Ökologie & Frieden in krisenträchtigen Regionen
Der Beitrag der Wirtschaft
von Paul Schäfer
Unter diesem Titel hat die Evangelische Akademie Loccum sich erstmals mit der Rolle der Wirtschaft bei der Entstehung, der Eskalation, aber auch der Regulierung bzw. Vorbeugung von gewaltförmigen Konflikten beschäftigt. Damit hat die Akademie die positive Tradition fortgesetzt, neue Themen aufzugreifen und Richtungen der öffentlichen Debatte mitzuprägen. Eine weitere Stärke der Akademie: Bei der Bearbeitung der neuen Fragen Kontrahenten unterschiedlicher gesellschaftspolitischer Positionen zusammen zu bringen. Gerade in den Bereichen Frieden, Sicherheit, Umwelt, Entwicklung hat Loccum in der Vergangenheit spannende Debatten organisiert (Ost – West, Friedensbewegung – Bundeswehr etc.). Diese Konferenz hat Vertreter aus multinationalen Unternehmen, Ministerien, internationaler Einrichtungen und Engagierte aus der Umwelt- , Entwicklungs- und Friedenspolitik zusammengeführt.
Erstmalig vorgestellt wurden zwei Studien: Die eine befasst sich mit dem Zusammenhang der (illegalen) Ausplünderung des Tropenwaldes mit dem gewaltförmigen Austrag von Konflikten – am Beispiel Indonesiens. Durchgeführt wurde sie vom Adelphi Research Institut in Berlin, gefördert durch InWent, eine verhältnismäßig neue, dem BMZ eng verbundene Einrichtung, die u.a. die frühere Carl-Duisberg-Gesellschaft ablöste und die sich als bildungs- bzw. ausbildungspolitische Säule der Entwicklungspolitik versteht. Studie: Etwa ein Viertel der bewaffneten Konflikte heutzutage steht nach Einschätzung des Adelphi-Forschers Dr. Carius mit dem Kampf um die Ressource Holz/Wald in einem ursächlichen Zusammenhang. Daher erscheint es überfällig, sich näher mit diesem Thema zu beschäftigen. Zündstoff bekam die Tagung an dieser Stelle auch dadurch, dass sich eine Reihe von NGO- und Wissenschaftsvertretern aus betroffenen Regionen (Indonesien, Philippinen, aber auch Vietnam) beteiligte und in Verbindung mit weiteren »Repräsentanten des Südens« aus Afrika und Lateinamerika andere Perspektiven auf die Problemlagen eröffneten. Während der »Norden« dazu neigt, sich mehr auf die lokalen und regionalen Akteure zu beziehen, die durch Korruption und Gewalt ihre Anteile an der Ausplünderung der Natur usurpieren, richtete »der Süden« den Fokus eher auf die Nachfrager nach solchen Gütern, wie Tropenholz, auf die in den industriellen Zentren involvierten Unternehmen, auf Schuldenkrise und unzureichende Entwicklungshilfe. Es ist zu hoffen, dass sich daraus ein fortgesetzter Dialog entwickelt, denn weder einseitige Schuldzuweisungen noch paternalistisch anmutende Vorschläge über »good governance« in den Entwicklungsländern (so wichtig Regelungen gegen Korruption und über gute Regierungsführung sind) werden weiterhelfen.
In der zweiten Studie, unter dem Titel »In Stabilität investieren«, wurde in grundsätzlicher Weise der Frage nachgegangen, wie die Finanzwelt (Versicherungen, Banken, Investmentfonds) zur Befriedung und nachhaltigen Entwicklung in gefährdeten Regionen beitragen kann. Diese Forschungsarbeit entstand im Rahmen der »Finance Initiative« des UN-Entwicklungsprogramms (UNEP, Genf). Mareijke Hussels (UNEP FI) stellte die Eingangsfrage: Wann tritt Gewalt auf? Ihre Antwort: In Zeiten raschen Wandels, der mit verschärftem Wettbewerb um Ressourcen, Identitäten, Ideologie und Macht einhergeht. Die Studie der UNEP macht klar, wie wichtig »Conflict Analysis, Risk assessment und -management« gerade für die international agierende Geschäftswelt ist. Sie versucht zugleich die Vorteile herauszuarbeiten, die es für den Finanzsektor hat, wenn er sich in Verbindung mit der Staatenwelt und der Zivilgesellschaft um Konfliktprävention, um Standards des angemessenen Verhaltens in Konfliktfällen und um »investment in post-conflict-builduing« bemüht. Vertreter der Finanzwirtschaft merkten in der Debatte an, dass noch deutlicher zwischen verschiedenen Konflikttypen und Akteuren unterschieden werden müsse und die Rolle solcher Finanzinstitutionen wie »ranking-agencies« in die Untersuchung einbezogen werden müsse. Außerdem sollten die Realitäten »on the ground« mehr Beachtung finden. Warum bspw. sollte sich die Wirtschaft in Afghanistan eingedenk der schwierigen Lage engagieren? Schließlich: Der Finanzsektor könne Kriege zwar nicht verhindern, aber in einigen Fällen durch Information und die Herstellung von Transparenz die Staatengemeinschaft zum frühzeitigen Eingreifen in Krisenfällen bringen. Denn diese Einrichtungen verfügten oft über mehr Kenntnisse über Krisenregionen als die Geheimdienste oder die diplomatischen Vertretungen der verschiedenen Länder.
Am Beginn der Tagung hatte Dr. Armbruster vom BuMin für Entwicklungszusammenarbeit bereits einen weiten Bogen über die heutige Problemlage gespannt, für einen erweiterten Sicherheitsbegriff plädiert und ausgeführt, dass Frieden und strukturelle Stabilität im Interesse der Wirtschaft läge. Er ließ allerdings auch keinen Zweifel daran, dass es auch Geschäftemacherei gäbe, die sich über soziale Folgen hinwegsetze und sogar zur Verschärfung von Konflikten beitragen könne. Namentlich erwähnte er Waffenlieferungen, die Firmen, die an der Rohstoffausbeutung im Kongo verdienen wollten und Ölkonzerne, die auf den Bau der Baku-Ceyhan-Pipeline (Aserbeidshan, Georgien, Türkei/Kurdistan) gedrängt hätten.
Es ist evident, dass die Frage der Ökonomie durch die Globalisierungsprozesse neue Brisanz erlangt hat. AutorInnen sprechen von der Privatisierung der Weltpolitik. Der Begriff hat verschiedene Facetten. Er zielt auf die Machtverschiebungen zwischen transnationalen Konzernen und den Einzelstaaten – zu Gunsten Ersterer – ab, hat aber auch auf die galoppierende Erosion staatlicher Strukturen in den besonders konfliktträchtigen Regionen, in denen private Akteure (etwa Warlords) eine prominente Rolle spielen, im Visier. Dass Geschäftsbelange von Privatunternehmen und gewaltförmige Konflikte etwas miteinander zu tun haben könnten, wurde in Loccum intensiver am Beispiel der Ausplünderung wertvoller Rohstoffvorkommen in der Demokratischen Republik Kongo thematisiert. In Studien der Vereinten Nationen wurden Ross und Reiter genannt. Auch Untersuchungen der Weltbank haben sich dieses Themas angenommen und Kritisches zutage gefördert. Doch bleibt die Frage, ob es hier lediglich um »Schwarze Schafe« geht oder ob sich Skrupellosigkeit und Gewinnsucht nicht strukturbedingt verbinden. Und es bleibt die Frage, ob die vom Chefankläger des ISGH angestrebte Strafverfolgung der beteiligten Unternehmen auf Basis der bestehenden Rechtslage überhaupt Aussicht auf Erfolg hat.
Dass Privatunternehmen im Zuge der Globalisierung eine immer wichtigere Rolle spielen, ist also unverkennbar. Es bleiben dennoch viele Fragen offen:
- Inwieweit sind die Vertreter der »global players« in ihren unternehmerischen Planungen und Strategien von Destabilisierungsprozessen in den Ländern betroffen und wenn ja, wie reagieren sie darauf?
- Welche Relevanz haben die inzwischen weit verbreiteten »Standards for Sustainability«, denen sich die Unternehmen verpflichtet fühlen, wenn sich Widersprüche aus kurzfristigem wirtschaftlichem Nutzen und ökologischen/sozialen/politischen Folgen ergeben?
- Verstehen sich die Wirtschaftseliten als auch politische Akteure oder als reine Geschäftsleute? Welche Bewusstseins- und Einstellungsveränderungen ergeben sich aus den gegenwärtigen Globalisierungsprozessen?
- Von welchen Vorstellungen der internationalen und regionalen Konfliktregulierung lassen sie sich dabei leiten?
Noch scheint nicht ausgemacht, in welche Richtung sich die Dinge entwickeln. Schlagzeilen macht regelmäßig das Weltwirtschaftsforum in Davos, das nach eigenem Anspruch die global engagierten Unternehmensvertreter mit Entscheidungsträgern der Politik zusammenführen und zukunftsfähige Konzepte für nachhaltige globale Entwicklung erarbeiten will. Offenkundig wird hier der Anspruch formuliert, global mitgestaltend wirken zu wollen. Andererseits wurden gerade bei der Loccumer Tagung die Vertreter der Geschäftswelt nicht müde zu betonen, dass Privatunternehmen weder über die Instrumente noch über die Legitimation verfügten, um die heutigen Probleme des globalen Überlebens zu lösen. Eine andere Frage, die im Raum steht, lautet: Geht es bei solchen Veranstaltungen wie dem Weltwirtschaftsforum, aber auch Symposien und Broschüren der einzelnen Firmen über Nachhaltigkeit und Konfliktbearbeitung, um mehr als PR-Kampagnen der in die Kritik geratenen »Geschäftswelt«? Oder hat in diesen Kreisen ein Umdenkungsprozess eingesetzt, weil die Problemlage das verlangt? Kann man davon ausgehen, dass, wie es im Konzept des »Global Compact« des VN-Generalsekretärs Kofi Annan angestrebt wird, die Unternehmen bereits wichtige Partner im Rahmen globaler Krisenbewältigungsstrategien sind, oder dass sie dafür noch gewonnen werden müssen?
Die Debatten in Loccum jedenfalls haben die Ambivalenzen und Widersprüche der heutigen Entwicklung offengelegt. Die Vertreter der Energiewirtschaft konnten einigermaßen plausibel zeigen, dass ihre Investitionen langfristiger Natur sind und sie daher ein hohes Interesse an Frieden und Stabilität haben müssen. Den kritischen Nachfragen nach ihrer Rolle in solchen Konfliktregionen wie Kolumbien, Nigeria oder Indonesien wichen sie eher aus und verwiesen auf ihre Investitionen in soziale Projekte vor Ort. Die Frage, ob es für Privatfirmen ggf. auch »No Go Areas« geben könnte, weil ein bestimmtes Geschäft umweltunverträglich und konfliktfördernd sein könnte, stellt sich auf den Chefetagen dieser Unternehmen derzeit nicht. Hier ist noch viel Diskussionsbedarf.
Das gilt auch für die Erarbeitung umfassender und zugleich möglichst konkreter Konzepte, die allen Beteiligten »Win-Win-Optionen« eröffnen können. In diesem Rahmen wären auch die spezifischen Beiträge der verschiedenen Akteure – Staat, Wirtschaft, Zivilgesellschaft – noch genauer herauszuarbeiten. In dieser Hinsicht wurde in Loccum ein Anfang gemacht, der eine Fortsetzung verlangt.
Wo war die Friedenscommunity?
Interessant ist der Blick in die TeilnehmerInnen-Liste der Loccumer Tagung: Der Diskussion stellten sich Vertreter der großen Erdölkonzerne (BP und SHELL), der Versicherungsbranche (Gerling), der Chemie-Unternehmen (BASF). Könnte es sein, dass v.a. die Branchen reagieren müssen, die im besonderen Maße im Rampenlicht öffentlicher Kritik stehen oder die am direktesten von den Chaotisierungsprozessen in den Entwicklungsregionen betroffen sind? Ansonsten blieb die Resonanz in der Wirtschaft eher spärlich.
Vertreten waren Repräsentanten des UN-Entwicklungsprogramms (UNEP), des UN-Instituts für Abrüstungsforschung, des »World Business Council for Sustainable Development«, des BMZ und des Umweltministeriums, InWent, schließlich eine größere Anzahl von Menschen aus der NGO-Szene , ob aus dem internationalen Bereich wie »International Alert« oder »Transparency International«, oder aus nationalen Zusammenhängen wie »Germanwatch«, »Robin Wood« etc. Es fällt auf, dass in hohem Maße Repräsentanten der Entwicklungs- und Umweltpolitik vertreten waren, aus der Friedenspolitik im engeren Sinne bis auf drei Ausnahmen niemand. Offenkundig ist der Anfang der neunziger Jahre formulierte Anspruch, dass man Entwicklungs-, Regional- und Friedensforschung stärker zusammen bringen müsse, noch uneingelöst. Das gilt auch für die bewegungsorientierten Gruppen der EZ einerseits, der Friedensbewegung andererseits. Dass Friedens- und Entwicklungspolitik und Globalisierungskritik zusammen gehören, ist bislang eher programmatischer Vorsatz. Die Realisierung steht noch aus.
Paul Schäfer ist W&F- Redakteur