W&F 2018/2

Relationales Verhältnis und doppelte Qualifizierung

Tagung des AK Curriculum, 23.11.-25.11.2017, Augsburg

von Robin Jeremy Tapkan

Große Erwartungen wurden zu Beginn der diesjährigen Tagung des Arbeitskreises Curriculum und Didaktik der Arbeitsgemeinschaft für Friedens- und Konfliktforschung (AFK) formuliert. Erwartungen, die mit dem Austragungsort Augsburg verbunden werden, denn bereits 2009 fand eine Tagung des AK Curriculum und Didaktik in Augsburg statt, die, wie auf der AFK-Homepage nachzulesen ist, „mit ihrer Programmgestaltung in vielerlei Richtung für einen erfreulichen Innovationsschub“ sorgte. Diesen hohen Erwartungen begegneten Rebecca Gulowski und Nora Schröder vom Augsburger Lehrstuhl für Politikwissenschaft, Friedens- und Konfliktforschung mit einem vielfältigen Programm: Für eine sowohl inhaltlich wie didaktisch intensive Arbeit wurden die Teilnehmenden von einer experimentellen Theaterkombo gefordert und mit kreativen Spielen und beschleunigten Methoden mit sich selbst und dem Thema der Tagung konfrontiert: »Die Bedeutung der Masterstudiengänge der Friedens- und Konfliktforschung und ihrer Profilbildung für die Nachwuchsförderung in diesem Forschungsfeld«.

Die knapp 20 Teilnehmenden der Tagung starteten ohne lange Vorreden direkt in eine Diskussion über die Schwerpunkte und Gemeinsamkeiten der Lehrangebote der Friedens- und Konfliktforschung im deutschsprachigen Raum. Es waren Vertreterinnen und Vertreter beinahe aller Standorte angereist. Als Grundlage dieser ersten Diskussion dienten die Ergebnisse eigens angefertigter Erhebungen über die Wahrnehmung der Studienstandorte der Friedens- und Konfliktforschung durch die Studierenden im ersten Semester einerseits sowie die Perspektiven von Absolventinnen und Absolventen der diversen Masterstudiengänge der Friedens- und Konfliktforschung andererseits. Intensiv diskutierten die Teilnehmenden, etwa über den Aspekt, dass die Lehre in der Friedens- und Konfliktforschung sich aufgrund des relationalen Verhältnisses der Lehrenden wie Lernenden zu den Gegenständen der Forschung auszeichnet. Das, was gelehrt und behandelt wird, ist bereits in der jeweiligen Lehrsituation erlebbar. Die Studierenden und Lehrenden tragen den Gegenstand – Frieden, Konflikt und Gewalt – mit hinein in die Lehre und müssen diesen nicht erst künstlich erschaffen. Hinsichtlich der Nachwuchsförderung wurde außerdem festgestellt, dass eine doppelte Qualifizierung erfolgt: Der wissenschaftliche Nachwuchs leistet den größten Teil der Lehre in den Studiengängen der Friedens- und Konfliktforschung und vermittelt dabei nicht nur die entsprechend erarbeiteten Inhalte, sondern qualifiziert sich auch didaktisch in der Vermittlung der hierin besonders anspruchsvollen Inhalte, wie Konflikt, Gewalt und Frieden.

Sogar das gemeinsame Abendessen wurde als Arbeitsformat genutzt, indem die Teilnehmenden Präsentationen über die standortübergreifenden Veranstaltungen des zurückliegenden Semesters, wie etwa die Peace Summer School1 in Augsburg oder das standortübergreifende Ringseminar,2 geboten bekamen. Die Peace Summer School brachte Interessierte an der Friedens- und Konfliktforschung aus ganz Deutschland zusammen. Über sechs Tage hinweg wurde in insgesamt vier Workshops Wissen über Frieden, Gewalt und Konflikte vermittelt, angeeignet und angewandt, was sich als äußerst geeignetes und attraktives Format erwies. Auch das standortübergreifende Ringseminar ermöglichte eine intensive Vernetzung unter den Studierenden verschiedener Studiengangs-Standorte und wird 2018 erneut angeboten. Schwierigkeiten mit der technischen Umsetzung und der Anrechnung der Leistungen werden behoben. Um über diese und weitere Veranstaltungen rund um den AK Curriculum und Didaktik informieren zu können und informiert zu bleiben, bietet sich neben der Homepage (afk-web.de) vor allem der Facebook-Auftritt des AKs an, den Rebecca Gulowski als Letztes an diesem Abend den Teilnehmenden näherbrachte.

Der gesamte nächste Tag wurde moderiert von zwei Mitgliedern der Bluespots Productions (bluespotsproductions.de), die mit vielen kreativen Methoden zunächst die Teilnehmenden für sich vereinnahmten, um dann die Diskussion des Vortags tiefergehend fortzusetzen und in verschiedene Texte und Darstellungen fließen zu lassen. Spielerisch wurden die Teilnehmenden herangeführt an wichtige Eigenschaften für Lehrende. Vier Teams wurden gebildet, die über den Tag hinweg ihre zugeteilten Aufgaben wahrnahmen. Dabei ging es um gendergerechte Sprache, Konfliktkompetenzen und angemessenes Feedback in Lehrsituationen sowie Wege und Möglichkeiten, mit Hilfe der digitalen Medien eigene Botschaften publik zu machen. Beispielsweise sorgte das »Team Empower Rangers« über den Tag hinweg für Resonanz und Anerkennung, indem die Mitglieder den anderen Teilnehmenden gezielt immer wieder Lob und positive Kritik aussprachen. Ganz genau achteten die Mitglieder des »Teams Gender Justice League« auf diskriminierende Körpersprache, gender-neutrale Sprache und ausgewogene Redeanteile zwischen Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Auf diese Weise erlebten die Teilnehmenden während ihrer inhaltlichen Arbeit beispielhaft, wie sich lernbehindernde Strukturen mit einfachen Mitteln aus dem Weg räumen lassen.

Deutlich wurde, dass eine sensible, Heterogenität einbindende statt exkludierende Sprache die Potentiale der einzelnen Studierenden und Lernenden weckt und fördert und auf diese Weise die Spielräume und möglichen Erkenntnisse im Seminar für alle Anwesenden erweitert. Spontanes Feedback, Feedback zur langfristigen Entwicklung oder zu abgeschlossenen Arbeiten motiviert und treibt die aktuelle wie zukünftige Arbeit an, sollte jedoch stets an begründbare Situationen gekoppelt bleiben.

Zugleich gelang es den beiden Moderatorinnen, die Teilnehmenden über konkrete Fragestellungen und eine Methode des schnellen, intuitiven Schreibens zu den individuellen und tieferliegenden Antrieben und Kompetenzen für die eigene Arbeit zu leiten. So entstanden am Vormittag schon verschiedene Bausteine für einen gemeinsamen Text zu den Profilen der Studiengänge der Friedens- und Konfliktforschung. In der Mittagspause erhielten die Teilnehmenden eine koloniale Stadtführung durch Augsburg und arbeiteten anschließend intensiv an den gemeinsamen Texten weiter.

Zu Ende ging der ereignisreiche Freitag mit einer selbstorganisierten Konferenz, einer so genannten unKonferenz (oder BarCamp), die sehr fokussiertes, paralleles Arbeiten zu verschiedenen Themen ermöglichte: Vertieft wurde in der unKonferenz, wie angemessenes Feedback die Akzeptanz von Noten steigert oder die Heterogenität der Studierenden die Unterrichtssituation bereichert. Eine erfolgreiche Nachwuchsförderung ist bedingt durch die Möglichkeit zur Identifikation der Lernenden mit ihrer Umgebung. Die Lehrpersonen, welche sich oft als Dompteure oder Dompteusen missverstanden sehen, machen viel eher Lernbegleitung, welche die individuellen Potentiale des Nachwuchses situationsgerecht fördert.

Der Einsatz von Kreativ-Techniken in den Lehrsituationen ist eine zu wenig beachtete Variante, um die Potentiale der Studierenden zu wecken und den Anwesenden einen gesicherten und vertrauten Raum für konzentriertes Lernen und Lehren zu öffnen. Dabei muss zugleich reflektiert werden, welche gesellschaftspolitische Rolle die Lehre der Friedens- und Konfliktforschung einnimmt, wenn Absolventinnen und Absolventen zunehmend international und in öffentlichen Einrichtungen tätig werden und dort ihre Kompetenzen gefragt sind.

Den letzten Tag nutzten die Teilnehmenden, um in Kleingruppen die Fortsetzung der tags zuvor begonnen Arbeit näher auszuformulieren und Verabredungen zur Weiterarbeit über die Tagung hinaus zu treffen. Alle Ergebnisse, welche aktuell ausformuliert werden, werden dann auf der Homepage der AFK einsehbar sein. Eines dieser Ergebnisse, die »Augsburger Erklärung«, ist in dieser W&F-Ausgabe abgedruckt (siehe S. 59).

Den Teilnehmenden gelang es dank der ausgezeichneten Organisation und Moderation, die wenigen gemeinsamen Stunden zu nutzen, um viele weitere gemeinsame Aktionen vorzubereiten. Zum Beispiel machte sich eine Arbeitsgruppe Gedanken über eine neue, den verschiedenen Formaten der Studienprogramme (Vertiefungsmodul, ganzer Studiengang, Weiterbildungsmöglichkeit, Zertifikatskurs) angemessenere Außendarstellung der Studienmöglichkeiten von Friedens- und Konfliktforschung, die die derzeitige tabellarische Übersicht der Masterstudiengänge in der Friedens- und Konfliktforschung ersetzen soll. Mit Blick auf die durchweg positive Evaluation der Tagung durch die Teilnehmenden und auf die gewonnenen Einsichten und nun geplante Weiterentwicklung des Arbeitskreises Curriculum und Didaktik konnte die Tagung Anschluss finden an die Erfolge vergangener Tagungen und, das wird sich zeigen, viele wichtige Neuerungen innerhalb der AFK und des AK anstoßen.

Die nächste Tagung des AK Curriculum und Didaktik wurde ebenfalls bereits besprochen und wird im November 2018 zum ersten Mal in Innsbruck stattfinden. Das Thema wird lauten: Involviert-Sein!

Anmerkungen

1) Siehe dazu Burst, S.; Werner, T. Schröder, N.: Frieden verstehen – Konflikte gestalten. Peace Summer School, 31. Juli-5. August 2017, Augsburg. W&F 4-2017, S. 49-50.

2) Siehe portal.uni-freiburg.de/politik/professuren/governance/lehrveranstaltungen/Frieden_Europa.

Robin Jeremy Tapkan

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2018/2 Wissenschaft im Dienste des Militärs?, Seite 60–61