FifFKon16 – in.visible systems
Jahrestagung des FifF, 25.-27. November 2016, Berlin
von Stefan Hügel
In einer digitalisierten Gesellschaft untergraben unsichtbare Systeme die individuelle Selbst- und die demokratische Mitbestimmung. Doch nicht nur das: Die Manipulation von Denken und Handeln ist zur treibenden Kraft der IT-Entwicklung geworden. Dies wurde in Berlin auf der Jahreskonferenz 2016 des Forums InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF) deutlich.
Unsere digitale Umwelt ist frei von Öl, Staub und Müll. Wir erfahren und erleben sie durch glänzende Oberflächen, flüssige Animationen und ästhetische Bilderwelten. Wir werden mit sozialen Räumen und (freiem) Internet versorgt, unsere E-Mail-Boxen und Kalender werden für uns betrieben, unsere Daten bequem verwahrt, das Internet durchsuchbar gehalten, der Verkehr optimiert und unser Zahlungsverkehr abgewickelt. Nun bleiben wir fit, können schneller Taxis finden und Zimmer vermieten. Gesundheitssysteme, der ÖPNV und andere staatliche Aufgaben werden digitalisiert. All dies geschieht mit Hilfe größtenteils unsichtbarer Systeme.
Zweck von Informationstechnik ist immer auch Komplexitätsreduktion und -verschleierung. Die Zusammenhänge bleiben nicht nur unsichtbar, sondern sie werden ganz gezielt versteckt. Dies geschieht einerseits zur sinnvollen Komplexitätsreduktion, andererseits auch, um verdeckte Zwecke zu verfolgen. Die Möglichkeit, ein inzwischen durchdigitalisiertes Leben und die genutzte Infrastruktur mündig zu beurteilen oder gar zu gestalten, wird so zunehmend unmöglich gemacht.
Auf der Konferenz wurden unsichtbare Systeme in Beiträgen und Workshops behandelt und diskutiert. Eingeleitet wurde sie durch eine historische und philosophische Einführung in verborgene Technik.
Kriegführung im Cyberspace steht im Widerspruch zur IT-Sicherheit und macht sich doch deren Methoden zunutze. Um den Cyberkrieg führen zu können, werden Schwachstellen in IT-Systemen geheim gehalten oder im Verborgenen erzeugt. Autonome Waffen werden im Geheimen entwickelt, und ihre Algorithmen und Verfahren entscheiden eigenständig und unsichtbar für den Menschen über Leben und Tod.
Die Überwachung der Menschen durch Geheimdienste, Sicherheitsbehörden und private Akteure schreitet fort: Durch weltweite Kommunikationsüberwachung, durch Videoüberwachung des öffentlichen und privaten Raums und durch biometrische Verfahren zur weiteren Automatisierung und Erkennung. Technologien wie »Big Data« erweitern das Instrumentarium der Überwachung – auch hier sind die automatisierten Entscheidungen und Ergebnisse für die Nutzer*innen oft nicht mehr nachvollziehbar. Effektiver Datenschutz muss juristisch und technisch durchgesetzt und sichergestellt werden.
Weitere Themen der Konferenz waren Geheimdienste und die Defizite ihrer (parlamentarischen) Kontrolle; Informationsfreiheit, ihre Verhinderung durch Amtsträger*innen und der Versuch, sie wieder durchzusetzen; Techniknutzung und Algorithmen in sozialen Kontexten; und Ethik in Informatik und Wissenschaft. Mehrere Workshops ergänzten das Programm mit Themen wie Malware, globale Friedensinitiativen, Menschenrechte, politische Informatik und nachhaltige Mobilität.
Die Antwort des FIfF auf die zunehmende Bedrohung durch Cyberwarfare ist »Cyberpeace«. Dazu haben wir auf zwei Jahre Cyberpeace-Kampagne und ihre Forderungen zurückgeblickt.
Kooperationspartner des FIfF bei der Tagung waren das Zentrum für Technik und Gesellschaft (ZTG) der TU Berlin, die Fachgruppe Informatik und Ethik der Gesellschaft für Informatik (GI) und der Chaos Computer Club (CCC). Die Web-Seite mit weiteren Informationen ist unter 2016.fiffkon.de zu finden. Von dort sind auch die Aufzeichnungen der Vorträge verlinkt, die unter media.ccc.de/c/fiffkon16 abgerufen werden können. Das Konferenzthema wird auch Schwerpunkt in der FIfF-Kommunikation 1/2017 sein, die Ende März erscheint.
Die FIfF-Konferenz 2017 wird am 20.-22. Oktober 2017 in Jena stattfinden.
Stefan Hügel