehr-Akademie für Information und Kommunikation (AIK, früher: Amt für Psychologische Kriegführung) vorweisen können, nach dem Studium ausreichend lang in der Truppe gedient haben und mindestens drei Jahre lang für diese Rolle zur Verfügung stehen. Alle Soldaten, die Jugendoffiziere werden sollen, absolvieren einen Intensivkurs. Dabei geht es um drei große Bereiche:

Rhetorik - d. h. es werden Verhaltens- und Argumentationsweisen gelehrt

Politische Bildung/Sicherheitspolitik - d. h. inhaltliche Schulung zu strittigen Bundeswehrthemen

Informationen über die Jugendlichen - d. h. Einstellungen der Jugendlichen, Verhaltensweisen, Interessen usw.

Das Auftreten der Jugendoffiziere ist natürlich je nach Eignung und persönlichen Voraussetzungen mehr oder weniger qualifiziert und geschickt. Letztlich arbeiten aber alle mit den Mitteln und Methoden, die ihnen in der psychologischen Ausbildung vermittelt wurden. Das macht die Jugendoffiziere bis zu einem gewissen Maß berechenbar.

Tatsächlich vertreten sie fast nie einen eigenen Standpunkt, obwohl sie gelegentlich versuchen diesen Eindruck zu erwecken. Jugendoffiziere sind stark bemüht, das bei Jugendlichen vorhandene Bild eines Militaristen zu konterkarieren: Mimik, Gestik, äußere Erscheinung und Sprache stehen im Zeichen der Sympathiewerbung, sie sollen psychologische Barrieren abbauen. Während ungeschulte Soldaten auch bei Diskussionen zwangsläufig in Kasernenhofton verfallen, unterläuft dem Jugendoffizier ein solches Missgeschick nicht. Die Stimme bleibt ruhig und gelassen, die Lautstärke ist dem Raum stets angemessen. Sie zeigen sich locker und ungezwungen, gesprächsbereit und offen für alle Probleme. Durch eine geschickte Gesprächsstrategie versuchen sie, inhaltlich-politische Konflikte zu entschärfen und ihnen wo möglich ganz auszuweichen.

Wichtig ist den Jugendoffizieren, schon zu Beginn einer Veranstaltung eine vertraute Atmosphäre zu schaffen. So erzählen sie zunächst von sich: Alter, verheiratet, Kinder, zur Bundeswehr, um die Familie schützen zu können oder Ähnliches. Erst auf direkten Widerspruch reagiert der Jugendoffizier aggressiver. Die Strategie ist dabei, seinen Gegenspieler als uninformiert oder uneinsichtig hinzustellen. Häufig versucht der Jugendoffizier kritische Positionen als jugendlich-naiv darzustellen, ihnen aber scheinbar Verständnis entgegen zu bringen.

Der Jugendoffizier verschließt sich also nicht grundsätzlich der Kritik. Sachlich und emotionslos geht er auf die aufgeworfenen Probleme ein, gibt zu, dass es sie gibt. Aber im Laufe seiner Argumentation stellt sich heraus, dass die Probleme aufgebauscht werden, dass sie nicht typisch für die Bundeswehr sind oder längst alles getan wird, um sie zu beseitigen. Letztlich gibt es keine Probleme von Bedeutung, außer denen, die der Jugendoffizier selbst aufwirft: zu wenig Geld für die Rüstung, zu wenig Verteidigungswillen und Dienstbereitschaft bei Jugendlichen etc.

Im Rahmen der Aus- und Weiterbildung für Pädagogen und Multiplikatoren bieten die Jugendoffiziere außerdem spezielle sicherheitspolitische Seminare an. So informieren sie z.B. Referendare bei mehrtägigen Fahrten nach Berlin, Brüssel oder Straßburg über die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik, die Entwicklungen in der NATO sowie die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik. In vielen Bundesländern werden diese Veranstaltungen von den Kultusministerien als Lehrerfortbildungsseminare anerkannt. So kann ein Jugendoffizier in Bad Salzungen (Thüringen) berichten: „Mittlerweile wurde erreicht, dass das Ministerium seine Schulämter ausdrücklich auf die Zusammenarbeit mit den Jugendoffizieren hinweist. Außerdem wurde erreicht, dass die Jugendoffiziere im Thüringer Institut für Lehrerweiterbildung nun als Dozenten aufgeführt und somit vom Ministerium und den Schulämtern anerkannte Weiterbildungen für Lehrer anbieten können.“ 28 Es werden also bereits Lehramtsanwärter militärisch geschult; Offiziere der Bundeswehr unterrichten in Thüringen die künftigen Klassenlehrer aus den Fächergruppen Gemeinschaftskunde, Geschichte und Ethik.

Die Bundeswehr legt nach Außen großen Wert darauf, dass die Jugendoffiziere selbst nicht direkt in der Personalwerbung aktiv sind. Die Trennung von Information und Rekrutierung „wird von den Schulbehörden und den Schulen erbeten und erwartet. Vor allem in traditionell der Bundeswehr kritisch gegenüberstehenden Betreuungsbereichen ist es unerlässlich, sich abzusprechen und den entsprechenden Schulen zu garantieren, dass der Vortrag keine Nachwuchswerbung ist.“ 29 Diese Trennung wird in der Praxis allerdings nur bedingt aufrechterhalten. Die Jugendoffiziere sollen den Rekrutierern den Weg bereiten. Auch die Jugendoffiziere geben zu: „Prinzipiell ist die Zusammenarbeit mit der Wehrdienstberatung [...] ausgezeichnet. So werden gemeinsame Auftritte vor Schulklassen genauso geplant und durchgeführt wie Besuchsanfragen weitergeleitet werden, [...] oder es werden Schulanschreiben von beiden zusammen ausgestaltet und versandt.“ 30

Die Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE zeigt, dass die Bundesregierung die Praxis der Beeinflussung des Unterrichts durch die Bundeswehr sehr positiv sieht. Sie ist der Meinung, sie würde dem Beutelsbacher Konsens, der die Mindestanforderung an die politische Bildung in der Schul- und Erwachsenenbildung festlegt, entsprechen.31 Der Beutelsbacher Konsens von 1976 enthält drei Grundsätze, wobei zwei durch die Form der Unterrichtsmaterialien Sicherheit und Frieden und die Präsenz von Jugendoffizieren an Schulen missachtet werden. So besagt das Überwältigungsverbot: „Es ist nicht erlaubt, den Schüler - mit welchen Mitteln auch immer - im Sinn erwünschter Meinungen zu überrumpeln und damit an der Gewinnung eines selbstständigen Urteils zu hindern.“ Das Beispiel des oben dargestellten Arbeitsblattes zur zivil-militärischen Zusammenarbeit missachtet dieses Verbot eindeutig. Die Nutzung von offen wertenden und höchst umstrittenen Konzepten, die als vermeintlich wertneutral und allgemein anerkannt verkauft werden, widerspricht dem Kontroversitätsgebot, das besagt:

„Was in Wissenschaft und Politik kontrovers ist, muss auch im Unterricht kontrovers erscheinen. Diese Forderung ist mit der vorgenannten aufs engste verknüpft, denn wenn unterschiedliche Standpunkte unter den Tisch fallen, Optionen unterschlagen werden, Alternativen unerörtert bleiben, ist der Weg zur Indoktrination beschritten.“ 32 Der Bundesregierung zufolge werden diese Grundsätze jedoch auch durch die Arbeit von Jugendoffizieren an Schulen nicht verletzt: „Die Grundprinzipien des Beutelsbacher Konsens sind Grundlage der Politischen Bildung in der Bundeswehr [...]. Sie sind integraler Lehrinhalt der Ausbildung der nebenamtlichen/hauptamtlichen Jugendoffiziere an der AKBwInfoKom.“ 33 Wie oben dargestellt wurde, ist die Arbeit der Jugendoffiziere jedoch keinesfalls wertneutral. So heißt es in einer Darstellung von Jugendoffizieren auf einer Seite des Bildungsservers Sachsen Anhalt: „Die Jugendoffiziere in Sachsen-Anhalt stehen Ihnen und Ihren Schülern als Referenten, Diskussions- und Ansprechpartner in allen Fragen, die das Themenfeld Sicherheitspolitik der Bundesrepublik Deutschland, Europas und der Welt betreffen, zur Verfügung. Wir möchten mit unserer Arbeit einen Beitrag zur Erhaltung und Festigung des Grundkonsens über die Sicherheits- und Verteidigungspolitik unseres Landes leisten.“ 34 Dabei gehen sie von einem Grundkonsens aus, der so nicht besteht.

Auch der Berliner Senat sieht durch die Präsenz von Jugendoffizieren an Schulen „eine ausgewogene politische Diskussion des Themas mit den differenzierten Vorgaben des geltenden Rahmenplans für Unterricht und Erziehung sichergestellt.“ Der Senat kommt zu diesem Ergebnis, obwohl er zuvor darüber berichtete, dass im Jahr 2000 205 Veranstaltungen von Jugendoffizieren stattgefunden hätten und lediglich eine davon mit der Beteiligung von Wehrpflichtgegnern. Von Ausgewogenheit kann daher keine Rede sein.35

Die Truppe erobert den öffentlichen Raum

Im August 2007 titelte die FAZ „Rekrutierungsbüros in jeder Fußgängerzone?“ und entwarf folgende Vision: „Die Fußgängerzone einer beliebigen deutschen Stadt mit 30.000 Einwohnern, wir schreiben das Jahr 2010. Ein Blumengeschäft, drei Telefonläden, ein Ramschverkäufer mit fernöstlichen Drei-Euro-Produkten, eine Pommesbude und irgendwo dazwischen ein Rekrutierungsbüro.“ 36 Auch wenn dies tatsächlich noch eine Vision ist, so tummeln sich Rekrutierer inzwischen vermehrt auf Markplätzen, Messen, Volksfesten, Unis oder Berufsinformationszentren. 2008 sollen mehr als 600 dieser Einsätze stattfinden.37

Von Düsseldorf aus steuern 24 hauptamtliche Mitarbeiter alle Einsätze der Bundeswehr auf Großveranstaltungen oder belebten Marktplätzen. Sie koordinieren die Trucks des »KarriereTreffs« aber auch die jeweils acht Infomobile und Infotrucks sowie die acht Messestände der vier Zentren für Nachwuchsgewinnung (ZNwG), die rein personalwerblich ausgerichtet sind.38

Der KarriereTreff Bundeswehr und das ZNwG wollen dieses Jahr 9.147 Schulen anschreiben, das sind fast 30% mehr als 2007. Bei der Werbung wird das Kriegsministerium wieder Panzer, Flugzeuge und anderes Großgerät einsetzen. Das Zentrum für Nachwuchsgewinnung bildet nach Meinung der Bundesregierung „[...] eine moderne und innovative Kommunikationsplattform [...].“ 39 Im letzten Jahr fanden 204.259 Informationsgespräche statt. Die Bundeswehr nutzt 2008 auch die über 1.500 Auftritte des Musikkorps, über hundert Gelöbnisse und andere militärische Zeremonien zur externen Personalgewinnung.40

Mit einem »Karrieretruck« zieht die Bundeswehr durch Deutschland, um auf öffentlichen Plätzen Jugendliche anzusprechen. Im Karrieretruck gibt es Kino, gleich neben ihm eine Kletterwand und vor ihm werden Interessierte über die Karriere bei der Bundeswehr informiert. Die Bundesregierung schätzt die Bedeutung der mobilen Werbung als sehr hoch ein: „Nur durch diese mobilen Einsätze können die aus Sicht der Bundesregierung attraktiven Karrieremöglichkeiten in der Bundeswehr flächendeckend präsentiert werden. Für die Sicherstellung der personellen Regeneration und damit Zukunftsfähigkeit der Bundeswehr haben die mobilen Einsätze daher eine hohe Bedeutung.“ 41 Die Bundeswehrwerbung ist der Bundesregierung einiges wert: Alleine der Einsatz der Karrieretrucks kostete im Jahr 2007 fast 1 Millionen Euro.42

Zum Repertoire zählen zudem eigens für Jugendliche veranstaltete Preisausschreiben, Musik-, Talent- und Sportwettbewerbe. Abgerundet werden die Bemühungen der Streitkräfte, Einfluss auf das Denken und die Berufswahl von Jugendlichen zu nehmen, durch regelmäßig abgehaltene Jugendpressekongresse. Die anwesenden Schülerzeitungsredakteure werden aufgefordert, Texte zu schreiben, die die Kommunikation zwischen der Bundeswehr und ihrer jugendlichen Zielgruppe verbessern.43

Die Bundeswehr betreibt im Internet verschiedene Seiten, die in erster Linie dem Anwerben von Jugendlichen dienen. Auf der Seite »www.treff.bundeswehr.de« können Jugendliche, sobald sie sich mit vollständigem Namen, Adresse, Telefonnummer, (angestrebtem) Schulabschluss, Nationalität etc. angemeldet haben, Bildschirmschoner, Handy-Klingeltöne etc. herunterladen, mit anderen Jugendlichen oder Bundeswehrangehörigen chatten und an Gewinnspielen teilnehmen. Die Richtigkeit der Angaben wird soweit kontrolliert, als dass die Zugangsdaten per Post geschickt werden. Mit diesen Angaben - so ist zu vermuten - können die Jugendlichen kontaktiert und angeworben werden. Auch mit den auf der Internetseite beworbenen Veranstaltungen werden spezielle Gruppen von Jugendlichen angesprochen. So sind nur diejenigen zu den »discovery days« eingeladen, „die sich für die Laufbahn der Unteroffiziere bzw. Feldwebel des allgemeinen Fachdienstes, oder der Feldwebel des Truppendienstes interessieren.“ 44

Mehrmals jährlich werden auch Sportveranstaltungen organisiert, wie die BW-Olympix, das BW-Beachen45 oder BW Adventure-Games, bei denen die Teilnehmer bei simulierten Marine-Übungen das Überleben auf See trainieren können. Der Hauptpreis der letzten BW-Olympix war die Teilnahme an einer Übung für Piloten der Luftwaffe. Das Ziel der Veranstaltungen ist klar: „Als Informationsforen bieten die Veranstaltungsformate erstmalig eine Plattform für einen gemeinsamen Auftritt der Streitkräfte und Wehrverwaltung mit Schwerpunkt ‚Personalgewinnung."“ 46 Eine Studie zur Verbesserung der Nachwuchswerbung des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr empfiehlt: „Die vorhandenen Angebote, wie beispielsweise die Sport- und Musik-Events der Bundeswehr (BW-Beachen, BW-Olympix), Girlsday, Tage der offenen Tür (Open Ship der Marine) etc., sollten weiter ausgebaut und weitere geeignete Möglichkeiten entwickelt werden.“ 47

Auch an Universitäten versuchten Jugendoffiziere Fuß zu fassen und dort die Version der Bundeswehr zu Krieg und Frieden zu verbreiten. Dies war bisher jedoch wenig erfolgreich.48 Doch seit dem Wintersemester 2006/07 gibt es in Potsdam den Studiengang »Military-Studies«, der gemeinsam vom Sozialwissenschaftlichen Institut der Bundeswehr, dem Militärgeschichtlichen Forschungsamt der Bundeswehr und dem Institut der Soziologie und Militärgeschichte der Uni Potsdam veranstaltet wird. Das Drängen in zivile Universitäten dient wohl vorrangig der Beeinflussung der Studien zur Militärsoziologie und Militärgeschichte, kann aber auch im Zusammenhang mit der Not der Bundeswehr, Personal mit Universitätsabschlüssen zu gewinnen, gesehen werden. In Ingolstadt ist ein Studiengang »Luftfahrttechnik« an einer FH geplant. Werbung für diesen Studiengang macht die FH gemeinsam mit der Bundeswehr. So landete zu Semesterbeginn im Oktober 2007 ein Hubschrauber der Bundeswehr auf dem Gelände der FH. Dazu standen Bundeswehrangehörige zur Verfügung, um Fragen zu beantworten: „Die [Studenten] wollen auch wissen, wie sie an Jobs in dieser Branche kommen.“ 49

In Zusammenarbeit mit der Bundeswehr entstand auch die TV-Serie »Sonja wird eingezogen«, die 2006 auf RTL ausgestrahlt wurde. Die Moderatorin Sonja Zietlow segelte darin auf der Gorch Fock, sprang Fallschirm und robbte mit Scharfschützen und KSK-Soldaten durch den Schmutz. Der 50. Geburtstag der Bundeswehr war der willkommene Anlass, Schaffen und Wirken der Truppe einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren und nebenbei um den dringend benötigten Nachwuchs zu werben. RTL hält sich zur Frage, wer »Sonja wird eingezogen« finanzierte, bedeckt. Weder das Produktionsbudget noch die Aufteilung unter den Kooperationspartnern werden genannt. Fest steht nur, dass die Bundeswehr das Gerät stellte.

Aber auch das öffentlich-rechtliche Fernsehen stellt sich in den Dienst der Bundeswehr-Imagekampagne. »Die Rettungsflieger« ist eine Co-Produktion von Bundeswehr und ZDF. Auf der Homepage zur Sendung kann man sich ausführlich über die Bundeswehr informieren. Unter der Überschrift „Es wirkt nicht nur echt - es ist auch echt“ ist nachzulesen, dass die Orte, an denen die Serie gedreht wird, echte Einsatzzentralen, Hubschrauberlandeplätze etc. der Bundeswehr sind. Zudem kann man auf der vom ZDF und der Bundeswehr gemeinsam gestalteten Internetseite erfahren, dass die Darstellungen so authentisch sind, weil die Bundeswehr direkt am Drehbuch mit schreibt und die Piloten der Hubschrauber echte Bundeswehrpiloten sind. Neben der Verbesserung des Images der Bundeswehr im Allgemeinen dient auch diese Sendung der Rekrutierung von Nachwuchs. Auf einer Extraseite können sich Interessierte informieren, wie man Rettungsflieger bei der Bundeswehr werden kann.50

Im November 2007 startete der Film »Mörderischer Frieden« in den Kinos. Der Film spielt während des NATO-Krieges im Kosovo und die Protagonisten sind Bundeswehrsoldaten. Er handelt vorgeblich von den ganz alltäglichen und menschlichen Problemen im Auslandseinsatz. Spiegel-online urteilte jedoch: „Die Bundeswehr-Recken in ‚Mörderischer Frieden" hingegen verstehen es nicht nur, sich schadlos durchs osteuropäische Tohuwabohu zu schlagen, sondern stiften dann auch noch wunderbar symbolträchtig ein bisschen Frieden zwischen den Menschen. Am Ende knattert dann besinnlich ein Heeres-Hubschrauber. Ein Eingreifmärchen, wie es sich die PR-Abteilung der Bundeswehr nicht schöner hätte ausdenken können.“ 51 Doch was heißt hier die »Bundeswehr nicht schöner hätte ausdenken können«, schließlich wurde der Regisseur Rudolf Schweiger bei diesem Projekt sowohl von der Bundeswehr, als auch vom Arbeitsbereich 3 (Medien) des Presse- und Informationsstabes des Verteidigungsministeriums unterstützt.52

Die »Corporate Identity« der Bundeswehr

Die »Marke« Bundeswehr wird planmäßig in der Öffentlichkeit aufpoliert. Neben der Dienstleistung diverser privater Werbefirmen ist die bundeswehreigene Akademie für Information und Kommunikation (AIK) für diese Aufgabe zuständig. Die AIK ist eine Nachfolgeeinrichtung der Akademie für psychologische Verteidigung (PSV), die nach der Wiederbewaffnung Westdeutschlands mit tatkräftiger konzeptioneller und praktischer Unterstützung vormaliger NS-Propagandisten aufgebaut wurde.53

Die AIK hat seit 1990 ein Aufgabenfeld mit drei Kernfunktionen:

Das Feststellen und Analysieren der Einstellung der Bürger zur Bundeswehr. Auf dieser Basis sollen Empfehlungen für die Informationsarbeit abgegeben werden.

Die AIK soll als »Begegnungsstätte sicherheitspolitisch aktiver und interessierter« Multiplikatoren fungieren.

Sie soll die Aus-, Fort- und Weiterbildung des militärischen und zivilen Fachpersonals in Form von Lehrgängen (in erster Linie Presse- und Jugendoffiziere) übernehmen.54

Neben der Ausbildung von Fachpersonal der Presse- und Informationsarbeit wird in der AIK also im Rahmen von Seminaren ein sicherheitspolitischer Dialog mit „interessierten Bürgern“ geführt. Als Multiplikatoren werden neben „führende(n) Vertreter(n)“ von „publizistischen Organen mit überregionaler Bedeutung“ auch „leitende Angehörige der Industrie und Wirtschaft“, „führende Vertreter der Arbeitnehmerverbände“, Juristen und Pädagogen des höheren Staatsdienstes, bekannte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens sowie Abgeordnete des Deutschen Bundestages, der Landtage und des Europäischen Parlaments angesprochen, nach eigenen Aussagen mit wachsendem Erfolg.55

Ziel dieser Propaganda-Apparate der Bundeswehr ist aktuell beispielsweise die Vorbereitung der Öffentlichkeit auf den Tod deutscher Soldaten in größerer Zahl. Die „Gesellschaft in Deutschland“, so der AIK-Kommandeur Oberst Rainer Senger, müsse darauf „vorbereitet“ werden, dass Bundeswehrangehörige „in größerer Zahl sterben“ und „andere Menschen töten.“ 56 Diese Stand-by-Propaganda soll unter den Medienvertretern Gewöhnung und Gleichgültigkeit hervorrufen.

Wie es auf einer Fachtagung hieß, basiert die „neue Informations- und Kommunikationsstrategie“ auf den Verteidigungspolitischen Richtlinien der Bundeswehr. Darin wird bekanntlich behauptet, dass sich „Verteidigung geografisch nicht mehr eingrenzen“ lasse und die Aufgabe des deutschen Militärs in der „Gestaltung des internationalen Umfelds in Übereinstimmung mit deutschen Interessen“ bestehe. Der Bürger müsse verstehen, dass die Bundeswehr in Zukunft vermehrt „friedenserzwingende, also intensive Maßnahmen“ im Ausland durchführen werde und „kein Technisches Hilfswerk in Flecktarn“ sei.57

Eine Aufgabe der AIK ist auch die »Corporate Identity« der Bundeswehr, also die Vermittlung eines positiven Bildes der Streitkräfte in den Medien. Die erste koordinierte Werbekampagne lief Ende der 1980er mit dem Slogan »Eine starke Truppe« an. Die Kampagne sollte vor allem der Nachwuchswerbung dienen. „Im Rahmen dieser ersten systematischen Werbekampagne der Streitkräfte warben sie 1987 erstmals im Medium Fernsehen um Nachwuchs. Stark emotionalisierende Werbesequenzen, die mit der Anlehnung an die Schlussszene des damaligen Filmhits ‚Top Gun" (amerikanischer Fliegerfilm) oder der Darstellung von Lagerfeuerromantik das ‚besondere Abenteuer in der Bundeswehr" im Sinne einer ‚Starken Truppe" vermitteln sollte.“ 58 Unter dem Namen »Dachkonzept Informationsarbeit 2000« wurde zwischen 1992 und 2000 mit großem finanziellem Aufwand versucht, die gesellschaftliche Akzeptanz der »neuen« Bundeswehr in der Bevölkerung zu verbessern und die Institution als attraktiven und modernen Arbeitgeber darzustellen. Seitdem startet die Bundeswehr jährliche Werbekampagnen, z.B. die Kampagne »Wir sind da«.

Die Bundeswehr nimmt auf dargestellte Weise gezielt Einfluss auf Massenmedien wie das Fernsehen. Aus der ehemaligen PSV ist auch die »Truppe für Operative Information« (OpInfo) hervorgegangen. Bezeichnenderweise trägt sie im NATO-Sprachgebrauch weiterhin die Bezeichnung »Psychological Operations« (PSYOPS). Aus diesem Hause stammt auch der neue Sender Bundeswehr Television (BwTv), der verschlüsselt per Satellit ausgestrahlt wird, da den Streitkräften eine direkte mediale Einflussnahme auf die eigene Bevölkerung verboten ist.59 BwTv wurde 2002 mithilfe der PR-Agentur Atkon AG aufgebaut. Wie die Recherchen von Steven Hutchings zum Dokumentarfilm »Die gelenkte Demokratie« ergaben, wurde eine 100prozentige Tochterfirma der Atkon AG, die Atkon TV Service GmbH, damit beauftragt, sendefertige Fernsehbeiträge an private und öffentlich-rechtliche Fernsehanstalten abzugeben.60 In Zusammenarbeit mit der OpInfo entstand auch die TV-Serie »Sonja wird eingezogen«.

Fast alle Forschungseinrichtungen, die für die mediale Propagandaarbeit des deutschen Militärs relevant sind, wurden mittlerweile in Strausberg konzentriert. Neben der AIK befindet sich dort auch das Sozialwissenschaftliche Institut der Bundeswehr (SoWi), das der AIK mittels Meinungsumfragen die Ansatzpunkte für die gezielte Einflussarbeit an Bevölkerung und Truppe liefert.

Fazit: Die Militärpropaganda stoppen

Die militaristische Propaganda legt sich - unterstützt durch staatliche und privatwirtschaftliche Stellen - wie Mehltau über die Gesellschaft. Die Bundeswehr zielt mit ihrer Werbung besonders auf Jugendliche und versucht deren Perspektivlosigkeit auszunutzen. Denn das Hauptargument der Werbestrategen ist immer noch die Sicherheit des Arbeitsplatzes. Werbeslogans wie »Du suchst Zukunft? Wir bieten sie«, »Die Bundeswehr - jung, dynamisch und effektiv - eines der größten Ausbildungsunternehmen Deutschlands« oder »Berufsgarantie bei der Bundeswehr - Nutzen Sie ihre Chance« stoßen in Zeiten einer Jugendarbeitslosigkeit von ca. 15% und mehreren hunderttausend Jugendlichen ohne Ausbildungsplatz zunehmend auf offene Ohren. Deshalb ist es umso notwendiger, dass von Seiten der Friedensbewegung aber auch der Gewerkschaften der militaristischen Propaganda der Bundeswehr in Schulen, Arbeitsämtern und der Öffentlichkeit entschlossener als bisher entgegentreten wird.

Anmerkungen

1) Frank Brendle: Propagandaoffensive an der Jugendfront, Junge Welt, 06.01.2006.

2) Frieden und Sicherheit (2006a): Lehrerhandreichung 2006/2007. Begleitmaterial zum Schülerheft und zum Internetauftritt, S.3, URL: http://www.frieden-und-sicherheit.de/uploads/134/Lehrerheft_2006_07.pdf

3) Arbeitsblatt: Die Bundeswehr im Auslandseinsatz, August 2004, URL: http://www.frieden-und-sicherheit.de/uploads/72/Arbeitsblatt_BW_Ausland.pdf

4) Arbeitsblatt: Weißbuch 2006: Die Zukunft der Bundeswehr, November 2006, URL: http://www.frieden-und-sicherheit.de/uploads/72/Arbeitsblatt_Weissbuch.pdf

5) Frieden und Sicherheit (2006b): Wir alle tragen Verantwortung. Ein Heft für die Schule 2006/2007, URL: http://www.frieden-und-sicherheit.de/uploads/134/Schuelerheft_2006_07.pdf

6) Frieden und Sicherheit 2006a.

7) Ebd., S.4.

8) Ebd., S.5.

9) Arbeitsblatt: Hilfe für Menschen in Not, November 2005, URL: http://www.frieden-und-sicherheit.de/uploads/72/Arbeitsblatt_Hilfsorganisationen.pdf

10) Frieden und Sicherheit 2006a, S.5f.

11) Frieden und Sicherheit 2006b, S.10f.

12) Alarmierendes Stimmungsbild der Streitkräfte, Tagesschau, 26.04.2007.

13) Frieden und Sicherheit 2006a, S.3.

14) Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage (2008a): Informationsarbeit der Bundeswehr an Schulen vom 21.04.2008, BT-Drucksache 16/8852, URL: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/088/1608852.pdf

15) Frieden und Sicherheit 2006a, S.5f.

16) Hochamt für den Krieg, Junge Welt, 20.02.2008.

17) www.girls-day.de

18) Girls" Day bei der Luftwaffe, 24.04.2008, URL: http://tinyurl.com/62w3gp

19) Girls" Day. Der Mädchen-Zukunftstag kommt am 26. April 2007 zur Luftwaffe, URL: http://tinyurl.com/476obx

20) Heinelt, Peer: Wehrpropaganda aktuell, Konkret, 2/2006.

21) Hartung, Manuel: Krieg oder Frieden, Die ZEIT, 30.04.2003.

22) BMVg (2006): Bericht der Jugendoffiziere für das Jahr 2005, S.4, URL: http://www.bundeswehr-wegtreten.org/main/Jahresbericht_Jugendoffiziere_2005.pdf

23) Ebd., S. S.8.

24) Cassens, Manfred (2006): Die Informationsarbeit der Bundeswehr in erziehungswissenschaftlicher Perspektive. Informationsinhalte und deren didaktische Einbettung; Inauguraldissertation; Universität der Bundeswehr München, S.80.

25) BMVg, IPStab/Public Relations - Az 01-61-00: Tätigkeit der Jugendoffiziere der Bundeswehr im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit.

26) Ebd.

27) Fregattenkapitän Hans-Jürgen Meyer: Jugendoffiziere und Jugendunteroffiziere in der Bundeswehr, Beilage zum Heft 8/1999 Informationen für die Truppe, S.17f.

28) BMVg 2006, S.7f.

29) Ebd., S.9.

30) Ebd., S.10.

31) Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage 2008a, S.5.

32) Wehling, Hans-Georg (1977): Konsens à la Beutelsbach, in: Schiele, Siegfried & Schneider, Herbert (Hrsg.): Das Konsensproblem in der politischen Bildung, Stuttgart, S.179f.

33) Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage 2008a, S.5.

34) Die Jugendoffiziere in Sachsen-Anhalt, 09.01.2008, URL: http://www.bildung-lsa.de/index2.html?subj=863&cont=4038

35) Antwort des Berliner Senats auf die Kleine Anfrage: Jugendoffiziere an Berliner Schulen vom 8.02.01, URL: http://www.parlament-berlin.de:8080/starweb/adis/citat/VT/14/KlAnfr/k141430.pdf

36) Rekrutierungsbüros in jeder Fußgängerzone?, FAZ.net, 27.08.2007, URL: http://tinyurl.com/5k4w7g

37) Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage (2008b): Militäraufmärsche in der Öffentlichkeit und Reklameeinsätze der Bundeswehr im Jahr 2008 vom 04.03.2008, BT-Drucksache16/8355, URL: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/083/1608355.pdf

38) Y-Magazin der Bundeswehr; November 2006, S.108.

39) Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage 2008b, S.8.

40) Ebd.

41) Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage (2007): Reklametätigkeit der Bundeswehr vom 21.03.2007, BT-Drucksache16/4768, S.7f., URL: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/047/1604768.pdf

42) Ebd.

43) 82. Jugendpressekongress, URL: http://tinyurl.com/5tnqlc

44) discovery days 2008 - Fritzlar: Division Luftbewegliche Operationen (DLO), URL: http://tinyurl.com/5ebrk7

45) Führend auf dem Gebiet des »Jugendmarketings« ist die Hamburger PR-Agentur Euro RSCG ABC, die auch das diesjährige Beachvolleyball-Turnier Bw-Beachen "08 im Auftrag des deutschen Militärs organisiert.

46) Einmal Deutschland, Y.Online, URL: http://tinyurl.com/6mdb9n

47) Bulmahn, Thomas (2007): Berufswahl Jugendlicher und Interesse an einer Berufstätigkeit bei der Bundeswehr. Ergebnisse der Jugendstudie des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr. Forschungsbericht 81, Straussberg, S.69.

48) BMVg 2006, S.4.

49) Faszination Luftfahrttechnik, Donaukurier, 30.10.2007.

50) http://www.rettungsflieger.bundeswehr.de

51) Kuscheln im Kosovo, Spiegel Online, 28.11.2007, URL: http://www.spiegel.de/kultur/kino/0,1518,520163,00.html

52) Hilflos im Kosovo, Die ZEIT, 29.11.2007, URL: http://www.zeit.de/2007/49/Kino-Moerderischer-Frieden; Gut und Böse auf beiden Seiten, 26.11.2007, URL: http://tinyurl.com/6576az

53) Zur Geschichte der AIK siehe: Hutchings, Steven (2006): Gesteuerte Demokratie; Diplomarbeit an der Hochschule für Gestaltung, Offenbach am Main.

54) Cassens 2006, S.98.

55) Informationsveranstaltungen des Heeres für zivile Führungskräfte 2007, URL: http://www.zifkras.de/infowub1.htm

56) Interview mit Oberst Rainer Senger, Kommandeur der Akademie der Bundeswehr für Information und Kommunikation; www.bmvg.de, 8.9.2005.

57) Ebd.; das Interview wurde mittlerweile vom Netz genommen. Auszüge finden sich jedoch bei www.german-foreign-policy.com vom 18.09.2005.

58) Cassens 2006, S.91.

59) Das Bundesverfassungsgericht entschied zwar 1977 grundsätzlich, dass auch Öffentlichkeitsarbeit staatlicher Institutionen legal ist, die Ausstrahlung eines frei empfangbaren TV-Kanals ist davon aber nicht gedeckt. Vgl. Cassens 2006.

60) Gesteuerte Demokratie? - ein Dokumentarfilm von Steven Hutchings, URL: http://v2v.cc/v2v/Gesteuerte_Demokratie%3F

Heiko Humburg ist Lehramtsreferendar (Geschichte/Politik) in Hamburg und seit dem Jugoslawienkrieg in der Friedensbewegung aktiv.

Kein Frieden mit der Bundeswehr

Militarisierung ist angreifbar

von Bundeswehr-Wegtreten

Bundeswehr setzt sich in ARGEn fest

Wie gezielt sich die Bundeswehr an Arbeitslose wendet, das wird auch darin deutlich, dass sie in zahlreichen »Arbeitsagenturen« Büros unterhält oder regelmäßige Sprechstunden anbietet.

Dauerhafte Büros unterhält die Bundeswehr in:

Celle, Donauwörth, Essen, Hamm, Hildesheim, Lübeck, Mainz, Mühlhausen, Osnabrück, Paderborn, Weilheim

Dauerhaft Sprechstunden werden in folgenden Städten angeboten:

Aachen, Aalen, Ahaus, Ahlen, Alsfeld, Altöttingen, Amberg, Anklam, Annaberg, Apolda, Arnstadt, Aue, Auerbach, Bad Doberan, Bad Hersfeld, Bad Kissingen, Bad Kreuznach, Bad Liebenwerder, Bad Salzuflen, Bad Segeberg, Balingen, Bad Oldesloe, Beeskow, Belzig, Bergen, Bergisch Gladbach, Bernau, Bernburg, Bersenbrück, Bitterfeld, Bonn, Borna, Brandenburg, Brühl, Buchholz, Butzbach, Coburg, Coesfeld, Cuxhaven, Deggendorf, Demmin, Dessau, Detmold, Diepholz, Döbeln, Duisburg, Düren, Düsseldorf, Eberswalde, Eisenach, Elmshorn, Emden, Erbach, Erkelenz, Eschwege, Euskirchen, Eutin, Frankenberg, Frankfurt/M, Freiberg, Friedberg, Friesoythe, Fulda, Gelsenkirchen, Georgsmarienhütte, Gerolstein, Göppingen, Görlitz, Gotha, Greifswald, Greiz, Grimma, Guben, Güstrow, Hagen, Hagenow, Halberstadt, Halle, Hamburg, Hameln, Hanau, Heide, Heilbronn, Hermeskeil, Hettstedt, Hildburghausen, Hof, Holzminden, Höxter, Hoyerswerda, Hünfeld, Idar-Oberstein, Idstein, Ilmenau, Iserlohn, Jena, Kaiserslautern, Kaltenkirchen, Kamenz, Köln, Königswusterhausen, Konstanz, Korbach, Köthen, Krefeld, Kronach, Kusel, Landau, Leer, Limburg, Lingen, Lippstadt, Lohr am Main, Lübbenau, Lüchow, Luckenwalde, Ludwigshafen, Ludwigslust, Malchin, Marienberg, Marktredwitz, Mayer, Meiningen , Melle, Merseburg, Meschede, Monschau, Münsingen, Münster, Nagold, Nauen, Neumünster, Neunkirchen, Neustrelitz, Nienburg, Nordenham, Norderstedt, Nordhausen, Nordhorn, Oberhausen, Oschersleben, Offenbach, Offenburg, Oldenburg i.H., Olsberg, Oschatz, Papenburg, Parchim, Pasewalk, Perleberg, Pforzheim, Pirmasens, Pirna, Plauen, Quedlinburg, Rastatt, Rathenow, Recklinghausen, Rendsburg, Reutlingen, Rheine, Ribnitz, Ribnitz-Damgarten, Riesa, Röbel, Rosenheim, Rostock, Rotenburg, Rottweil, Saarbrücken, Saarlouis, Salzwedel, Sangerhausen, Schleiz, Schönebeck, Schwalmstadt, Schweinfurt, Senftenberg, Sigmaringen, Soest, Sögel, Solingen, Soltau, Sömmerda, Sondershausen, Sonneberg, Stadtallendorf, Stadthagen, Stollberg, Strassfurt, Sulingen, Syke, Tauberbischofsheim, Teterow, Torgau, Tübingen, Ueckermünde, Uelzen, Vechta, Velbert, Waiblingen, Waren/Müritz, Weilburg, Weimar, Weißenfels, Weißwasser, Wernigerode, Wesel, Wismar, Witzenhausen, Wolgast, Worms, Wuppertal, Wurzen, Zeitz, Zweibrücken, Zwickau.

Quelle: Antwort der Bundesregierung auf eine schriftliche Anfrage von Inge Höger im Bundestag: Drucksache 16/8842

Gegen die drohende Nachwuchsebbe an SoldatInnen und gegen die lauter werdende Kritik der Bevölkerung an den Auslandseinsätzen setzt die Bundeswehr auf modernes Akzeptanz-Management, Eventmarketing und Werbetouren. Wenn sich in Deutschland schon keine rechte Begeisterung für die Verteidigung deutscher Interessen am Hindukusch und anderswo herstellen lässt, so ist die Bundeswehr zumindest um Ruhe an der »Heimatfront« bemüht. Bislang scheint die Rechnung aufzugehen, denn die mehrheitliche Umfrage-Ablehnung beispielsweise des derzeitigen Bundeswehreinsatzes in Afghanistan entfaltet zunächst keinerlei Wirkung in Form einer breiten, aktiv ablehnenden Protestbewegung gegen die wiederbelebte deutsche Kriegspolitik.

Doch an einigen wenigen Stellen regt sich tatsächlich Widerstand gegen die Flut von Reklame- und Rekrutierungseinsätzen der Bundeswehr. Bereits seit vielen Jahren gibt es phantasievolle, zum Teil lautstarke und manchmal auch handfeste Auseinandersetzungen bei öffentlichen Bundeswehrgelöbnissen und Soldatenfeiern. Seit etwa anderthalb Jahren stiften AntimilitaristInnen und Erwerbslosengruppen darüber hinaus Unruhe bei Werbeeinsätzen der Bundeswehr im Inneren. Ihr Schwerpunkt sind die Veranstaltungen der Bundeswehr an Arbeitsämtern, Schulen, Universitäten und auf Jobmessen. Aber auch beim »Karriere-Treff« der Bundeswehr auf zentralen Plätzen in den Innenstädten, bei Soldatengottesdiensten und »karitativen« Auftritten der Bundeswehr-Musikkorps bleibt die zunehmende Präsenz der Bundeswehr nicht unwidersprochen. Und langsam rücken auch die seit 2007 für den »Heimatschutz« eingesetzten Bundeswehr-Reservisten im Rahmen der zivil-militärischen Zusammenarbeit Inland (ZMZ/I) in den Fokus der AktivistInnen. Zu erfolgreichen Protest- und Störaktionen gegen Bundeswehrauftritte kam es in den vergangenen 18 Monaten über 85-mal in mehr als 40 Städten1. Bundeswehrveranstaltungen wurden »gesprengt«, blockiert, umgestaltet oder nach Protestankündigungen von der Bundeswehr kurzfristig abgesagt.

Wir dokumentieren im Folgenden exemplarisch einige Aktivitäten der letzten beiden Jahre, die sich gegen eine schleichende Militarisierung unter anderem durch eine Normalisierung von Alltagspräsenz der Bundeswehr im Inneren wenden.

Wer Arbeitsamt sagt, muss auch Bundeswehr sagen

Für den Werbefeldzug der Bundeswehr ist das Arbeitslosengeld II ein zentrales Rekrutierungsinstrument - Jobcenter sorgen für Nachschub an Soldaten. Die Bundeswehr nutzt die Perspektivlosigkeit am Arbeitsmarkt und den zunehmenden Druck für Erwerbslose, jeden noch so miesen Job annehmen zu müssen. Ausbildung und berufliche Qualifizierung werden davon abhängig gemacht, dass Menschen bereit sind, das Todeshandwerk zu lernen und anzuwenden. Zahlreiche Arbeitsagenturen kooperieren bereitwillig und profitieren als Lieferanten von zivilen und militärischen Nachwuchskräften für die Bundeswehr - (nicht nur) über eine abgesenkte Arbeitslosenstatistik.

Während die Wehrdienstberater bundesweit in 11 Arbeitsagenturen permanente Büros betreiben, sind sie in nahezu allen Arbeitsagenturen etwa im Monatsrhythmus zu Rekrutierungsveranstaltungen und Sprechstunden vertreten.

Die Teilnahme von Arbeitslosengeld II EmpfängerInnen ist nicht immer freiwillig.2 Die ARGE Leipzig wertet in einem Kooperationsvertrag mit der Bundeswehr sogar explizit die Annahme einer »zivilen« Stelle beim Arbeitgeber Bundeswehr als zumutbar und damit deren Verweigerung als sanktionierbar (siehe Artikel von Jonna Schürkes).

In mehreren Städten wurden die Werbeveranstaltungen der Bundeswehr an den Arbeitsagenturen massiv gestört. Nach mehrfachen Störaktionen sind die monatlichen Veranstaltungen an der Arbeitsagentur in Köln bis zur „Klärung der Rahmenbedingungen zur Durchführung von zukünftigen Informationsveranstaltungen“ (für drei Monate) ausgesetzt worden. Dies hatte der Leiter der Kölner Arbeitsagentur angeordnet, nachdem die Bundeswehr bei ihren Werbeveranstaltungen bewaffnete Feldjäger als Saalschutz eingesetzt hatte und dieses Vorgehen auf breite Proteste (auch unter den MitarbeiterInnen) gestoßen war. In Berlin pausierten Bundeswehrwerber aufgrund angekündigter Proteste. Auch in Rostock sagte die Bundeswehr ihre Veranstaltung Ende Mai 2007 ab, als vorzeitig angereiste G8-GipfelgegnerInnen ihre Teilnahme per Pressemitteilung ankündigten.

In Bielefeld griff eine Gruppe »StörenfriedInnen« im März 2007 als »Kommunikationsguerilla« erfolgreich ein: Eine Prozession angeführt von Militärbischof Mixa gefolgt von einer stimmgewaltigen Generalin und ein paar SoldatInnen, die offenbar eine Skelettgrube geplündert hatten, enterte die laufende Veranstaltung, übte das Salutieren, Marschieren im Stechschritt und dergleichen Unsinn mehr. Nachdem weitere Kleingruppen folgten, packte der Werbeoffizier entnervt seine sieben Sachen und beendete die Veranstaltung.

Im letzten Jahr kamen zur Dezember-Veranstaltung der Bundeswehr am Arbeitsamt Berlin-Hellerrsdorf eine ganze Reihe äußerst diskussionsfreudiger Menschen, die den angebotenen Raum für faktenreiche Beiträge zu Bundeswehr und zum Kriegsdienst nutzten. Die Diskussion wurde schließlich durch einen Feueralarm beendet.

In Wuppertal bekam Oberbootsmann Heinrichs im Mai 2007 unmittelbar vor Beginn seiner Werbeveranstaltung im Wuppertaler Arbeitsamt eine Torte ins Gesicht - die Veranstaltung fiel aus. Die Gruppe »m.g.« (mit geschmack), die sich zu der Aktion bekannte, entkam gut gelaunt und forderte zu einem bundesweiten Tortenwettbewerb bei Bundeswehrveranstaltungen auf.

Im Februar 2008 sorgten AntimilitaristInnen in Brühl für Katerstimmung bei Bundeswehr und Arbeitsagentur. Sie nutzten die Gunst des jecken Treibens im Rheinland mit seinem sessionsbedingten Kostümierungs- und Vermummungsgebot und verpassten dem Berufsinformationszentrum der Arbeitsagentur Brühl vor einem BW-Werbetermin am Aschermittwoch mit viel Farbe einen »Tarnanstrich«.

Schul- und vorlesungsfreie Zeit für die Bundeswehr

Ein Bundeswehr-Infomobil sollte im April 2007 den Schulhof des Goethe-Gymnasiums in Weimar besuchen. Auf einer Tafel im Foyer forderte die Schulleitung die SchülerInnen auf: „... Nutzt diese Gelegenheit!“ So geschah es: Das auf dem Schulhof geparkte Infomobil wurde über Nacht mit Antikriegsparolen besprüht und tags darauf in der großen Pause in einer spontanen Kundgebung umstellt, so dass erst einmal Schluss war mit Bundeswehrwerbung.

In Göttingen sollte im April 2008 ein Rekrutierungs-Trupp der Bundeswehr mit Infomobil auf dem Schulhof der Berufsbildenden Schulen für drei Tage stationiert werden. Mit einem offenen Brief im Vorfeld an Schulleitung, LehrerInnenkollegium, Elternschaft und SchülerInnenvertretung und diversen Flugblattaktionen auf dem Schulhof gelang es einem Netzwerk »Gewaltfrei leben«, den Einsatz zu verhindern. Als sich die ersten AntimilitaristInnen um 7 Uhr dem Schulhof näherten, sah zunächst alles danach aus, dass sich Militär und Schulleitung zur gewaltsamen Durchsetzung der Zwangsveranstaltung für die Schulklassen entschieden hatten: Bis auf einen waren alle Zugänge zum Schulhof abgesperrt und die umliegenden Straßen von Bereitschaftspolizei gesäumt. Die AktivistInnen bauten sich dennoch an diesem Eingang mit Sarg, Transparenten und Flugblättern auf. Dann kam die Nachricht, dass der Einsatz des Infomobils abgesagt ist. Um sicher zu stellen, dass die Invasion der Bundeswehr auch an den beiden folgenden Tagen ausblieb, traf sich das Netzwerk jeweils zum antimilitaristischen Schulfrühstück.

Die Methode der offenen Protestankündigung funktionierte bereits im September 2007 in Duisburg. Hier forderten mehrere Gruppen, dass das Bertolt Brecht Berufskolleg seinem Namensgeber gerecht werde und die Bundeswehr wieder auslade. Die Bundeswehr zog den Termin in Absprache mit der Berufsschulleitung daraufhin zurück.

Auch an Universitäten kam es zu Protesten gegen das Eindringen des Militärs in den Hochschulbetrieb. Im Wintersemester 2007/2008 startete an der Uni Potsdam ein neuer Masterstudiengang »Military Studies« unter Beteiligung des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes (MGFA) und des Sozialwissenschaftlichen Insitutes (SOWI) der Bundeswehr. Die feierliche Begrüßung der StudienanfängerInnen und die Eröffnung des Studienganges wurde von zahlreichen AktivistInnen erfolgreich gestört.

An der Uni in Kassel bescherten Studierende den angekündigten Referenten der NATO und des Rüstungskonzerns EADS im Mai diesen Jahres eine vorlesungsfreie Zeit. Ein Teil einer vor dem Saal abgehaltenen Gegenversammlung strömte in den Hörsaal. Die Begeisterung der DemonstrantInnen, einen Oberstleutnant zu Gesicht zu bekommen äußerte sich in minutenlangem Applaus und lautem Rufen, sodass dieser seinen Vortrag immer wieder unterbrechen musste. Letzten Endes blieb der Veranstalterin nichts anderes übrig, als die Vorlesung für beendet zu erklären und Oberstleutnant Jens Fehler mit seinem Adjutanten nach Hause zu schicken.

Trittbrettfahrerin Bundeswehr auf Jugendmessen

Es ist erstaunlich, auf welchen Ausstellungen und Messen die Bundeswehr vertreten ist. Ist der Hintergrund bei Job- und Bildungsmessen leicht ersichtlich, so fragen sich manche, was die Bundeswehr mit ihrem beschränkten Publikationsrepertoire auf Deutschlands großen Buchmessen verloren hat.3

Seit Jahren belegte die Bundeswehr auf der Leipziger Buchmesse eine der größten Ausstellungsflächen. Nachdem bereits im März 2003 (unmittelbar nach Beginn des Irak-Kriegs) AusstellerInnen und BesucherInnen eine Demo auf der Messe organisiert und die Messeleitung aufgefordert hatten, die Bundeswehr im nächsten Jahr nicht mehr zuzulassen, kam es 2004 zum Eklat. Etwa 200 VerlegerInnen, AutorInnen und MessebesucherInnen riegelten den Bundeswehrstand (in unmittelbarer Nachbarschaft von Jugendbuch- und Comic-Verlagen) ab. Der Einsatz von Feldjägern und Bereitschaftspolizei sorgte für Tumult, unschöne Bilder und viel Unmut bei Publikum und Verlagen - die Bundeswehr meidet seitdem die Leipziger Buchmesse.

Im Mai 2008 griffen Clowns den Werbesoldaten der Bundeswehr auf einer Dresdener Jobmesse an deren Stand unter die Arme. Ein Vergleich des Zuschauerinteresses an der Präsentation der Bundeswehr einerseits und dem »Unterstützungskommando der Clowns-Rebel-Army« andererseits offenbarte einen klaren Punktsieg für die antimiliaristischen Clowns.

Aufrüstung mit Gottes Segen

In Köln schwört der Glaubenskrieger Kardinal Meisner beim jährlichen Soldatengottesdienst im Kölner Dom - in der Regel in Anwesenheit des Verteidigungsministers - seit Jahren mehr als tausend SoldatInnen auf den Kriegsdienst ein.

Sein Predigtspruch aus dem Jahre 1997 bleibt unvergessen: „Wem käme es in den Sinn, Soldaten, die auch Beter sind, dann noch als Mörder zu diskriminieren? Nein, in betenden Händen ist die Waffe vor Missbrauch sicher.“

Eine Predigt, die nahtlos anschloss an die der Vorjahre. 1996 hatte Meisner in Köln formuliert: „Einem Gott lobenden Soldaten kann man guten Gewissens Verantwortung über Leben und Tod anderer übertragen, weil sie bei ihm gleichsam von der Heiligkeit Gottes mit abgesichert sind.“ Und bereits 1993 sah Meisner im Soldaten, „als Inbegriff der strafenden Gerechtigkeit, die letzte Möglichkeit, das Böse im Menschen zu bannen.“

Im Januar 2006 bat er mit einem Papstzitat die Soldaten, die sich in den Konfliktherden der Welt im Einsatz befanden, „in jeglicher Situation und Umgebung treue Verkünder der Wahrheit des Friedens“ zu sein.

Diese unselige Allianz zwischen Kreuz und Schwert bedarf natürlich einer Antwort. AntimilitaristInnen aus Köln und Umgebung begleiteten in den Jahren 2007 und 2008 den Soldatengottesdienst im Kölner Dom. Im Januar letzten Jahres überraschte ein 20-köpfiger Chor - der sich unter die Gäste im Dom gemischt hatte - die 1.500 SoldatInnen mit folgendem Lied: [Melodie: Ihr Kinderlein kommet] Ihr Krieger kommt alle Zum Kölner Kardinal. Er segnet die Waffen Wäscht Blut vom schwarzen Stahl. Er schändet den Tempel Mit Händlern des Tods. Macht Pflugschar zu Schwertern Sein Kreuzzug bricht los. ...

In diesem Jahr schritt dem angriffslustigen Vorbeter der Tod entgegen. Kurz vor Meisners Eintreffen legten im Kölner Dom 15 Demonstranten ihre Mäntel ab und schritten als »Tote« mit dem Transparent „Der Tod dankt für die gesegnete Ernte“ durch den Mittelgang, bis sie von »Ordnungshütern« aus dem Dom gedrängt wurden.

In Hannover protestierten im November 2007 dreißig AntimilitaristInnen anlässlich eines Adventskonzerts des Bundeswehr Musikkorps der 1. Panzerdivision in der hannoverschen Marktkirche. Mit einem Transparent „Aufrüstung mit Gottes Segen - Hand in Hand in den Krieg“ harrten sie am Altar der Kirche aus. Die Protestierenden erklärten ruhig aber bestimmt, dass solange Militär in der Kirche wäre, sie auch bleiben würden. Der Oberbefehlshaber der 1. Panzerdivision, Generalmajor Langheld, reklamierte sofort das Hausrecht für die Armee - Stadtsuperintendent Puschmann hielt das für einen Versprecher, befürwortete jedoch ebenfalls die gewaltsame Entfernung der »StörerInnen«. In einem völlig überzogen harten Einsatz der Polizei wurden die AktivistInnen hinaus gedrängt und vor der Kirche eingekesselt. Die Auseinandersetzung ging weiter. Inzwischen hatte eine Veranstaltung - unter Anwesenheit von VertreterInnen der Protestierenden und der Marktkirchengemeinde - stattgefunden. Etwa 240 Menschen beteiligten sich an der sachlich wie engagiert geführten Diskussion. Auch aus kirchlichen Kreisen gab es heftige Kritik an dem Militärkonzert in der Kirche. Ein Mitglied des Vorstands der Marktkirche bekannte, dass der antimilitaristische Protest produktive Diskussionen im Kirchenvorstand ausgelöst habe. Superintendent Puschmann stand mit seinem Schulterschluss mit der 1. Panzerdivision und der Äußerung, er werde die Anzeigen wegen Hausfriedensbruch auf keinen Fall zurücknehmen, einsam im Raum. In zahlreichen Redebeiträgen wurde er aufgefordert, diese Anzeige zurückzunehmen, um eine Kriminalisierung der FriedensdemonstrantInnen nicht zuzulassen. Diese kündigten weitere Protestaktionen an und die Marktkirchengemeinde will den Vertrag mit der Bundeswehr überdenken.4

Die wollen doch nur spielen ... - karitatives Militainment

Unter dem Motto »Klänge für den Frieden« zelebrierte die Bundeswehr im November 2007 zum siebten Mal das Internationale Militär Musik Festival in Köln. »Mit Musik geht alles besser...« - auch das Töten! Gegen eine etwaige Image pflegende Befriedungsstrategie der Bundeswehr »Soldaten sind Musiker und Kriege sind Konzerte für den Frieden« trafen sich etwa 60 KriegsgegnerInnen zum lautstarken »Bundeswehr Wegblasen«. Neu gemixte Marschmusik hinterlegt mit Bombendetonationen und Sirenengeheul sowie marschierende Clowns und SambaanarchistInnen begleiteten die Gäste beim Einmarsch in die Köln-Arena.

Im April 2008 musste ein Benefizkonzert der Bundeswehr in der Kölner Philharmonie unterbrochen werden. Der Live-Mitschnitt des Konzerts war versaut. Ein antimilitaristischer Rave auf dem Dach der Philharmonie nutzte mit schweren »Instrumenten« einen altbekannten Konstruktionsfehler des Konzertsaals: Stiefel, Holz-Clocks und große Holzstempel sorgten für ausreichende Verstärkung der Sambabeats von etwa vierzig BundeswehrgegnerInnen ins Innere der Philharmonie. Während der Aufführungen wird der sonst öffentlich zugängliche Heinrich-Böll-Platz über dem Dach der Philharmonie von Ein-Euro-JobberInnen abgesperrt, damit keine Schrittgeräusche von Fußgängerinnen oder Fahrgeräusche von Skateboards ins Innere dringen. Die Ein-Euro-Kräfte übten sich angesichts der Menge an DachbesetzterInnen jedoch in Zurückhaltung, hegten teils sogar offene Sympathie für die unkonventionelle Tanzveranstaltung über den musizierenden Soldaten. Der Inspizient (koordiniert den Auftritt der Musiker in der Philharmonie) wandte sich in der unfreiwilligen Pause an einige Raver auf dem Dach: „Dies ist der falsche Ort für euren Protest,“ da tut die Bundeswehr mal was Gutes. Falsch! Jeder Ort, an dem die Bundeswehr auftritt, ist ein richtiger Ort für Protest und Widerstand. Wer zwischen kämpfenden und spielenden, zwischen Brunnen bauenden und in Afghanistan schießenden Soldaten unterscheidet, übersieht, dass die Aufgabenverteilung zwischen verschiedenen Einheiten der Bundeswehr immer auch einer »inneren Absicherung« der kämpfenden Einheiten dient.

Stören und mehr - nicht nur weg-, sondern auch nachtreten!

Analysiert man das Verhalten der Bundeswehr in Reaktion auf die geschilderten Protest- und Störaktionen, so sieht man, dass die Werbeoffiziere nicht blind an der Durchsetzung ihres Werbe- und Rekrutierungsauftrags festhalten. Im Einzelfall lieber keine als eine negative Außenwirkung erzeugen, scheint das Motto zu sein. Am Kölner Arbeitsamt verzichtete die Bundeswehr zunächst auf eine öffentliche Ankündigung durch Flyer und Plakate, dann gänzlich auf Laufkundschaft: die regelmäßige Sprechstunde der Wehrdienstberatung im Arbeitsamt wurde auf den (wenig frequentierten) Nachmittag verlegt. Damit sollte den ebenso regelmäßig auftauchenden BundeswehrgegnerInnen das Forum genommen werden. Die Absagen vieler Werbeveranstaltungen, bei denen Störaktivitäten angekündigt waren, untermauern dieses taktische Ausweichen der Bundeswehr zur Schadensminimierung. Sie kann es sich (in bisherigem Maße) erlauben, überflutet sie doch das Land mit über 600 Reklame-Einsätzen jährlich.

Um der Bundeswehr mit ihren häufig an Schulen akzeptierten Jugendoffizieren das Wasser abzugraben, bedarf es deshalb dringend weitergehender Aktivitäten. Hatten in den 80er und auch noch in den 90er Jahren die Jugendlichen mehrheitlich allein schon aus Ablehnung von Bevormundung, blindem Gehorsam und Uniformiertheit eine kritische Haltung gegenüber dem Militär, so ist die Meinung zur Bundeswehr an sich heute weniger eindeutig. Einige antimilitaristische Gruppen haben sehr positive Erfahrungen mit eigenen Schulveranstaltungen (Kontakt über die SchülerInnenvertretung oder bekannte Lehrer im Kollegium) mit Deserteuren aus den aktuellen Kriegen im Irak oder Afghanistan bzw. mit sehr engagierten Vietnamkriegsveteranen gemacht. Verweigert die Schulleitung eine derartige Großveranstaltung im Haus, so können Schulklassen zu einer gemeinsamen Veranstaltung (während der Schulzeit!) extern einladen.

Manche Initiativen benötigen einen längeren Atem, als dies eine punktuelle Intervention hergibt. Die seit 2002 fortwährenden Bemühungen, dem alljährlichen Pfingsttreffen der Gebirgsjäger in Mittenwald, bei dem es immer wieder zur Verherrlichung von NS-Kriegsverbrechern kam, ein Ende zu bereiten, entfalteten erst in den letzten beiden Jahren ihren vollen politischen Druck. Das Treffen, zu dem einige tausend aktive und ehemalige Gebirgsjäger aus Bundeswehr und Wehrmacht zusammenkommen, wurde verlegt. Aufgrund der Proteste gegen die Mörder unterm Hakenkreuz blieben nach eigenen Angaben zu Pfingsten die Touristen im oberbayerischen Mittenwald aus.

Analog liegt die Stärke des Widerstands gegen das »Bombodrom« in der Kyritz-Ruppiner-Heide, dem von der Bundeswehr geplanten Boden-Luftkrieg-Übungsplatz, in der seit Jahren andauernden, kontinuierlichen Aufbauarbeit eines möglichst breiten und belastbaren Netzes von BürgerInneninitiativen und anderen AntimilitaristInnen.

Perspektiven

Das Eingreifen in die (noch) gut geschmierte Reklame- und Rekrutierungsmaschinerie der Bundeswehr bedeutet mehr als nur das konkrete Abwerben einzelner potenzieller SoldatInnen. Es geht um das generelle Zurückdrängen einer Bundeswehr, die sich zunehmend im öffentlichen Raum breit macht. Eine unwidersprochene Alltagspräsenz des Militärs spiegelt nicht nur, sondern prägt auch gesamtgesellschaftliches Bewusstsein zugunsten einer fortschreitenden Militarisierung im Äußeren und Inneren.

Zwei neue antimilitaristische Zeitungsprojekte aus Hannover und Berlin5 sowie die Einrichtung eines »nomadischen« Anti-Kriegs-Cafes, das nach Vorbild der frühen Bewegung gegen den Vietnamkrieg (wöchentlich) mit verschiedenen Themen an verschiedenen Plätzen Berlins auftaucht, spiegeln den (neuerlichen) Versuch, eine breitere Öffentlichkeit für antimilitaristische Positionen zu erlangen. Darüber hinaus steigt das Interesse an einem ganz praktischen Antimilitarismus. Zwei Veranstaltungen im Frühjahr 2008 in Berlin zum Thema »Kriegsgerät interessiert uns brennend« und »Deutschland führt Krieg - Sabotage ist notwendig« waren mit zusammen 400 Leuten überraschend gut besucht. In der Veranstaltung wurde die Legitimität und Notwendigkeit von antimilitaristischem Widerstand und direktem Eingreifen im Sinne selbstorganisierter Abrüstung zur Debatte gestellt. Vorgetragen haben AktivistInnen aus verschiedenen europäischen Ländern über Sabotage- und Blockadeaktionen gegen Kriegsgerät: Aus den Niederlanden eine Aktivistin, die eine militärische Satellitenanlage zerstört hat, aus Irland ein Aktivist, der in Shannon ein Militärflugzeug beschädigte und aus Deutschland eine Aktivistin, die im Februar 2008 einen Bundeswehr-Militärtransport auf der Schiene blockiert hat. Die einhellige Meinung bei den Veranstaltungen war, dass bombardierende, marodierende Truppen, Hightech Kriegsgeräte, archaische Kämpfer, imperialistische Kriegsbündnisse für den Profit keine Normalität, sondern Verbrechen sind, gegen die es gilt, praktischen Widerstand zu leisten. Nicht zuletzt der Einsatz der Bundeswehr im Inneren mit Spähpanzern und Tornados auf dem G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm, sowie die Kriminalisierung von drei Aktivisten, denen vorgeworfen wird, LKWs der Bundeswehr in Brandenburg angezündet zu haben, sorg(t)en bei vielen für eine neue bzw. verstärkte antimilitaristische Ausrichtung. Und so gibt es in letzter Zeit auch in Deutschland wieder ein steigendes Interesse an einer Abrüstung von unten.6

Wir wissen, bis zur Abschaffung der Bundeswehr ist es noch weit. Bis dahin wird noch viel Friedens- und Aufklärungsarbeit notwendig sein. Dazu zählen auch antimilitaristische Aktionen. Sie sind kein Verbrechen sondern eine legitime Variante der Widerstands. Wehren wir uns gegen jeden Einsatz der Bundeswehr: Gegen »friedenserzwingende« Auslandeinsätze genauso wie gegen »überwachende und sichernde« Inlandeinsätze und die bundesweit zunehmenden Reklame- und Rekrutierungseinsätze!

Anmerkungen

1) Aachen, Aschaffenburg, Bad Oldesloe,Baumholder, Bautzen, Berlin, Bernau, Bielefeld, Bochum, Brühl, Dortmund, Dresden, Duisburg, Düren, Düsseldorf, Göttingen, Gütersloh, Frankfurt aM, Freiburg, Gießen, Gifhorn, Görlitz, Hamburg, Hannover, Herne, Jena, Kassel, Kiel, Köln, Lemgo, Lüneburg, Magdeburg, Mainz, Mittenwald, Münster, Oberhausen, Paderborn, Potsdam, Reutlingen, Rostock, Tübingen, Weimar, Wuppertal, Wittstock, Zittau.

2) Es sind mehrere Fälle bekannt, bei denen jugendliche Arbeitslose unter Sanktionsandrohungen zur Teilnahme an BW-Werbeveranstaltungen verpflichtet wurden.

3) Es dürfte wohl um die Anbiederung insbesondere an ein junges Publikum gehen, was auch die pompösen Auftritte auf Europas größter Computerspiele-Messe, der Games Convention in Leipzig, erklärt. Die Games Convention findet im August 2008 letztmalig in Leipzig statt. Ab 2009 zieht sie unter dem Namen GAMESCom nach Köln um.

4) Vgl. Zeitung gegen Krieg, Nr. 1/2008.

5) http://antimilitarismus.blogsport.de und www.bundeswehr-wegtreten.org/main/panzerknackerin_00.pdf

6) Siehe dazu http://einstellung.so36.net/files/antimilitaristische_broschuere.pdf und www.bundeswehr-wegtreten.org.

Bundeswehr-Wegtreten ist ein Zusammenschluss antimilitaristischer Gruppen, dessen Ziel es ist, die Bundeswehr in ihrem Streben nach mehr gesellschaftlicher Akzeptanz und bei ihrer Selbstinszenierung im öffentlichen Raum anzugreifen. Eine umfassendere Dokumentation aller »Bundeswehr wegtreten« Aktionen mit Aufruf-Texten und Presseartikeln findet sich unter www.bundeswehr-wegtreten.org.