Der Fall des Geheimen
30. Jahrestagung des FIfF, 7.-8. November 2014, TU Berlin
von Rainer Rehak
Im November 2014 fand an der TU Berlin die 30. Jahrestagung des Forums InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF), »Der Fall des Geheimen – Blick unter den eigenen Teppich«, statt – erstmalig unter dem neuen Namen FIfF-Konferenz. Die Konferenz beschäftigte sich vorwiegend mit der Rolle der deutschen Geheimdienste im globalen Ausspähungsskandal. Ein wesentlicher Grund für diese Schwerpunktsetzung war, dass bei der politischen Verantwortungsfrage nach wie vor mit dem Finger auf andere Länder und deren Dienste gezeigt wird. Der diesbezügliche deutsche Parlamentarische Untersuchungsausschuss wurde demnach fälschlicherweise NSA-Ausschuss genannt, obwohl die Bezeichnung und Ausrichtung BND/Verfassungsschutz-Ausschuss korrekt gewesen wäre.
Um sich diesem vieldimensionalen Thema in angemessener Breite zu nähern, waren Politiker, Hacker, Rechtswissenschaftler, Historiker, Geheimdienstexperten, Datenschützer und Politikwissenschaftler zur Mitwirkung eingeladen. Das FIfF steuerte seine technische Expertise bei. Die Geladenen kamen gern – in einem Falle gerade deshalb, weil die Konferenz die Friedensausrichtung explizit im Namen führte –, und alle trugen ihr Wissen zusammen, so dass interessante Erkenntnisse, lebhafte Diskussionen und neue Sichtweisen entstanden.
Das Fazit der Konferenz war, dass deutsche Geheimdienste historisch konsistent mit einer Kombination aus fragwürdiger politischer Gesinnung, systematischer Unfähigkeit und fortgeschrittener Reformaversion behaftet, jedoch keinesfalls außer Kontrolle geraten sind, sondern sich explizit und regierungsgestützt entlang sportlicher (lies: verfassungswidriger) Interpretationen von im Kern kaputten (G10-) Gesetzen aktiv gegen alle Grundrechtsträger richten – und das alles im Schulterschluss mit superb finanzierten befreundeten Diensten hüben und drüben. Aber auch über tagesaktuelle politische Entwicklungen und Lösungsperspektiven wurde debattiert.
Alle Vorträge wurden live im Internet übertragen und stehen noch zum Download bereit. Daran wirkten mit Ute Bernhardt, Matthias Bäcker, Wolfgang Coy, Hans-Jörg Kreowski, Constanze Kurz, Wolfgang Neškoviæ, Frank Rieger, Anne Roth, Ingo Ruhmann, Peter Schaar, Erich Schmidt-Eenboom, Patrick Sensburg, Hans-Christian Ströbele, Gregor Wiedemann, Andy Müller-Maguhn und schließlich auch das Nö-Theater mit seinem am Abend vorgeführten Stück »V wie Verfassungsschutz«.
Parallel zum Vortragsprogramm gab es zwei interessante und sehr gut besuchte Workshops: Den Kickoff-Workshop zur Kampagne »Cyberpeace« des FIfF leiteten die SprecherInnen der Kampagne Sylvia Johnigk und Stefan Hügel. Die von der Stiftung Bridge geförderte Kampagne setzt sich für ein Verbot militärischer Operationen im digitalen Raum ein. In dem Workshop »Faire Computer« stellte Sebastian Jekutsch die vergangene und aktuelle Arbeit der AG Faire Computer vor und warb für Mitarbeit.
Im Rahmen der Konferenz vergab das FIfF auch in diesem Jahr wieder den FIfF-Studienpreis, der herausragende Abschlussarbeiten im Bereich der kritischen Informatik würdigt. Diesjähriger Preisträger ist Benjamin Kees mit seiner Diplomarbeit »Identifikation gesellschaftlicher Probleme automatisierter Videoüberwachung«, die er im Fachbereich Informatik an der Humboldt-Universität zu Berlin verfasst hatte und selbst vorstellte.
Vor Ort waren etwa 400 TeilnehmerInnen zugegen. Weitere etwa 150 schalteten sich im Internet per Livestream dazu. Wer sich in den Pausen weitläufiger mit der digitalen Welt beschäftigen wollte, konnte auch die Stände der Free Software Foundation Europe, von Tactical Tech, der FIfF-AG Faire Computer und dem Freifunk-Projekt aufsuchen. Letzteres versorgte die Konferenz mit einem freien WLAN.
Hervorzuheben ist die großzügige Unterstützung durch den Chaos Computer Club. Zu den weiteren Unterstützern gehören Netzpolitik.org, die GI-Ethikgruppe, der Lehrstuhl Informatik und Gesellschaft der TU Berlin, der AStA der TU Berlin, Uberspace.de und viele ehrenamtliche HelferInnen.
Weitere Informationen und Videos zur FIfF-Konferenz unter fiffkon.de.
Rainer Rehak