Dossier 2

Stealth – die neue Wunderwaffe?

von Ulrich Albrecht

Die Rüstungsexperten und ihre Kritiker müssen eine neue Vokabel lernen, das Wort »STEALTH«. Das Wort hat im Englischen eine schimmernde Bedeutung. Im Deutschen übersetzt man es am treffendsten (in Anlehnung an die Wortwurzel »steal«) mit »verstohlen«. Rumpel"stilz"chen, der Zwerg, welcher so stolz ist, daß keiner ihn und seinen Namen kennt, mag als erster STEALTH-Experte gelten. – Namen, Bezeichnungen sind im politischen Amerika der Reagan-Ära Programm. Neben der fast anmutigen Verständnisweise von STEALTH, dergemäß ein Bomber gleichsam als auf leisen Sohlen daherkommend angekündigt wird, unter einer Tarnkappe, hat der Ausdruck freilich auch härtere Konnotationen. Mit List, Heimtücke, diesmal auf der guten Seite, hinterrücks soll gegnerische Rüstung matt gesetzt werden.

Der Zeitpunkt, zu dem STEALTH aus der Taufe gehoben wird, verdient Beachtung. Der INF-Vertrag, besonders seine Regelungen zur Überprüfung, ist als ein wichtiger Schritt zur Abkehr von der bisherigen Politik militärischer Geheimhaltung zu werten. Derzeit stehen, weithin mit Erleichterung aufgenommen, Maßnahmen zur Verifikation, zur Bestätigung der Wahrheit von Rüstungsminderung im Vordergrund der allgemeinen Aufmerksamkeit. Der sowjetische Atomphysiker Sergej P. Kapitza geht so weit, von einer einsetzenden Auflösung des Prinzips der Geheimhaltung zu sprechen. Die neuerliche Betonung des Gegenteils, STEALTH, durch die Reagan-Administration ist als entschiedener politischer Gegenzug zu werten.

Der Zeitpunkt, zu dem STEALTH plötzlich die höchste Prioritätsstufe erhält, wirft weitere grundsätzliche Fragen auf. Der britische Historiker Bill Gunston merkt bissig an, daß die meisten Technologielinien dieses Konzeptes seit Jahrzehnten offen stehen.1 Gunston zufolge wurde schon bei Beginn der Radarentwicklung im Jahre 1935 darauf hingewiesen, daß Bomber möglichst geringe Radarechos erzeugen sollten. Bei Kriegsende wurden beispielsweise deutsche U-Boote mit Schnorcheln ausgerüstet, die radarmindernd gestaltet und mit echoschluckendem Kunststoff beschichtet waren. Es bleibt also zu prüfen, warum ausgerechnet in den achtziger Jahren ein schlummerndes Technologiekonzept so massiv zur Aufrüstung verwendet wird.

Das Bomberprogramm B-2, welches derzeit den Kern der STEALTH-Entwicklung bildet, erfordert aus weiteren Gründen Aufmerksamkeit. Mit einem Finanzvolumen von 70 Milliarden Dollar2 stellt es das größte Einzelprojekt in der Rüstungsgeschichte dar (welches Helmut Schmidts Aussage über das europäische Kampfflugzeug »Tornado«, Programmkosten 20 Mrd. DM, als »größtes Rüstungsprojekt seit Christi Geburt«3 zurechtrückt). Mit einem Stückpreis von 600 Millionen Dollar4 stellt die US Air Force die teuerste von ihr je erworbene Offensivwaffe ins Arsenal.

Neben dem STEALTH-Bomber wird an weiterem Fluggerät gearbeitet, welches die neuen Technologien der Tarnung zum Optimierungsparameter macht. Zu verweisen ist auf einen Jäger/Aufklärer von Lockheed. Fast keine öffentlich zugänglichen Informationen gibt es für Marschflugkörper mit STEALTH-Eigenschaften, wie sie bei General Dynamics entwickelt werden, sowie einen mit einer Höchstgeschwindigkeit von Mach 5 operierenden Fernaufklärer von Lockheed.

Die Anwendung der STEALTH-Prinzipien weitet sich auf mehr und mehr Rüstungskategorien aus. Schon ist von STEALTH-Hubschraubern die Rede,5 und U-Boote werden so noch unsichtbarer gemacht.6 Amerikanische Dienststellen wollen sowjetische Bemühungen um STEALTH festgestellt haben.7 Neuere sowjetische Waffensysteme, vor allem der von der NATO mit dem liebevollen Code-Namen »Totschläger« (Blackjack) benannte neue Überschallbomber, zeigen allerdings bislang keine Anzeichen dieser neuen Konstruktionsprinzipien. – Auch in der Bundesrepublik regt sich plötzlich (Rüstungs-)Interesse an der neuen Technologie. Zeitungsmeldungen zufolge arbeiten Messerschmitt-Bölkow-Blohm daran, “die Radarreflektionen eines Kampfflugzeuges auf ein Minimum zu reduzieren. Durch ein Computerprogramm soll der Flugzeugquerschnitt zusätzlich in das Profil einer Taube verwandelt werden.”8

Was ist STEALTH?

STEALTH Technologie läßt sich allgemein definieren als Bündel von Maßnahmen, welche eine Waffe über das gesamte Spektrum elektromagnetischer Strahlung, bei jeder Wellenlänge, möglichst unsichtbar macht. Der Nachdruck liegt auf den Wellenlängenbereichen, in denen Sensor- und Suchtechniken hochentwickelt sind, das heißt im Radarwellenbereich, im Infrarotbereich und im Bereich des sichtbaren Lichtes. Von den unaufspürbar zu machenden Waffensystemen her ergibt sich die Aufgabe, durch geeignete Mittel Radarechos zu mindern, formelhaft gesprochen, den Radarquerschnitt (engl.: »radar cross section«, RCS) zu minimieren sowie die – so der Fachjargon – Infrarotsignatur (IS) und die Möglichkeiten optischer Wahrnehmung parallel zu verringern. Ferner können elektronische Maßnahmen zur Manipulation von elektromagnetischen Strahlen benutzt werden.

In den beiden erstgenannten Bereichen ist zu beachten, daß moderne Waffensysteme nicht nur passiv Suchstrahlen reflektieren, sondern auch starke Emissionen aussenden. Die stärksten Emissionen im Infrarotbereich werden durchwegs durch die Antriebe ausgelöst. Technische Maßnahmen zu ihrer Dämpfung müssen vom Ansatz her auf Teillösungen beschränkt bleiben: Die Abgase von Düsentriebwerken oder Raketenöfen werden sich kaum im Fluge so abdecken oder abkühlen lassen, daß es nicht kräftige Infrarotsignale gibt. Im Radarwellenbereich ist es einfach, die aktiven Emissionen drastisch zu beschränken. Die B-2 Bomber werden permanent lediglich einen Radarhöhenmesser einsetzen, dessen Strahl vertikal nach unten geht. Alle anderen Radaremissionen, die vorhandene Bomber in breiter Vielfalt ausstrahlen (typischerweise ist ein modernes Kampfflugzeug mit zwölf verschiedenen Antennen bestückt), werden weitgehend abgestellt. Betroffen sind die Warnradars in Heck und Bug, das Wetterradar, die Radarsuch- und Leitsysteme der offensiven und defensiven Bewaffnung des Bombers, vor allem bei der B-2 das Terrainerfassungsradar für den Tiefflug sowie das signalauffällige Dopplerradar.

Zusammengefaßt konzentriert sich die an STEALTH orientierte waffentechnische Entwicklung auf die Verringerung der passiven Radarechos von Fluggerät, wobei als Maß der Radarquerschnitt dient, sowie auf die Minderung der aktiven Emissionen im Infrarotspektrum, gemessen mit der Infrarotsignatur. Hinzu treten elektronische Kampfmittel zur Beeinflussung gegnerischer Sensoren. Maßnahmen zur optischen Tarnung spielen eine sehr viel geringere Rolle.

Radarquerschnitt

Wie andere Parameter auch, wiesen in der Vergangenheit die Radarquerschnitte für neue Offensivwaffen einen Trend nach oben auf. Die Hauptwaffe des strategischen Bomberkommandos der US Air Force, Boeings B-52, erzeugte mit 50 m2 einen rund doppelt so großen Radarquerschnitt wie das Vorgängermuster B-47, und die jüngste Version der B-52, genannt B-52H, führte nochmals zu einer Verdoppelung des Radarquerschnitts gegenüber dem Grundmuster, hauptsächlich durch den Übergang zu Turbofantriebwerken mit großflächigen Verdichterfronten.

Durch einen Vergleich zwischen B-52 und B-1 sollen zunächst grundsätzliche Maßnahmen zur Minderung von Radarquerschnitten vorgeführt werden, ehe die B-2 in die Betrachtung einbezogen wird. Auf diesem Wege wird zugleich einsichtig, warum die B-52-Flotte der US Air Force nicht gemäß dem STEALTH-Konzept umgerüstet werden kann.

Der Vergleich zwischen B-52 und B-1 (vgl. Abb. 1, W&F 1/89 S.III) läßt rasch Prinzipien zur konstruktiven Minderung von Radarquerschnitten erkennen. Die Gesamtgröße des Reflektors spielt sicher eine Rolle, ist für den Konstrukteur jedoch ein vorgegebenes Datum. Große plane Flächen wie Boden- und Seitenwände der B-52 reflektieren unter verschiedenen Aufschlagwinkeln einen Radarsuchstrahl hervorragend. Aus aerodynamischen Gründen werden die Tragflächen von Flugzeugen immer leicht gekrümmte plane Flächen bleiben müssen und in der Draufsicht hervorragende Radarechos liefern. Ansonsten wurde die Zelle des B-1-Bombers unter STEALTH-Gesichtspunkten konsequent in Rundungen ausgeführt, nicht nur mittels Regelflächen (zweidimensionale Krümmung), sondern zwecks maximaler Dispersion von Radarstrahlen in drei Dimensionen. Für die Fertigungstechniker entstand so ein Alptraum.

Die Stirnflächen von Düsentriebwerken mit ihrer schnellen Interaktion zwischen Verdichterschaufeln und Leitschaufeln stellen ideale Radarreflektoren dar. Sie ergeben die stärksten Radarechos überhaupt. Da ein Bodenradar höchstwahrscheinlich einen Bomber im Anflug, mit der Frontpartie, erfaßt, spielt dieser Aspekt eine erhebliche Rolle. Die B-52H mit ihren acht überdimensionalen Verdichtern für die Turbofan-Triebwerke (der Durchmesser stieg von 0,99 auf 1,35 Meter) wird wegen des starken Radarechos entgegen früheren Einsatzbestimmungen nicht mehr für Angriffe über feindlichem Territorium, auch nicht im Tiefflug, verwendet.

Bei der B-1 besteht die konstruktive Lösung des Dilemmas darin, durch lange, besonders gekrümmte Luftführungsschächte die Verdichterfronten der Triebwerke für Bodenradar nicht erfaßbar zu machen. Bei der B-2 lautet der konsequente nächste Schritt, auf Triebwerksgondeln ganz zu verzichten, die Antriebe im Rumpf unterzubringen, und trotz Leistungsverlusten die Luft durch radarabweichende Doppel-Lippungen zu den Triebwerken zu führen (vgl. Abb. 2, ebd. S. V).

Scharfwinklige Übergänge in den Außenkonturen, wie sie üblicherweise zwischen Tragflächen und Rumpf sowie zwischen Rumpf und Leitwerken entstehen, bilden eine weitere Gruppe hervorragender Radarreflektoren. Die Konstrukteure der Zelle des Bombers B-1 haben sorgfältig auf fließende Übergänge zwischen Rumpf und Tragflächen des Bombers geachtet. Radikaler ist Northrops B-2 ausgelegt: Auf Rumpf und Leitwerke des Bombers wurde völlig verzichtet. Atombomben und Marschflugkörper, die die B-1 herkömmlicherweise im Rumpf transportiert, werden bei der B-2 mitsamt der Besatzung in einer großen Nurflügelkonstruktion untergebracht. Da man Flugzeuge um alle drei Achsen nicht nur aerodynamisch über Leitwerke und Ruder, sondern auch über den Triebwerken abgezapfte Luft mittels Steuerdüsen steuern kann, entfallen bis auf Klappen an der Flächenhinterkante konsequenterweise bei der B-2 auch alle zusätzlichen Ruderflächen mit ihren Übergangsproblemen. Mit dem leicht aus der Nurflügelfläche herausragenden Cockpit ist bei der B-2 ein gewisser Kompromiß eingegangen worden, der augenscheinlich auch der Besserung der Richtungsstabilität dient.

Die Gestaltung der Triebwerkeinläufe der B-1 verweisen auf eine weitere Möglichkeit der Schwächung von Radarechos, die Vielfachreflexion. Je öfter ein Radarimpuls reflektiert wird, umso schwächer wird sein Echo, welches die Suchantenne aufnehmen kann.

Neben der geometrischen Gestaltung eines Flugkörpers gibt es eine zweite grundsätzliche Möglichkeit, den passiven Radarschutz spürbar zu verbessern, durch die Beschichtung mit radarabsorbierenden Materialien oder durch die Benutzung radarabsorbierender Baustoffe. Strukturen aus nichtmetallischen Werkstoffen führen von vornherein zu geringeren Radarquerschnitten als ein Aufbau aus gut leitendem Metall. Abb. 3 (ebd. S. VI) gibt Beispiele für das Absorptionsverhalten bestimmter in Großbritannien entwickelter Materialien.

Besonders beim Bau von Aufklärern verfügen amerikanische Firmen über beträchtliche Erfahrungen bei der Nutzung nichtmetallischer, radarneutraler Werkstoffe. Bei Lockheeds Hochgeschwindigkeitsaufklärer SR-71 war aus Fertigkeitsgründen nur der Kastenholm des Deltaflügels in Titan (genauer; der Legierung B-120) ausgeführt. Ansonsten bestehen Fläche und Ruder der SR-71 aus einer geheimen Honigwabenstruktur aus Kunststoff, die extremen thermischen und aerodynamischen Belastungen zu widerstehen vermag. In den Flächen sind in einem feinen Zickzackmuster kleine Rippen ringsum spitzwinklig so angeordnet, daß auftreffende Radarwellen schier endlos reflektiert werden, bis ihre – Energie verbracht ist – gut vergleichbar der Struktur der nach innen weisenden Pyramiden in einer echofreien Meßkammer.

Schon aus aerodynamischen Gründen läßt sich ein Bomber nicht mit einem Mantel aus echoverzehrenden kleinen Pyramiden umkleiden. Bei dem bekannten Höhenaufklärer Lockheed U-2, dessen Abschuß bei Swerdlowsk 1960 das Gipfeltreffen zwischen Chruschtschow und Eisenhower torpedierte, waren die Konstrukteure auf einen anderen Ausweg verfallen. Sie versahen die radarabsorbierende Kunststoffhaut mit einer großen Zahl kleinster Eisenkugeln. Diese verursachten zwei Effekte. Zum einen reflektierten die Eisenkugeln dutzendfach untereinander eindringende Radarwellen. Zum anderen waren die Eisenkugeln an der Oberfläche dicht genug gepackt, um eine gut leitende Gesamtfläche zu ergeben, die vor und hinter dem Flugzeug zu einem merklichen Spannungsabfall im Meßstrahl führte.

Die nahezu schwarze Oberfläche, welche sich durch eine solche Beschichtung ergibt, führt gegenüber einem grauen Anstrich sicher zu einer Stärkung der optischen Wahrnehmbarkeit des Flugzeuges. Bei der mit dreifacher Schallgeschwindigkeit fliegenden Nachfolgekonstruktion SR-71 wurde jedoch erneut auf eine solche schwarze Beschichtung zurückgegriffen, weil so ein Teil der durch thermische Aufheizung entstandenen Wärme einfach abgestrahlt werden konnte. Der dunkle Farbauftrag auf einigen B-1 Bombern deutet darauf hin, daß bei der Konzipierung des Oberflächenmaterials ähnliche Gesichtspunkte den Ausschlag gaben. Bei der B-2 dürften zudem im großen Umfang mit Kohlenstoffasern verstärkte Kunststoffe wie Kevlar zur weiteren Minderung des Radarquerschnittes eingesetzt worden sein. Die sägezahnartig ausgeführte Hinterkante des Bomberflügels dürfte ebenfalls so gestaltet sein, um gegenüber einer durchgängig geraden Kante ein geringeres Radarecho zu erzeugen.

Die Nasenkante des Northrop-Bombers ist Newsweek zufolge eben in dieser Technologie ausgeführt: die im Flugzeugbau seit langem bekannte Bauweise der Honigwabenkonstruktion wurde gemäß den Funktionsprinzipien echofreier Meßkammern in Profil aus kleinen spitzwinkligen Pyramiden umgeformt. In diesen soll ein Radarsignal buchstäblich zerspiegelt werden. Obendrein sei die Oberfläche der Nasenkante mit einer extrem radarabsorbenten Kunststoffbeschichtung versehen. Fertigungstechnisch stellt das Nasenteil des B-2-Flügels eine Delikatesse dar: im Vergleich sind die Hexagone der üblichen Honigwabenbauweise ein Nichts gegenüber dem Bemühen, die echomindernden Pyramiden als tragende und steife Konstruktion auszuführen, dies obendrein in einem nach aerodynamischen Vorgaben zumindest zweidimensional gekrümmten Flügelprofil.9

Tab. 1: Radarquerschnitte amerikanischer Bomber
Hersteller Typenbezeichnung Erstflug Radarquerschnitt/m2
The Boeing Co. B-52 1952 100
Rockwell International Corp. B-1 1974 10
Rockwell International Corp. B-1B 1984 1
Northrop Corp. B-2 (1988) <
Quelle: The International Institute for Strategic Studies, Survival, vol. XXX, no. 4 /1988 S. 364

Im Ergebnis ist der Trend hochlaufender Radarquerschnitte wirksam umgekehrt worden. Wie die in Tabelle 1 angegebenen Daten der US Air Force anzeigen, ist es in rascher Schrittfolge den Wissenschaftlern und Technikern möglich gewesen, diese Radarechos jeweils um eine Zehnergrößenordnung zu mindern.

Infrarotquerschnitte

Mit Überlegungen zum zweiten Wellenlängenbereich, dem Infrarotspektrum, sind wir beim zweiten Schwerpunkt der STEALTH-Technologie, der Minderung von Wärmeemissionen.

Der wichtigste Schritt in dieser Richtung ist banal, führt aber zur ersatzlosen Abschreibung gewaltiger Investitionen. Die US Air Force hatte sowohl für die B-1 wie auch zunächst für die B-2 Überschallflugfähigkeit gefordert. Die Höchstgeschwindigkeit der B-1 wird dann auch mit Mach 1,25 oder 1330 km pro Stunde angegeben. Diese erreicht die beim Start rund 100 Tonnen schwere Maschine nur unter Einschaltung der vier gewaltigen Nachbrenner ihrer F-101-102 Turbinen von General Electric. Die Nachbrenner erzeugen freilich derart intensive Infrarotmarkierungen (wobei die Stichflammen am Triebwerksaustritt auch im optischen Bereich sichtbar sind), daß die Air Force im Angriffsflug nunmehr auf Überschallgeschwindigkeit verzichtet. Der eigentliche STEALTH-Bomber B-2 wird von vornherein ohne Nachbrenner in Geschwindigkeitsbereichen operieren, wie sie von zeitgenössischen Verkehrsflugzeugen bekannt sind, wobei das Minimum der Austrittstemperatur der Abgase entscheidende Bedeutung haben wird.

Durch geeignet gestaltete Verkleidungen und Zumischung von Kaltluft um einen heißen Abgasstrahl herum wie durch Abblendung des Triebwerkendes durch Schürzen gegenüber bodengebundenen Infrarot-Suchgeräten meinen die Konstrukteure, auch in diesem Frequenzbereich die Signaturen ihrer Produkte soweit senken zu können, daß diese im Grundrauschen der Empfangsgeräte untergehen. Ingenieurmäßig handelt es sich bei der Minderung der Infrarotemissionen um eine der schwierigsten Aufgaben der STEALTH-Technologie. Bislang galt als konstruktive Leitidee, durch geeignete konstruktive Maßnahmen die Energie der Triebwerke maximal zu nutzen. Triebwerkeinläufe wurden bei neueren Militärflugzeugen rechteckig angelegt, um die Luftzufuhr zu den Turbinen mittels Klappen wirksam optimieren zu können. Zugleich wurde der Staudruck und eine Voraufheizung der Luft vor dem Verdichter ausgenutzt. Die neuen Lippeneintritte beim STEALTH-Bomber folgen gänzlich anderen Leitgesichtspunkten. Die Abgasführungen moderner Hochleistungstriebwerke weisen zur Schubsteigerung variable Querschnitte auf. Auf dieses Hilfsmittel wird bei STEALTH-Flugzeugen verzichtet. Hier liegt der Nachdruck auf extremer Abkühlung und Verwirbelung des Schubstrahles mit Umgebungskaltluft, zu Lasten der Schubleistung. Es wundert nicht, wenn eingeführte Strahltriebwerke bei solchen Zu- und Abfuhrbedingungen als Strömungsmaschinen in kritische Zustände geraten.

Bei der »optischen Signatur« von Militärflugzeugen (um für den Augenblick den Jargon der Insider zu gebrauchen) bleiben die Kondensstreifen, wie sie in mittleren Flughöhen bislang unvermeidlich sind, ein Ärgernis. Instabilitäten in der mittleren Atmosphäre führen dazu, daß sich Wasserdampf an von den Düsentriebwerken ausgestoßenen Rußpartikeln kondensiert und so die charakteristischen Dünnwolkenspuren am Himmel erzeugt. Eben wegen dieses unvermeidbaren Effektes wurde das erste STEALTH-Flugzeug, Lockheeds Aufklärer F-117, lediglich nachts, in nicht mondhellen Nächten, über Europa eingesetzt.

Durch Zusätze zu den Flugtreibstoffen versucht die US-Luftwaffe, die Bildung von Kondensstreifen zu unterdrücken. Im Vordergrund der Bemühungen stehen derzeit, ökologisch höchst verdächtig, Zusätze auf der Basis von Chlorfluorschwefelsäure. Das Problem der Luftwaffentechniker besteht darin, die Innentanks der STEALTH-Flugzeuge sowie die Flugtriebwerke gegen die starken Korrosionswirkungen des Säureadditivs immun zu machen. Im ultravioletten Wellenbereich, so der Kummer der Techniker, wären die Kondensstreifen auch beim Zusatz von Chlorfluorschwefelsäure weiterhin sichtbar.10

Elektronische STEALTH-Maßnahmen

Die dritte Komponente der STEALTH-Technologie bilden Entwicklungen in der Flugzeugelektronik sowohl für die Offensive wie auch besonders für die Verteidigung des Bombers. Zu den Offensivsystemen zählen heute besonders ein weitreichendes Zielerfassungsradar, Tiefflugradar im Konturenflug, der Erdoberfläche folgend, elektronische Kampfmittel zur Radarunterdrückung sowie zur Unterbindung von Kommunikation beim Gegner. Die wichtigsten elektronischen Defensivsysteme sind Warngeräte, die auf die Erfassung des Bombers durch Radarstrahlen reagieren, Einrichtungen zur Blockade solcher Signale, auch bei stetem Frequenzwechsel, sowie Abwurfgerät für Störsignale oder Täuschkörper, die nunmehr gar elektronisch simuliert werden.

Eigentlich brauchte die B-2 kein aufwendiges Defensivradar, wenn ihr Radarquerschnitt so phantastisch klein ausfällt. Dennoch hat Northrop, wie die folgende Tabelle 2 zeigt, das nach der Zahl der Einschübe komplizierteste Defensivradar aller US-Bomber vorgesehen:

Tab. 2 Defensivelektronik in US Bombern
Baumuster Zahl der Einschübe des Defensivradars
B-52 23
B-1 88
B-1B 118
B-2 131
QUELLE: ZUSAMMENGESTELLT NACH SURVIVAL 1988, S. 357,UND GUNSTON (ANMERKUNG 1),  S. 96F.

Die Piloten des STEALTH-Bombers sollen sich bei der Suche nach ihren Angriffszielen von Fotosatelliten (wie dem Aufklärersatelliten KH-12 oder der Neuentwicklung Indigo Lacrosse) leiten lassen, um nicht durch die Emissionen ihres Zielerfassungsradars verraten zu werden. Die Kommunikation mit Satelliten ist andererseits nur über elektronische Signale möglich, auch wenn diese schwächer und kurzzeitiger ausfallen als die Impulse eines Suchradars.

Auf das Terrainfolgeradar wird der Bomber nicht verzichten und wie die anderen Offensivwaffen des Strategischen Bomberkommandos im Tiefflug angreifen. Nach Aussage eines nicht näher identifizierten Angehörigen der US Air Force sei die Radarsignatur des Terrainfolgeradars "sehr beschränkt und schwierig zu orten".11

Um unnötige Emissionen zu vermeiden, könnten STEALTH-Flugzeuge passive Sensoren und andere nicht-emittierende Führungsanlagen benutzen. Die B-1 verfügt jedoch über ein enormes Defensivradar mit der Bezeichnung ALQ-161, um gegnerische Suchradars aufzuspüren, zu lokalisieren und zu blenden. Der Kern der aufwendigen Radaranlage wird von 118 Einschüben gebildet, von denen 35 Antennen sind. Diese ragen nicht aus der Rumpfkontur heraus, sondern sind größtenteils bündig in die Plastikhaut des Bombers eingefügt. Insgesamt wiegt das Defensivradar 2,4 Tonnen. Das Gewicht für Bildschirme, Steuereinrichtungen und die Verkabelung ist hinzuzurechnen (deren Gewichtsanteil läßt sich anhand der Nachricht erahnen, daß durch eine Neuanordnung verschiedener Baugruppen 340 kg Kabelmaterial eingespart werden konnten).12 Zwar ist das Radar geheim, doch wurde bekannt, daß die B-1 über eine Vielzahl computergesteuerter Radarstörsätze der Firma Northrop sowie phasengesteuerte Antennen von Raytheon verfügt. Eine der konstruktiven Hauptschwierigkeiten dürfte darin gelegen haben, die di-elektrische Kunststoffhaut des Bombers zwar für die Bordradaranlagen permeabel zu gestalten, von außen kommende Signale aber zu blockieren. – Bei soviel Kompliziertheit wundert nicht, daß Presseberichten zufolge besonders die Leistungen des Defensivradars der B-1 sehr zu wünschen übrig lassen.

Der STEALTH-Gewaltaufklärer von Lockheed

Das Projekt eines STEALTH-Jägers ist wesentlich älter als das Bomberprojekt, es ist aber sehr viel weniger darüber bekannt geworden. Amtlich trägt das Vorhaben das Kürzel CSIRS – Covert Survivable In-weather Reconnaissance-Strike (dieses Rambo-Amerikanisch lautet, mit der nötigen Freiheit übersetzt: Verdeckt, im Allwettereinsatz überlebensfähiges Aufklärungs- und Kampfflugzeug). Das von der Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA) finanzierte Projekt führte vor zehn Jahren, angegeben wird 1977, zur Erprobung eines »Technologiedemonstrators«, eines im verkleinerten Maßstab ausgeführten Versuchsträgers. Unter dem Kürzel »XST« (Experimental STEALTH) wurden angeblich fünf bis sieben Flugzeuge gebaut und geflogen, wobei mindestens zwei Abstürze zu verzeichnen waren. Angetrieben wurden die XST von zwei Turbinen von General Electric CJ 610 mit einem Schub von 11 – 12,5 kN, was im Vergleich mit den 48 kN des folgenden Jägers Rückschlüsse auf die Größe des »Technology Demonstrators« zuläßt.

Fünf Jahre später, 1982, soll der voll ausgeführte Jäger zum Jungfernflug aufgestiegen sein, sieben Jahre vor dem Erststart des STEALTH-Bombers. An dieser Tatsachenbehauptung bleibt zumindest zweierlei bemerkenswert. Zum einen ist es für das Verhältnis zwischen Medien und Pentagon völlig ungewöhnlich, daß eine waffentechnische Errungenschaft von solcher Bedeutung so lange geheim gehalten wird. So merkwürdig es klingt, es scheint die Reagan-Administration einen Test ihrer Handlungsfähigkeit darin gesehen zu haben, den Lockheed-Jäger aus den Medien herauszuhalten. Man griff zu ungewöhnlichen Sicherheitsmaßnahmen: Als ein Pilot der auf dem Stützpunkt Nellis AFB stationierten 4450. Taktischen Erprobungsstaffel am 11. Juli 1986 mit seiner Maschine tödlich abstürzte, wurde der Unfallort zur »National Security Area« erklärt. Das kann als gewollter Hinweis auf die Bedeutung des Absturzes verstanden werden – normalerweise kümmern sich die Medien kaum um solche Verluste von Düsenjägern, und eben dieser Umstand hätte bequem zur Vertuschung dieses besonderen Absturzes dienen können.

Im November 1988 veröffentlichte das Pentagon erstmals eine Abbildung des bis dahin hochgeheimen Aufklärers (Abb. 4 - ebd., S.VII) und gab die militärische Typenbezeichnung preis. Die Charakterisierung »F-117« verwirrte die Fachleute – als »Waffensystem 117« wurden bislang zwei Aufklärungssatelliten geführt. Mutmaßlich soll die Typenbezeichnung die Spionage- und Aufklärungsfunktion des Flugzeuges hervorheben.

Die im Vergleich mit dem Northrop-Bomber sehr viel kleinere F-117 stellt in Bezug auf STEALTH-Prinzipien eine Kompromißlösung dar. Zwar ist auch sie als Nurflügelflugzeug ausgelegt. Auf ein Leitwerk konnte augenscheinlich nicht verzichtet werden. Statt der üblichen drei Steuerflächen (links und rechts ein Höhenleitwerk, sowie auf dem Rumpf ein Seitenleitwerk) wählten die Lockheed-Ingenieure jedoch ein aus nur zwei Steuerflächen gebildetes sogenanntes »V«-Leitwerk. Die großen Anforderungen an Stabilitätsregulierung und Steuerung um alle Achsen werden daran sichtbar, daß das V-Leitwerk Ruderklappen sowohl ungewöhnlicherweise an der Vorderkante wie auch an der Hinterkante aufweist.

Auf die von den Bombern B-1 und B-2 her bekannten Rundungen beim Übergang zwischen Rumpf und Nurflügel sowie bei Triebwerkschächten und Rumpfspitze verzichtet die F-117. Beim Zellenaufbau wurde vielmehr auf das von Facettenkugelspiegeln aus Diskotheken bekannte Prinzip zurückgegriffen, einem auftreffenden Strahl möglichst viele Reflektionsflächen zu bieten, die in unterschiedlichen Winkelstellungen angestrahlt werden. Rechtwinklige Stöße von Flächen wurden sorgfältig vermieden. Für den Piloten, der ohnehin in seinem nach hinten versetzten Cockpit etwa bei der Landung schlechte Sichtmöglichkeiten hat, ergeben sich durch diesen Aufbau weitere Beschränkungen seines Sehfeldes.

Die Anordnung der beiden Triebwerke folgt den gleichen Prinzipien wie beim B-2-Bomber. Die Lufteinläufe wurden über den Tragflächen angeordnet, damit sie von einem Bodenradar möglichst nicht erfaßt werden. Die heißen Triebwerkabgase werden gleichfalls über die Flügeloberfläche geführt, anscheinend über eine Schürze aus Karbonmaterial. Die relativ großen Einläufe, Hilfsöffnungen am Triebwerkschacht sowie die komplizierte Gestaltung des Flugzeughecks weisen darauf hin, daß durch die Zumischung von Kaltluft die »Infrarotsignatur« der F-117 zu senken versucht wurde.

Wie die B-2 verfügt die Lockheed-Maschine auch über eine Beschichtung mit radarabsorbierendem Material. Lockheed und Northrop konkurrieren auf diesem Felde mit unterschiedlichen Werkstoffen. Angestellte der Firma Lockheed haben ihren Arbeitgeber mittlerweile verklagt, weil sie infolge der Verarbeitung toxischer Materialien in der Produktionsstätte der F-117 Gesundheitsschäden erlitten hätten.13

Aufgrund der STEALTH-Konzeption soll sich die Infrarotsignatur der F-117 auf weniger als 1 Promille des derzeit modernsten Jägers der US Air Force, der Rockwell International F-15, belaufen.14 Kritiker merken an, daß damit die Lockheed-Maschine im Infrarot-Bereich noch lange nicht »unsichtbar« sei – schließlich wird auf amerikanischer Seite behauptet, daß man über Aufklärungsmittel verfügt, mit denen eine glimmende Zigarette über 50 Meilen Entfernung (80 km) aufspürbar sei.

Die hohe Absturzrate der F-117 verweist auf die Probleme, welche mit der Einführung einer so anspruchsvollen Technologie in den Truppendienst verbunden sind. Von den bestellten 59 Maschinen wurden bislang 52 ausgeliefert. Nach Angaben der US Air Force sind drei Flugzeuge aus der Serienproduktion abgestürzt, ferner soll eine Vorserienmaschine im Jahre 1979 verloren gegangen sein.15

Historische Vorgaben

Der Air Force fiel die Entscheidung nicht schwer, welches Unternehmen der Flugzeugindustrie mit der Konzeption eines schweren Nurflügelbombers als STEALTH-Prototyp zu betrauen sei. John Knudsen Northrop, Gründer des Rüstungskonzerns Northrop, hatte vor vierzig Jahren mit zwei aufeinander folgenden Entwürfen vergeblich Nurflügelbomber als Atomwaffenträger konzipiert. Er verlor wie andere gegen Boeing. Northrop steckt heute zudem in akuten Schwierigkeiten: Die mit dem (Werksbezeichnung) Northrop-N 156 »Freedom Fighter« konzipierte Technologielinie, zu letzt vorgeführt mit dem Jäger F-20 »Tigershark«, endete in einer Sackgasse. Die Börse sah das Ein-Produkt-Unternehmen Northrop schon am Ende. Da änderte STEALTH alles.

Ein Bomberhandbuch bestätigte 1962 John K. Northrop, mit Verweis auf seine Nurflügelbomber, daß “solch ein vorausschauendes Konstruktionskonzept seiner Zeit fast 20 Jahre voraus gewesen sei”.16 Der Flugpionier Northrop verfolgte ein absolutes Flugzeug – eine Konstruktion, die in Absehung von Kompromissen ausschließlich nach aerodynamischen Gesichtspunkten gestaltet war. 1940 flog ein erstes Demonstrationsmodell, genannt Northrop N1M.

John Northrop triumphierte: Man konnte Flugzeuge bauen, die absolut dem Ziel des Fliegens, eben als Nurflügel, dienten. Der Rumpf von Flugzeugen, welcher vor allem Widerstand, aber kaum Auftrieb erzeugt, kann ebenso entfallen wie die Leitwerke, die trotz ihrer nützlichen Funktion ja auch Widerstand erzeugen. Northrop ahnte nicht, daß die fliegerische Optimierung seiner Idee jenseits der Aerodynamik Vorteile aufwies: Ein so kompromißloses Flugzeug erzeugte auch ein nur minimales Radarecho.

Im September 1941 erhielt Northrop einen Kontrakt, seine Idee als Bomber-Prototyp vorzuführen. Das Ergebnis, Air Force-Bezeichnung XB-35, war ein viermotoriger Bomber (Abb. 5 ebd., S. IX). Die Konstruktion wies Mängel auf, besonders bei den Reduktionsgetrieben für die acht gegenläufigen Propeller. Konsequenterweise stattete Northrop im nächsten Schritt seinen Nurflügelbomber mit dem damals neuartigen Düsenantrieb aus (Typenbezeichnung YB-49, Abb. 6, ebd. S. XI). Das mit acht Düsentriebwerken ausgestattete Monstrum erhob sich erstmals im Oktober 1947 in die Luft.

Es sollten nicht knapp 20 Jahre, sondern der doppelte Zeitraum vergehen, bis Northrop einen weiteren Nurflügelbomber bauen konnte. Wie ein Vergleich der äußeren Abmessungen zeigt, haben sich die Northrop-Konstrukteure zumindest bei der geometrischen Auslegung der B-2 ein Selbstzitat erlaubt: XB-35, YB-49 und B-2 haben alle auf den Zentimeter die gleiche Spannweite von 51,60 Metern.

Der historische Rückblick muß auch ein deutsches Projekt aus der Zeit des Dritten Reiches erwähnen. 1942 gab das Reichsluftfahrtministerium, durch Spionageberichte über die Arbeiten von Northrop nervös gemacht, den Gebrüdern Reimar und Walter Horten in Bonn finanzielle Unterstützung für deren Nurflügelkonstruktion. Eine zweistrahlige Konstruktion, bezeichnet Horten IX (Abb. 7, ebd., S. 30), wurde noch Anfang März 1945 Göring vorgeflogen, der begeistert war. Am 12. März 1945 hielt Göring vor dem Generalstab der Luftwaffe in Karinhall eine Ansprache, in der er (unter anderem) erklärte, daß die Horten-Konstruktion “in das neue Abwehrprogramm des Führers eingeschlossen”17 werden sollte. 1946 wollten die Gebrüder Horten ihr Nurflügel-Düsenkampfflugzeug serienreif haben – vor Northrops erstem Strahlflugzeug. – Amerikanische Truppen erbeuteten 1945 in Gotha ein Vorserienmuster, welches in die USA verbracht wurde.

Ohne daß man damals daran dachte, wiesen die Nurflügelkonstruktionen von Northrop und Horten hervorragende STEALTH-Eigenschaften auf. Die kantigen Nahtstellen zwischen Rumpf und Trag- sowie Leitwerken sowie alle spitzwinkligen Konfigurationen, wie sie ansonsten bei Flugzeugen üblich sind, entfielen – beide Entwicklungsreihen wiesen die geringstmögliche Angriffsfläche für kurzwellige Suchstrahlen auf.

Wozu STEALTH?

Die Eingangsfrage, warum die STEALTH-Technologie gerade heute in den USA so stark betont wird, läßt sich auf mehreren Ebenen beantworten.

Noch am einfachsten geschieht dies auf der tagespolitischen Ebene. Die Air Force hatte allen Ernstes vor, ihre neuen Trümpfe knapp vor der amerikanischen Präsidentenwahl im November 1988 spektakulär vorzuführen. Die Lockheed F-117 sollte »Anfang November«18 vorgestellt werden, der feierliche roll-out des B-2 Bombers von Northrop war für wenige Tage vor der Wahl angesetzt.19 Die Demokraten verwahrten sich scharf gegen solche Eingriffe in den Wahlkampf. Senator Sam Nunn, der mächtige Vorsitzende des Streitkräfteausschusses im US-Senat, holte Verteidigungsminister Carlucci mit der Warnung ans Telefon, “daß solche Ankündigungen so dicht vor der Präsidentenwahl als politischer Gebrauch von Geheiminformationen verstanden werden könnten.”20 Sein republikanischer Stellvertreter, Senator Warner, konnte nicht anders als der Opposition beizupflichten – auch er sei über den Vorgang nicht hinreichend konsultiert worden.21 So mußte das Pentagon mit seinen Präsentationen die Wahlen abwarten.

Die politische Wahl des Präsentationstermins wird deutlich, wenn man sich vor Augen führt, daß der so spektakulär aus der Fertigungshalle gerollte Bomber keineswegs ein fertig durchkonstruiertes Flugzeug war. Experten erlebten Überraschungen. Das Fahrwerk des neuen Bombers, welches nicht verhüllt werden konnte, entpuppte sich als Serienbauteil aus der Zivilfertigung – Boeings Verkehrsmaschinen der Baureihen 757 und 767 sind üblicherweise mit dieser Konstruktion ausgerüstet. Die Luftwaffe wird kaum darauf verzichten wollen, das Fahrwerk ihres neuen Spitzenbombers gemäß militärischen Spezifikationen, d.h. mit höheren Belastungsgrenzen und geringeren Sicherheitsmargen, umzurüsten. Aviation Week & Space Technology zitierte “Stimmen aus der Industrie, daß das Flugzeug noch nicht fertig sei und zusätzliche Arbeiten vorgenommen werden müssen, bevor die Fertigungsabnahme und Probeläufe begonnen werden können.” 22

Tatsächlich spiegelt die STEALTH-Technologie keinen technologischen Durchbruch, sondern lediglich eine drastische Verschiebung von Prioritäten wider. Wenn die Minimierung von Radarquerschnitten und Infrarotsignaturen militärisch tatsächlich so bedeutend ist, dann stellt das Herumwerfen des Steuers den Rüstungsplanern für die Vergangenheit kein gutes Zeugnis aus. Es könnte andererseits sein, daß sich die Rüstungsverantwortlichen mit ihrem neuen Schwerpunkt STEALTH auch diesmal geirrt haben.

Trotz aller Propagandabehauptungen ist zu unterstreichen, daß in der STEALTH-Technologie alle benannten konstruktiven Maßnahmen nicht “gegen Radar-Suchstrahlen immun” (so der Spiegel)23 machen. Zunächst kommt es darauf an, in welcher Position ein STEALTH-Flugzeug von einem Radar erfaßt wird. Der Bomber B-2 ist für eine minimale Radarreflexion beim Angriff im Tiefflug optimiert. Wird er dabei von einem hochfliegenden AWACS-Aufklärer oder Satelliten erfaßt, in voller Draufsicht, bildet er aufgrund seiner Größe immer noch eine hinreichende Reflektorfläche, und auch die Infrarotsignatur bleibt von ober her deutlicher ausmachbar. Für den Lockheed-Jäger gelten solche Beschränkungen in stärkerem Maße, so daß die US Air Force statt von »Geisterfliegern« (so erneut Der Spiegel) eher von »low observable aircraft«, schwer beobachtbaren Flugzeugen, spricht. Die Nachteinsätze, auf die sich derzeit die Verwendung der F-17 kapriziert, haben unter anderem den Zweck, die Kondensstreifen des Aufklärers nicht sichtbar werden zu lassen, im STEALTH-Jargon: die optische Signatur zu mindern. Kondensstreifen bleiben ansonsten Wegmarkierer jedes hochfliegenden Düsenflugzeugs.

So ist verschärft die Frage nach der Begründung des neuen Bomberprogramms zu stellen. Michael E. Brown vom Londoner Institut für strategische Studien hält diese zusammenfassend “für nicht besonders zwingend”.24 Er stellt drei Fragen: “Erstens, ist das landgestützte, mit luftatmenden Triebwerken versehene Element der strategischen Triade notwendig? Zweitens, sind tief in gegnerisches Hinterland eindringende Bomber für dieses Element der Triade erforderlich? Drittens, benötigen die USA die B-2 als Eindringwaffe?”

Die Antworten Browns auf seine Fragen (in der Reihenfolge: absolut ja; möglicherweise; wahrscheinlich nicht) und seine Abwägungen, ob andere Offensivmittel, etwa Marschflugkörper, nicht geeigneter wären, sollen hier nicht weiter verfolgt werden. Als spezielle Begründung, warum neben den für den Tiefangriffsflug optimierten Bomber B-1B kurzfristig ein weiteres Bombermodell nötig sei, wird von diesem Autor angegeben: “Erstens wird die B-1B als Eindringflugzeug (penetrator) Mitte der neunziger Jahre anfangen zu veralten, je mehr modernes Luftabwehrgerät in der UdSSR aufgestellt wird. Indem die B-1B mehr und mehr zum Träger von Marschflugkörpern umgerüstet wird, wird die B-2 als Eindringflugzeug benötigt. Zweitens werden überlegene Eindringfähigkeiten gebraucht, um Such- und Zerstör-Einsätze gegen mobile sowjetische Ziele auszuführen, die in den neunziger Jahren in großer Zahl eingeführt werden. Anders als die B-1B wird die B-2 in der Lage sein, sicher aus niedrigen Flughöhen aufzusteigen, um diese Ziele zu rekognoszieren. Ein Bomber, der zum Überleben an niedrige Flughöhen gebunden ist, wird nicht in der Lage sein, diese Einsatzaufgabe erfolgreich auszuführen.” 25

Mit anderen Worten, nur als Offensivwaffe ist der STEALTH-Bomber überhaupt zu rechtfertigen. Als bemannter Bomber bleibt das Konzept B-2 in sich höchst widersprüchlich: Die Besatzung wird ihre Erkenntnisse mit ihrer Leitstelle abklären müssen, ehe Angriffsentscheidungen fallen, was dem STEALTH-Gebot der Funkstille widerspricht. – Die angebliche Notwendigkeit einer Offensivstreitmacht soll nicht weiter erörtert werden. Es sollte lediglich der Hinweis erfolgen, daß andere als zwingende militärische Gründe angeführt werden müssen, um zu verstehen, warum die amerikanischen Steuerzahler binnen weniger Jahre 70 Milliarden Dollar für den STEALTH-Bomber aufwenden werden.

Die Zählregeln, welche bei den amerikanisch-sowjetischen Verhandlungen zur Minderung der strategischen Arsenale vereinbart werden, begünstigen Bomber, die nicht mit Marschflugkörpern ausgestattet sind. Gleichgültig, wieviel Kernwaffen ein Bomber an Bord führt, er rechnet als »1 Gefechtskopf« – während bei Marschflugkörper tragenden Flugzeugen jeder Nuklearsprengsatz mitgezählt wird. Dieser billige Vorteil mag den Rüstungsplanern im Pentagon als weiterer Pluspunkt für die B-2 erscheinen.

Die Begründungen für den STEALTH-Bomber wechseln verräterischerweise. Newsweek meldete bei der Vorführung der B-2 Anfang Dezember, daß dieses Flugzeug “nur für eine einzige Einsatzart brauchbar sei – zur Bekämpfung der jüngsten Generation sowjetischer Raketen, der SS-24 und SS-25” 26 Der für das Projekt zuständige Luftwaffenminister Aldridge erklärte während der Vorführung andererseits, daß “die ganze Idee um dieses Flugzeug sei, (mobile und gehärtete) Ziele in der Sowjetunion unter Risiko zu halten.” 27 Die Zeitschrift Aviation Week & Space Technology wertet das Flugzeug gar als Vielzweckwaffe: es diene dem “strategischen Nuklearschlag”, heißt es vieldeutig, aber die Maschine “wird zusätzlich Einsatzfähigkeiten im konventionellen Bereich haben, was dem Bomber ein zusätzliches Maß an Flexibilität verleiht.” 28

Besteht bezüglich des militärischen Nutzens der STEALTH-Technologie Zweifel, auch über die Notwendigkeit, gerade heute diese Technologielinie voranzutreiben, so sieht dies in Bezug auf den industriepolitischen Nutzen anders aus. Die für den B-2 Bomber entwickelten neuartigen Computergestützten Konstruktions- und Fertigungsverfahren “dürften ebenso revolutionär sein wie das Flugzeug selber”, meint Aviation Week & Space Technology.29 Kern dieser Technologie sind dreidimensionale Computergrafiken. Sie machen den Bau von Vorrichtungen entbehrlich, in denen bislang Großteile im Flugzeugbau gefertigt wurden. Vielmehr werden Computerdaten nunmehr direkt an Werkzeugmaschinen gegeben. Die dreidimensionalen Computergrafiken lassen konstruktive Änderungen und die Prüfung ihrer Verträglichkeit mit anderen Bauteilen rascher und problemloser zu, als dies bisher mit den üblichen Holzattrappen möglich war. Auch werden die bei dem komplizierten Bomber engen Fertigungstoleranzen im Dialog zwischen Konstruktions- und Fertigungscomputer sehr viel wirksamer kontrolliert. Die bislang üblichen Iterationsverfahren zur Erreichung von Toleranzgrenzen entfallen. Nach Auskunft eines Fertigungsingenieurs von Northrop »passen« aufgrund der neuartigen Computerherstellung beim B-2 Bomber 97 bis 99 Prozent aller Anschlüsse für Titanleitungen und der Verkabelung auf Anhieb (Standard sind in der amerikanischen Flugzeugindustrie 20 bis 40 Prozent Ausschuß bei Titananschlüssen – wenn eine Titanleitung nicht paßt und nachgearbeitet werden muß, wenn eine geringfügig andere Länge oder Krümmung erforderlich wird, usf.). Der Aufwand für die Entwicklung von Steuerprogrammen für die Werkzeugmaschinen verkürzt sich nunmehr von Wochen auf Tage. Benötigten zuvor qualifizierte Programmierer für NC-Maschinen zehn bis zwölf Wochen, um ein Programm von 1500 bis 2000 Schritten aufzustellen, und weitere sechs Wochen, um Fehler auszubügeln, so braucht Northrop mit dem neuen dreidimensionalen Computerprogramm lediglich einige Tage, um für die NC-Maschinen Zusatzdaten wie Schnittgeschwindigkeiten bei der spanabhebenden Verarbeitung oder Zuführgeschwindigkeiten für Material einzugeben.

Künftig wird die STEALTH-Technologie vor allem deswegen Schlagzeilen machen, weil sie, so ein Analytiker, aufgrund der Hast, mit der sie eingeführt wird, “ein Rezept für Desaster” 30 abgibt. Die US Air Force hat den Bauauftrag für 132 B-2 Bomber erteilt, ohne daß ein Prototyp geflogen ist. Soviel neue Technologie, wie sie in dem Northrop-Produkt gebündelt wird, bewirkt im Regelfall eine Vielzahl von – wie es im Industriejargon verniedlichend heißt – Kinderkrankheiten. So wird von Unverträglichkeiten zwischen den neuartigen Lufteinläufen und den Triebwerken oder auch von Problemen der Elektronik in diesem Ausbund an Hochtechnologie berichtet.31 Die neuen Werkstoffe haben zu einer Anzahl Fertigungsprobleme geführt. Vier frühere und derzeitige Mitarbeiter der Firma Northrop haben Klagen eingereicht, denen zufolge das Unternehmen der Air Force 2 Milliarden Dollar unberechtigter Kosten in Rechnung gestellt hat.32

Mag der militärische Nutzen der STEALTH-Technologie zweifelhaft, der industriepolitische Gewinn für die amerikanische Industrie deutlich und die Skandalerwartung hoch sein – unabweisbar sind die Folgen dieser Konzeption in allgemeiner Hinsicht. Das Ost-West-Wettrüsten wird auf eine zusätzliche Ebene verlagert; die Sowjets sind eingeladen, ihre Luftverteidigung drastisch zu erweitern. Hochfliegende Überwachungsflugzeuge von der Art des Boeing AWACS, Jagdflugzeuge mit der hierzulande so benannten »look down – shoot down«- Fähigkeit (dem Vermögen, Tiefflieger zu erkennen und abzuschießen), raffiniertere Überwachungssatelliten, diesmal nicht zur Ausspähung fremder Militäreinrichtungen, sondern zum Schutze des eigenen Territoriums optimiert, noch leistungsfähigere Radargeräte – das wären die Mittel, überaus kostspielig, um auf die neue amerikanische Bedrohung militärtechnisch zu antworten. Von der derzeitigen Sowjetführung erwartet niemand eine solche Antwort. STEALTH wird bald als eine absurde Überhöhung des Wettrüstens wegverhandelt oder aber ein einseitiger, nutzloser, niemandes Sicherheit erhöhender Schachzug im überholten Supermachtpoker bleiben.

Anmerkungen

1 Bill Gunston, Warplanes of the Future, London 1985, S. 96 Zurück

2 Nach Michael E. Brown, “B-2 or not B-2? Crisis and choice in the US strategic bomber programme”, Survival 1988, S. 351. Brown gibt Einzelheiten zur Kostensteigerung. Offiziell gilt ein Gesamtvolumen von 36,6 Milliarden Dollar in Preisen von 1981. Zurück

3 So wiederholt Der Spiegel, zuletzt Nr. 38, 1988, S. 111 Zurück

4 Der Spiegel, Nr. 13/1986, S. 252. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 21. Mai 1988 nennt noch einen Stückpreis von 378 Millionen Dollar. Zurück

5 “LHX – l'helicoptere 'STEALTH'”, Defense and Armament Heracles International, May 1987, no. 62, S. 68 Zurück

6 “ASW Sea Wolfe STEALTH Sub”, Asian Defence Journal, May 1988, p. 121 Zurück

7 “Navy sees Soviet STEALTH buildup, watches for Retrofits”, Aerospace Daily, February 27, 1984, Vol. 131, no. 39, S. 314. – Der Hinweis, die Triebwerkseinläufe des sowjetischen Flugzeugs seien STEALTH-mäßig gestaltet (s.u.), überzeugt nicht – die Konstruktion dieses Details macht eher einen auf aerodynamische Optimierung angelegten Eindruck. Zurück

8 Die Tageszeitung, 3.1.1989, S. 1 Zurück

9 Newsweek, Dec. 5, 1988, S. 23 Zurück

10 Nach Aviation Week & Space Technology, Nov. 28, 1988, S. 21 Zurück

11 Aviation Week & Space Technology, Nov. 28, 1988, S. 21 Zurück

12 Gunston, a.a.O., S. 101 Zurück

13 Aviation Week & Space Technology, Nov. 14, 1988, S. 28 Zurück

14 Gunston, a.a.O., S. 69 Zurück

15 Aviation Week & Space Technology, Nov. 14, 1988, S. 28 Zurück

16 Lloyd S. Jones, U.S. Bombers B1-B70, Los Angeles (Aero Publishers) 1962, S. 162 Zurück

17 Zitat nach Karlheinz Kens/Heinz J. Nowarra, Die deutschen Flugzeuge 1933-1945, München (J.F. Lehmann) 1961, S. 333 Zurück

18 Aviation Week & Space Technology, Okt. 10, 1988, S. 9 Zurück

19 Vergl. den Leitartikel in Aviation Week & Space Technology vom 10. Oktober 1988, S. 9 Zurück

20 Ebd., sowie die gleiche Zeitung vom 14. November 1988, S. 28 Zurück

21 Ebd. Zurück

22 Aviation Week & Space Technology, 28. Nov. 1988, S. 23 Zurück

23 Der Spiegel, Nr. 13/1986, S. 250 Zurück

24 Brown, a.a.O., S. 351 Zurück

25 Ebd., S. 353 Zurück

26 Aviation Week & Space Technology, 5. Dezember 1988, S. 22 Zurück

27 Ebd., 28. November 1988, S. 20 Zurück

28 Ebd. Zurück

29 Aviation Week & Space Technology, 5. Dezember 1988, S. 18 Zurück

30 Brown, a.a.O., S. 360 Zurück

31 Aviation Week & Space Technology, April 25, 1988, S. 16f.; ebd., April 18, 1988, S. 16f. Zurück

32 Washington Post, 25./26.2.1988; International Herald Tribune, 27.2.1988. Zurück

Ulrich Albrecht, früher Ingenieur im Flugzeugbau, heute Hochschullehrer im Fach Politische Wissenschaften an der FU Berlin, Friedensforscher.