Zur Stiftung Friedensforschung
von Christiane Lammers
Nach Jahren der politischen Ignoranz gegenüber der Friedensforschung liegt nun Frühlingsduft in der Luft: Am 20. Januar beschloss der Dt. Bundestag die Bundesregierung aufzufordern, eine Deutsche Stiftung für Friedensforschung zu gründen. Verschiedene Abstimmungsprozesse waren zwischenzeitlich durchlaufen worden: Nachdem im Forschungshaushalt 1999 bereits sechs Mio. DM für die Friedens- und Konfliktforschung eingestellt worden waren, wurden Ende August 11 Initiativgutachten in Auftrag gegeben um eine breite Expertise für die inhaltlichen und strukturellen Erfordernisse zur Förderung der Friedensforschung zu erhalten, im Oktober wurde die sogenannte Struktur- und Findungskommission berufen, die sich auf inhaltliche Leitlinien für die Arbeit der Stiftung in den nächsten fünf Jahren einigte. Im November beschloss der Haushaltsausschuss die finanziellen Voraussetzungen für das 50 Millionen DM umfassende Stiftungskapital schrittweise über drei Jahre zu schaffen. Im Januar folgte dann der o.g. Gründungsbeschluss des Bundestages und inzwischen gibt es auch einen mehrfach überarbeiteten Satzungsentwurf, der die Struktur und die Aufgaben der Stiftung regelt. Was fehlt ist nur noch die Benennung der Stiftungsgremien und dann kann es hoffentlich noch im Mai losgehen.
Der Gründungsprozess ist erfreulicherweise sehr schnell vonstatten gegangen. In Details gab es zwar einige »Merkwürdigkeiten« wie z.B. die Vergabepraxis der »Prioritären Ersten Maßnahmen«, deren Abwicklung über die Deutsche Forschungsanstalt für Luft- und Raumfahrt, die in Relation zum Gesamtbudget enorm hohen Verwaltungs-Overhead-Kosten, die zwischenzeitliche Infragestellung der Existenz der AFB u.a. Dies ist jedoch Schnee von gestern, jetzt sollte im Mittelpunkt der Überlegungen stehen, ob die Stiftung inhaltlich und strukturell geeignet ist die Defizite der Friedensforschung in der Bundesrepublik zu beheben.
Seit Beginn der Friedensforschung wird über ihren Gegenstand debattiert. Da der Friede kein »Punkt in der Geschichte«, sondern ein Prozess ist, ist er auch als Gegenstand von Forschung nicht statisch, sondern zukunftsorientiert. Die Forschung selbst ist wert- und handlungsorientiert. Unstrittig ist innerhalb der Friedensforschung, dass diese auf den Abbau von Gewalt (personaler und struktureller) abzielt. Aber eben dies sind die Anknüpfungspunkte des sogenannten Ideologieverdachts – auch jüngst in der Bundestagsdebatte im Januar wieder zu hören. Die so verdächtige Friedensforschung wird immer stärker zur ganz normalen außen- und sicherheitspolitischen Forschung umdefiniert. Mag sein, dass deshalb von Pazifismus, Gewaltlosigkeit, Militär- und Machtkritik als Bezugspunkte der Friedensforschung keine Rede mehr ist, dass deshalb die FriedensforscherInnen aufgefordert wurden, einseitig Brücken zur Stiftung Wissenschaft und Politik u.a. außenpolitischen, nicht friedenswissenschaftlichen, Forschungseinrichtungen zu schlagen. So erklärt sich vielleicht auch der Sitz und die Stimme des Verteidigungsministeriums im neuen Stiftungsrat. Vieles deutet jedenfalls daraufhin, dass das kritische Potenzial der Friedensforschung – wenn überhaupt – weiterhin nur randständig gefördert werden soll. In dieses Bild passt auch die ständige Rede von der »Politikberatung« als wichtiges Augenmerk für die zu fördernde Friedensforschung und für die Stiftung als Ganzes.
Die Komplexität des Gegenstandes »Frieden« drückt sich auch in der Multidisziplinarität der Friedensforschung aus. FriedensforscherInnen sind von Haus aus Gesellschafts-, Erziehungs-, Rechts-, Geistes-, Natur- oder IngenieurwissenschaftlerInnen. Zur Förderung der Friedenswissenschaft ist es notwendig, diese Pluralität zu erhalten und in eine Inter- oder Transdisziplinarität zu überführen. Hier liegen nach wie vor wesentliche Defizite der Friedensforschung methodischer, theoretischer und struktureller Art und es ist bisher nicht erkennbar, ob und wie das Problem durch die Stiftung aufgegriffen wird.
Die Friedensforschung ist neben ihren immanenten Problemen auch besonders durch die allgemeinen wissenschaftspolitischen Strukturprobleme betroffen. Dies gilt sowohl für die Einzeldisziplinen als auch für sie selbst als Transdisziplin. Stichworte sind: Durchsetzungsfähigkeit gegenüber den mainstreams in den Disziplinen, Nachwuchsförderung, Frauenförderung, Einheit von Forschung und Lehre.
Zunehmend ist eine Entwicklung zu beobachten, nach der sich die Friedensforschung in halbwegs gut ausgestatteten Instituten außerhalb der Hochschulen etablieren kann, die Integration in den Hochschulalltag jedoch nicht vorwärts kommt. Nach wie vor gibt es in der Bundesrepublik keinen explizit friedenswissenschaftlichen Studiengang. Hinzu kommt, dass in mit Friedensfragen beschäftigten NGOs nicht nur ein Bedarf an Expertise, sondern auch eine Professionalität entstanden ist, die selbst wissenschaftliche Kompetenzen entwickelt hat. Diese in den gesamtwissenschaftlichen Prozess mit einzubeziehen müsste im Sinne der Friedensentwicklung eines der Ziele der Förderung der Friedensforschung sein.
Zum momentanen Zeitpunkt darf man skeptisch sein, ob es den Stiftungsgremien gelingen wird entsprechende Programme zu entwickeln um auf die beschriebenen Förderungsdefizite zu reagieren. Sicherlich ist es ein wichtiger Schritt, dass nun zumindest für die nächsten 10 Jahre eine eigenständige Förderungsinstitution geschaffen wurde, mit einer geplanten jährlichen Ausschüttung von fünf Millionen DM. Vieles wird nun aber davon abhängen, inwiefern tatsächlich die Stiftungsgremien politikunabhängig im Sinne der Friedensforschung und ihren Anforderungen entscheiden können. Dafür wird mit entscheidend sein, wer in die Stiftungsgremien berufen wird. Auch hierfür wurde leider kein der Friedenswissenschaft entsprechender Diskurs, sondern ein eher autokratisches Verfahren gewählt.
Last not least sollte nicht aus dem Blick verloren werden, dass für fünf Millionen gerade einmal ein halber Panzer, aber nicht der Frieden zu kaufen ist.