Energie und Entwicklung
von Noara Kebir
Wachsender Energiebedarf einer Nation wird in herkömmlichen volkswirtschaftlichen Betrachtungen gerne mit einer positiv konotierten volkswirtschaftlichen Entwicklung in Verbindung gebracht. So wird der Energiehunger aufstrebender »Tigernationen« wie Indien, China und Thailand zwar in Hinsicht auf verknappende globale Ressourcen mit Verunsicherung, bis hin zu kriegerisch militärischen Vorsorgemaßnahmen, begleitet, doch das dem zugrunde liegende Wirtschaftssystem und die damit einhergehende monopolistische, auf verknappende Ressourcen basierende Energiepolitik bleibt unangetastet: Auch wenn die USA im Irak die eigenen Öl-Interessen sichern möchten, ändert das nichts daran, dass das amerikanische Idealbild eines irakischen Marktes eine 24-Stunden leuchtende, 4x4-Ranger-fahrende Nation ist. Dieses Szenario basiert ganz wesentlich auf der Verknappung von Ressourcen und einem fruchtbaren Wettbewerb um diese, setzt aber gleichzeitig eine Riege von Verlierern voraus. Was passiert aber, wenn die »Verlierer« sich entscheiden, auf ein anderes Prinzip zu setzen?
Die Situation der ärmeren Entwicklungsländer spiegelt die Folgen der Ölpreissteigerungen sehr deutlich: So entsprach die Höhe der weltweiten Mittel für Entwicklungshilfe schon im Jahr 2003 (ca. 54 Mrd US$ ) relativ genau den Mehrausgaben der Entwicklungsländer für den gestiegenen Ölpreis (ca. 60 Mrd. US$). Dieser wird bekanntlich seither noch um einige Dollars mehr pro Barrel gehandelt. Die Konsequenzen sind besonders für Menschen in strukturschwachen Regionen sehr deutlich spürbar. So ist der Preis für Diesel in den abgelegenen Regionen Tanzanias im letzten Jahr von 0,4 Euro auf 0,8 Euro pro Liter gestiegen. Vor dem Hintergrund einer Bevölkerungsmehrheit, die mit weniger als 1 Euro pro Tag auskommen muss, bedeuten solche Preissteigerungen eine elementare Energiekrise.Die Preisexplosion versperrt für Viele den Zugang zur täglich notwendigen Energie, vom Transport bis hin zur Nahrungsmittelzubereitung und Beleuchtung.
An diesem Beispiel wird die besondere Bedeutung von Erneuerbaren Energien für die Entwicklungsländer deutlich: Sie können dezentral eingesetzt werden und basieren auf lokalen Ressourcen. Sie bieten den Menschen die Möglichkeit einer Entwicklung unabhängig von globalen Märkten und monopolistischem Machtgezerre.
Eines der zentralen Probleme besteht jedoch darin, dass diese Technologien zum jetzigen Zeitpunkt durch ihren hohen Innovationsgehalt merklich höhere Investitionskosten verursachen als die konventionellen Technologien. Das führt dazu, dass Erneuerbare Energien gerade von Menschen in Entwicklungsländern, die in der Regel einen schlechten bis gar keinen Zugang zu Finanzinstitutionen haben, äußerst schwer einzusetzen sind; es sei denn, man greift auf bestimmte System-immanente Mechanismen zurück. Genau das tut Grameen Shakti in Bangladesh und ist damit einer der erfolgreichsten Vertreiber von Solar-Home-Systemen weltweit. Das Unternehmen verkauft Photovoltaik, eines der teuersten Energiesysteme, an Haushalte im ländlichen Bangladesh, einer der ärmsten Regionen der Welt.
Der Mikroenergiesektor
Zum besseren Verständnis der Erfolge von Grameen Shakti und anderer ähnlich operierender Unternehmen, lohnt sich ein genauerer Blick auf den so genannten Mikroenergiesektor; ein Sektor, der für viele Entwicklungsländer typisch ist und eine hervorragende Grundlage für die Verbreitung erneuerbarer Energien liefert:
Der Mikroenergie-Sektor fängt dort an, wo das elektrische Netz – und damit der klassische Energiesektor – aufhört. In Bangladesh leben über 70 Prozent der Menschen in diesem Sektor, dass heißt: Ohne Zugang zu moderner Elektrizitätsversorgung. Weltweit betrifft das etwa zwei Milliarden Menschen.
Auch wenn diese Orte netzfern sind, stellt sich immer wieder heraus, dass im Mikroenergie-Sektor ein bedeutender Handel mit Energie stattfindet, die Haushalte zunehmende Energiekosten haben und auch bestimmte Energietechnologien an Bedeutung gewinnen.
Der zunehmende Handel mit Energie in den ländlichen Regionen hängt zum einen damit zusammen, dass die traditionell eingesetzte Biomasse mittlerweile so knapp geworden ist, dass die Allgemeinheit nur noch in wenigen Regionen einen freien Zugang zu den Biomasseressourcen, insbesondere Holz, hat. Die meisten Menschen müssen ihre Biomasse käuflich erwerben. Weiterhin haben Energieträger aus dem »kommerziellen« klassischen Energiesektor auch in diesen Regionen an Bedeutung gewonnen: Mit Kerosin oder Petroleum werden unzählige Lampen betrieben und mit Dieselgeneratoren kleine Inselnetze mit Elektrizität versorgt. Mit Hilfe von Autobatterien und ähnlichen Akkumulatoren wird die Elektrizität gespeichert und zu Orten transportiert, die oft Tagesreisen entfernt liegen.
Mit Kerosin werden in den ländlichen Regionen Bangladeshs sowie vieler anderer Entwicklungsländer vorwiegend Lampen betrieben. Die Lampen dienen nicht nur der Beleuchtung der inneren Räume im Haus. Zahlreiche Händler nutzen diese Lampen, um nach Sonnenuntergang ihr Geschäft zu beleuchten. Kerosin bekommt aber auch in den Regionen, in denen es gar kein Holz mehr gibt, eine zunehmende Bedeutung als Brennstoff zum Kochen.
Da es außerhalb der Hauptachsen in den großen Städten keine Straßenbeleuchtung gibt, nutzen die Rikschafahrer ebenfalls Kerosinlampen, um überhaupt gesehen zu werden.
Kerosin ist aber ein problematischer Energieträger in den strukturschwachen Regionen. Die Verbrennung in den Lampen ist gesundheitsschädlich und verschmutzt die unmittelbare Umgebung. Das Licht ist außerdem mit etwa 20 bis 40 Lumen sehr schwach. Zum Vergleich: eine herkömmliche 60-Watt-Glühbirne hat eine Leuchtkraft von 600 Lumen.
Der Preis wiederum ist nicht nur abhängig von der Qualität des Kraftstoffes, es spielen auch andere Faktoren eine Rolle, so zum Beispiel die Lage einer Region. Handelt es sich um ein Dorf, das in der Nähe großer Verkehrswege liegt oder um eine Ansiedlung auf einer der zahlreichen Inseln im Golf von Bengalen: Längere Transportwege führen zu höheren Kerosinpreisen. Da die Preise in Bangladesch in der Regel Verhandelungssache sind, kommt es auch darauf an, wie gut die Beziehungen zum Händler sind.
Elektrizität findet auch in den Regionen Anwendung, die nicht an das Netz angeschlossen sind. Elektrisches Licht hat wegen seiner Emissionsfreiheit eine wesentlich größere Beliebtheit als Kerosin- und Petroleumlampen. Darüber hinaus haben Radio und Fernsehen sowie andere elektrische Anwendungen in diesen Regionen schon längst Einzug genommen. Die Hauptquelle für Elektrizität sind Dieselgeneratoren und Akkus.
Weil Diesel und Kerosin flüssige Energieträger sind, eignen sie sich sehr gut für den Transport und sind in allen Regionen mit mangelhafter Infrastruktur beliebte Kraftstoffe. Mit Diesel werden zahlreiche Generatoren betrieben, welche wiederum kleine Inselnetze mit Strom versorgen. Diese Generatoren haben den Vorteil, dass sie in der Anschaffung preiswert sind und die Technologie einfach zu beherrschen ist. Sie sind jedoch auch sehr störanfällig und unzuverlässig.
In den Autobatterien und den Akkumulatoren wird Energie chemisch gespeichert. Die Menge, die sich speichern lässt, ist vergleichsweise gering. Die Akkus werden in so genannten Battery-Shops aufgeladen. Diese Läden befinden sich entweder in Dörfern, die an das elektrische Netz angeschlossen sind oder die über ein leistungsstarkes Inselnetz mit einem Dieselgenerator verfügen. Das Laden der Akkumulatoren kann mehrere Tage dauern.
Aufgrund des enthaltenen Bleis wiegen die Akkumulatoren zwischen 25 und 50 kg und sind entsprechend schwer zu transportieren. Je nach Entfernung vom Netz steigen die Transportkosten erheblich. Darüber hinaus muss wegen der zahlreichen Flüsse, die das Land durchziehen, häufig das Transportmittel gewechselt werden.
Mit den Akkus werden hauptsächlich Schwarzweiß-Fernseher betrieben. Wohlhabende Familien haben einen eigenen Fernseher. Üblicher ist jedoch, dass das Gerät von einem Restaurant oder Teeshop betrieben wird. Die Akkus werden auch zum Betrieb von Radios, Ventilatoren und Leuchtstoffröhren eingesetzt.
Betrachtet man den Teil der Bevölkerung von Bangladesh, der nicht an das öffentliche Netz angeschlossen ist, so ist festzustellen, dass die Menschen in diesen strukturschwachen Regionen Energie einsetzen und dieser Einsatz, insbesondere durch die Verknappung der Ressourcen, einen zunehmend höheren monetären Wert bekommt. Die Verteuerung der Ressourcen durch die Preissteigerungen auf dem Weltmarkt tut ihr übriges.
Kerosinlampen, Dieselgeneratoren und aufladbare Akkumulatoren sind Energiesysteme, die sich zwar für den dezentralen Einsatz eignen, jedoch bei weitem nicht an die Umstände und Bedürfnisse der Menschen angepasst sind. Besonders Dieselgeneratoren und aufladbare Akkumulatoren sind ursprünglich für andere Zwecke konzipiert worden und können in diesen Regionen als improvisierte Lösungen angesehen werden. Trotzdem haben diese Technologien über die Möglichkeit ihres dezentralen Einsatzes hinaus noch andere Gemeinsamkeiten: Sie sind relativ klein, sie lassen sich gut transportieren, und sie sind bezahlbar für die Menschen, die sie nutzen.
Der dezentrale Einsatz und die Mobilität sind aber auch Eigenschaften, die von modernen Energietechnologien, wie Photovoltaik- oder kleinen Windkraftanlagen, erfüllt werden. Dass bei diesen Technologien keine fossilen Energieträger mehr benötigt werden, macht sie für den Einsatz in diesen Regionen wesentlich geeigneter. Zwei Aspekte machen die Einführung dieser Technologien in strukturschwachen Regionen jedoch schwierig: Zum einen der relativ hohe Preis und zum anderen das fehlende Know-how.
Um so spannender ist es zu sehen, wie das Unternehmen Grameen Shakti sich mit Energiesystemen auf der Basis von Photovoltaik auf diesen Markt behauptet und damit exemplarisch vorführt, welche Chancen auf Erneuerbare Energien basierende Technologien im Mikroenergie-Sektor haben.
Das Unternehmen Grameen Shakti
Das Unternehmen Grameen Shakti ist 1996 als Tochterunternehmen aus der international bekannten Grameen Bank hervorgegangen, die in Bangladesh seit den siebziger Jahren über ein breites Netzwerk an Filialen Kleinstkredite an arme Bevölkerungsteile, insbesondere Frauen, vergibt. Grameen Shakti ist daraus als Idee einer ländlichen Elektrifizierung auf Basis Erneuerbarer Energien entstanden.
Heutzutage vertreibt Grameen Shakti unabhängig von der Grameen Bank über ein Netz von weit mehr als 100 eigenen Filialen Solar-Home-Systems, solarzellenbasierte Systeme zur häuslichen Energieversorgung. Das System ist dem Bedarf an dezentrale Energieversorgung und an Ressourcenunabhängigkeit durch die Nutzung von Solarzellen angepasst. Es wird als Energiequelle vornehmlich im häuslichen Bereich für Licht und die Nutzung von Fernseher oder Radio eingesetzt. Darüber hinaus gibt es Anwendungen im Bereich der Mobiltelefone oder anderer Kleingeräte.
Das Produkt Solar-Home-System besteht zum Einen aus dem technischen System und zum Anderen aus einem außerordentlichen Servicepaket zur Finanzierung, Installation vor Ort, Schulung und einer Servicegarantie vor Ort von drei Jahren. Das ist für die Regionen, in denen das Unternehmen operiert, einmalig. Für die Kunden, die sonst als »Arme« höchstens karitative Zuwendungen kennen, ist es ein Novum auf diese Art und Weise ernst genommen zu werden. Das Standardsystem hat eine Leistung von 50 Watt und einen marktüblichen Preis von ungefähr 400 Euro. Bei einer Laufzeit von zwei bis drei Jahren liegt die monatliche Finanzierungsrate bei etwa zehn Euro und die Anzahlung zwischen 60 und 100 Euro. Aufgrund der kleinen Beträge spricht man von Mikrofinanzierung.
Die Abzahlung der Raten stellt für den Großteil der Kunden kein Problem dar, da sie ab sofort die Brennstoffkosten sowie die Ausgaben für Batterieaufladen und Batterietransport sparen. Die Finanzinstrumente von Grameen Shakti sind sehr genau an die bereits vorhandenen Energieausgaben ihrer Kunden angepasst und ermöglichen ihnen somit einen weichen Technologieübergang.
Bis Heute sind über 50.000 Systeme verkauft worden. Grameen Shakti finanziert sich als Non-Profit-Unternehmen über die eigenen Einnahmen im operativen Geschäft und ist nicht auf dauerhafte Subventionen angewiesen. Dadurch ist es Grameen Shakti möglich, weitestgehend unabhängig unternehmerisch tätig zu sein.
Der Erfolg des Grameen-Shakti-Modells basiert auf dem hohen Bedarf an Elektrifizierung in ländlichen Regionen, der Mikrofinanzierung und dem umfassenden Service, der den richtigen Einsatz und damit den dauerhaften Nutzen für den Kunden garantiert.
Durch die Tätigkeit von Grameen Shakti ist es den Kunden möglich, sich von zentralen und damit staatlichen Lösungen der Energieversorgung unabhängig zu machen und sich dadurch auch aus einer Wartehaltung gegenüber dem Staat zu emanzipieren. Die Unabhängigkeit von knapper werdenden Ressourcen, wie Öl, verhilft ihnen – gerade vor dem Hintergrund der einleitend in diesem Artikel beschriebenen globalen Zusammenhänge – zu eigenständiger Entwicklung auf der Basis sicherer und stabiler Energiekosten.
MicroEnergy International
Im Jahr 2002 wurde im Rahmen einer Kooperation zwischen Grameen Shakti, der Nichtregierungsorganisation Results Germany und dem Institut für Energietechnik an der Technischen Universität Berlin eine Replikationsstrategie entwickelt. Daraus ist das Unternehmen MicroEnergy International hervorgegangen, das zum einen das Kompetenznetzwerk Energie & Entwicklung an der TU-Berlin koordiniert und zum anderen das Modell und die Erfahrung von Grameen Shakti über Bangladesh hinaus verbreitet. Im Mittelpunkt steht dabei die Qualifizierung und Finanzierung von Unternehmern in Entwicklungsländern, die sich den Herausforderung einer Mikro-Energie-Wende stellen möchten.
Literatur
Daniel Philipp, Noara Kebir: Ländliche Elektrifizierung auf der Basis von erneuerbaren Energien in Kombination mit Mikrofinanzierung, Verlag: Peoples Globalization Edition, ISBN: 3-00-014751-9
Mohammed Yunus: Grameen Bank, Eine Bank für die Armen der Welt, Gustav Lübbe Verlag, 1997.
www.gshakti.org Kontakt: MicroEnergy International, kontakt@microenergy-international.com
Zentraleinrichtung Kooperation, Franklinstr. 28/29, D-10587 Berlin, Germany http://www.Microenergy-International.com
Noara Kebir ist Geschäftsführerin der NaturwissenschaftlerInnen Initiative für Frieden und Zukunftsfähigkeit und Leiterin des Afrika-Ressorts von MicroEnergy International.