W&F 2012/1

Die neue European Peace University – Privatuniversität

von Gerald Mader

Jede Geschichte hat einen Beginn. Die Geschichte der European Peace University – Privatuniversität in Stadtschlaining/Österreich beginnt am 6. Juli 1982 mit der Gründung des Vereines »Österreichisches Institut für Friedensforschung« durch die damalige Wissenschaftsministerin Dr. Hertha Firnberg und den damaligen burgenländischen Landesrat Dr. Gerald Mader. Die Gründung erfolgte durch Privatpersonen, da die Österreichische Akademie der Wissenschaft wie die Burgenländische Landesregierung die Gründung eines Institutes für Friedensforschung in Stadtschlaining abgelehnt hatten. Utopisches Ziel des Vereins war es, den südburgenländischen Ort Stadtschlaining – unweit der Grenzen von Ungarn und der Tschechoslowakei, also nahe dem »Eisernen Vorhang« – zum Sitz einer Friedensuniversität für Ost- und Westeuropa zu machen. Das Gründungsziel stand im Widerspruch zur internationalen Entwicklung (Höhepunkt des Kalten Krieges). Die Friedensforschung galt damals als die Sprache der Verrückten, die an eine friedliche Lösung des Ost-West-Konfliktes glaubten.

Die Weichen zur Errichtung einer europäischen Friedensuniversität wurden schließlich bei der Generalversammlung der UNESCO am 5. Juli 1987 gestellt, bei welcher dem Antrag der österreichischen UNESCO-Kommission (Präsident Gerald Mader) auf Errichtung einer Friedensuniversität in Stadtschlaining einstimmig stattgegeben wurde. Leitbild dieser Friedensuniversität, an welcher nicht nur geforscht, sondern auch gelehrt werden sollte, war ein Europa, das ohne Feindbilder auskommt, ein Europa der Vielfältigkeit, der verschiedenen Kulturen und Religionen, ein Europa, das sich seiner besonderen Verantwortung für den Weltfrieden bewusst ist.

Am 22. November 1988 gründeten die Vertreter von ca. 40 nichtstaatlichen Organisationen (Universitäten, Friedensforschungsinstitute, nationale UNESCO-Kommissionen) das »European University Center for Peace Studies« (EPU). Die UNESCO räumte dem europäischen Universitätszentrum einen offiziellen Status als NGO ein. Die Gemeinde stellte den erforderlichen Grund für den Bau des Studentenheims zur Verfügung. Das Land Burgenland gewährte für den Bau des Studentenheims einen Wohnbaukredit (10.495.000 Schilling) sowie einen Zuschuss von 2,5 Mio. Schilling. Diese nicht unbeträchtliche Unterstützung durch die Burgenländische Landesregierung hängt damit zusammen, dass diese in ihrer neuen personellen Zusammensetzung (Landeshauptmann Karl Stix und Landeshauptmannstellvertreter Franz Sauerzopf) die Bedeutung der Friedensuniversität für die ganze Region und das Burgenland erkannt hatten.

In Österreich schuf die Novelle des §40(a) des Allgemeinen Hochschul-Studiengesetzes die rechtliche Voraussetzung für die Durchführung der universitären EPU-Lehrgänge. Mit dem Beginn des Pilotsemesters war 1992 aus der Utopie Wirklichkeit geworden. Im Jahre 1995 verlieh die UNESCO der EPU den Friedenspreis für Friedenserziehung. Der Erfolg war aber nur mit Hilfe von engagierten Mitarbeiter/innen, begeisterten Studierenden, selbstlosen Professor/innen und der Unterstützung durch die regionale Bevölkerung möglich.

Schlaining ist heute Sitz zweier Institutionen: des Österreichischen Studienzentrums für Frieden und Konfliktlösung (ÖSFK) und der EPU – Privatuniversität. Der Gesetzgeber hat die rechtliche Trennung der beiden Einheiten veranlasst, die Kooperation aber setzen wir fort. Wir haben eine gemeinsame Erfolgsgeschichte (20 Jahre EPU), eine gemeinsame Infrastruktur und eine gemeinsame Zielsetzung: beizutragen zu Frieden, Entwicklung und Gerechtigkeit sowie zu den Menschenrechten, wie sie die UNO-Generalversammlung im Jahre 1948 deklariert hat.

Der lange Weg zur EPU – Privatuniversität

Seit 1992 führte die EPU den universitären Lehrgang »Peace and Conflict Studies« durch. Da die bestehenden universitären Lehrgänge ab 2009 nicht mehr zugelassen waren, beschloss der EPU-Trägerverein, sich um die Akkreditierung als Privatuniversität zu bewerben. Es war ein langes Verfahren, eine schwere Geburt, am Ende aber stand der positive Bescheid des Österreichischen Akkreditierungsrates vom 3. März 2010 für die European Peace University – Privatuniversität. In diesem Fall war es der burgenländische Finanzlandesrat Helmut Bieler, welcher für die Existenz der Friedensuniversität Verständnis zeigte. Die Burgenländische Landesregierung gewährte einen Jahreszuschuss von 100.000 Euro und eine Landeshaftung, die Burgenländische Elektrizitätswirtschafts-Aktiengesellschaft (BEWAG) einen Zuschuss von 35.000 Euro jährlich. Die EPU – Privatuniversität ist jetzt berechtigt, zwei Masterstudien (Peace and Conflict Studies und European Peace and Security Studies) und einen universitären Lehrgang (Peacebuilding) anzubieten. Inzwischen konnten wissenschaftlich anerkannte Lehrgangsleiter/innen gewonnen werden.

Der Vorteil der EPU-Lehrgänge liegt unter anderem in der kleinen Zahl der Studierenden, welche eine intensive Betreuung durch die Professor/innen ermöglicht. Lehre und Forschung, Theorie und Praxis sind interdisziplinär verbunden. Friedensforschung ist keine Spezialdisziplin, sondern geht von einem weiten, umfassenden Wissenschaftsbegriff aus. Mehr als 1.000 Studierende haben den Lehrgang »Peace and Conflict Studies« bereits erfolgreich mit einem Masterdiplom abgeschlossen.

Aufgrund der Akkreditierung ist die EPU – Privatuniversität Teil des europäischen Hochschulraumes und des Bologna-Prozesses; damit sind strukturelle und finanzielle Probleme verbunden, aber auch die Chance eines neuen Aufbruchs, den wir mit neuen Professor/innen und einer neuen Werbestrategie unter dem Motto „Studieren für eine bessere Welt“ wahrnehmen wollen.

Perspektiven für die Zukunft

Der österreichische Bundesgesetzgeber stellt mit seinem Qualitätssicherungsgesetz vom 6. Juli 2011 die EPU – Privatuniversität vor die Wahl, nach Ablauf der Akkreditierungszeit entweder den Lehrbetrieb einzustellen oder diesen um zwei Grundstudien (Bachelor) zu erweitern und ein Masterstudium anzubieten, an welchen auch Berufstätige teilnehmen können (Fernstudium). Diese Erweiterung ist die gesetzliche Bedingung für eine künftige Akkreditierung als Privatuniversität.

Die zeitgerechte Umsetzung dieser Bedingung ist eine große wissenschaftliche und ökonomische Herausforderung für die EPU – Privatuniversität. Wissenschaftlich deshalb, weil die Ausarbeitung solcher Konzepte und Lehrpläne der Mitwirkung eines kompetenten wissenschaftlichen Teams für einen längeren Zeitraum bedarf, wie die Erfahrungen der Schlaininger Akkreditierung, aber auch die fehlgeschlagenen Akkreditierungsversuche Anderer zeigen. Eine ökonomisch/finanzielle Herausforderung ist es deshalb, weil das beste wissenschaftliche Konzept nichts nützt, wenn das Geld und die notwendige Infrastruktur fehlen. Leider kann die Privatuniversität nicht auf Reserven zurückgreifen, über welche die Donau-Universität (Bund und Land Niederösterreich) und die Burgenländischen Fachhochschulen verfügen.

Aufgabe der EPU – Privatuniversität wird es daher sein, bereits im Jahre 2012 eine erste Grundkonzeption zu erstellen, die als Entscheidungsgrundlage für öffentliche Stellen (Gemeinde, Land, Bund, EU), aber auch für die Öffentlichkeit und die Zivilgesellschaft (private Förderer) gedacht ist. Die entscheidende Frage ist: Soll die Privatuniversität eingestellt oder mit zwei Bachelor-Studiengängen ausgeweitet werden?

Die große Chance, die mit einem solchen Projekt für das Burgenland verbunden ist, soll nicht unerwähnt bleiben. Österreich und das Burgenland erhalten mit der Erweiterung eine in Europa einzigartige Privatuniversität, die sich auf eine umfassende Friedensforschung konzentriert und die sich interdisziplinär mit Kriegs- und Friedensursachen, aber auch mit der Lösung aktueller Friedensprobleme auseinandersetzt. Es wäre eine Universität, welche der Tradition und dem Geist von Schlaining gerecht wird. Die Privatuniversität würde nicht nur dem Ansehen des Burgenlands dienen, sondern zu einem Wirtschafts- und Beschäftigungsfaktor werden.

Mit Hilfe einer neuen Werbestrategie wollen wir die burgenländische Bevölkerung über den neuen Aufbruch und über die unterschiedlichen Perspektiven der Zukunft informieren. Wir sind davon überzeugt, dass es viele Politiker im Land, im Bund und in der Europäischen Union gibt, die den Aufbau eines solchen Projektes unterstützen wollen. Der Friede ist eine Aufgabe, die uns alle angeht. Er fällt nicht vom Himmel, sondern muß erarbeitet werden.

Gerald Mader

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2012/1 Schafft Recht Frieden?, Seite 42–43