W&F 2019/1

Youth for Peace and Security

Gemeinsame Konferenz von Studierenden, Marburg, 24.-25. November 2018

von Julia Renner

Junge Menschen unter 30 Jahren stellen die Hälfte der Weltbevölkerung. Zwei Drittel von ihnen leben in von Konflikten betroffenen Gebieten. Junge Menschen werden in Bezug auf Konflikte oftmals entweder zu der Gruppe der Opfer oder der Täter gezählt, wenngleich sie einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zum Frieden und zu Friedensprozessen leisten können. Daher verabschiedete der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen im Dezember 2015 die Resolution 2250 zu »Jugend, Frieden und Sicherheit«, in der die konstruktive und friedensfördernde Rolle junger Menschen in Konflikten zum ersten Mal anerkannt wurde.

Die erstmalig in Marburg stattgefundene Konferenz »Youth for Peace and Security: Partizipation junger Menschen in Friedensprozessen – ein unterschätzter Beitrag auf dem Weg zu nachhaltigen Frieden?« wurde mit Blick auf diese Fragestellungen von den Fachschaften »Friedens- und Konfliktforschung« und »International Development Studies« mit dem Zentrum für Konfliktforschung der Philipps- Universität Marburg gemeinsam organisiert.

In seiner Keynote präsentierte Ali Altiok, Hauptinitiator der UN Resolution 2250, drei Leitgedanken bzw. Diskussionsstränge, die richtungsweisend für den weiteren Tagungsverlauf werden würden. Im Zentrum stand zunächst die Begriffsdefinition für »junge Menschen«. Er verwies darauf, dass mit diesem Terminus oftmals Menschen zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr als Individuen angesprochen werden. Er forderte auf, diese individuellen Personen als Personengruppe aufzufassen und somit als soziale Gruppe zu definieren, die bei Entscheidungen im Politikbereich Frieden- und Sicherheit bislang oft außen vorgelassen werde bzw. nur eine marginalisierte Rolle einnehme. Ebenso müsste anerkannt werden, dass die Personengruppe der »jungen Menschen« eine dynamische ist und somit auch Personen umfasst, die jünger als 20 oder älter als 30 Jahre sind, da die Rolle von jungen Menschen bzw. von Personen immer durch Raum und Zeit beeinflusst wird.

Aus seinem ersten Leitgedanken formulierte er den zweiten Gedanken. Er forderte auf, junge Menschen nicht als homogene Gruppe zu betrachten. Dies ist insbesondere bei der Inklusion junger Menschen in Entscheidungsprozesse auf allen Ebenen, von lokalen bis internationalen Institutionen, relevant. Besonderes Gewicht gewinnt diese Aussage mit Blick auf den afrikanischen Kontinent. Ali Altiok führte aus, dass noch immer eine zu starke Klassifizierung in zwei Gruppenzugehörigkeiten erfolgt: junge Menschen und »alte« Eliten, insbesondere im Bereich politischer Entscheidungsbeteiligung. Dies hat Implikationen auf die Integration bzw. Nicht-Integration junger Menschen in Friedens- und Sicherheitsprozesse.

Zuletzt verwies er darauf, dass das Thema einer besseren Partizipation junger Menschen im Bereich Frieden und Sicherheit nicht nur empirisch, sondern auch in der Wissenschaft stärker Berücksichtigung finden müsse. Eine Möglichkeit könnte sein, die Rolle von jungen Menschen in Friedensprozessen verstärkt zu untersuchen.

In den beiden Panels wurden vielseitige empirische Fallbeispiele, aber auch aktuelle Implementationsprobleme der Resolution 2250 diskutiert.

Die Beiträge von Ali Altiok und Anika Oettler, Antonia Jordan und Julian Reiter hinsichtlich einer besseren Einbindung von jungen Menschen in Friedensprozesse waren im ersten Panel durch die Vorstellung eines Musikprogrammes in Sri Lanka und einer Fallstudie des kolumbianischen Friedensprozesses äußerst praxisbezogen. Dabei wurde deutlich, dass Finanzierungsprobleme eine nicht zu unterschätzende Hürde zu einer besseren Implementierung und Verbreitung der Resolution 2250 darstellen.

Das zweite Panel (Implications for Peace Practice and Policy) thematisierte die Unterfinanzierung und den strukturellen Aufbau der Vereinten Nationen sowie regionaler Organisationen und schlug eine Brücke zu Implementationsproblemen der Resolution. Die Panellistinnen Ludmila Dias Andrade, Lorena Mohr und Rebecca Hovhannisyan diskutierten Ansätze einer möglichen Veränderung von UN- und EU-Strukturen, damit eine bessere Umsetzung der Resolution ermöglicht wird, aber auch die Stimme junger Menschen in diesen Gremien besser Gehör finden kann.

Die Panels endeten jedoch sehr ergebnisoffen, deshalb wurden kaum konkrete Handlungsmöglichkeiten für eine bessere Umsetzung diskutiert.

Die am ersten Konferenztag angebotenen Workshops zu den Themen »Examples of Youth Peace Activism« und »Shaping the Future of Young People’s Participation in Peacebuilding« setzen sich vielfältig mit dem Konferenzthema auseinander. In den Workshops wurden thematische Verknüpfungen von zivilem Ungehorsam mit verschiedenen Arten von Konsens­entscheidungen hergestellt sowie die Möglichkeit aufgezeigt, in von Konflikten betroffenen Gebieten mit Schauspiel und Theaterperformances Friedensprozesse durch junge Menschen anzuregen. Weitere Workshops beschäftigten sich mit gesellschaftspolitischen Initiativen in und außerhalb Deutschlands, die sich zum Ziel setzen, verschiedene in Konflikt stehende soziale Gruppen zusammenzubringen.

Die Workshops und Panelbeiträge des ersten Konferenztages näherten sich dem Thema aus einer theoretischen Perspektive, und es wurden viele Fragen aufgeworfen. Der Abschlussworkshop, der von der Sprecher*innen-Gruppe des AK »Junge AFK« der Arbeitsgemeinschaft Friedens- und Konfliktforschung organisiert worden war, versuchte, die im Laufe der Tagung angesprochenen Themen zu verbinden und konkrete Ziele und Forderungen für eine zukünftig bessere Umsetzung der Resolution zu formulieren.

Aus einem kurzen Brainstorming wurden drei inhaltliche Schwerpunkte festgelegt, um aus ihnen praktische Handlungsempfehlungen abzuleiten: Einerseits wurde sich zum Ziel gesetzt, Wissenschaft und Praxis besser zu vernetzten, andererseits wurde die Frage diskutiert, wie die Resolution 2250 auf internationaler Bühne besser verankert und so eine gezieltere Umsetzung der Resolution erreicht werden kann. Ebenso wurde überlegt, wie die Ziele der Resolution verstanden werden können. Der Abschlussworkshop formulierte für diese drei Fragestellungen konkrete Forderungen: Die Tagungsteilnehmer*innen sprachen sich für öffentliche Podiumsdiskussionen unter Beteiligung von Wissenschaftler*innen, Aktivist*innen und Personen des politischen Lebens aus. Um eine bessere Reichweite der Resolution zu erreichen, wurde die Möglichkeit von nationalen Social-Media-Initiativen diskutiert, die helfen sollen, eine staatliche Umsetzung der Resolution zu fördern und damit die Zivilgesellschaft anzuregen, sich für eine stärkere Inkludierung junger Menschen in Politikprozessen einzusetzen.

Die Konferenz »Youth for Peace and Security: Partizipation junger Menschen in Friedensprozessen – ein unterschätzter Beitrag auf dem Weg zu nachhaltigen Frieden?« hat einen wichtigen Beitrag für eine bessere Wahrnehmung der Resolution einerseits und eine bessere Integration von jungen Menschen in Friedensprozessen sowohl im wissenschaftlichen als auch im tagespolitischen Geschehenen anderseits geleistet. Der Teilnehmer*innenkreis der Workshops und Panels spiegelte das Anliegen der Konferenz wider: Vielfalt zu berücksichtigen und jungen Wissenschaftler*innen, aber auch gesellschaftspolitischen Aktivist*innen, einen gemeinsamen Raum zu bieten. So war der Anteil junger Menschen aus dem Globalen Süden und von People of color ausgewogener gegenüber dem Anteil der Teilnehmenden aus dem Globalen Norden. Die Teilnehmer*­innen verließen die Konferenz nicht nur bestärkt darin, der Resolution mehr wissenschaftlichen und politischen Raum zu verschaffen, sondern auch in einer Nachfolgekonferenz im Jahr 2019 erneut über Implementierungsmaßnahmen und eine bessere Verbindung von Wissenschaft und Praxis zu sprechen.

Julia Renner

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2019/1 70 Jahre NATO, Seite 57–58