W&F 2019/1

Kultur(en) des Friedens

Tagung des AK Friedenspädagogik der AFK, 15.-17. Oktober 2018, Salzburg

von AFK

Über 150 Personen fanden sich im Oktober 2018 im Bildungszentrum St. Virgil ein, um die Vielfalt der Friedensarbeit kennenzulernen und Impulse für ihre beruflichen und privaten Wirkungsfelder zu erhalten. In der gemeinsam vom Friedensbüro Salzburg, St. Virgil Salzburg, dem Arbeitskreis Friedenspädagogik in der Arbeitsgemeinschaft für Friedens- und Konfliktforschung e.V. und der Stille Nacht 2018 GmbH veranstalteten Tagung »Kulturen des Friedens – Harmonie. Spannung. Widerstand« wurden Zugänge und Initiativen aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen sichtbar gemacht und Möglichkeiten der ganzheitlichen Verschränkung und Vernetzung aufgezeigt. Dabei zeigte sich, dass die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Zugängen nicht reibungsfrei verläuft, sondern Dilemmata und Spannungsfelder entstehen lässt. Diese wurden in den Vorträgen, Diskurs­panels und vorgestellten Praxisbeispielen aufgegriffen und konstruktiv thematisiert.

Nach der offiziellen Eröffnung der Tagung durch Martina Berthold und Landeshauptmann Wilfried Haslauer ging Isolde Charim in ihrem Eröffnungsvortrag »Der andere Name des Friedens« der Frage nach, was Frieden im politischen Sinn bedeutet. Frieden, so betonte sie, ist mehr als ein bloßer Zustand des Nicht-Krieges: Frieden ist die Hegung von Konflikten. Diese gehegten Konflikte muss eine Demokratie nicht nur aushalten und in eine politische Form übersetzen können; vielmehr lebt sie von ihnen. In Demokratien, so Isolde Charim weiter, ist Konflikt daher nicht »das Andere« des Friedens, sondern vielmehr dessen Bedingung. Konstruktiver Dissens – und nicht soziale Harmonie – ist ihr Kitt.

Am zweiten Tag umriss die Friedens- und Konfliktforscherin Hanne-Margret Birckenbach die Grundlagen einer friedenslogischen (Europa-) Politik. Wie kann es gelingen, dem Leitbild des Friedens zu folgen, ohne legitime Interessen, wie die eigenen Sicherheit und das eigene Wohlergehen, zu gefährden? Die Antworten darin sieht sie vor allem im gewaltfreien, konstruktiven und dialogischen Umgang mit Problemen. Im Anschluss skizzierte der Friedenspädagoge Werner Wintersteiner den Zusammenhang zwischen Bildung und den gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen, in die sie eingebettet ist. Er sieht in einer »Kultur des Friedens« die Möglichkeit, diese Zusammenhänge und Wechselwirkungen klarer herauszuarbeiten. Der dritte Vortrag des Tages wurde von Ingo Bieringer gehalten. Er näherte sich der Frage, wie man mit Ambivalenzen und Spannungen umgehen kann, aus systemischer Sicht.

Anliegen der Tagung war es, verschiedene Standpunkte zum Thema aufzugreifen und in einem Dialog zu vergleichen und zusammenzuführen. Dementsprechend war die Tagung diskursorientiert angelegt: Jeweils drei hochkarätige Referent*innen führten kontroverse, aber konstruktive Diskussionen zu Grundfragen der politischen Bildung, Arbeitspolitik, Medien, Populismus, dem Spannungsfeld zwischen Frieden, Freiheit und Sicherheit und zur Globalen Agenda 2030. Dabei wurde deutlich, dass Frieden kein Nischenthema einer überholten Bewegung ist. Moderne Friedensarbeit muss vielmehr neue Formen der Artikulation und des Aktionismus finden und breit gefächerte Initiativen in ganz unterschiedlichen Bereichen setzen. In den anschließenden praxisorientierten Workshops bot sich für die Teilnehmenden die Möglichkeit, Handwerkzeug für solch eine Friedensarbeit kennenzulernen und bestimmte Themen zu vertiefen.

Der dritte und letzte Tag der Veranstaltung stand ganz im Zeichen der Praxis: Im Rahmen von Good-Practice-Panels wurden jeweils drei Projekte zu einem bestimmten Thema vorgestellt, diskutiert und kritisch verglichen. Im Kern stand die Frage, in welchen Spannungsfeldern sich die Projektverantwortlichen bewegen und wie sie mit diesen konstruktiv umgehen.

Den Abschluss der Tagung bildete eine Podiumsdiskussion mit dem Karikaturisten Gerhard Haderer, der Volkskundlerin Elsbeth Wallnöfer und dem Präsidenten der Stille Nacht Gesellschaft, Michael Neureiter. Alle drei sprachen sich für mehr Mut in der Friedensarbeit aus. „Schärft eure Sprache, traut euch mit eurer Arbeit nach außen“, so Wallnöfer. Michael Neureiter fügte hinzu: „Vielleicht finden sich heute andere Wege als die Demonstrationen in den 1980ern“.

In diesem Sinne lieferte die Tagung zahlreiche Impulse und Aktionsformen für ganz unterschiedliche gesellschaftliche und politische Bereiche, die eines eint: der unermüdliche Einsatz für den Frieden.

Im Rahmen der Tagung fand auch ein Theoriearbeitskreis des Arbeitskreises Friedenspädagogik der AFK statt, der bereits ein Jahr läuft. Dort wurden folgende Fragen gestellt:

  • Was verstehen wir heute unter Frieden (vertiefende Auseinandersetzung, die in Salzburg begann)?
  • Vertiefung der interdisziplinären Ausein­andersetzung im Kontext der Friedensbildung mit Texten aus der Friedenspädagogik und verwandten Feldern, Friedensforschung, Gewaltforschung, Psychologie, Soziologie, Kriminologie, Globales Lernen, Bildung für nachhaltige Entwicklung …
  • Was brauchen die Praktiker*innen an Theorie für ihre konkrete Arbeit, was wäre ihnen hilfreich seitens der Wissenschaft?

Die nächste Jahrestagung findet von 11. bis 13. November 2019 in Hamburg im Institut für konstruktive Konfliktaustragung und Mediation e.V. (IKM) statt. Thema: »Lernen in der globalisierten Welt – Herausforderungen für die Friedenspädagogik«.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2019/1 70 Jahre NATO, Seite 54–55