Curricula und Didaktik in der Friedens- und Konfliktforschung
Jahrestagung des AK Curriculum der AFK, 10.-12. November 2011, Magdeburg
von Antje Holinski
Stellt die Friedens- und Konfliktforschung (FuK) besondere Anforderungen an die Lehre? Wenn ja, welche didaktischen und methodischen Gütekriterien machen die Spezifik der Friedenslehre aus? Und wie können DozentInnen der FuK ihre Kompetenzen auf dem Gebiet innovativer Lehr- und Lernformen stärken? Diese Fragen standen im Mittelpunkt der letzten Jahrestagung des Arbeitskreises (AK) Curriculum der Arbeitsgemeinschaft für Friedens- und Konfliktforschung (AFK).
Der AK, der den Dialog der friedenswissenschaftlich Lehrenden an deutschsprachigen Universitäten institutionalisiert, widmet sich drei Hauptaufgabenfeldern:
Er ermöglicht den Informationsaustausch zur inhaltlichen Ausrichtung und zur organisatorischen Struktur der verschiedenen Studienangebote in der FuK.
Er unterstützt die Vernetzung der Lehrenden untereinander über Generationen- und Universitätsgrenzen hinweg. Diese Vernetzungsaktivitäten können zu engagierten Projektideen und Kooperationen führen, die der Verbesserung der Lehrqualität im gesamten Fachbereich zugutekommen.
Er ist bestrebt, für die Studierenden ortsübergreifende Bildungsangebote zu schaffen, die von den einzelnen Universitätsstandorten nicht oder nur in einem kleinen Rahmen angeboten werden können.
Vor rund zwei Jahren, im November 2009, erfuhr der AK Curriculum auf seiner mit Mitteln der Deutschen Stiftung Friedensforschung geförderten Jahrestagung in Augsburg eine grundlegende Neuausrichtung. Damit wurde auf den wachsenden Koordinierungsbedarf unter den Lehrenden der FuK infolge des erfolgreichen Aufbaus friedenswissenschaftlicher Studiengänge in den letzten Jahren und das steigende Bedürfnis nach hochschuldidaktischer Qualifizierung reagiert. Im vergangenen Jahr in Leipzig erfolgten dann Konkretisierungen und Konsolidierungen der neuen Initiativen. Die Magdeburger Tagung sollte nun den Fortschritt der neu angestoßenen Projekte bilanzieren und zusätzliche Impulse für bestehende wie neue Projekte liefern.
Die Tagung, auf der vom 10. bis 12. November 25 WissenschaftlerInnen zum Thema »Lehre vernetzen – Curricula und Didaktik in der Friedens- und Konfliktforschung« diskutierten, wurde vom AK Curriculum in Kooperation mit dem politikwissenschaftlichen Institut der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg organisiert und abermals finanziell von der Deutschen Stiftung Friedensforschung gefördert. Hauptschwerpunkte der Arbeit bildeten ein Informationsaustausch über die Entwicklung der FuK-Masterprogramme, eine didaktische Lehreinheit sowie eine Debatte zu spezifischen Anforderungen an die Didaktik in der FuK-Lehre.
Deutsche FuK-Studiengänge
Zu Beginn der Tagung widmeten sich die VertreterInnen der Master-Studienorte (Augsburg, Duisburg, Frankfurt, Hamburg, Magdeburg, Marburg, Tübingen und bald Osnabrück) einer ausführlichen Bestandsaufnahme der Fortschritte im Auf- und Ausbau der deutschen FuK-Studiengänge. Zu den dabei erörterten Themen gehörten insbesondere die Zulassungs-, Studierenden- und AbsolventInnenzahlen an den verschiedenen Standorten und eine Diskussion über unterschiedliche Bewerbungs- und Zulassungsverfahren. Der Vergleich machte deutlich, dass sich die Master-Ausbildung in der FuK bei Bachelor-AbsolventInnen zunehmender Beliebtheit erfreut. Außerdem wurden Fragen des praktischen Studienalltags wie die Anrechnung außeruniversitär erworbener Qualifikationen, Bemühungen um eine internationalere Ausrichtung der Master-Programme, Erfahrungen mit Akkreditierungsabläufen und Fortschritte in der Alumni/ae-Arbeit besprochen. Darüber hinaus wurden verschiedene Kooperationsansätze diskutiert:
Mit dem laufenden Wintersemester 2011/12 bieten die Universitäten Marburg und Kent/GB erstmals den gemeinsamen Doppelmaster »Peace and Conflict Studies« an.
Aus einer engeren Zusammenarbeit mit der in Bonn angesiedelten Akademie für Konflikttransformation im Forum Ziviler Friedensdienst könnten sich positive Effekte im Hinblick auf die Praxiselemente in der FuK ergeben.
Die Einrichtung von Master-Programmen an österreichischen Hochschulen bietet die Möglichkeit, Friedenslehrende im gesamten deutschsprachigen Raum enger zu vernetzen.
Projekte des AK Curriculum
Zum Abschluss des ersten Tages beleuchteten die TeilnehmerInnen der Konferenz die Fortschritte, die im vergangenen Jahr erreicht worden sind. Als eines der deutlichsten Zeichen für die lebendige und effektive Arbeit der AK-Mitglieder kann dabei die Verwirklichung einer interaktiven Lehrendenplattform angesehen werden. Mit diesem webbasierten Angebot steht DozentInnen der FuK ab jetzt eine »Materialbörse« zur Verfügung, die gleichzeitig auch katalysatorische Wirkung auf die weitere Vernetzung der FuK-Lehrenden entfalten dürfte.
Zudem thematisierte der AK das erstmals Mitte 2012 erscheinende neue Publikationsmedium der AFK, die »Zeitschrift für Friedens- und Konfliktforschung«, sowie die Fortschritte, die bei der Einrichtung einer so genannten »Praxis-School« erzielt worden sind. Die ebenfalls von der Deutschen Stiftung Friedensforschung geförderte Initiative soll zur berufspraktischen Orientierung der FuK-StudentInnen aller Master-Standorte beitragen und vereint in dem dreitägigen Workshop im Juni 2012 verschiedene Trainings-, Selbsterfahrungs- und Lernelemente.
Ein viertes laufendes Projekt, das von den TeilnehmerInnen diskutiert wurde, war die Entwicklung eines FuK-Readers, der in Lehrveranstaltungen der Disziplin standortübergreifend zum Einsatz kommen könnte.
Didaktische Fortbildung zur Interkulturalität
Nach der ausführlichen Beschäftigung mit curricularen Aspekten der FuK sowie laufenden und abgeschlossenen Kooperationsprojekten der AK-Mitglieder, bildete eine didaktische Fortbildung einen zweiten großen Abschnitt der Magdeburger Zusammenkunft. Bereits auf der Jahrestagung in Leipzig gab es ein hochschuldidaktisches Angebot, das bei den TeilnehmerInnen auf sehr positive Reaktionen gestoßen war. Der Magdeburger Workshop zum Thema Interkulturalität wurde von Verena Brenner (FEST Heidelberg) und Naida Mehbedbegovic Dreilich (IFSH Hamburg) gemeinsam organisiert und durchgeführt.
Im ersten Teil des Workshops, der als Ganzes unter dem Titel »Lehren in Vielfalt« stand, trugen die Mitglieder des AK erste Gedanken zum Themengebiet »kultursensitive Lehre« zusammen und tauschten sich über persönliche Erfahrungen mit der Betreuung ausländischer Studierender aus. Daraufhin erfolgte eine interaktive Simulation, die den TeilnehmerInnen zur eigenen interkulturellen Sensibilisierung diente. Des Weiteren wurden anhand konkreter Fallbeispiele Herausforderungen, die sich für Lehrende aus kulturellen Differenzen ergeben können, erörtert und der produktive Umgang mit ihnen trainiert. Ein Erlebnisbericht von Miao-Ling Hasenkamp (Universität Magdeburg) zu ihren eigenen Erfahrungen mit Interkulturalität in verschiedenen Etappen ihrer akademischen Tätigkeit bereicherte die vierte Phase des Workshops. Den Abschluss des Trainings bildeten ein Vortrag und eine anschließende Diskussion über verschiedene Dimensionen des Kulturbegriffs und ihre Ausprägungen in Theorie und Praxis. Im Resümee unterstrich der AK einmütig die hohe Bedeutung kultureller Aspekte für die Lehre der FuK angesichts stetig wachsender Internationalisierungsbestrebungen im Hochschulbereich.
Anforderungen an Didaktik in der FuK-Lehre
Im dritten und letzten Abschnitt der Jahrestagung setzten sich die Friedenslehrenden mit der Fragestellung auseinander, ob die Lehre der FuK besondere Anforderungen an die Didaktik stellt, und wenn ja, worin genau diese Besonderheit liegt. Innerhalb der Fachdisziplin existiert ein heterogenes Spektrum an Verständnissen darüber, was Friedensforschung im Detail ausmacht. Bei all dieser Divergenz bekräftigten die TeilnehmerInnen in der Diskussion jedoch einen breiten Konsens in der didaktischen Zielsetzung der FuK: Auch wenn die Perspektive einer vollständigen Überwindung gewaltsamer Konfliktaustragung illusionär erscheinen mag, kann die FuK dem Frieden zumindest eine Verwirklichungschance eröffnen. Sie tut dies insbesondere, indem sie sich durch einen klaren Praxisbezug auszeichnet und die Master-Ausbildung methodisch stets am Ideal eines handlungsfähigen, kritisch-reflektierenden, kreativen und aktiven Individuums orientiert. Somit ähnelt die Lehre der FuK anderen sozialwissenschaftlichen Disziplinen zwar in ihrer normativen und analytischen Ausrichtung, hebt sich aber speziell dadurch ab, dass sie das vielleicht utopischste Ziel von allen verfolgt.
In der anschließenden Arbeitsgruppenphase wurden diese Überlegungen zur Spezifik der FuK-Didaktik von einem Teil der AK-Mitglieder vertieft und Grundlagen für ein neues Projekt entwickelt, das danach fragt, wie Studierende didaktisch dazu befähigt werden können, das Alternative, das Außergewöhnliche, das Andere zu denken und konkrete Utopien zu entwickeln. Eine andere Arbeitsgruppe beschäftigte sich mit dem Thema »Feedback – Lernen im und am Konflikt«. Die Diskussion im Plenum ergab den Wunsch nach eingehenderer Behandlung dieser Problematik. Es wurde daher vereinbart, den didaktischen Workshop der nächsten Jahrestagung dem Thema Feedback zu widmen. Eine dritte Arbeitsgruppe schließlich setzte sich mit der Weiterführung und Umsetzung des Projektes »Praxis School« auseinander.
Tatjana Reiber (Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg) und Thomas Nielebock (Universität Tübingen) wurden als AK-SprecherInnen für weitere zwei Jahre gewählt.
Nähere Informationen bietet die Homepage der AFK: afk-web.de.
Antje Holinski