Dossier 59

Von deutschem Boden geht Krieg aus

Die Funktion der ausländischen Militärstützpunkte

von Hans-Peter Richter

Beilage zu Wissenschaft und Frieden 4/2008
Herausgegeben von der Informationsstelle Wissenschaft und Frieden in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Friedensrat

US-Amerikanische Stützpunkte

Die Funktion der ausländischen Militärstützpunkte

Deutschland führt Krieg. Das hat sich nach den jüngsten »Kollateralschäden« in Afghanistan sogar bis in die deutsche Medienlandschaft hinein herumgesprochen. Aber die deutsche Mitverantwortung für Kriege in aller Welt setzt viel früher ein: Da, wo die Truppen anderer Länder deutsches Staatsgebiet nutzen, um Kriege zu führen. Welche ausländischen Truppen sind in Deutschland stationiert, und was genau machen sie hier? Diesen Fragen widmet sich der vorliegende Text.

In der Bundesrepublik Deutschland sind heute 64.703 US-amerikanische Soldaten und Soldatinnen aus Armee (49.127), Luftwaffe (14.831) und Eingreiftruppen (Marines) stationiert, darunter das europäische Hauptquartier des Marine Corps.1 Das größte Armee-Kontingent ist das V. Corps in Heidelberg mit ca. 33.000 SoldatInnen und bis August 2008 unter dem Kommando von General-Leutnant Ricardo S. Sanchez. Wegen seiner Verwicklung in den Folterskandal im Abu-Ghuraib-Gefängnis wurde Sanchez als Oberbefehlshaber der US-Truppen im Irak abgelöst2, aber er diente weiter als Kommandeur des V. Corps in Deutschland. Seit September 2008 ist General Carter Ham neuer Kommandant.

Nach der Rückkehr der 1. Infanterie-Division von Würzburg3 in die USA ist die 1. Panzerdivision in Wiesbaden4 weiterhin dem V. Corps unterstellt. Zu ihr gehören 16.500 SoldatInnen, 159 M1A1 Abrams Panzer, 173 Panzer M2 Bradley IFV, 36 Haubitzen M109A6 Paladin, 18 Raketenwerfer M270 MLRS und 18 Hubschrauber AH-64 Apache.

Heute nutzt das US-Militär 65 Orte in Deutschland. Die britischen Truppen nutzen 18 Orte und haben 23.000 SoldatInnen in Deutschland stationiert. Für alle SoldatInnen zählt Deutschland als Heimatbasis, aber es sind nie alle hier, da immer einige militärische Einheiten im Krieg sind. In diesem Fall werden sie aus Deutschland zum Kriegsschauplatz transportiert. Nach dem Ende ihres Einsatzes kehren sie mit ihren Waffen nach Deutschland zurück und eine andere Einheit löst sie ab (Rotationsprinzip). So gehen ständig gigantische Militärtransporte auf der Schiene, auf dem Wasser oder in der Luft durch Deutschland. Ab 2007 wird noch mehr rotiert als vorher. Einige Einheiten werden nicht nach Deutschland zurückkommen, sie gehen aber nur in seltenen Fällen in die USA; eher liegt ihr neuer Stützpunkt weiter im Osten, bei den neuen NATO-Mitgliedern.

Nur geringe Truppenreduzierung

Ständig wird ein Abzug von US-SoldatInnen angekündigt, der dann aber nur zu einem Teil durchgeführt wird. So sprach im August 2004 US-Präsident George Bush von einer Reduzierung der im Ausland stationierten Streitkräfte.5 Er wollte Geld sparen für die Modernisierung von Waffen, um damit die schnelle Interventionsfähigkeit der Streitkräfte zu verbessern. Beginnend mit 2006 sollten ungefähr 45.000 GIs aus Europa abgezogen werden. Davon sind aber nur 6.100 SoldatInnen in Deutschland betroffen, zusätzlich 11.000 Familienangehörige, ungefähr 1.000 Zivilbeschäftigte der US-Armee und weitere 1.000 deutsche Zivilbeschäftigte.6 Das US-Verteidigungsministerium (DoD) kündigte am 29. Juli den Abzug seiner Truppen von 11 Stützpunkten in Deutschland im Haushaltsjahr 2007 an. Dieser geplante Abzug ist Teil des Abzugs des Hauptquartiers der 1. Infanterie-Division (1.ID) im Sommer 2006.7 Im August 2008 wurde eine weitere Umgruppierung und Truppenreduzierung angekündigt, aber diese würde nur 360 SoldatInnen betreffen.8

Nun hat US-Verteidigungsminister Gates entschieden, dass zumindest bis 2012/13 nicht drei, sondern fünf Brigaden, also nicht 28.000 sondern etwa 42.000 SoldatInnen der US-Army in Europa bleiben. Die Standorte der US-Airforce und der US-Marines in Deutschland in Ramstein, Spangdahlem und Landstuhl werden weiter ausgebaut. Auch neue Kampfverbände wurden aufgestellt, so z.B in Vilseck bei Grafenwöhr das »2nd Stryker Cavalry Regiment« (Eingreif-Regiment). Da der Transport von schweren Panzern schwierig ist, entwickelte das Pentagon den »Stryker«, einen kleineren Panzer, der einfacher per Flugzeug transportiert werden kann.

Der Ausbau der US-Garnison Kaiserslautern zum zentralen europäischen Logistik-Standort der US-Army wird konsequent fortgesetzt. Auch die für Beschaffung und Vertragsabwicklung mit Privat-Firmen zuständigen Army-Dienststellen werden im kommenden Jahr in die Westpfalz verlegt. (siehe Grafik 1)

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Grafik 1: Rebasing

Diese offizielle Grafik der US-Armee (Stand Oktober 2007) zeigt die Veränderungen von der Zeit des kalten Krieges bis heute und in der Zukunft. Sie ist allerdings sehr oberflächlich, weil sie die militärische Präsenz der USA in Deutschland nicht umfassend darstellt. Der Deutsche Friedensrat hat in seiner Analyse von 2006/2007 (nachzulesen auf der Homepage www.deutscher-friedensrat.de unter »Materialien«) recherchiert, dass die USA in Deutschland 63 Orte für militärische Zwecke und 9 Orte für Wohnanlagen nutzten. Davon ist auf der Karte nur ein kleiner Teil zu sehen. Die neueste Liste ist weiter unten zu finden.

Komfortable Unterbringung

Zu einem vollständigen Bild der militärischen Infrastruktur gehört sowohl die Beschreibung aller militärischen Anlagen, die von den USA zur Zeit mit 287 beziffert wird, als auch die aller zivilen Anlagen (Wohnsiedlungen, Einkaufszentren, Kindergärten, Schulen, Erholungszentren, Golfplätze, Burger Kings, eigene Wasserversorgung, eigenes Fernmeldenetz, Sportplätze, Sportgeschäfte, eigene Universität, Tankstellen, Autowaschplätze, Pizzerien, Busverkehr, Flugplätze, Feuerwehr, Kinos, Fitness-Center, Bowlingbahnen etc.). Da der Euro gegenüber dem US-Dollar stark an Wert gewonnen hat, geht es den US-SoldatInnen und ihren Familien ökonomisch bei weitem nicht mehr so gut wie in Zeiten des Kalten Krieges. Die deutschen Mieten können sich viele SoldatInnen und ihre Familien auch nicht mehr leisten. Deshalb geht das DoD immer mehr dazu über, abgeschlossene Wohnsiedlungen mit der ganzen oben beschriebenen Infrastruktur zu errichten, so dass die SoldatInnen und ihre Familienangehörigen das Gebiet nicht verlassen müssen. Eine riesige Anlage dieser Art ist z.B. bei Ansbach/Katterbach/Illeshausen in Bau.

Erst wenn man die vollständige Übersicht hat, wird klar, dass die Bundesländer Hessen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Bayern von Militärstützpunkten und der dazu gehörigen Infrastruktur nur so übersät sind.9 (siehe Tabelle 1)

SoldatInnen Zivilangestellte sonstige
Armee 49.127 8.127 32.778
Luftwaffe 14.831 1.250 2.238
gesamt 63.958 9.377 35.016
Dazu kommen ca. 75.000 Familienmitglieder. Insgesamt gibt es 14 Wohngemeinden.
Tabelle 1:
Anzahl US-SoldatInnen und Zivilangestellte in Deutschland

Die Angaben in Tabelle 1 stammen aus dem aktuellen Base Structure Report des DoD von 2007; sie können inzwischen etwas geringer sein. Grob gerechnet könnte sich in Zukunft eine Verminderung von 20% ergeben. Doch wie schon oben beschrieben läuft dieser Prozess eher langsam und mit weniger Veränderungen als angekündigt. Das liegt auch daran, dass die USA in keinem anderen Land derartig gute Bedingungen geboten bekommen wie in Deutschland. So gut leben viele US-SoldatInnen nicht einmal in den USA selbst. Eine sofortige Rückführung der im Ausland stationierten SoldatInnen in die USA ist gar nicht möglich, weil dort gar nicht genügend Wohnungen zur Verfügung stehen, ganz abgesehen von der komfortablen Infrastruktur. Zu einem großen Teil wird das auch noch von den Ländern bezahlt, in denen sie stationiert sind. Dabei tun sich besonders Japan und Deutschland hervor (siehe unten).

Deutschland spielt eine Schlüsselrolle

Wenn man die US-Militärstützpunkte außerhalb der USA miteinander vergleicht, stellt man fest, dass in Deutschland heute mehr US-Militärstützpunkte und mehr US-SoldatInnen sind als in jedem anderen Land der Welt, ausgenommen in den Kriegseinsätzen im Irak und in Afghanistan. Die US- und die britischen Truppen haben Deutschland nach 1945 nie verlassen. Der Base Structure Report (BSR) des DoD listet alle eigenen und gepachteten Liegenschaften und ihren Wert auf. Im aktuellen BSR heißt es: „Der Bestand an Grundeigentum, der vom DoD verwaltet wird, (…) umfasst sieben US-Territorien und 39 fremde Länder, wovon die Mehrzahl aller Standorte in Deutschland (287), Japan (130) und Süd-Korea (106) sind.“ 10

Die Bundesregierung weiß um die herausragende Rolle, die Deutschland für die Kriegsführung spielt. Als im Jahre 2003 der Irak-Krieg begann und die US-Regierung wollte, dass Deutschland sich auch mit Truppen beteiligt, wurde das von der damaligen Regierung unter Kanzler Schröder abgelehnt. Ansonsten aber unterstützte die Bundesregierung die Kriegsführung intensiv. Um diese Unterstützung zu beweisen, veröffentlichte die Pressestelle der deutschen Botschaft in den USA, das German Information Center, ein »Fact Sheet: American Bases in Germany« unter der Internet-Adresse www.germany.info. (Das Dokument ist leider nicht mehr online, liegt aber dem Autor vor.) Darin gibt es eine Deutschland-Karte, in der die wichtigsten US-Militärstützpunkte eingezeichnet sind. Der englische Text lautet übersetzt:

„Mehr als 100.000 Militärangehörige und ihre Familien sind in Deutschland auf den US-Militärstützpunkten zu Hause in:

Ramstein / Landstuhl / Kaiserslautern Militär-Siedlung: 34.000 Militärangehörige und Familie,

Grafenwöhr / Hohenfels: 24.500 Militärangehörige und ihre Familien,

Heidelberg: 16.000 Militärangehörige und ihre Familien,

Spangdahlem: 12.000 Militärangehörige und ihre Familien,

Schweinfurt: 12.000 Militärangehörige und ihre Familien,

Stuttgart: 10.800 Militärangehörige und ihre Familien,

Wiesbaden: 5.500 Militärangehörige und ihre Familien,

Mannheim (Coleman-Kaserne): 5.000 Militärangehörige und ihre Familien,

Geilenkirchen: 3.000 Militärangehörige und ihre Familien.

Deutschland trägt ungefähr 1 Milliarde $ jährlich an Unterhaltskosten für die US-Militärstützpunkte in Deutschland bei. (CFR 2003) (19) Die Luftwaffenbasis Ramstein, der größte US-Militärstützpunkt in Deutschland, kostet ungefähr 1 Milliarde $ jährlich – soviel wie Deutschlands jährlicher Unterhaltsbeitrag für die US-Militärstützpunkte. (CFR 2003)11

Durchschnittlich kosten die anderen 43 Stützpunkte jeweils ca. 240 Millionen $ – ungefähr soviel wie ein einzelnes Kampfflugzeug F/A-22. (CFR 2003) Mit 34.000 amerikanischen EinwohnerInnen ist Kaiserslautern die größte amerikanische Gemeinde außerhalb der Vereinigten Staaten (Stadt Kaiserslautern, 2003).

Seit 1945 haben ungefähr 17 Millionen AmerikanerInnen ihren Dienst in Deutschland geleistet. Viele von ihnen kommen ab und zu als TouristInnen zurück. (Deutsches Außenministerium 2003).“

Mit diesem Dokument lässt sich schon erahnen, wie wichtig Deutschland für die Kriegsführung der USA /NATO ist. Inzwischen gibt es den oben beschriebenen Umgruppierungsprozess, sodass einige der genannten Zahlen nicht mehr stimmen (siehe oben). Das hat aber nichts daran geändert, dass Deutschland weiterhin der wichtigste Garant in Europa ist für die Kriegsführung im Nahen und Mittleren Osten. Mehr als 60% der US-Truppen in Europa sind in Deutschland stationiert. Ramstein ist der größte US-Luftwaffen-Stützpunkt außerhalb der USA. Grafenwöhr ist der größte US-Truppenübungsplatz außerhalb der USA. Der Krieg gegen den Irak und Afghanistan zeigt erneut die strategische Wichtigkeit der Stützpunkte in Deutschland für die Logistik. Der Nachschub wird von Ramstein in die Kriegsgebiete gebracht. Die Kampfflugzeuge starten von Spangdahlem. Diese beiden Stützpunkte wurden noch vergrößert.

Truppenübungsplatz Grafenwöhr

Der Truppenübungsplatz Grafenwöhr liegt im Landkreis Neustadt a. d. Waldnaab (Oberpfalz) und zählt mit einer Fläche von 226 km² zu den größten weltweit. Er ist der größte Truppenübungsplatz Europas, auf dem scharf geschossen wird, bezüglich der Fläche wird er auf dem Kontinent nur noch von Bergen-Hohne übertroffen, der 284 km² umfasst. Der Schießplatz besteht seit 1907. In der Nazizeit wurde er riesig erweitert. Dazu wurden Dutzende Orte umgesiedelt. Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm das US-amerikanische Militär den Truppenübungsplatz und nutzte ihn in seiner ursprünglichen Bestimmung weiter. Für rund 210 Millionen D-Mark wurden von 1979 bis 1984 computergesteuerte Schießbahnen errichtet. Der Truppenübungsplatz Grafenwöhr galt damals als modernste Schießeinrichtung der NATO.

Der Truppenübungsplatz nennt sich seit 2006 Joint Multinational Command Training Center (JMCTC). Kürzlich wurden die neuen Quartiere des 2nd Stryker Cavalry Regiment bezogen. Nahe dem Truppenübungsplatz entsteht die so genannte »New Town«, die künftige Heimat für die SoldatInnen des 2nd SBCT.

In Grafenwöhr üben die Einheiten der United States Army Europe (USAREUR), der United States Air Forces in Europe (USAFE) und andere NATO-Streitkräfte. Am Truppenübungsplatz Grafenwöhr unterhält die US Army einen eigenen Militärflughafen, auf dem hauptsächlich Frachtmaschinen landen. Es gibt auch einen direkten Gleisanschluss, hauptsächlich zur Verladung der Panzer.

Unmittelbar vor dem US-Überfall auf den Irak im Jahr 2003 diente der bayerische Truppenübungsplatz der US-Armee zur »Generalprobe«. Unter der Leitung von General William Wallace, so hieß es in einer Meldung der US-Soldatenzeitung »Stars and Stripes«, kamen dort ca. 1.000 Offiziere der später an der Irak-Invasion beteiligten Einheiten zusammen, um in einer groß angelegten Computersimulation den Angriff zu üben. Auch hohe Offiziere von Marine und Luftwaffe sowie der Kommandant des US Central Command, General Tommy Franks, nahmen teil.

US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein

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Abbildung 1: C-17 Globemaster III auf der Ramstein Air Base

Ramstein „war entscheidend am Erfolg der Operation Enduring Freedom und dem Irak-Einsatz“ beteiligt lobte in einem Interview mit der Soldatenzeitung »Stars and Stripes« der Air Force General Charles F. Wald, Stellvertreter von Oberbefehlshaber Jones (EUCOM) schon im August 2003. „Ramstein war wesentlich für den Erfolg der Operationen ‚Enduring Freedom‘ und ‚Iraqi Freedom‘. Viele Versorgungsflugzeuge landeten in Ramstein, das über eine exzellente Infrastruktur verfügt, und wir haben großartige Beziehungen zu Deutschland. Es macht viel Sinn, Plätze wie Ramstein, Spangdahlem und Moron [AB] (Spanien) offen zu halten, denn sie verfügen über große Landebahnen, mit denen man eine große Zahl von Flugzeugen abfertigen kann… Was wir bei Ramstein zum Beispiel schätzen ist, dass ein strategisch wichtiger Flug möglich ist, ohne dass wir den Transporter auftanken müssen. Man kann in den Staaten starten und ohne aufzutanken in Ramstein landen.“ (siehe Abbildung 1)

Die Militärgeschichte von Ramstein12

Über Ramstein läuft der Nachschub für die US-Streitkräfte in Europa, Afrika und dem Mittleren Osten einschließlich für den Irak und Afghanistan. Hier ist also auch ein riesiges Munitionsdepot. Ramstein ist als Befehlszentrale Verbindungsstelle zwischen Boden- und Luftstreitkräften in Afghanistan und im Irak. Alle Verwundeten aus diesen Gebieten landen zunächst in Ramstein bevor sie weiter transportiert werden. Ramstein diente auch der CIA als Zwischenstation für entführte Terror-Verdächtige.

1951-53 US-Ausbau der Air Base Ramstein auf einem Teilstück der Autobahn A 6
ab 1951 60.000 Militärpersonen und ihre Angehörigen leben in der Militärgemeinde Kaiserslautern.
1953 Stationierung des 86.Kampfflugzeug-Geschwaders mit F 86-Maschinen
14.11.1956 Ein US-Düsenjäger stürzt über der Innenstadt von Kaiserslautern ab: 3 Tote.
1957 AB Ramstein ist der größte NATO-Flugplatz
1974 Erweiterung der AB Ramstein, da die US-Basen in Frankreich geschlossen werden
Sommer 1981 RAF-Bombenanschlag auf das US-Hauptquartier Ramstein
14.01.1981 Eine US-Transportmaschine stürzt über dem Munitionsdepot Weilerbach ab.
1982 1.100 PatientInnen im Krankenhaus Kaiserslautern protestieren gegen den Fluglärm mit Lärmspitzen von 114 Dezibel.
1983 Sitzblockaden vor der AB Ramstein
Februar 1986 Landrat Tartter: Keine Gemeinde ist mehr bereit, Geländeforderungen der Amerikaner zu erfüllen.
28.8.1988 Flugtag auf der AB Ramstein mit 300.000 BesucherInnen. Katastrophe mit 70 Toten und 400 Verletzten durch einen Fluzeugabsturz
bis 1991 16,5% aller Beschäftigten des Landkreises arbeiten bei den Amerikanern.
1994 Abzug der Kampfflugzeuge von der AB Ramstein, bis 1994 Streichung von 35.000 (bis 1999: 82.000) militärischen und zivilen Stellen in Rhld-Pf, in der Region KL 7.000
1994 Stationierung des 86. Lufttransport Geschwaders
1997-2000 64 Flugbewegungen je Tag
Ende 2004 Baubeginn des Military Community Center auf dem Flugplatzgelände für 158 Mio Euro, u.a. ein Hotel mit 350 Betten und ein großes Einkaufs- und Freizeitzentrum, Fertigstellung geplant bis Ende 2006, zwei Jahre im Verzug (Rheinpfalz 20.3.07)
Februar 2005 US-Naturschützer: „In AB Ramstein lagern 130 Atombomben".
05.84.2007 Feier zum Abschluss der Verlagerung der Air Base Frankfurt nach Ramstein/Spangdahlem
2011 Angenommene Flugbewegungen in Folge der Verlagerung je Tag: 108
Tabelle 2: Die Militärgeschichte der Air Base Ramstein

Derzeit umfasst die US-Militärgemeinde Kaiserslautern, zu der auch Ramstein und Landstuhl gehören, 14.450 Militärpersonen und 7.150 US-Zivilbeschäftigte. Mit den Familienangehörigen zusammen sind es 44.500 Personen. Sie ist damit die größte Militärgemeinde außerhalb der USA. 5.970 nichtamerikanische Personen sind dort bei den US-Streitkräften beschäftigt. (siehe Tabelle 2)

Ramstein. Das Kriegsführungshauptquartier

Als das Befehlszentrum auf der US-Air Base Ramstein, dessen Chef jetzt Lt. Gen. Breedlove ist, im August 2005 in Ramstein eingerichtet wurde, hieß es noch »Warfighting Headquarters« (Kriegsführungs-Hauptquartier). Einzelheiten sind in der »Stars and Stripes« vom 02.11.05 nachzulesen. Die 3rd Air Force in Mildenhall wurde aufgelöst und mit der 16th Air Force aus Aviano zum 16th Air Force Warfighting Headquarters verschmolzen, das zu diesem Zweck in Ramstein gegründet wurde. Von hier aus werden nun die Organisationen und Einheiten kommandiert, die so genannte humanitäre Einsätze oder Kampfoperationen durchführen. Die Militärzeitung schreibt: „Das Hauptquartier umfasst einen Stamm von etwa 650 Leuten und wird für im Einsatz befindliche Truppen von Deutschland aus rund um die Uhr Kommando- und Kontrollunterstützung bereitstellen. Hundert Personen (des Kommandos) kommen aus England und hundert aus Aviano. In der Vergangenheit musste die Air Force Stabsmitglieder aus verschiedenen Einheiten zusammenkratzen, um ein Kommando- und Kontrollhauptquartier für ungeplante Missionen zu schaffen. Es konnte eine Woche dauern bis ein Team für heikle Planungen zusammengestellt war. Mit dem neuen Kommando stehe der Planungsstab schon bereit und könne sofort loslegen, sagte Brigadegeneral Michael Snodgrass, Direktor für Planungen und Programme im Hauptquartier der USAFE in Ramstein. ‚Wir wollen den Prozess verkürzen, dass die nationale Kommandoautorität – der Präsident und der Verteidigungsminister – sofort entscheiden können, was zu tun ist, was wir tun müssen‘, sagte Snodgrass, und statt zu sagen, es wird sechs oder sieben Tage dauern, können sie sagen: Leute, ich möchte euch heute Nacht schon da haben. Ich möchte, dass in sieben Stunden was passiert.“

Die US-Air Force hat also jetzt auf ihrer Air Base in Ramstein einen Befehlsstand für schnellste Luftschläge in Europa einschließlich Russland, in fast ganz Afrika und im westlichen Asien.

Als »Warfighting Headquarters« dient dabei die 3rd Air Force. Diese 2005 deaktivierte Einheit werde im Rahmen der Reorganisation der nummerierten Luftflotten in Europa eine neue Rolle übernehmen, kündigte Brigadegeneral Michael Snodgrass, der Direktor für Planung, Programme und Beschaffung im Hauptquartier der US-Air Force Europa (USAFE) in Deutschland, im Jahr 2006 an. Die 3rd Air Force ist zuständig für die Planung und Durchführung aller humanitären Einsätze und Kampfoperationen sämtlicher fliegenden Verbände der USAFE und führt im Auftrag des EUCOM in Stuttgart, des Oberkommandos aller US-Streitkräfte in Europa, auch kurzfristig angeordnete Aktionen in dessen gesamtem Befehlsbereich durch. Sie hat selbst mehr als 250 Kampf-, Tank- und Transportflugzeuge zur Verfügung und dirigiert jährlich Tausende Flugzeuge anderer Kommandos, die auf Flugplätzen der USAFE zwischenlanden. Generalleutnant Robert Bishop Jr., der jetzt als Vizekommandeur der USAFE dient, hat das Kommando.13

Ramstein: Das größte US-Luftdrehkreuz Europas

Die US-Air Base Ramstein wurde 1988 nach dem schweren Flugunglück nicht geschlossen, sondern mit überwiegend deutschem Geld zum größten Luftdrehkreuz der US-Air Force in Europa ausgebaut. Allein aus den Munitionsbunkern auf der US-Air Base Ramstein werden monatlich über 900 Tonnen Bomben, Raketen und Geschosse – u.a. aus abgereichertem Uran – nach Afghanistan oder in den Irak geliefert.14

Im März 2008 wurde ein neuer Rekord aufgestellt. Besatzungen des U.S. Air Mobility Command (des US-Luftfracht-Kommandos) haben in die 27 Länder im Mittleren Osten, die zum Verantwortungsbereich des CENTCOM gehören, 120.000 SoldatInnen ein- und ausgeflogen. Damit haben sie ihren alten Monatsrekord beim Personentransport vom September 2007 um 3 Prozent übertroffen.

Ebenfalls im März wurden mehr als 41.350.000 Tonnen Ladung in den Nahen und Mittleren Osten und zum Horn von Afrika befördert. Dabei wurde der bisherige Ladungs-Monatsrekord vom Dezember 2007 um 7 Prozent gesteigert. Fast alle militärischen Lufttransporte für ihre Kriege im Nahen und Mittleren Osten und ihr verstärktes Engagement in Afrika wickeln die USA über die Bundesrepublik ab. In Afghanistan, im Irak und anderswo sterben täglich Menschen durch Waffen, die aus hiesigen Depots geliefert wurden. US-SoldatInnen, die hier stationiert sind und ihre Kampfeinsätze auf Truppenübungsplätzen in Bayern oder Rheinland-Pfalz geübt haben, ziehen nun schon zum zweiten oder dritten Mal von Deutschland aus in die Kriege im Nahen und Mittleren Osten. Mehr als 12.000 Verwundete aus den Kriegen im Irak und in Afghanistan wurden auf der Air Base in Empfang genommen. Die leicht Verletzten wurden in die USA weiter transportiert, die Mittel- und Schwerverletzen per Krankenwagen bzw. Hubschrauber ins Militärkrankenhaus nach Landstuhl gebracht. Ramstein ist die „größte, verkehrsreichste und beste Base der US-Air Force“ 15.

Befehle über Satellit direkt aus Washington

Am US-Krankenhaus in Landstuhl stehen mehrere überdimensionierte Satellitenschirme. Sie gehören zur ca. 60 Personen umfassenden Company C des 53rd Signal Battaillon (Nachrichten-Bataillons). Über diese wenig bekannte, abseits liegende Satelliten-Kommunikations-Station erhalten die Kommandozentralen der US-Air Force und der US-Army in der Westpfalz ihre Befehle aus Washington und geben sie dann mit ihren Anordnungen an US-Basen in Europa, an Feldflugplätze im Mittleren Osten oder an die im Irak und in Afghanistan agierenden US-Truppen weiter. Auch alle von dort ausgehenden Informationen und Anforderungen werden via Landstuhl den jeweiligen AdressatInnen zugestellt. Diese unentbehrliche Schaltzentrale rundet das Bild von der überragenden Bedeutung der US-Militärregion Kaiserslautern/Ramstein ab.16

Spangdahlem

Während in Ramstein die Transportflugzeuge starten, ist Spangdahlem für die Kampfflugzeuge zuständig. Auf der Basis ist das 52nd Fighter Wing (52. Kampfgeschwader) stationiert. Es hat die Aufgabe in Konfliktfällen u.a. die gegnerische Luftverteidigung auszuschalten. Dafür sind in Spangdahlem Kampfflugzeuge vom Typ General Dynamics/Lockheed Martin F-16 Fighting Falcon neuester Generation (F-16CJ/D Block 52) stationiert. Weiterhin sind dort 18 Fairchild-Republic A/OA-10A Thunderbolt II (auch Warthog genannt) beheimatet, mit dem Auftrag Bodentruppen zu unterstützen. Das sind die berüchtigten Flugzeuge, die auch Munition mit abgereichertem Uran (DU) verschießen. Spangdahlem ist Teil der 3rd Air Force (3. Luftwaffe) mit Sitz in RAF Mildenhall, Großbritannien und somit Teil der United States Air Forces in Europe (USAFE). Auf der Basis arbeiten ungefähr 5.000 AmerikanerInnen (die mit 7000 Familienangehörigen dort wohnen) sowie 800 deutsche Angestellte.

Landstuhl

Das Landstuhl Regional Medical Center (LRMC) ist mit ca. 2.200 MitarbeiterInnen das größte Lazarett der US-Armee außerhalb der Vereinigten Staaten. Es verfügt über einen Hubschrauber-Landeplatz für den direkten Transport der Schwerverletzten aus Ramstein. Alle schwer Verwundeten und Leichen des Irak-Krieges landen hier.

Abhörstationen

Die Abhörstation Bad Aibling (BAS) wurde 1968 als erste Satelliten-Spionage-Station errichtet und sie wurde von der US National Security Agency (NSA) seit 1971 genutzt. 1994 wurde das BAS Management von der NSA in das U.S. Army Intelligence and Security Command (INSCOM) überführt. Sie wurde so eine Basis des U.S. Global Network of Signals Intelligence (SIGINT) zum elektronischen Lauschen und zur Überwachung. Die Echelon-Kommission des Europäischen Parlaments äußerte 2001 nach einer Überprüfung die Vermutung, dass die USA seit dem Ende des Kalten Krieges Bad Aibling und die ähnliche Anlage in Menwith Hill/England zur Wirtschaftsspionage nutzen, durch die europäischen Firmen bei Verträgen Verluste in Milliardenhöhe entstanden sind. Bereits acht Jahre zuvor hatte man durch ein Infrarot-Foto, das von einem Ballon aus aufgenommen worden war, herausgefunden, dass die Satellitenschüsseln innerhalb der Kugel-Kuppel der Basis nicht auf Ost-Europa gerichtet waren, wie die USA behauptet hatte, sondern stattdessen in den Westen in die Richtung ihrer Verbündeten. Als Konsequenz sollte Bad Aibling im September 2002 geschlossen werden und das Personal nach Menwith Hill wechseln. Doch wegen des 11.9. erhielt BAS eine Gnadenfrist und zog erst 2004 nach Griesheim.

Die Befehlsstruktur

Welche überragende Rolle Deutschland für die Kriegsmaschinerie der USA/NATO spielt ist auch aus der Grafik der Befehlsstruktur zu erkennen. Außer der Marine, die ihre Kommandozentrale in Italien hat, sind alle Kommandozentralen in Deutschland. (siehe Grafik 2)

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Grafik 2: Command Relationships

Folgende US-Hauptquartiere befinden sich in Deutschland:

Das HQ für die US-Gesamtstreitkräfte für den Aufgabenbereich Europa (US-EUCOM) in Stuttgart-Vaihingen (siehe unten), und unter seinem Kommando

das HQ für die US-Heeresstreitkräfte in Europa (US Army Europe, USAREUR) in Heidelberg

das HQ für das US-Marine Corps Forces Europe (USMARFOREUR) in Böblingen,

das HQ für die US-Spezialkräfte (Special Operations Command Europe) US-SOCEUR in Stuttgart-Vaihingen

das HQ für die US-Luftwaffe Europa in Ramstein.

Auch das HQ für die US-Gesamtstreitkräfte für den Aufgabenbereich Afrika (US-AFRICOM) liegt in Deutschland. Früher war auch das EUCOM für große Teile Afrikas zuständig. Dann wurde das AFRICOM gegründet – es sollte eigentlich in Afrika angesiedelt werden. Da sich jedoch kein afrikanisches Land dazu bereit fand, befindet sich das AFRICOM jetzt in Stuttgart-Möhringen.

Das EUCOM befehligt 12.000 SoldatInnen in 499 Stützpunkten. Dazu gehören 64.000 SoldatInnen in Deutschland, die 6. US-Flotte im Mittelmeer mit 14.000 Seeleuten, außerdem 12.000 SoldatInnen in Großbritannien, 10.000 in Italien, 2.000 in der Türkei, 2.000 in Spanien und kleinere Kontingente in Norwegen, den Niederlanden, Belgien, Luxemburg, Portugal und Griechenland.

Die Grafik 3 zeigt das EUCOM noch vor der Gründung des Kommandos für Afrika (AFRICOM). Militäraktionen in afrikanischen Ländern werden jetzt vom AFRICOM koordiniert. Für den Nahen Osten ist auch weiterhin das EUCOM zuständig.

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Grafik 3: EUCOM Area of Responsibility

Deutschland als Stationierungsort für Atombomben

Deutschland ist keine atomwaffenfreie Zone: Im rheinland-pfälzischen Fliegerhorst Büchel in der Eifel (in der Nähe von Cochem/Mosel) halten die USA auch zwei Jahrzehnte nach Ende des Kalten Krieges in unterirdischen Bunkern noch rund 20 atomare Sprengköpfe der Typen B-61-3 und B 61-4 einsatzbereit. Die Bomben haben eine variable Sprengkraft von 45 bis 170 Kilotonnen und damit die bis zu 13-fache Zerstörungskraft der Hiroshima-Bombe Die US-Luftwaffenbasis Ramstein und der Fliegerhorst Nörvenich sind dagegen inzwischen atomwaffenfrei.

Eingesetzt werden die Atombomben, wenn der amerikanische Präsident den Einsatz befiehlt und wenn auf einem gesonderten Befehlsweg der Freigabecode für die Sicherheitssysteme eingegangen ist. Die USA nehmen für sich das Recht in Anspruch, ihre auf dem alten Kontinent gelagerten Atomwaffen zur Unterstützung des für den Nahen und Mittleren Osten zuständigen regionalen Oberkommandos »Genicom« – außerhalb des Nato-Gebietes – einzusetzen. Fachleute schätzen, dass die USA in Europa über 480 Atombomben dieses Typs verfügen (siehe Grafik 4). Auf dem Fliegerhorst Büchel wacht eine kleine US-Spezialeinheit, etwa 50 Mann stark, über die atomaren Sprengköpfe. Diese würde auf Befehl aus Washington die Waffen scharfmachen und sie an die von deutschen Piloten geflogenen Tornado-Jets klinken, die die Bomben in die vorgegebenen Ziele fliegen müssten.

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Grafik 4: US-Atomwaffen

Dass für deutsche Jagdbomber des 33. Luftwaffengeschwaders nach wie vor Atombomben bereit gehalten werden, macht keinen Sinn, denn gegen wen könnten sie eingesetzt werden? Der Einsatzradius eines Tornados beträgt 1.853 km. In diesem Gebiet gibt es nur befreundete oder NATO-Länder. Die Bundesregierung hat immer wieder, zuletzt durch Regierungssprecher Kossendy am 25.6.2008, am Verbleib der Atomwaffen in Deutschland festgehalten. Wer den Abzug verlange, stelle einen „Kernbestand der Atlantischen Allianz in Frage“, raube der Bundesrepublik das „Recht auf Mitsprache“ und wolle „letztendlich die Beziehungen zwischen Nordamerika und Europa dauerhaft schwächen“.17

Doch die Ausrede, wer in der nuklearen Planungsgruppe mitreden wolle, müsse „auch werfen können“, sticht nicht. So hat das Verteidigungsministerium in einem Schreiben an den SPD-Abgeordneten Hans-Peter Bartels eingeräumt, dass „an nuklearen Planungsprozessen“ des Bündnisses „alle Nato-Mitgliedsstaaten“ teilnehmen – also auch jene, auf deren Boden keine US-Atombomben lagern. Kanada, Griechenland und die Türkei gaben die »nukleare Teilhabe« schon vor Jahren auf und können trotzdem gleichberechtigt mitreden. (siehe Grafik 4)

Das Verfahren für Atombomben- abwürfe soll in der Kyritz-Ruppiner Heide geübt werden.

Im Betriebskonzept des Bundesministerium der Verteidigung für den Luft-Boden-Schießplatz auf dem Truppenübungsplatz Wittstock vom 20. Januar 2003 heißt es: „Zusätzlich wird das sog. Loft-Verfahren … (blau gestrichelte Linie in der Karte zur fliegerischen Nutzung) geübt werden, bei dessen Durchführung aufgrund einer kurz vor dem Ziel wechselnden Anfluggeometrie Teile der Radarplatzrunde genutzt werden müssen.“

Die Jagdbomber würden von Süden her bei Neuglienicke oder Rossow in das Bombodromgelände einfliegen, auf eine niedrige Flughöhe herunter gehen und dabei auf 1.000 km/h beschleunigen. So würden sie sich östlich von Glashütte ihrem Ziel nähern. Kurz vor Erreichen des Zieles zögen sie steil nach oben und klinkten ihre Atombomben-Attrappen aus. Mit diesem »Schulterwurf« bekommt die Bombe eine längere Flugbahn, sodass die Piloten mehr Zeit zum Entkommen haben. Über Dossow fliegend würden sie sich so schnell wie möglich von dem Ort entfernen, an dem im realen Fall jetzt ein Atompilz aufsteigen würde.

Benutzung ziviler Flughäfen

Wegen der ständig steigenden Zahl der Transporte zu den Kriegsschauplätzen und der Rotation benutzen die USA zunehmend zivile Flughäfen in Deutschland zusätzlich. Das betrifft Hahn (bei Frankfurt), Nürnberg (für den Stützpunkt in Grafenwöhr) und Leipzig (nachdem die Zahl der Transporte über Shannon (Irland) wegen des Widerstandes vor Ort drastisch gesunken ist.) In Hahn benutzt das US-Militär Flugzeuge, die zivil zu sein scheinen, sie haben Namen wie »Omni Air Express«oder »Evergreen Airlines«. Meist kommen sie von den US-Basen in Dover (Delaware) und Hartfield Jackson in Atlanta. Alleine in Hahn stieg die Zahl der in den Irak beförderten SoldatInnen von 74.295 im Jahre 2005 auf 179.274 in 2006.

Im Frühjahr 2008 nahmen die Künstler Jan Wenzel und Jan Caspers an einem Kunstprojekt des Leipziger Flughafens teil – und sahen Merkwürdiges: SoldatInnen, die wie Urlaubs-Passagiere in Flieger stiegen. Auf ihr Nachfragen hin wurde den Künstlern mitgeteilt, dass es sich um Truppentransporte handelte. Die beiden entdeckten Maschinen der »World Airways« – abgefertigt abseits der normalen Flugsteige. Sie sahen US-amerikanische SoldatInnen aussteigen und hinter der blickdichten Fassade des alten Terminalgebäudes verschwinden. An die 300.000 waren es allein 2007, so recherchierten sie. Jeder vierte Fluggast in Leipzig ist US-Soldat. Das Pentagon hat seine Truppentransporte weitgehend privatisiert. Seit 2006 haben hunderttausende von US-SoldatInnen in Leipzig Zwischenstation gemacht, meistens in der Nacht, denn hier gibt es kein Nachtflugverbot. Die Künstler entwarfen ein Wandbild über diese Kriegstransporte. Es wurde vom Flughafengeschäftsführer Eric Malitzke verboten. Nun hängt das Wandbild gegenüber vom Rathaus. Der Bürgermeister sitzt im Aufsichtsrat des Flughafens. Dass der zu 100 Prozent in staatlichem Besitz ist und die Flüge von SoldatInnen zulässt, halten die Künstler für einen Skandal. 3sat machte darüber einen Fernsehreport.18

Der Zweck der US-Militärstützpunkte

Nach der Analyse des US-amerikanischen Friedensforschers Joseph Gerson19 dienen US-Militärstützpunkte sieben Zielen:

Zur Sicherung des status quo: Man kann davon ausgehen, dass zum Beispiel die US-Militärstützpunkte in Süd-Korea in erster Linie zur Abschreckung dienen, während die US-Militärstützpunkte im Nahen Osten eingerichtet wurden, um weiterhin den privilegierten Zugang und die Kontrolle zum Öl der Region sicher zu stellen.

Zur Einkreisung der Feinde: das war der Fall mit der Sowjet-Union und China während des Kalten Krieges und das gilt bis heute. Diese Rolle haben die US-Militärstützpunkte in Korea, Japan, den Philippinen, Australien, Pakistan, Diego Garcia und in früheren Sowjetrepubliken in Zentral-Asien. (Dazu diente auch die NATO-Osterweiterung, dazu drängen die USA auf die NATO-Aufnahme der Ukraine und Georgiens, dem dienen die geplanten Raketenabwehr-Anlagen in Polen und Tschechien, H.P.R.)

Zur Unterstützung und Verstärkung der Flugzeugträger, der Zerstörer, der atomar bewaffneten U-Boote und anderer Kriegsschiffe der US-Flotte. Das betrifft die Stützpunkte in Okinawa, Yokosuka (in der Nähe Tokios) und die so genannten Truppenbesuchs- und Zugangs-Vereinbarungen in den Philippinen, Singapur, Thailand und vielen anderen Ländern.

Zum Training der US-Streitkräfte, was lange der Fall war für Bombenabwürfe in Vieques und für Dschungelkämpfe und anderes Training, das immer noch in Okinawa weitergeht.

Als Sprungbrett für US-Interventionen in andere Länder, so in den Fällen Okinawa, den Philippinen, jetzt bei Korea mit geänderten Missionen, Spanien, Italien, Honduras, Deutschland und den neuen Stützpunkten in Osteuropa, Kuwait und wahrscheinlich Irak.

Zur Ermöglichung von K3G: Kommando, Kontrolle, Kommunikation und Geheimdienst, einschließlich wesentlicher Aufgaben im Atomkrieg und der Nutzung des Weltraums zur Spionage und Kriegsführung, wie wir es in Afghanistan und Irak gesehen haben. US-Militärstützpunkte in Okinawa, Katar, Australien und sogar in China dienen diesen Funktionen.

Zur Kontrolle der Regierungen der Aufnahmeländer. Die Liste beginnt mit Japan, Korea, Deutschland, Saudi-Arabien und dem heutigen Irak.

Der US-amerikanische Friedensforscher Chalmers Johnson sieht auch wirtschaftliche Aspekte. Durch ihre militärische Macht diene die USA nicht nur den Konzernen der Rüstungsproduktion, sondern auch großen Teilen der so genannten zivilen US-Wirtschaft, wie der Kellog, Brown & Root Company, Tochter der Haliburton Corporation, die weit verstreute Vorposten baut und wartet, sowie zahlreichen anderen Konzernen die im Rahmen der »Privatisierung der Kriegseinsätze« die Versorgung der Armee übernehmen.

In den letzten Jahren wurde ein weiterer Zweck der US-Militärstützpunkte bekannt. Die CIA benutzt das weltweite Netzwerk der US-Militärstützpunkte, um Menschen, die die USA des Terrors verdächtigen, in die USA zu entführen oder zu Verhör und Folter in andere Länder zu bringen. Bekannt wurde die Entführung von Osama Mustafa Hassan Nasr (Abu Omar). Er wurde im Februar 2003 von 22 CIA-Agenten in den Straßen von Mailand gekidnappt und über die Zwischenstation Ramstein nach Kairo geflogen, wo er gefoltert wurde. Ein italienischer Richter erließ gegen die 22 Haftbefehle, die aber nicht vollstreckt werden können, da die USA die Beteiligten schützt.

Die Medien in Deutschland berichteten über so genannte schwarze Standorte in Polen und Rumänien. Mehrfach wurden über Aviano in Italien sowie Ramstein und Frankfurt/Main in Deutschland mit CIA-Flugzeugen Terrorismus-Verdächtige in andere Länder transportiert. Alleine von 2002 bis 2004 fanden über die Frankfurter Rhein-Main-Airbase 85 Flüge der CIA statt. So ist Deutschland nicht nur militärisch das zentrale Luftdrehkreuz in Nordeuropa, sondern auch für die CIA, die ohne Kontrolle agieren kann. Es ist zu vermuten, dass in allen Ländern mit US-Militärstützpunkten geheime Gefängnisse bestehen. So können die USA jederzeit Menschen ihrer Menschenrechte und sogar ihres Lebens berauben.

Liste der von den USA militärisch genutzten Orte

Heute werden noch 65 Orte in Deutschland von den USA für militärische Zwecke beansprucht, davon stehen jedoch 20 leer. Der Base Structure Report (BSR) des US-Verteidigungsministeriums (DoD) listet alle eigenen und gepachteten Gebäude und ihren Wert auf.

Die Armee benutzt danach 6.548 eigene Gebäude mit 2.462.732,59 m², 2.317 gepachtete Gebäude mit 895.744,26 m², 7.656 sonstige Gebäude mit 9.643.827,66 m². Der geschätzte Gegenwert dieser Liegenschaften, falls man sie woanders erneut errichten müsste, beträgt 34.621.300.000 $.

Die Luftwaffe benutzt 870 eigene Gebäude mit 652.524,47 m², 183 gepachtete Gebäude mit 39.786,75 m², 1.053 sonstige Gebäude mit 1.998.163,88 m². Der geschätzte Gegenwert dieser Liegenschaften, falls man sie woanders erneut errichten müsste, beträgt 8.064.600.000 $.

Ansonsten werden benutzt 77 eigene Gebäude mit 16.271,78 m², 48 gepachtete Gebäude mit 21.659,51 m², 95 sonstige Gebäude mit 35.362,80 m². Der geschätzte Gegenwert dieser Gebäude, falls man sie woanders erneut errichten müsste, beträgt 205.800.000 $.

Die leer stehenden Objekte sind noch mit Millionenwerten verzeichnet. Hier liegt eine lohnenswerte Aufgabe für unsere KommunalpolitikerInnen und ExpertInnen für Konversion.

Der Gesamtwert aller Gebäude beträgt also 42.891.700.000 $, das sind 30.105.776.655 Euro (nach dem Kurs von 1 Euro = 1,4247 $). Zum Vergleich: Diese gut 30 Milliarden Euro entsprechen mehr als einem Zehntel des Bundeshaushaltes 2008. Dazu kommen noch die benutzten Flächen. Das sind insgesamt 646,82 km2.

Der Base Structure Report verzeichnet alle 287 Liegenschaften und ihren Zweck. Daraus ergibt sich folgende Liste der benutzten Orte. Die einzelnen Angaben sind direkt nachzulesen unter www.defenselink.mil/pubs unter Reports.

1. Amberg (steht leer), 2. Ansbach, 3. Aschaffenburg (steht leer), 4. Babenhausen, 5. Bad Kissingen (steht leer), 6. Bad Nauheim, 7. Bamberg, 8. Baumholder, 9. Bensheim, 10. Binsfeld (steht leer), 11. Bitburg (steht leer), 12. Bremerhaven, 13. Büchel, 14. Büdingen, 15. Butzbach, 16. Darmstadt, 17. Dautphe Pfadfinder-Lager (steht leer), 18. Dexheim, 19. Einsiedlerhof, 20. Frankfurt, 21. Friedberg, 22. Garmisch, 23. Geilenkirchen, 24. Gelnhausen (steht leer), 25. Germersheim, 26. Geibelstadt, 27. Giessen, 28. Grafenwöhr, 29. Groß Auheim, 30. Grünstadt, 31. Hanau, 32. Heidelberg, 33. Hochspeyer (steht leer), 34. Hof, 35. Hohenfels, 36. Hommertshausen Girl Scout Camp (steht leer), 37. Idar-Oberstein (steht leer), 38. Illesheim, 39. Kaiserslautern, 40. Kitzingen, 41. Lampertheim (steht leer), 42. Landstuhl, 43. Langen (steht leer), 44. Leimen (steht leer), 45. Mainz, 46. Mannheim, 47. Miesau, 48. Mühlhausen, 49. Neubrücke, 50. Oberweis (steht leer), 51. Oppenheim (steht leer), 52. Pirmasens, 53. Prüm (steht leer), 54. Ramstein, 55. Sambach (steht leer), 56. Schweinfurt, Siegenburg siehe Mühlhausen, 57. Spangdahlem, 58. Speicher (steht leer), 59. Spesbach (steht leer), 60. Stuttgart, 61. Vilseck, 62. Wartenberg, 63. Weisskirchen (steht leer), 64. Wiesbaden, 65. Würzburg

Britische Streitkräfte in Deutschland

2006 waren etwa 23.000 britische SoldatInnen, 2.000 Zivilangestellte und 30.000 Familienmitglieder in Deutschland. Die Anzahl der SoldatInnen soll bis 2014 auf etwa 16.000 reduziert werden. Gleichzeitig ist eine Umstrukturierung der verbleibenden Einheiten geplant, die die Schließung von zwei der fünf Garnisonen zur Folge haben soll. Erhalten bleiben sollen vorerst die Garnisonen Hohne, Gütersloh und Paderborn, während Osnabrück und Rhine geschlossen werden. Bis 2035 sollen alle Garnisonen geschlossen und sämtliche britischen Truppen aus Deutschland abgezogen werden.

Die Britischen Streitkräfte (BFG) betreiben in Deutschland unter anderem zwei große Truppenübungsplätze und mehrere Standortübungsplätze, 32 Schulen, 50 NAAFI-Einkaufszentren und neun Kinos. Für die Militärangehörigen und deren Familienmitglieder erscheint seit 1970 die Wochenzeitung »Sixth Sense« mit Sitz in Bielefeld. Daneben sendet BFBS zwei Radioprogramme und einen Fernsehkanal für die SoldatInnen. Das Programm BFBS Radio 1 Germany wird über leistungsstarke Sender ausgestrahlt, so dass es in weiten Teilen der Länder Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen auf UKW zu empfangen ist.

Das Hauptquartier der britischen Landstreitkräfte in Deutschland ist in Mönchengladbach-Rheindahlen.

Die Britischen Streitkräfte in Deutschland sind in zwei Hauptkommandobereiche aufgeteilt:

Das britische Unterstützungskommando United Kingdom Support Command (Germany), UKSC(G), das sich in Mönchengladbach befindet, ist zuständig für Verwaltungsaufgaben und die logistische Unterstützung der britischen Einheiten in Deutschland und auf dem europäischen Festland. In Mönchengladbach befindet sich auch das Hauptquartier des Schnellen Eingreifkorps der NATO, Allied Command Europe Rapid Reaction Corps (HQ ARRC).

Die in Herford stationierte 1st (UK) Armoured Division (1. britische Panzerdivision) befehligt die britischen Einsatztruppen in Deutschland. In Herford hat auch die Deutschlandzentrale des britischen SoldatInnen-Senders BFBS ihren Sitz.

Die BFG sind in fünf Garnisonen aufgeteilt:

Gütersloh mit den Standorten Bielefeld, Gütersloh, Herford und Lübbecke

Hohne mit den Standorten Bergen-Hohne, Celle und Bad Fallingbostel

Osnabrück mit den Standorten Münster und Osnabrück

Paderborn mit den Standorten Hameln, Paderborn und Sennelager

Rhine mit den Standorten Dülmen, Elmpt, Haltern, Mönchengladbach, Rheindahlen und Wulfen.

Insgesamt benutzen die BFG 18 Orte in Deutschland. Der Truppenübungsplatz Bergen (auch: Bergen-Hohne) im Südteil der Lüneburger Heide ist mit 284 km² der größte Truppenübungsplatz in Deutschland. Er wurde ab 1935 von der Wehrmacht eingerichtet und nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges von den britischen Besatzungstruppen übernommen und kontinuierlich erweitert. Seit den 1960er Jahren wird das Areal zudem von der Bundeswehr und der NATO genutzt.

Der Truppenübungsplatz Senne bei Paderborn ist ein 116 km² großer Truppenübungsplatz unter britischer Verwaltung.

NATO-Militärstützpunkte

Das Allied Command Europe Rapid Reaction Corps (ARRC) ist ein multinationales NATO-Korps unter Führung Großbritanniens, das heute im Wesentlichen nur als Hauptquartier aufgestellt ist. Der Stab ist seit Mai 1994 im Joint Headquarter (JHQ) Rheindahlen bei Mönchengladbach stationiert. Neben Großbritannien beteiligen sich 16 Nationen am Korps, darunter auch Deutschland. Das HQ ARRC ist befähigt unter NATO- oder EU Führung ein Hauptquartier zur Führung von Missionen der Krisenbewältigung zu stellen. Das AARC ist dazu dem Supreme Headquarters Allied Powers Europe (SHAPE) Casteau bei Mons in Belgien unterstellt und als Rapidly Deployable Corps Headquarter bzw. High Readiness Force (Land) HQ klassifiziert. Es ist damit auch befähigt Kräfte für die schnelle Einsatztruppe der NATO zu stellen. Das Hauptquartier ist innerhalb von 5-30 Tagen weltweit verlegbar und operationsfähig.

In Geilenkirchen sind die NATO-AWACS-Flugzeuge stationiert, auch deutsche. Das Airborne Warning and Control System (AWACS) ist ein Flugzeug-gestütztes Radarsystem der USA und anderer NATO-Staaten, das zur Luftraumaufklärung und als Einsatzleitzentrale eingesetzt wird. Das AWACS ist eine zentrale Komponente in jedem Luftkrieg. Ohne ein solches System wären die Kriegsflugzeuge auf bodengestützte Systeme angewiesen. Baei einem Manöver in de USA hat kürzlich ein AWACS-Flugzeug aus Geilenkirchen als fliegender Gefechtsstand bei Luftkämpfen atombombenfähiger US-Kampfjets gedient.20

Weitere fremde Militärstützpunkte

Frankreich: Kasernen in Donaueschingen, Immendingen und Mühlheim (Baden), alle drei dienen als Standorte der Deutsch-Französischen Brigade. Diese ist eine ca. 5.000 Mann starke binationale Infanteriebrigade aus französischen und deutschen Truppen mit Sitz des Stabes in Müllheim. Alle Truppenteile sind im Bundesland Baden-Württemberg stationiert. Die Brigade ist in die Befehlsstrukturen des Eurokorps eingebunden. Die deutschen Truppenteile sind als Eingreifkräfte klassifiziert und sind als einzige Truppenteile einer Brigade des Heeres nicht in eine Division eingebunden, sondern unterstehen truppendienstlich direkt dem Heeresführungskommando. Die französischen Truppenteile unterstehen truppendienstlich dem französischem Äquivalent Commandement de la force d’action terrestre (CFAT).

Das Eurokorps ist ein multinationaler militärischer Verband der Staaten Deutschland, Frankreich, Belgien, Spanien und Luxemburg, der allen Mitgliedsstaaten der Westeuropäischen Union (WEU) und den mit der WEU assoziierten Staaten offen steht. Zu Ausbildungszwecken nimmt auch das polnische Heer in Brigadestärke am Eurokorps teil. Das Korps stellt Kräfte für EU- und NATO-Missionen, u.a. für die schnelle Eingreiftruppe der NATO.

Niederlande: 2 Kasernen in Münster als Standort des Deutsch-Niederländischen Korps.

EU-Battle-Groups

Mit den EU-Battle-Groups will die EU auch militärisch stärker werden. Die Battle-Groups bestehen aus multinationalen Verbänden, die ad hoc eingesetzt werden sollen. Das bedeutet, dass in Zukunft auch noch weitere fremde Militärverbände in Deutschland aktiv sein werden. Bis 2007 sollten 13 Battle Groups entstehen. Dieses Ziel wurde jedoch bis heute nicht erreicht.

Die Kosten

Die alliierten Streitkräfte haben stets der Bundesrepublik die Mehrheit der Kosten für den Unterhalt ihrer Präsenz in Deutschland in Rechnung gestellt. Neben der kostenfreien Überlassung von Arealen zur militärischen Nutzung werden z.B. Kosten für anstehende Renovierungen und Neubauten dieser Militäreinrichtungen aus Steuermitteln der Bundesrepublik Deutschland finanziert. Deutschland bezahlte auch die so genannten Transformations-Kosten für die US-Militär-Präsenz. Im Falle des Umzugs der Rhein-Main-Air-Base von Frankfurt/Main nach Ramstein und Spangdahlem waren das 368 Mill. $ von insgesamt 528 Mill. US-$, das sind 70%. Die verbleibenden 160 Mill. gingen zu Lasten anderer NATO-Länder und der USA.

Eine Veröffentlichung des Bundesfinanzministeriums von 2005 veranschlagt die »Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte« auf rund 123,3 Millionen EUR Ausgaben, denen 24,9 Millionen EUR Einnahmen gegenüber stehen. Eine genaue Auflistung ist schwierig, da z.B. im Bundeshaushalt in zahlreichen Einzeltiteln Gelder für den Militärhaushalt bereitgestellt werden (vgl. im Bundeshaushalt 2007 zum Beispiel die Titel 0814-88304, 0814-71203 und 1402-53301). Die Funktionsfähigkeit der US-Militärstützpunkte in Deutschland kostet jährlich 7 Milliarden US-Dollar. Deutschland erstattet den USA davon 1,89 Milliarden, das sind 27%. Deutschland bezahlt dafür, dass es ein Vorposten für die militärischen Interventionen und die illegale Kriegsführung der USA ist.

EU-Militärstützpunkte in aller Welt

NATO und EU folgen dem Beispiel der USA und errichten auch immer mehr Stützpunkte außerhalb des Bündnisbereiches. Die Basen der Mitgliedsländer der EU werden allen Mitgliedsländern zur Verfügung gestellt. Das sind zurzeit 28 französische, 29 britische, 11 deutsche, 5 italienische und 2 spanische. Deutschland benutzt für seien Afghanistan-Einsatz die Basis in Termes (Usbekistan) und stellt sie allen NATO-Staaten zur Verfügung. Weitere Bundeswehrstützpunkte im Ausland sind derzeit in Zypern, Kenia, Djibuti und Sudan. Bald möchte man auch nach Darfur. Eine Grafik über alle EU-Militärstützpunkte findet man im Internet unter http://deutscher-friedensrat.de/materialien_005.htm

Die Rechtsgrundlagen

Die Stützpunkte sind de facto exterritoriale Gebiete. Der US-Experte Chalmers Johnson schreibt in seinem Aufsatz »Das Abkommen über den Status der Militärstreitkräfte« (SOFA/Status Of Forces Agreement) in Okinawa: „Amerikas 703 offiziell anerkannte (tatsächlich über 1.000) militärische Enklaven im Ausland sind, obwohl sie sich strukturell, legal und konzeptionell von Kolonien unterscheiden, doch wie Mikrokolonien, da sie jeglicher Gerichtsbarkeit des okkupierten Landes entzogen sind. Die USA handeln mit ihren angeblich unabhängigen ‚Gastnationen‘ überall ein Abkommen über den Status ihrer Streitkräfte aus, darunter sind Länder, deren Rechtssystem in jeder Hinsicht entwickelt ist – und manchmal mehr als unser eigenes.“ 21 Rachel Cornwell und Andrew Wells, zwei Autoritäten zum Thema SOFA kommen zu dem Schluss: „Die meisten SOFA’s sind so abgefasst, dass die nationalen Gerichte über amerikanische Militärangehörige, wenn sie Verbrechen an der Bevölkerung begangen haben, nicht urteilen können, es sei denn, die US-Militärbehörden übergeben in bestimmten Fällen die Rechtsprechung an das Gastland“.22

Rechtlich ist der Rahmen in Deutschland durch das NATO-Truppenstatut (SOFA) vom 19.06.1951 vorgegeben. Dazu wurden Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut (ZA-NTS) zwischen Deutschland, den USA, Kanada, Großbritannien, Niederlande, Belgien und Frankreich abgeschlossen, modifiziert 1993 und im Bundesgesetzblatt 1994 Teil II Seite 3718 verkündet. Auch für drei gemeinsam von den USA und Deutschland benutzte Schießanlagen und Bombenabwurfplätze gibt es Verwaltungsabkommen, durch die die Praxis und Regeln der Bundeswehr angepasst wurden. Dasselbe trifft zu auf drei gemeinsame Übungsplätze mit Großbritannien und einen mit Belgien, Frankreich und den Niederlanden.

Die Frage ist, ob die verbündeten Streitkräfte diese Regeln einhalten und wenn nicht, was dann passiert. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an den Vorfall in Cavalese (Italien) als durch ein US-Kampfflugzeug 20 Menschen ums Leben kamen. Ein US-Kriegsflugzeug hatte zu niedrig fliegend und auf nicht erlaubter Flugroute das Drahtseil einer Seilbahn durchtrennt. Ein US-Militärgericht in den USA erklärte die Piloten trotzdem für unschuldig. Das ist eine Erfahrung, die man überall in der Welt mit US-Militärstützpunkten machen kann. Gesetzesbrecher und Kriminelle kommen ungeschoren davon. In diesem Bewusstsein handeln sie und machen damit die Militärstützpunkte zu einem rechtsfreien Raum. Noch schlimmer jedoch ist, dass mit der Benutzung der Militärstützpunkte sogar Völkerrecht gebrochen wird.

Der Fall Florian Pfaff

Der Major der Bundeswehr Florian Pfaff weigerte sich Befehle zu befolgen, die den Krieg gegen den Irak unterstützen könnten. Der Fall ging bis vor das Bundesverwaltungsgericht (BVG). In seinem Urteil vom 21.06.2005 (Aktenzeichen 2 WD 12.04) stellte das BVG fest, dass der Krieg gegen den Irak völkerrechtswidrig war. Es war ein Verstoß gegen das Verbot der Gewaltanwendung, wie es in der Charta der Vereinten Nationen (UN) festgeschrieben ist. Weder gab es ein Mandat der UN, noch konnten sich die USA auf Selbstverteidigung berufen. Das ist nur möglich bei einem direkten Angriff (auf die USA) und solange die UN keine Maßnahmen ergriffen hat. Beides war nicht der Fall. Der (behauptete) Besitz von Massenvernichtungswaffen des Gegners ist ohnehin kein Kriegsgrund.

Nach dem Urteil hat die Bundesregierung Beihilfe zu einem völkerrechtswidrigen Delikt und damit selbst ein völkerrechtswidriges Delikt in Form folgender Taten begangen:

Erlaubnis zur Benutzung der Militärstützpunkte der USA und UK auf deutschem Boden,

Gewährung von Überflugsrechten für die USA und UK,

Bewachung der Militärstützpunkte der USA und UK,

Einsatz deutscher SoldatInnen in AWACS-Flugzeugen zur Überwachung des türkischen Luftraums.

Nach Rechtsprechung des BVG ist die „Handlung eines Staates, die in seiner Duldung besteht, dass sein Hoheitsgebiet, das er einem anderen Staat zur Verfügung gestellt hat, von diesem anderen Staat dazu benutzt wird, eine Angriffshandlung gegen einen dritten Staat zu begehen … selbst eine Angriffshandlung.“ Deutschland hätte sich im Krieg der USA gegen den Irak neutral verhalten müssen. Damit sind dann u.a. folgende Handlungen zu unterbinden:

Truppentransporte,

Benutzung von Funkstationen,

Benutzung von Fahrzeugen, Flugzeugen und Raketen.

Bundesregierung hätte US-SoldatInnen gefangen nehmen müssen

Das Bundesverfassungsgericht geht noch weiter: „Truppen von Konfliktparteien, die auf das neutrale Staatsgebiet übertreten“ – also nach Beginn des bewaffneten Konflikts in das neutrale Staatsgebiet zurückkommen – sind „zu internieren… Nur Offiziere, die sich auf Ehrenwort verpflichten, das neutrale Gebiet nicht ohne Erlaubnis zu verlassen, dürfen freigelassen werden.“ (S.84ff des Urteils) Weiter ist im Urteil zu lesen: „Die Pflicht zur Internierung ergibt sich aus dem Sinn und Zweck des Neutralitätsrechts, da nur so verhindert werden kann, dass von neutralem Territorium aus Kampfhandlungen unterstützt werden und dass es dadurch zu einer Eskalation der bewaffneten Auseinandersetzungen unter Einbeziehung des neutralen Staates kommt… Von diesen völkerrechtlichen Verpflichtungen wurde die Bundesrepublik Deutschland im Falle des am 20. März 2003 begonnenen Krieges, gegen den gravierende völkerrechtliche Bedenken bestehen, nicht dadurch freigestellt, dass sie Mitglied der NATO war und ist, der auch die Krieg führenden USA und das UK (sowie weitere Mitglieder der Kriegskoalition) angehören. (…) Weder der NATO-Vertrag… noch das NATO-Truppenstatut…. oder das Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut… sehen jedoch eine Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland vor, entgegen der UN-Charta und dem geltenden Völkerrecht – völkerrechtswidrige – Handlungen von NATO-Partnern zu unterstützen.“

Ein NATO-Staat, der einen völkerrechtswidrigen Krieg plant und ausführt, verstößt nicht nur gegen die UN-Charta, sondern zugleich auch gegen Art. 1 des NATO-Vertrages. Darin haben sich alle NATO-Staaten verpflichtet, „in Übereinstimmung mit der Satzung der Vereinten Nationen jeden internationalen Streitfall, an dem sie beteiligt sind, auf friedlichem Wege so zu regeln, dass der internationale Friede, die Sicherheit und die Gerechtigkeit nicht gefährdet werden und sich in ihren internationalen Beziehungen jeder Gewaltandrohung oder Gewaltanwendung zu enthalten, die mit den Zielen der Vereinten Nationen nicht vereinbar sind. (…) Das heißt zugleich, dass ein durch Art. 51 UN-Charta nicht gerechtfertigter Krieg auch keinen »NATO-Bündnisfall« nach Art. 5 NATO-Vertrag darstellen oder rechtfertigen kann. (…) Ein gegen die UN-Charta verstoßender Angriffskrieg eines NATO-Staates kann mithin selbst durch die Ausrufung des »NATO-Bündnisfalles« nicht zum Verteidigungskrieg werden.“ Die USA und UK müssen entsprechend dem Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut die Bundesregierung um Genehmigung bitten, wenn „außerhalb des NATO-Rahmens in den USA oder im UK stationierte Truppenteile mit Militärluftfahrzeugen etwa auf ihrem Weg in das Kriegsgebiet lediglich den deutschen Luftraum benutzen oder auf ihnen in Deutschland überlassenen Flugplätzen zwischenlanden, um aufzutanken, Material oder Waffen aufzunehmen und anschließend – ohne »NATO-Auftrag« – in das außerhalb des »NATO-Gebiets« gelegene Kriegsgebiet weiter zufliegen.“ Daraus ergibt sich „für die zuständigen deutschen Stellen, d.h. vor allem für die Bundesregierung, im Konfliktfall – jedenfalls rechtlich – die Befugnis zu kontrollieren, ob die Stationierungsstreitkräfte auf den überlassenen Liegenschaften (sowie im Luftraum darüber) im Einzelfall ausschließlich »Verteidigungspflichten« im Sinne des Zusatzabkommens und des NATO-Vertrages wahrnehmen oder aber andere Maßnahmen vorbereiten oder gar durchführen.“ Von der Bundesregierung müssen „alle erforderlichen Maßnahmen eingeleitet und vorgenommen werden, die verhindern, dass etwa vom Territorium der Bundesrepublik Deutschland aus völkerrechtswidrige Kriegs-Handlungen erfolgen oder unterstützt werden. Dies gilt um so mehr, als sich Deutschland im Zuge der Wiedervereinigung in Art. 2 des Vertrages über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland (so genannter Zwei-Plus-Vier-Vertrag) (…), der die maßgebliche Grundlage der im Jahre 1990 erfolgten Herstellung der staatlichen Einheit Deutschlands bildet, völkerrechtlich verpflichtet hat, dafür zu sorgen, ‚dass von deutschem Boden nur Frieden ausgehen wird‘.“

Geheimabkommen sind ungültig

„Dies gilt auch für den Fall, dass zwischen der Bundesrepublik Deutschland sowie den USA und dem UK völkerrechtliche Geheim-Abkommen geschlossen worden sein sollten, die für den Fall eines militärischen Konflikts Gegenteiliges vorsehen, jedoch – entgegen Art. 102 UN-Charta – nicht beim Sekretariat der Vereinten Nationen registriert und veröffentlicht worden sind. Unabhängig davon, ob solche Geheim-Abkommen überhaupt rechtliche Wirkungen auszulösen vermögen, ist jedenfalls die Vorschrift des Art. 103 UN-Charta zwingend zu beachten, die folgenden Wortlaut hat: ‚Widersprechen sich die Verpflichtungen von Mitgliedern der Vereinten Nationen aus dieser Charta und ihre Verpflichtungen aus anderen internationalen Übereinkünften, so haben die Verpflichtungen aus dieser Charta Vorrang‘.“ (alle vorstehenden Zitate sind dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.06.2005, Aktenzeichen 2 WD 12.04 entnommen).

Tatsächlich scheint es ein Geheimabkommen zwischen der deutschen Regierung und den USA zu geben. Das wurde in einer Radiosendung mit Albrecht Müller (SPD), früher Leiter der Planungsabteilung im Bundeskanzleramt unter Willy Brandt und Helmut Schmidt, erwähnt. Er sagte, dass in der Zeit der deutschen Wiedervereinigung die US-Regierung befürchtete, ihre Militärstützpunkte in Deutschland zu verlieren. Aber Kanzler Kohl habe mit den USA ein Geheimabkommen abgeschlossen, demzufolge diese die Militärstützpunkte zu jeder Zeit für alle Fälle benutzen können. Das frühere Mitglied der deutschen Regierung Oskar Lafontaine äußerte sich in einer Konferenz im Januar 2006 in Berlin dahingehend, dass in diesem Sinne Deutschland kein souveränes Land wie Frankreich sei.

Hier liegt die Erklärung für die Erlaubnis zur Benutzung der US-Militärstützpunkte in Deutschland für den illegalen Krieg gegen den Irak. Grundsätzlich wird nach Chalmers Johnson das Völkerrecht und das Verfassungsrecht des jeweiligen Landes bei allen SOFA und Zusatzabkommen gebrochen: In den Abkommen geben die Gastnationen ihre souveränen Rechte auf, sie geben de facto jede Kontrolle darüber ab, ob von ihrem Boden aus völkerrechtswidrige Handlungen unternommen werden.

Der Fall Jürgen Rose

Im o.a. Urteil des BVG steht nicht explizit »völkerrechtswidrig«, sondern immer die Formel „gravierend völkerrechtliche Bedenken“. Das eröffnete der Bundesregierung die Möglichkeit, weiterhin den USA die Militärstützpunkte zur Verfügung zu stellen und ansonsten die umfangreiche juristische Begründung des BVG zu ignorieren. Ein Regierungssprecher sagte, es liege in dieser Frage kein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) vor – so als ob ein Gesetz oder das Völkerrecht nur dann von der Bundesregierung beachtet werden müsste, wenn jede einzelne Bestimmung vom Bundesverfassungsgericht bestätigt wurde.

Das ließ den Oberstleutnant der Bundeswehr Jürgen Rose nicht ruhen und er versuchte ein Urteil des BVerfG zu erwirken. In der Zeitschrift »Ossietzky« vom 27. 5. 2006 schrieb er: „Dass die Generalität aufgrund intellektueller Insuffizienz nicht hatte erkennen können, was da vor sich ging, wird man mit Fug und Recht ausschließen dürfen.(…) Da Dummheit ergo auszuschließen ist, bleibt nur noch die zweite Alternative zur Erklärung – und die lautet: Opportunismus, Feigheit, Skrupellosigkeit. (…) Hätte die deutsche Generalität auch nur einen Funken Ehrgefühl sowie Rechts- und Moralbewusstsein im Leibe, so hätte der Generalinspekteur im Verein mit seinen Teilstreitkräfteinspekteuren sich geweigert, den Völkerrechts- und verfassungswidrigen Ordres der rot-grünen Bundesregierung Folge zu leisten.“

Darauf hin wurde gegen ihn ein Disziplinarverfahren eingeleitet, das durch mehrere Instanzen der militärischen Sondergerichtsbarkeit ging und zunächst mit einer Disziplinarbuße in Höhe von 750 Euro endete. Makaber daran war, dass diese Strafe von einem der selbst betroffenen Generäle bestätigt wurde. Dagegen legte Rose Rechtsmittel ein. Schließlich ging es bis zum Bundesverfassungsgericht. Doch die 3. Kammer des 2. Senats beschloss am 28. April 2007, die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung anzunehmen. Aus der achtseitigen Begründung des Beschlusses ergibt sich:

Die Menschenwürde der attackierten Generalität wurde durch den inkriminierten Ossietzky-Beitrag nicht angetastet.

Es handele sich bei den beanstandeten Äußerungen auch nicht um eine unzulässige Schmähkritik. (Eine Schmähkritik liegt dann vor, wenn drastische Kritik in einen Angriff auf die Menschenwürde umschlägt und wenn die Absicht zu verletzen stärker hervortritt als die Absicht die eigene Meinung zu äußern.)

Ansonsten hat die Verfassungsbeschwerde keine „grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung“.

Nach dieser höchstrichterlichen Bewertung darf jeder zivile Staatsbürger und jede zivile Staatsbürgerin ungestraft sagen:

Die Bundeswehrgeneräle, die die ihnen unterstellten SoldatInnen zur Unterstützung des Irak-Kriegs befahlen, haben opportunistisch, feige und skrupellos gehandelt.

Der Generalinspekteur und die Teilstreitkraftinspekteure hätten sich weigern müssen, den völkerrechts- und verfassungswidrigen Befehlen der Bundesregierung Folge zu leisten, wenn sie denn auch nur einen Funken Ehrgefühl sowie Rechts- und Moralbewusstsein im Leibe hätten.

Dass das Verfassungsgericht im Übrigen der Sache keine »grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung« zumaß, mag formaljuristisch richtig sein: Schließlich ging es ja nur um die Frage, ob Jürgen Rose so etwas sagen darf, nicht darum, ob es stimmt. Aber was muss eigentlich passieren, damit sich das Verfassungsgericht mit der doch durchaus verfassungsrechtlich bedeutenden Frage beschäftigt, ob die Bundesregierung Völkerrecht bricht?

Rechtsgrundlagen für die Stationierung von Atombomben

Wie oben beschrieben sind in Deutschland nach wie vor Atombomben stationiert. Diese »nukleare Teilhabe« aber ist völkerrechtswidrig. Der Nichtverbreitungsvertrag, besser bekannt als Atomwaffensperrvertrag, verbietet gleich im Artikel 1, dass Staaten, die über Atomwaffen verfügen, die Kontrolle über diese Waffen an nichtnukleare Staaten wie Deutschland abgeben. Das gilt – so haben die Vertragsstaaten es festgelegt – zu jeder Zeit und unter allen Umständen, also auch im Krieg. Außerdem sind Atombomben nach den strengeren Regeln des humanitären Kriegsvölkerrechts geächtet. Danach sind Waffen geächtet, die unterschiedslos SoldatInnen und Unbeteiligte töten. Das humanitäre Kriegsvölkerrechts ist über Artikel 25 GG in Deutschland geltendes Recht. Die USA haben sich dem aber nicht unterworfen!

Verteidigungsminister Franz Josef Jung hat eine Neufassung der »Druckschrift Einsatz Nr. 03 Humanitäres Völkerrecht in bewaffneten Konflikten« herausgegeben. In der Anweisung für SoldatInnen der Bundeswehr aus dem Juni 2008 heißt es auf Seite fünf: „Insbesondere der Einsatz folgender Kampfmittel ist deutschen Soldaten bzw. Soldatinnen in bewaffneten Konflikten verboten: Antipersonenminen, atomare Waffen, biologische Waffen und chemische Waffen.“ Die Taschenkarte, eine Kurzfassung der Zentralen Dienstvorschrift 15/2, beschreibt die Rechtslage gemäß der von Deutschland ratifizierten völkerrechtlichen Verträge. Erstmals erklärt das Verteidigungsministerium ohne Wenn und Aber, dass Bundeswehr-SoldatInnen keine Nuklearwaffen einsetzen dürfen. Bislang gab es immer einen Vorbehalt, der eine Hintertür eröffnete: Beachtet werden sollten die völkerrechtlichen Regeln „soweit praktisch möglich“. Dieser Vorbehalt ist nun entfallen.

Unklar ist, ob das Verteidigungsministerium nun auch seine Grundhaltung revidiert, um zu garantieren, dass das Völkerrecht ohne Einschränkung eingehalten wird. Bislang durften Bundeswehrpiloten nach Auffassung des Ministeriums im Rahmen eines NATO-Einsatzes Nuklearwaffen abwerfen. Die Piloten stehen jetzt vor einem Dilemma. Sie üben im Frieden, was ihnen im Krieg verboten wäre: Den Einsatz atomarer Waffen. Dass sie es nicht dürfen, sagt mittlerweile auch ihr Dienstherr, das Verteidigungsministerium. Käme ein atomarer Einsatzbefehl der Nato, so müssten sie selbst entscheiden, ob sie ihm Folge leisten oder nicht. Was wäre schlimmer: Völkerrechtsbruch oder Befehlsverweigerung? Deshalb erregt sich der Grünen-Verteidigungsexperte Winfried Nachtwei: „Die Bundesregierung wäscht vorab ihre Hände in völkerrechtlicher Unschuld und macht den Atomwaffeneinsatz im Krieg zum Privatproblem der Piloten.“

Die Bundesregierung nimmt völkerrechtswidrige Handlungen auf ihrem Territorium hin und verstößt damit selber gegen das Völkerrecht. Sie verlangt von deutschen SoldatInnen, völkerrechtswidrige Handlungen einzuüben. Als Rechtfertigung schiebt sie »Bündnistreue« und manchmal auch die Notwendigkeit einer »fairen Lastenverteilung« vor – Gründe, die auf keinen Fall über dem Völkerrecht stehen können. Wahre Gründe dürften machtpolitische Erwägungen sein: Wer »deutsche Interessen« am Hindukusch und überall in der Welt militärisch verteidigen will, muss überall mitmischen. Ich denke es ist an der Zeit zu prüfen, ob und wie die deutschen Regierungsvertreter, die ständig unsere Verfassung und das Völkerrecht brechen, zur Rechenschaft gezogen werden können.

Anmerkungen

1) Department of Defense, Base Structure Report, Fiscal Year 2007 Baseline (A Summary of DoD`s Real Property Inventory), Seite DoD-6.

2) www.vcorps.army.mil/leaders/leaders.htm

3) www.globalsecurity.org/military/agency/army/1id.htm

4) www.globalsecurity.org/military/agency/army/1ad.htm

5) www.uni-kassel.de/fb10/frieden/regionen/USA/truppen.html

6) [EUCOM_RELEASE] vom 29.07.2005, von: Yates, Dale W. TSgt »yatesd@EUCOM.MIL«.

7) Zusätzlich zur 1.ID betrifft das nach geordnete Einheiten, ausgewählte V. Corps-Einheiten (Heidelberg) der US-Armee. Sie kehren entweder in die USA zurück, werden gänzlich aufgelöst, oder werden umgeformt und in Europa neu zugeordnet, um die Umgliederung der Armee im Haushaltsjahr 2006 zu unterstützen.

8) Stars and Stripes, 28.08.08 (www.stripes.com/article.asp?section=104&article=64226&archive=true).

9) wie (1) Seite ARMY-28 und Seite AIR FORCE -22.

10) wie (1).

11) CFR ist der Council on Foreign Relations (deutsch: Rat für auswärtige Beziehungen) der USA. Der CFR ist ein parteienunabhängiges amerikanisches Studienzentrum zu außenpolitischen Themen mit Sitz in New York.

12) Sammlung Kohlstruck von Dokumenten und Notizen zur Air Base Ramstein (Stand 05.04.2008).

13) www.luftpost-kl.de

14) »Kaiserslautern American« vom 09.03.2007.

15) Pressebüro der 435th Air Base Wing, 28.07.08, (www.usafe.af.mil/news/story.asp?id=123108282).

16) Stars and Stripes, 05.04.08 (www.stripes.com/article.asp?section=104&article=61210&archive=true).

17) Der Spiegel, Nr. 27/2008

18) http://www.3sat.de/3sat.php?http://www.3sat.de/kulturzeit/themen/125114/index.html

19) Dr. Joseph Gerson: Military Colonialism: Personal and Analytical Perspectives, International Consultation on U.S. Bases, Seoul, Dec. 1 & 2, 2003.

20) www.luftpost-kl.de

21) Fußnote von Johnson: „Die Zahl der im Ausland gelegenen 703 Stützpunkte stammt vom Bericht des Büros des Unterstaatssekretärs für Verteidigung (Einrichtungen und Umwelt), dem Stützpunkt-Struktur-Bericht (Eine Zusammenfassung der Besitztümer des Verteidigungsministeriums von 2003), www.defenselink.mil/news/Jun2003/basestructure2003.pdf. Die Anzahl war 2001 725. Zu Einzelheiten und Analyse verweise ich auf mein Buch »The Sorrow of Empire« (New York: Metropolitan Books 2004), Seite 151-160. Die Zahl 703 ist viel zu niedrig, denn die Stützpunkte der Geheimdienste sind weggelassen, ebenso die, die sich unter anderen Staaten verbergen (z.B. bei der Royal Air Force in Großbritannien), man will damit Schwierigkeiten bei den ausländischen Regierungen vermeiden. Ferner fehlen die meisten Basen auf dem Balkan, im Persischen Golf und in Zentralasien, die in den letzten US-Kriegen dazu kamen.“

22) Rachel Cornwell und Andrew Wells, Deploying Insecurity, Peace Review 11:3 (1999), S.410.

Hans Peter Richter ist seit 1981 in der Friedensbewegung aktiv. Er war Mitbegründer des »friedensmuseums« in Berlin (1982-1989), Gründungsmitglied des Deutsch-Japanischen Friedensforums und ist im Vorstand des Deutschen Friedensrates und aktiv bei der »Sichelschmiede – Werkstatt für Friedensarbeit« in der Kyritz-Ruppiner Heide. Außerdem arbeitet er beim deutschen »Netzwerk gegen Militärstandorte und deren Auswirkungen (NEMA)« mit und beim weltweiten Netzwerk gegen fremde Militärstützpunkte, das im März 2007 in Ekuador gegründet wurde.