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W&F 1996/4

Nebenfach-Studiengang an der Universität Marburg: Friedens- und Konfliktforschung

von Peter Imbusch

An der Universität Marburg ist erstmals in Deutschland zum WS 96/97 ein Nebenfach-Studiengang »Friedens- und Konfliktforschung« etabliert worden. Ein solcher Studiengang wurde seit langem von Friedens- und Konfliktforschern angemahnt.

Ausgangspunkt des etablierten Studiengangs ist die curriculare Überlegung, daß sich FuK wieder stärker auf die Konflikthaftigkeit der sozialen Welt zurückzubesinnen habe und entsprechend soziale Konflikte (auf nationaler wie auf internationaler Ebene) in den Mittelpunkt der Analyse gerückt werden müssen. Konflikte werden dabei als gesellschaftliche Tatbestände gefaßt, die auf Unterschieden in der sozialen Lage und/oder Unterschieden in der Interessenkonstellation der Konfliktparteien beruhen. Jeglichem Konflikt wohnt ein Gewaltaspekt inne, der sich in verschiedenen Reproduktionsbereichen einer Gesellschaft und auf unterschiedlichen Ebenen wiederfinden läßt. Die hohe Zahl und v.a. die Diversität von Konflikten führen zu unterschiedlichen Konfliktbearbeitungen und speziellen Austragungsformen, so daß Konflikte gelöst, geregelt oder verschoben werden können.

Durch die fachübergreifende Anlage des Studiengangs wird nicht nur ein interdisziplinärer Zugang zur Konfliktanalyse eröffnet, sondern gleichsam der Tatsache Rechnung getragen, daß am Ende des 20. Jhs nur durch die Bündelung intellektueller Kapazitäten verschiedener Fachgebiete eine angemessene Herangehensweise an die Vielzahl neuartiger Konflikte möglich wird.

Das Ausbildungsziel besteht in der Vermittlung von Fähigkeiten zur Analyse der Entstehung und Entwicklung von Konflikten und bezieht darüber hinaus auch verschiedene Konfliktregelungsformen mit ein. Der Studiengang will zur sozialen und friedenspolitischen Sensibilität und Handlungsbereitschaft der Studierenden beitragen, und damit einerseits die Ursachen von Kriegen und Bürgerkriegen und anderen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen in den Blick nehmen, um gewaltfreie bzw. -arme Modalitäten der Konfliktbearbeitung zu ermöglichen, andererseits die vielfältigen Interdependenzen von nationalen und internationalen Konflikten aufzeigen, so daß in der Veränderung von Herrschafts- und Gesellschaftsstrukturen die wichtigsten Friedensursachen erkannt werden.

Dies soll mit einem Lehrangebot im Umfang der typischen Nebenfachanforderungen an der Philipps-Universität sichergestellt werden. Das grundlegende Angebot beinhaltet systematische Einführungen in das Fach FuK, in die Konflikttheorien und in mögliche Formen der Konfliktregelung. Das vertiefende Angebot unterteilt sich einerseits in Konfliktanalysen zu den Bereichen der politischen, ökonomischen und kulturellen Reproduktion und zu den Konfliktebenen Natur, Gesellschaft, Staat und internationales System sowie weiteren Veranstaltungen andererseits. Hier werden spezielle Aspekte der FuK vertieft und z.B. auch die Friedensethik und die Friedenserziehung behandelt.

Zum grundlegenden Angebot liegen drei Einführungsbände mit Text- und Readerteilen (erschienen beim Verlag Leske u. Budrich) sowie eine umfangreiche Bibliographie vor. Über den Nebenfach-Studiengang selbst informiert eine Broschüre 'Friedens- und Konfliktforschung in Marburg', die u.a. am Institut für Soziologie der Uni Marburg, Am Grün 1, 35032 Marburg kostenlos erhältlich ist.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 1996/4 Weltweit im Kommen: Die neue Bundeswehr, Seite