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W&F 1997/1

Nachhaltige Nutzung intellektueller Ressourcen – Projekt an der Uni Dortmund

von Jörn Birkmann

Nachhaltige Entwicklung! Der heute tausendfach vervielfachte und in allen erdenklichen Zusammenhängen verwendete und mißbrauchte Begriff ist abgedroschen wie kaum ein anderer. Und doch lohnt es sich, diesen Begriff zu konkretisieren und auf den eigenen Lebensraum anzuwenden, meinen die rund 30 Studierenden und 15 WissenschaftlerInnen, die das Projekt »Nachhaltige Uni DO« gestartet haben. Ein interdisziplinäres Projekt mit dem Ziel, nicht nur über das heare Anliegen zu reden, sondern mit konkreten Fakten, Zahlen und ersten Schritten aufzuzeigen, was »Nachhaltigkeit« für die Uni Dortmund bedeuten könnte.

Mit der Agenda 21, einem Beschlußdokument der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung vom Juni 1992 in Rio de Janeiro, werden die Unterzeichnerstaaten, und insbesondere die Städte und Gemeinden, aufgefordert, ihren Beitrag zur Entwicklung einer zukunftsverträglichen Wirtschafts- und Lebensweise zu leisten. Der Koordinationskreis »Nachhaltige Uni DO« geht davon aus, daß damit auch die Hochschulen aufgerufen sind, an diesem Prozeß gestaltend mitzuwirken. Gestärkt wurde der Koordinationskreis in dieser Ansicht durch einen ähnlichen Modellversuch an der ETH Zürich, der wichtige Hinweise für die Initiierung und Durchführung des Projektes gab, sowie durch die Tatsache, daß die Universität Dortmund mit 200 anderen europäischen Hochschulen die »University Charta for Sustainable Development« der europäischen Hochschulrektorenkonferenz unterschrieben hat.

Nach Ansicht der InitiatorInnen kamen aus den Hochschulen in den letzten Jahren wenig Impulse zur Lösung globaler Umweltprobleme. Die kontinuierliche Technikgläubigkeit und das Beharren in Einzeldisziplinen haben daran einen nicht unwesentlichen Anteil (vgl. Becker Wehling; 1993). Eine Kursänderung in Richtung einer nachhaltigeren Entwicklung verlangt auch ein neues Rollenverständnis der Wissenschaftler und ihrer Institutionen. Es reicht nicht, zukünftige InformatikerInnnen nur auf Bits und Bytes und angehende BWLerInnen nur auf Dax und Dollar zu trimmen. Die Komplexität der globalen Umweltkrise macht interdisziplinäre Lösungsansätze unumgänglich. Studierende wie auch WissenschaftlerInnen müssen dazu ihre disziplinären Methoden und Denkweisen mit anderen Disziplinen zusammen bringen und ihren unterschiedlichen Zugriff auf die Wirklichkeit zur Diskussion stellen (vgl. Huber, 1994).

Zum Projekt selbst

Ende des Sommersemesters luden Studierende (AStA) mit Unterstützung des Instituts für Umweltforschung (INFU) der Universität Dortmund interessierte Studierende und WissenschaftlerInnen zu einem Workshop ein. Ziel war es, konkrete Vorschläge für Studienarbeiten zum Thema nachhaltige Entwicklung zu entwickeln, die interdisziplinär betreut und bearbeitbar waren. Mitte Oktober konnten die interdisziplinären Fragestellungen zum Thema »Nachhaltige Uni DO« den Studierenden öffentlich vorgestellt werden. Leider war die Zusammensetzung der InteressentInnen nicht so heterogen, wie gewünscht. Das liegt zu einem wesentlichen Teil daran, das nur einige Fakultäten die Mitarbeit in diesem interdisziplinären Projekt als ordentliche Studienleistung anerkennen. Trotz der Forderung nach mehr Interdisziplinarität verlangen die meisten Fakultäten, für die Anerkennung interdisziplinärer Studienleistungen als ordentliche Studienfacharbeit eine tiefgreifende einzelwissenschaftliche Leistung im Sinne ihrer Disziplin.

Das erste interdisziplinäre Team analysiert die Wohnstandorte der Studierenden und untersucht daraus resultierende Mobilitätszwänge und Umweltfolgen. Dabei wird auch eine Fragebogenaktion unter Studierenden vorbereitet, um genauere Angaben zum Mobilitätsverhalten zu bekommen. Das zweite Projekt befaßt sich mit Energieeinsparpotentialen eines Uni Gebäudes. „Das Projekt lebt von der gemeinsamen Betrachtung technischer und verhaltensorientierter Aspekte des Energieverbrauchs“, heißt es in der Kurzbeschreibung. Mit dem Thema Energie befaßt sich auch das dritte Projekt, daß das neue BHKW der Uni Dortmund auf seine ökologischen und ökonomischen Vor- und Nachteile hin untersucht. Das vierte Projekt hat sich zur Aufgabe gesetzt, Indikatoren zur Beurteilung der Nachhaltigkeit für den Organismus Universität Dortmund zu entwickeln. Die Hochschule wird dabei als ein Organismus, der in vielen lebendigen Wechselbeziehungen steht, betrachtet. Der Syndromansatz des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung »Globale Umweltveränderungen« (WGBU) spielt in diesem Projekt eine wesentliche Rolle.

Als Ergänzung zur theoretischen Beschäftigung mit dem Thema nachhaltige Entwicklung werden Exkursionen und Vorträge angeboten. Beispielsweise hat in diesem Semester das Kolloquium des Instituts für Umweltforschung das Thema »Nachhaltige, umweltgerechte Entwicklung«.

Desweiteren bietet das Hochschuldidaktische Zentrum (HDZ) eine Schreibwerkstatt an, die bei der interdisziplinären Zusammenarbeit eine wichtige Hilfestellung leistet.

Leitung des Projektes

Auf Vorschlag der studentischen Initiatoren wird das Projekt von einem Koordinationskreis geleitet, in dem Studierende, WissenschaftlerInnen und die beiden Institute, das INFU und das HDZ, gleichermaßen vertreten sind. Diese Strukturen des Koordinationskreises, in denen Studierende, wissenschaftliche MitarbeiterInnen und ProfessorInnen gleichberechtigt und hierarchiefrei zusammenarbeiten, ermöglichen die Entfaltung des kreativen Potentials partizipatorischer Prozesse.

Resümee

Trotz erheblicher Probleme bei der Initiierung und Anerkennung (als Studienleistung) des interdisziplinären Projektes »Nachhaltige Uni DO«, kann ich als Mitinitiator und Teilnehmer nur dazu motivieren, an anderen Stellen ähnliche Projekte ins Leben zu rufen.

Schon heute stellt die interdisziplinäre Teamarbeit mit hochmotivierten Studierenden und WissenschaftlerInnen aus meiner Sicht eine wertvolle Horizonterweiterung dar. Anfang April werden die Konzepte und Arbeiten, die die 30 StudentInnen mit ihren BetreuerInnen interdisziplinär entwickeln, öffentlich vorgestellt. Der Koordinationskreis hat beantragt, daß das Projekt »Nachhaltige Uni DO« als Leuchturmprojekt im Rahmen des Programms »Qualität der Lehre« vom Land NRW gefördert wird.

Literatur

Becker, E., Wehling, P. (1993): Risiko Wissenschaft, Frankfurt a. M. / New York

Huber, L. et al. (Hrsg) (1994): Über das Fachstudium hinaus, Weinheim

United Nation Commission on Environment and Development, (1987): Our common future, Oxford University Press

Jörn Birkmann studiert Raumplanung an der Universität Dortmund. Er ist Mitinitator des Projektes »Nachhaltige Uni DO« und gehört dem Koordinationskreis an.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 1997/1 Neben-einander – Gegen-einander – Mit-einander, Seite