W&F 2005/3

Whistleblowing – Verantwortung übernehmen!

Der Fall des MIT-Professors Theodore A. Postol

von Annegret Falter und Götz Neuneck

Mitte der achtziger Jahre informierte Mordechai Vanunu die internationale Öffentlichkeit über den Umfang des israelischen Atomwaffenprogramms. Achtzehn Jahre verbrachte er dafür in israelischen Gefängnissen. Anfang der 1970er Jahre machte Daniel Ellsberg die sogenannten Pentagon-Papers zur jahrzehntelangen Verstrickung der US-Regierung in den Vietnam-Krieg der Öffentlichkeit zugänglich. Die Anklage gegen Ellsberg mit einer Strafandrohung von bis zu 15 Jahren Haft musste 1973 fallen gelassen werden. Der ehemalige Kapitän der sowjetischen Marine Alexander Nikitin wurde auf Grund seiner Veröffentlichungen, in denen er unter anderem auf verwahrloste Atommüll-Plätze und den desolaten Zustand der russischen Nordmeerflotte aufmerksam machte, verhaftet und jahrelang mit Prozessen überzogen. Theodore A. Postol untersuchte die Regierungsangaben zur Effizienz des Patriot-Systems und Funktionsfähigkeit des NMD-Raketenabwehrprogramms. In seinen Veröffentlichungen wies er nach, wie systematisch Kritik an »Falschangaben« behindert und KritikerInnen abgeblockt werden. Vier Beispiele für Whistleblowing. Zwei davon dokumentieren wir hier etwas ausführlicher.

Theodore A. Postol, Professor of Science, Technology and National Security im Security Studies Program am MIT, Cambridge/USA, ist ein brillianter Wissenschaftler und herausragender Kritiker der US-Pläne zur Errichtung einer umfassenden Raketenabwehr. Er arbeitete im militärischen Bereich (1982-84), im US-Kongress (1980-1982), im akademischen Bereich (1978-1980) sowie ab 1984 an diversen Problemen nationaler und internationaler Sicherheit und hatte Einblick in klassifiziertes Material.

Abgesehen von erstklassigen technisch-wissenschaftlichen Analysen ist er durch zwei »Vorgänge« aufgefallen, die große Tragweite für die internationale Sicherheit haben.

Falsche Regierungsangaben zur Effizienz des Patriot-Systems

Ted Postol untersuchte 1991/92 zusammen mit seinem Kollegen Georg Lewis die »Performance« des Patriot-Raketenabwehrsystems, das in der 2. Phase des Golf-Krieges gegen irakische SCUD-Raketen eingesetzt wurde. Die Analyse, die sich auf die Auswertung von Videoaufnahmen stützte, zeigte, dass die Patriot-Abfangraketen wahrscheinlich keine SCUD abgefangen hatten, was den offiziellen (anfänglich) 90 Prozent Abfangraten vollständig widersprach. Die Ergebnisse sind in einem umfangreichen Beitrag der renommierten Zeitschrift »International Security« niedergelegt und führten zu einer internationalen Debatte. Die US-Armee gab später zu, dass die Trefferquote wesentlich niedriger gelegen habe, als ursprünglich angegeben.

Gleichwohl verkauften sich nach dem Golf-Krieg die Patriots gut. Ihr Einsatz im Golf-Krieg lenkte das Interesse anderer Staaten auf das US-System.

Auch der deutsche Bundestag hat entgegen Warnungen von wissenschaftlicher Seite unlängst beschlossen, sich mit einer Milliarde Euro an der Entwicklung des Nachfolge-Systems MEADS zu beteiligen.

Funktionsfähigkeit des NMD-Raketenabwehrprogramms

Seit Mitte der 90er Jahre übte Postol öffentlich Kritik an den Raketenabwehrplänen der Clinton- und der Bush-Administrationen. Um anfliegende Nuklearsprengköpfe im Weltraum abzufangen, soll ein Aufprallflugkörper (Kill Vehicle, KV), der mit Sensoren und Schubdüsen ausgestattet ist, mit einer mehrstufigen Abfangrakete ausgesetzt und auf den Sprengkopf gelenkt werden, um ihn zu zerstören. Um das komplexe, bodengestützte System zu erproben, wurden bisher zehn Flugtests mit dem »Kill Vehicle« durchgeführt, von denen lediglich die Hälfte erfolgreich war. Mitte der neunziger Jahre konkurrierten die US-Firmen TRW (heute: Northrop Grummon Systems & Mission Corp.) und Raytheon um den Auftrag für das KV. Eine Angestellte von TRW, Nira Schwartz, die mit der Software der Zielerkennung beschäftigt war, erkannte, dass das TRW-Programm nicht in der Lage war, echte Ziele von Attrappen zu unterscheiden. Ohne diese Fähigkeit aber „hätte NMD niemals eine realistische Chance, im Ernstfall zu funktionieren“ (Postol). Schwartz schlug vor, dies dem Auftraggeber mitzuteilen, wurde aber stattdessen 1996 gefeuert. 1997 wurde der »Fly-by« Test IFT-1A und ein weiterer Test IFT-2 durchgeführt. Technology Review zitiert den TRW-Ingenieur Danchick, die verantwortlichen Wissenschaftler „erschwindelten, manipulierten und zensierten die Daten, um die gewünschten Resultate zu erzielen.“ Von den Ergebnissen dieser beiden Tests hing das weitere »Schicksal« von NMD ab. Die Ergebnisse bestätigten laut Postol vorausgegangene theoretische Berechnungen, nach denen das Programm nicht zwischen imitierten Sprengköpfen, Ballons und einfachen kegelförmigen »Lockvögeln« unterscheiden konnte. Daraufhin änderte man für die folgenden Flugtests die Versuchsbedingungen u.a. dahingehend, dass nur noch wenige, unterscheidbare Attrappen eingesetzt wurden.

Auf die Intervention von Nira Schwartz hin musste das Verteidigungsministerium die TRW-Datenanalysen von zwei unabhängigen Kontroll-Beamten überprüfen lassen. Diese wiederum beauftragten ein Wissenschaftler-Team unter der Leitung des Lincoln Laboratory vom MIT mit der Evaluierung der Fakten. Dieses »Phase One Engineering Team« (POET) erklärte in seinem Abschlussbericht, die Diskriminierungs-Software sei „gut konzipiert und funktioniere ordnungsgemäß“, obwohl die Resultate und selbst öffentlich zugängliche Daten für Experten das Gegenteil nahe legten.

Lincoln Lab erhält jährlich rund eine halbe Milliarde vom Pentagon.

Postol bezichtigte das Management des Lincoln Lab des Wissenschaftsbetruges. Er wandte sich im Mai 2000 an Clintons Stabschef, John Podesta, und schlug vor, ein unabhängiges Wissenschaftlerteam einzusetzen, um die Anschuldigungen klären und künftige Tests besser überwachen zu lassen. Das Pentagon klassifizierte darauf hin den Brief ans Weiße Haus inklusive der umfangreichen Dokumentation – und die POET-Studie selber. Mitglieder eines Pentagon Geheimdienstes versuchten, Postol klassifizierte Informationen zu zeigen, um ihn daraufhin auch zum Schweigen verpflichten zu können. Kongress-Anhörungen und FBI-Untersuchungen wurden in Gang gesetzt. Ein Bericht des GAO vom Februar 2002 kam zu dem Schluss, dass die Fähigkeiten des KV-Sensors von TRW übertrieben dargestellt worden seien.

Geheimforschung am MIT

Das Lincoln Laboratory gehört zum altehrwürdigen Massachusetts Institute of Technology (MIT). Folglich wandte sich Postol im April 2001 an den Präsidenten und die Universitätsverwaltung. Er forderte eine interne Untersuchung seiner Vorwürfe gegenüber der Leitung des Lincoln Lab: Wissenschaftsbetrug und Behinderung der Ermittlungen einer Bundesbehörde.

Was nun folgt, scheint ein kafkaeskes Lehrstück zu den Problemen der Geheimforschung an Universitäten zu werden.

Nachdem es MIT nicht gelingt, Postols ebenso berechtigtes wie sicherheitspolitisch wichtiges Anliegen totzuschweigen, wählt man neun Monate später den Weg, die Aufklärung der in Frage stehenden Sachverhalte durch Geheimhaltungsauflagen unmöglich zu machen. Diese Strategie wird in der Folge in harmonischem Zusammenspiel zwischen MIT-Spitze und Pentagon durchgehalten und ausgeweitet. Postol wiederum erhält von der Universität die Auflage, „die Art und Weise, wie seine Beschwerde gehandhabt wird, vertraulich zu behandeln“. Woran Postol sich nicht hält, sondern zu einem späteren Zeitpunkt eben diese Strategie en detail in einem »offenen Brief an MIT’s Faculty« darlegt

Als sich die Universität aufgrund von Postols Beharrlichkeit und unter dem Druck von Berichten in Fachjournalen und in der überregionalen Presse, die von Postol kontinuierlich mit Informationen versorgt wird, dann doch ein Stückweit bewegen muss, greift der zweite Abblockmechanismus: Es werden solche Universitätsangehörige, gern auch so genannte »Ehemalige«, mit »Nachforschungen« betraut, die fest ins Interessennetzwerk des Privatunternehmens MIT eingebunden sind.

Mit der Untersuchung der Anschuldigung des Wissenschaftsbetruges wird schließlich Prof. Ed Crawley, Chair of the Aeronautic’s and Astronautic’s Department, als alleiniger Ermittler beauftragt. Im Juli 2002 weist Crawley den Vorwurf des Wissenschaftsbetrugs in einem Zwischenbericht zurück und lobt die Arbeit des Lincoln Lab. Postol macht ihn sofort auf die Widersprüche in seinem Bericht und auf die Strafbarkeit und möglichen Konsequenzen einer Beihilfe zur Vertuschung von Tatsachen in einer regierungsamtlichen Untersuchung aufmerksam, woraufhin Crawley vier Monate später, im November 2002, seine Ergebnisse komplett revidiert. Er stellt fest, dass genug Beweismaterial für die Einleitung einer formellen Untersuchung vorliegt. Postol darf den Bericht wiederum nicht einsehen.

Die Universitätsleitung kündigt eine sofortige Einleitung der Ermittlungen an.

Im Dezember 2004 teilt der scheidende President Vest mit, das MIT könne die Ermittlungen nicht durchführen, weil das Pentagon alle wichtigen Unterlagen, die im Zusammenhang mit dieser Untersuchung stünden, einschließlich des Abschlussberichts von Crawley, klassifiziert habe – „zum Schutz der nationalen Sicherheit.“

Nun schreibt Postol seinen offenen Brief an die MIT Faculty, in dem er die Vorgänge ungeachtet anderslautender Weisungen der MIT-Spitze offen legt. Er wirft MIT dreieinhalb Jahre Verschleppungsstrategie und Fehlleistungen vor. Er verbindet das mit konkreten Forderungen an die neue Präsidentin Susan Hockfield und wirft dabei die interessante Frage auf, wem gegenüber die Universität in derartigen Fällen eigentlich rechenschaftspflichtig ist.

Dieser Brief bleibt wiederum unbeantwortet.

Postol sagt, es gebe keine Widerlegung seiner Behauptungen in Sachen IFT-1 und IFT-2 und der Evaluierung durch das Lincoln Lab. Eine öffentliche Klärung kann nicht stattfinden wegen der kontinuierlichen Klassifizierungen von allen relevanten Äußerungen in dieser Angelegenheit.

Delegitimierung des Raketenabwehrsystems MD

We are obligated to tell people the truth at best we understand it.“ Postols beharrliche öffentliche Appelle in Presse und wissenschaftlichen Publikationen zeigen, dass er kein Freund von Absprachen, Geheimverhandlungen und vertraulichen Gesprächen ist, sondern die fundamentalen Fragen zur Funktionsfähigkeit der MD als zentrale Angelegenheit der Öffentlichkeit ansieht. Schließlich soll diese durch das MD-System »geschützt« werden. Wenn das jedoch prinzipiell nicht möglich ist, ist dies nicht nur eine Angelegenheit der US-Steuerzahler, sondern angesichts der Implikationen für die internationale Sicherheit und Abrüstung auch eine Frage der Weltöffentlichkeit. Darüber hinaus hat Postol sensitive Informationen immer wieder an Kollegen weitergegeben oder Reportern zur Verfügung gestellt. Dass diese dann im Nachhinein klassifiziert wurden, zeigt die Angst des Pentagon vor den Konsequenzen seiner Enthüllungen.

Postol hat bereits jetzt zweierlei bewirkt:

  • Es wird öffentlich diskutiert, in welchem Umfang ein defizitäres Abwehrsystem die Bürger der zu schützenden Staaten in einem Zustand »illusionärer Sicherheit« hält. Es verspricht hohe Effektivität, die im Ernstfall nicht eingehalten werden kann, behindert Abrüstung und Rüstungskontrolle und forciert das nukleare Wettrüsten: Ein Antagonist geht von einem funktionierenden Abwehrsystem aus und erhöht als einfache Gegenmaßnahme die Zahl der offensiven Nuklearraketen. Oder es werden andere Wege nuklearer Proliferation gewählt (z.B. Cruise Missile, Kurzstreckenraketen, Nuklearwaffen an Bord von Schiffen oder Flugzeugen).
  • Postol hat die Art und Weise, in der Lincoln Lab sein Kontrollmandat wahrgenommen hat, als das öffentlich gemacht, was es ist: Ein Lehrstück abhängiger und interessenverwobener wissenschaftlicher Politikberatung in einem politisch-militärisch-industriellen System, dem eine nicht näher definierte »nationale Sicherheit« zur Rechtfertigung der Bedienung industrieller Partikularinteressen dient.

Damit dürfte Postol das Bewusstsein vieler Bürger für falsche und inkompetente verteidigungs- und technologiepolitische Entscheidungen der Regierung geschärft und einen wesentlichen Beitrag zur Delegitimierung nicht nur dieses speziellen Raketenabwehrsystems, sondern auch eines unhinterfragten militärisch-technischen Sicherheitsverständnisses geleistet haben.

Delegitimierung von Geheimforschung an Universitäten

Theodore A. Postol hat als Wissenschaftler Fehler aufdeckt und von seiner wissenschaftlichen Einrichtung, der Fakultät und der Universitätsleitung, eindeutige und klare Konsequenzen gefordert. Er steht für eine Wissenschaft, die ihren eigenen Wahrheitsanspruch im besten Sinne des Worts nicht aus politischen oder aus finanziellen Gründen preisgibt. Diesem Anspruch ordnet er selbst seine persönliche Reputation und die Karriere seiner Arbeitsgruppe unter.

Er und seine Arbeitsgruppe sind teils direkt, teils in Bezug auf die Abwicklung von Drittmitteln vom MIT abhängig – was jetzt möglicherweise Gegenstand eines Verfahrens unter dem »Whistleblower Protection Act« wird, da der Verdacht auf finanzielle Repressionen gegen ihn und seine Arbeitsgruppe besteht.

Postol hat die Verzögerungs- und Vertuschungsstrategie der MIT-Führung öffentlich gemacht, als klar wurde, dass von Seiten des MIT keine weitere Aufklärung der Vorgänge am Lincoln Lab mehr zu erwarten ist. Damit hat er die Aufmerksamkeit auch auf die zugrunde liegende Problematik der Forschungsfinanzierung und der Geheimforschung an Universitäten gelenkt.

  • Wie der Fall MIT/Pentagon/Postol belegt, kann es entscheidend sein, ob Wissenschaftler und wissenschaftliche Institutionen über genügend Eigenmittel verfügen, dass sie interessierte Zumutungen aller Art von außen nötigenfalls ohne großes individuelles oder institutionelles Risiko ablehnen können. Mit anderen Worten, aus dem Fall MIT/Pentagon/Postol folgt das Gebot, mögliche Abhängigkeiten aufgrund immer stärker ins Gewicht fallender sog. Drittmittel-Einwerbung sorgfältig zu bedenken, sowie das Erfordernis, nach neuen Wegen der Forschungsförderung zu suchen. Dies liegt auch für Deutschland in einer Zeit auf der Hand, da regierungsamtlich mit den Universitäten ein »Bündnis für Innovation« abgeschlossen wird. Sicher werden Regierungen und Unternehmen mit den Forschungseinrichtungen verflochten bleiben. Notwendig aber ist es, auch das lehrt der Fall Postol, dass die Verbindungen durch ein Höchstmass an Transparenz und institutioneller Kontrolle ausgezeichnet sind.
  • Angesichts der enormen Komplexität und arbeitsteiliger Spezialisierung wissenschaftlicher Forschung sind häufig zunächst nur diejenigen, die selbst tief in den Forschungen stecken, in der Lage, Fehler, Betrügereien oder gefährliche Implikationen namhaft zu machen. Wenn zusätzlich das zentrale Kontrollelement wissenschaftlicher Forschung, die Peer Review, durch Geheimhaltung ausgehebelt wird, stellt sich ganz allgemein die Frage nach der Zuverlässigkeit der Forschungsergebnisse wie auch der Rationalität der darauf beruhenden politischen Entscheidungen. Das gilt mutatis mutandis gleichermaßen für die Forschung in Deutschland. Darum sind Mittel und Wege zu finden, die es den beteiligten Wissenschaftlern auch hier erlauben, sich mit ihrem Expertenwissen, ihren Ahnungen und Mahnungen Gehör zu verschaffen. Nicht von außen, nur von innen heraus ist in vielen Fällen eine frühzeitige Warnung noch möglich.

Whistleblower

Als Whistleblower werden Persönlichkeiten bezeichnet, deren Verhalten (Whistleblowing) folgende Kriterien erfüllt:

Brisante Enthüllung (»reveiling wrongdoing …«)

Ein/e Whistleblower/in deckt in seinem/ihrem Arbeitsumfeld oder Wirkungskreis gravierende Fehlverhalten, schwerwiegende Missstände oder Fehlentwicklungen auf, die mit erheblichen Gefahren oder Risiken für Leben, Gesundheit, die nachhaltige Sicherung und Entwicklung der Ökosysteme, die Demokratie oder das friedliche Zusammenleben der Menschen verbunden sind oder jedenfalls verbunden sein können.

Sein/ihr Verhalten kann auch darin bestehen, dass er/sie eine (weitere) Mitwirkung oder Mitarbeit an dem in Rede stehenden Projekt oder Vorhaben, zu der er/sie vertraglich oder gesetzlich an sich verpflichtet ist, ablehnt und dadurch den Sachverhalt öffentlich macht.

Alarmschlagen (»going outside«)

Ein solches „Alarmschlagen“ erfolgt im Regelfall zunächst intern, also im persönlichen oder beruflichen Wirkungskreis des Whistleblowers („internes Whistleblowing“). Wird sein internes Alarmschlagen unterdrückt und/oder bleibt es wirkungslos, wendet er sich an Außenstehende oder an die Öffentlichkeit, namentlich an Aufsichtsbehörden, Ombudsleute, Abgeordnete, Berufsverbände/Gewerkschaften, Journalisten und Massenmedien etc („externes Whistleblowing“).

Primär uneigennützige Motive (»serving the public interest …«)

Das Alarmschlagen erfolgt nicht aus Eigennutz, sondern primär aus Motiven, die am Schutz gewichtiger Rechtsgüter (Leben, Gesundheit, friedliches Zusammenleben der Menschen, Demokratie, nachhaltige Sicherung und Entwicklung der Ökosysteme etc.) orientiert sind. Der/die Betreffende erstrebt und erreicht mit seinem Whistleblowing keine wirtschaftlichen Vorteile für sich oder ihm/ihr Nahestehende.

Inkaufnahme schwerwiegender Nachteile (»risking retaliation …«)

Dabei nimmt der/die Whistleblower/in in Kauf, dass sein/ihr Alarmschlagen mit erheblichen Risiken und/oder Nachteilen für die eigene berufliche Karriere oder die persönliche Existenz (oder die von Angehörigen etc.) verbunden ist.

Literatur

Gary Taubes: Postol vs. the Pentagon, Technology Review April 2002.

Harry Collins, Trevor Pinch: Der Golem der Forschung, Kap. 1 »Clean kill«? Die Rolle der Patriot-Raketen im Golf-Krieg, Berlin 2000, S. 15-43.

Ted Postol: Why Missile Defense Won´t Work, Technology Review April 2002.

The New York Times, Monday July 10, 2000.

San Francisco Chronicle, Monday March 3, 2003.

The Tech, Vol. 124 (58), 3.12.2004, Cambridge/Mass.

Brief von Edward Markey an Donald Rumsfeld, 5. Januar 2005.

Offener Brief von Ted Postol an die MIT-Fakultät vom 20. Dezember 2004.

Annegret Falter ist Politologin und Geschäftsführerin der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW)
Dr. Götz Neuneck ist Physiker und Leiter des Arbeitsbereichs »Abrüstung und Rüstungskontrolle« am ISFH

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2005/3 Verantwortung der Wissenschaft, Seite