Afroplanetarismus als Friedensphilosophie
von Korassi Téwéché
Wie lässt sich nach den Gräueln des Kolonialismus über Frieden sprechen? Dieser Text diskutiert die Hypothese, dass die Voraussetzung für eine echte Emanzipation des postkolonialen Subjekts die Transzendenz1 des Historizismus ist. Mit dem Ansatz der organischen Philosophie und des Afroplanetarismus wird diese neue Art und Weise vorgestellt, die individuelle und kollektive Existenz des Menschen auf einer neuen Grundlage, d.h. jenseits des Einzelfaktors Geschichte zu verstehen und positiv zu gestalten.
Eine kritische Analyse der zeitgenössischen philosophischen Reflexionen über »Krieg« und »Frieden« in der Welt und insbesondere in Afrika zeigt eine ständige Bezugnahme auf die Kolonialgeschichte (vgl. Mbembe 2017; Mamdani 2020). Dies basiert auf der Annahme, dass die heutigen Konflikte im Bereich der internationalen Beziehungen ein Abbild der Kolonialkriege von gestern seien (Mamdani 1996, 2003; Henderson und Singer 2020). Im Folgenden argumentiere ich, dass dieser Bezug auf die Geschichte ein epistemisches Hindernis für ein klareres analytisches Verständnis der Gegenwart darstellt. Als Alternative zum postkolonialen Ansatz postuliere ich die Methode der organischen Philosophie, die eine Transzendenz des Historizismus voraussetzt.2 Die Analyse der Grundlagen, der Bedeutung und der Implikationen des Konzepts der »Transzendenz« ist die Basis für die Diskussion des daraus sich ergebenden Afroplanetarismus als einer Friedensphilosophie.
Der Historizismus des postkolonialen Paradigmas
Unter »Historizismus« ist eine mimetische und fetischistische Bezugnahme der postkolonialen kritischen Theorie auf die Geschichte des Kolonialismus und seine Wissensobjekte zu verstehen.3 Ziel eines solchen Ansatzes ist es, eine Erklärung für die zeitgenössischen soziopolitischen, wirtschaftlichen und kulturellen Dynamiken zu liefern und deren Logik aus der Reflexion über die Vergangenheit zu ermitteln.
Die Theorie wird als »mimetisch« bezeichnet, da die Beobachtung der Realität Afrikas und der heutigen Welt ausschließlich durch die koloniale Vergangenheit erfolgt. Die aktuelle Realität wird nicht unmittelbar in sich selbst erfasst. Zwischen ihr und dem Blick der beobachtenden Person befindet sich die Maske der Kolonialgeschichte, ihrer Figuren, ihrer Verbrechensszenen, ihrer makabren Ästhetik (vgl. Mbembe 2017, S. 26; 2016). Die Realität wird als ständige Wiederkehr dieser Logik begriffen, die Kritiker*innen mithilfe der Sprachanalyse und der Kritik sozialer, politischer, wirtschaftlicher, kultureller, religiöser, ästhetischer u.a. Strukturen auf ihren Sinn hin untersuchen wollen (vgl. Mbembe 2014, S. 122). Deshalb werden in der Kritik ständig Kategorien wie »Weiß«, »Schwarz«, »Europäer*innen«, »Afrikaner*innen«, »westlich« usw. verwendet, als würden diese auf greifbare Identitäten verweisen und etwa der »Kolonialherr« und der »Kolonialisierte« diesen »Essenzen« entsprechen (vgl. Mbembe 2014, S. 256). Sie existieren jenseits von kolonialem Raum und Zeit und werden in der Gegenwart verkörpert, wenn auch unter mehr oder weniger veränderten Aspekten.
Die Idee des »Fetischismus« erklärt die psychologische Basis des Historizismus. Sie bedeutet, dass die Reproduktion der vergangenen Wissensobjekte in der Theorie keinen Selbstzweck hat. Vielmehr dient sie als Grundlage für eine praktische Moral der postkolonialen Subjekte im Alltag. Der Zweck des postkolonialen Handelns besteht in der Befreiung der postkolonialen Subjekte von der Gewalt dieser andauernden Vergangenheit. In diesem Sinne ist auch das Argument des »strategischen Essentialismus« von Gayatri Spivak (1988) in ihrem Beitrag »Can the subaltern speak?« zu interpretieren. Die Verwendung essentialistischer Kategorien wird durch ihren praktischen Zweck gerechtfertigt. Sie dienen als Organisationsmittel der »Subalternen« gegen die neokolonialen Mächte (Spivak 2001). Eine ähnliche »Strategie« findet sich auch in den Arbeiten von Edward Said (1978) und Achille Mbembe (2014), insbesondere bei der gezielten Verwendung der Begriffe »Orientalismus« und »Neger«.
Zwar lässt sich einwenden, dass der Bezug auf die Geschichte eine polemische, subversive oder kritische Bedeutung hat. Doch die kritische Analyse dieses Ansatzes lässt einen Widerspruch erkennen (vgl. Theombogü 2023). Einerseits beansprucht die Theorie, das koloniale Ereignis, seine Objekte, seine Raum-Zeit-Dimension und die Strukturen seines Imaginären zu kritisieren (vgl. Mbembe et al. 2006). Andererseits essentialisiert und verstetigt sie diese Objekte, indem sie ihnen eine Vorrangstellung gegenüber allen anderen Zeit- und Räumlichkeiten einräumt. Im weiteren Verlauf dieses Beitrags erörtere ich die Frage nach den Konsequenzen eines solchen Historizismus für die effektive Befreiung und Emanzipation von Menschen aus zeitgenössischer Gewalt. Dabei wird vor allem die Frage beantwortet, was es unter einem solchen Kontext bedeutet, Frieden zu schaffen.
Eine organische Philosophie für eine Transzendenz des Historizismus
Was ich als organische Philosophie bezeichne bedeutet, den Menschen nicht als reines Produkt der Geschichte zu betrachten, sondern als Konjunktion4 von Subjektivität und Realität des Lebens.5 Dies bedeutet zum einen die Fähigkeit des Subjekts, sich selbst und der Welt unmittelbar anwesend zu sein, und zum anderen die Aktualisierung seiner Fähigkeiten durch Handeln und positive Selbsttransformation im Alltag. Das Subjekt nimmt seine Existenz als das Ereignis eines Aufenthalts auf, den es unmittelbar hinterfragt, versteht und gestaltet (vgl. Boulaga 1977). Daraus ergibt sich das Postulat dieser Philosophie, dass der Reparation notwendigerweise die Transzendenz des Historizismus vorausgeht. Die Erläuterung dieser These wird Gegenstand der folgenden Ausführungen sein. Dafür werde ich den Begriff von »Reparation« einführen, der zugleich als Transzendenz und Emanzipation des Diskurses über die Vergangenheit gelten soll.
Das Konzept der »Transzendenz« bedeutet nicht eine Verleugnung des Kolonialismus, vielmehr die Konjunktion des Subjekts und der Realität der Phänomene, die es unmittelbar in seinem Alltag erfährt. Zwar begleitet die Vergangenheit den Menschen in seinem Verhalten, seinem Denken, seinen Gefühlen und seinem Gedächtnis. Jedoch ist er nicht unbedingt durch diese Einflüsse bestimmt. Die Wirklichkeit, die er erlebt, ist der kontinuierliche Ausdruck einer Transzendenz, d.h. einer unmittelbaren Beziehung zum Dasein, und nicht die Reproduktion einer Vergangenheit, die sie absolut determiniert. Im Alltag zeigt sich diese Kraft der Transzendenz in der Betätigung des eigenen Willens, der Wünsche, der Gefühle und der Motivation. Die Kriege der Gegenwart sind deswegen keine Wiederholung der Vergangenheit. Wenn jemand nicht als Mensch respektiert wird, oder wenn seine Rechte auf Meinungsfreiheit, Mobilität, Bildung, Gemeineigentum, usw. verletzt oder vorenthalten werden, dann weiß der Mensch, dass er sich im Krieg befindet. Außerdem ist ihm Frieden unmittelbar im Alltag bekannt. Der Mensch erfährt ihn, wenn er in die Ruhe kommt, im Einklang mit sich selbst und dem Universum ist. Diese Ruhe kommt nur, wenn man sich gegenseitig zuhören kann, wenn man respektiert wird, wenn das Gemeineigentum des Lebens gerecht verteilt wird. Daher lässt sich argumentieren, dass die Transzendenz ein Symbol der Freiheit sowie der Verantwortung des Menschen im Alltag ist.
Außerdem setzt die Idee des »emanzipatorischen Diskurses«, wie ich sie hier verwende, eine unmittelbare Kenntnis der Wirklichkeit im Alltag voraus. Dieser Diskurs ist keine Rede über die Vergangenheit mehr, sondern ein Schweigen. Schweigen heißt in der Gegenwart agieren, sich von der Ignoranz freizumachen, über die Geschichte zu reden, ohne die unmittelbare Realität und die aktuelle Freiheit bzw. Verantwortung des Menschen gegenüber seinem Dasein zu berücksichtigen. Es heißt auch, das alltägliche Leben selbst zu reparieren, Frieden in der aktuellen Wirklichkeit zu schöpfen. Ein Beispiel für diese Art des Denkens ist die ursprüngliche Version des postkolonialen Diskurses. Dies war die Rede Fanons, der sein berühmtes Werk »Schwarze Haut, weiße Masken« mit einer langen Prosa an die Freiheit beendete, in der er schrieb: „Ich erkenne mich als Mensch in einer Welt, in der die Worte sich in Schweigen auflösen; in einer Welt, in der der andere sich endlos verhärtet. Nein, ich habe kein Recht, mich hierhin zu begeben und meinen Hass auf den Weißen herauszuschreien. Ich bin nicht verpflichtet, dem Weißen meine Dankbarkeit zuzuflüstern. Es gibt mein Leben, das im Lasso des Daseins gefangen ist. Es gibt meine Freiheit, die mich auf mich selbst zurückwirft. Nein, ich habe kein Recht, ein Schwarzer zu sein. Ich habe keine Pflicht, dies oder jenes zu sein.“ (Fanon 1952, S. 185)6 Ziel von Fanons Diskurs war, nicht eine bloße Kritik des sogenannten »Westens« zu formulieren, sondern im Alltag ganz konkret das Leben vor der Macht des Todes zu retten. Reden bedeutete zuerst schweigen, danach agieren, die Realität positiv gestalten; Frieden in der Wirklichkeit realisieren. Die Rede begleitet immer das Handeln und zielt darauf ab, über dieses zu reflektieren bzw. zu meditieren.
Mit meinem Postulat der organischen Philosophie möchte ich also diese Rückkehr zum Leben des Subjekts selbst, jenseits des Historizismus, hervorheben. Diese Rückkehr kann zwar mit dem Fanon’schen Konzept der Freiheit verglichen werden, wenn er schreibt: „Ich bin mein eigenes Fundament. Und indem ich die historische, instrumentelle Gegebenheit überwinde, führe ich den Zyklus meiner Freiheit ein“ (Fanon 1952, S. 187). Jenseits der Bestätigung der Freiheit möchte allerdings die Idee der Transzendenz die konkrete, alltägliche und effektive Dimension der Entdeckung des Fundaments hervorheben. Das postkoloniale Subjekt ist nur dann wirklich frei, wenn es das Leben selbst erfährt und seinen Alltag transformiert. Mit dem Begriff der Transzendenz bezeichne ich diese Konjunktion des Subjekts mit dem Leben, die seine Transformation über die bloße Grundsatzerklärung einer Freiheit hinaus bewirkt. Dies scheint mir die grundlegende Voraussetzung dafür zu sein, dass die Freiheit des postkolonialen Subjekts verwirklicht werden kann.
Dieser Diskurs unterscheidet sich grundsätzlich von dem Diskurs, den ich »Historizismus« nenne. Gegenstand von diesem ist nicht Frieden durch Handeln zu schaffen; vielmehr geht es darum, das Bild einer Epoche widerzuspiegeln. Zwar wird über Krieg, Frieden, Leben und Tod geredet. Doch die Rede wird durch den Spiegel einer Epoche reflektiert. Die Protagonist*innen dieser Epoche – »Afrika«, der »Westen«, der »Neger«, der »weiße Kolonialherr« usw. – werden dargestellt, kritisiert, dekonstruiert. Es geht wesentlich um einen Kampf der Repräsentation, bei denen die Szene die Vergangenheit ist und die Protagonist*innen immer wieder dieselben Gesten, Worte, Gedanken und Gefühle mimen. Reden heißt in diesem Fall, eine Szene vorstellen, sie vergleichen, oder gleichsetzen. Handeln wird mit Reden gleichgesetzt. Die historizistische Grundannahme ist, dass der Mensch nicht genug weiß, was Krieg ist, weder jener der Vergangenheit noch jener der Gegenwart. Darüber zu reden, heißt, so lautet die zweite Annahme des Historizismus, eine Reparation zu leisten. Doch die Frage ist, inwiefern dieser Diskurs einen echten Weg zur Wiedergutmachung bzw. zum Frieden in Afrika und in der Welt bildet? Im letzten Teil meiner Argumentation möchte ich erklären, wie das Postulat der organischen Philosophie, wie es zuvor formuliert wurde, der Ausgangspunkt für ein neues Konzept von Frieden und Reparation als Alternative zu der Perspektive des Historizismus in Afrika sein könnte.
Der Afroplanetarismus als Friedensphilosophie
Unter Afroplanetarismus verstehe ich eine neue Art und Weise, Afrika ausgehend von dem Postulat der organischen Philosophie zu denken. Sowohl dieser Kontinent als auch sein Verhältnis zur Erde werden nicht mehr notwendigerweise in Bezug auf die Kolonialgeschichte betrachtet, sondern aus der Transzendenz, durch die die Subjekte ihre Geschichte überwinden. Das postkoloniale Subjekt, das in einer unmittelbaren Alltagsbeziehung zu sich selbst existiert, erfährt so einerseits seine Freiheit und schafft andererseits die Bedingungen für seine positive Selbsttransformation. Statt als Objekt eines Determinismus der Kolonialgeschichte wird somit die Welt des Subjekts zum Horizont einer Freiheit und einer Möglichkeit, die bereits das unmittelbare Leben auf der Erde in sich birgt. Insofern überwindet der Afroplanetarismus das koloniale Konstrukt »Afrika« in einen neuen Weltbezug zur planetarischen bzw. organischen Realität des Lebens. Aus diesem Ansatz der organischen Philosophie möchte ich nun für ein differenziertes Konzept des Friedens und der Reparation in Afrika argumentieren.
Diese Philosophie will die Bedingung eines friedlichen Lebens in Afrika und der Welt schaffen, indem sie den Weg für einen alternativen Diskurs öffnet. Statt über eine wiederkehrende koloniale Vergangenheit zu reden, wird hier die Macht des Schweigens vorgeschlagen. Dabei handelt es sich jedoch nicht um ein resigniertes Schweigen, das die Kolonialvergangenheit vergisst bzw. verdrängt, sondern um die Ruhe der Transzendenz. Das Subjekt erkennt zwar die Verbrechen der Kolonialgeschichte an, kann sich dennoch von ihnen befreien. Durch den täglichen Einsatz seines Intellekts, seines Herzens und seines Willens öffnet das Subjekt sich den aktuellen Lebensumständen, um darin neue Möglichkeiten für ein emanzipatorisches Handeln zu entdecken, das überwindet und nicht erstarrt. Es heißt jeden Tag in der Realität zu landen und sie von innen zu gestalten. Der Frieden wird nur dadurch entstehen, indem das Leben im Alltag empfangen wird. Zwei Aspekte scheinen hier wichtig: Erstens, sich als Dasein wahrzunehmen. Dasein bedeutet konkret, die Grundbedingungen des eigenen Lebens und des Zusammenlebens zu manifestieren: den Körper, den Geist, die Intelligenz, die Lebensressourcen zu gestalten. Es geht darum, die Potentiale des Subjekts zu verwirklichen. Ziel ist die positive Transformation des eigenen Lebens durch ein unmittelbares Wissen über die Wirklichkeit zu ermöglichen.
Insofern bedeutet Afroplanetarismus die Geschichte Afrikas und ihre Fetischobjekte bzw. Bilder zu transzendieren. Es heißt zur Realität des Lebens des postkolonialen Subjekts zurückzukehren, die Möglichkeiten seines eigenen Daseins zu übernehmen und die epistemologischen, politischen, und ethischen Implikationen dieses Wissens für das Zusammenleben auf diesem Kontinent und der Welt zu verstehen. Epistemologisch heißt es, dass kein Bild der Geschichte an sich die absolute Wahrheit darstellt, sondern nur einen Teil davon. Politisch bedeutet es, dass die Bilder der Gesellschaften begrenzt sind. Ethisch heißt es, dass das Handeln des Menschen so mit den Potentialitäten des Lebens in Einklang gebracht werden muss, damit der Mensch sich entfalten kann. Was der Mensch wirklich ist, realisiert er im Alltag. Zwar hat die Geschichte eine große Bedeutung für sein individuelles und kollektives Gedächtnis. Doch jenseits der Bilder aus dem kollektiven Gedächtnis hat jedes Individuum bzw. jede Gesellschaft die Kraft, sich immer wieder neu zu erfinden, um über ihre Grenzen hinauszuwachsen. Diese Fähigkeit, sich selbst zu erfinden, kann nur verwirklicht werden, wenn der Mensch sich von der fetischistischen Bindung an die Objekte seiner Vergangenheit löst und sich dynamisch die Wirklichkeit aneignet, die sich unmittelbar in seiner Gegenwart ergibt.
Diese Idee nun zu einem »Afroplanetarismus als ewiger Frieden« (in Symmetrie zur berühmten Kant’schen Konstruktion) erweitert zu denken bedeutet dann, erstens die Bedingungen für ein gemeinsames Leben im Alltag zu schaffen, zweitens, die partikulären Geschichten und Bilder unserer Gesellschaften zu überwinden, und drittens die Ordnung des Universums ins Leben zu bringen. Diese drei Wahrheiten sind meiner Meinung nach die Grundbedingung des ewigen Friedens.
Fazit
Es ist ein großer Fehler mit Heraklit zu behaupten, dass der „Krieg der Vater aller Dinge“ ist. Durch seine Intelligenz weiß der Mensch, dass hinter dem scheinbaren Krieg im Weltall eine immanente Harmonie liegt. Die Gegensätze bilden eine lebendige Synthese, in der jedes Element seinen Platz hat. Aber diese Harmonie ist dem Menschen nicht gegeben. Er muss sie verwirklichen, indem er seine Intelligenz, sein Herz und seinen Willen im Alltag koordiniert. Dies setzt eine kontinuierliche Transzendenz seiner gewaltvollen Vergangenheit voraus. Zwar wird ihn dies trotzdem begleiten, jedoch kann er sich davon befreien und die Gegenwart erneut anders gestalten. Erst dann wird seine Menschlichkeit jeden Tag offenbar.
Anmerkungen
1) Hier und im Folgenden wird das Wort »Transzendenz« im transitiven Sinne eines »Übersteigens«, »Überwindens« verwendet.
2) Ich bevorzuge den Begriff »Methode« statt »Tradition« oder »Schule«. Denn die organische Philosophie ist keine etablierte Philosophie, sondern ein epistemologischer Ansatz, den ich vorschlage und der sich vom Ansatz des postkolonialen Historizismus unterscheiden soll.
3) Darin grenzt sich dieser Begriff von dem der deutschen Idealisten sowie von strukturalistischen und poststrukturalistischen Theorien ab (vgl. Scholtz 1989).
4) Ich verwende das Wort »Konjunktion« nach der ursprünglichen Bedeutung des lateinischen »conjunctio«, was eben Verbindung, Vereinigung bedeutet.
5) In einem früheren Text erörterte ich im Zusammenhang mit der Debatte um die Rückgabe afrikanischer Kunstobjekte diese Idee des Primats des Lebens über seine kontingenten Äußerungen (vgl. Téwéché 2023, S. 37).
6) Ich folge hier nicht der deutschen Übersetzung von Fanons Buch, um einige Begriffe besser hervorheben zu können.
Literatur
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Téwéché, K. (2023): De-fetishizing restitutions! On the Ethical Stakes of Restitutions Debate. Forum Wissenschaft 2/2023. S. 35-38.
Theombogü (2023): En Afropolitanie. Po&sie 2023/1-2 (183/184), S. 199-206.
Korassi Téwéché interessiert sich u.a. für Philosophie, Kunst – Film, Fotografie – und Geschichte. Sein letzter Artikel »De-fetishizing restitutions! On the Ethical Stakes of Restitutions Debate« erschien in Forum Wissenschaft (2/2023).