Seit geraumer Zeit tun sich führende Unionspolitiker damit hervor, einen speziellen europäischen Beitrag zum amerikanischen SDI-Programm zu fordern. EUREKA soll v.a. dazu dienen, die neuen Waffensysteme im west- europäischen Verbund zu entwickeln. Der Leiter das Planungsstabes im Auswärtigen Amt, Konrad Seitz, hat jüngst ähnliche Gedanken geäußert: EUREKA richtet sich auf zivile Projekte. Daneben sollten europäische Projekte in der Rüstungskooperation stehen. … Auch hier gilt es endlich, nationale Egoismen zu überwinden und sich – im Rahmen der NATO-Strategie – auf eine Europäische Verteidigungsinitiative zu einigen (…)“ 1
Die Diskussion um das SDI-Programm läßt manchmal den Eindruck entstehen, als seien die angestrebten Weltraumwaffen nicht realisierbar und damit auch nicht weiter gefährlich. Allenfalls gehe es um Rüstung, die erst in ferner Zukunft Auswirkungen auf die militärische Strategie und unser ganzes Leben habe.
2 1/2 Jahre nach Initiierung der „Strategischen Verteidigungs Initiative“ durch US-Präsident Reagan in einer Fernsehansprache vor dem US-amerikanischen Volk 1 finden in den USA die Auseinandersetzungen um den Haushaltsansatz für SDI im Fiskaljahr 1986 statt. Das Ergebnis ist für die Weiterentwicklung des Konzeptes der strategischen Verteidigung auch über das kommende Haushaltsjahr hinaus von großer Bedeutung.
„Teilen Sie mit mir eine Vision der Zukunft, die Hoffnung bietet Sie besteht dann, daß wir ein Programm in die Wege leiten, um der schrecklichen sowjetischen Raketenbedrohung mit Maßnahmen zu begegnen, die defensiv sind. (...) Wie wäre es, wenn freie Menschen sicher leben könnten, in dem wissen, daß ihre Sicherheit nicht auf der amerikanischen Drohung einer sofortigen Vergeltung beruht, um vor einem sowjetischen Angriff abzuschrecken; daß wir strategische Raketen abfangen und vernichten könnten, bevor sie unseren Boden und den unserer Verbündeten erreichen?“
„Eine fadenscheinige Grenze (mince frontiere) zwischen ziviler Forschung und militärischer Anwendung (potentialite militaire)“, konstatieren Michel Rudniansci und Christas Passadeos, Wissenschaftler an den Universitäten Reims und Paris, in ihrer Analyse des Eureka- Projekts in „Le Monde Diplomatique“ vom August 1985. Die westeuropäische Antwort auf Reagans vehemente Bündelung von US-amerikanischer Forschungs- und Entwicklungskapazität, die „European Research Coordination Agency“, scheint voranzukommen. Mitte Juli brachte Frankreichs Staatspräsident Mitterrand in Paris nach einem gewaltigen Medienspektakel Außen- und Forschungsminister aus 16 europäischen Staaten zusammen, überdies Vertreter der Brüsseler EG-Kommission. Frankreich sieht sich durch SDI in doppelter Weise herausgefordert: nicht nur Spitzenstellungen in Wissenschaft und Technologie scheinen bedroht, auch die Abschreckungsfunktion der „Force de frappe“, deren Schlagkraft die Regierung in Paris zu verfünffachen (!) begonnen hat, könnte obsolet werden.
Das in der Nähe von San Francisco beheimatete Lawrence Livermore National Laboratory (LLNL) ist ein Zentrum der amerikanischen Rüstungsforschung. Etwa 8000 Menschen sind beim LLNL beschäftigt, davon mehr als 1500 Naturwissenschaftler verschiedener Disziplinen. 1985 kann das Management des Laboratoriums fast 850 Millionen US-Dollar verbrauchen, eine riesige Summe, die zum größten Teil aus dem Etat des amerikanischen Energieministeriums und zu einem kleineren Teil vom Verteidigungsministerium und anderen Geldgebern stammt. Nach eigenen Angaben laufen etwa 2/3 der Arbeiten am LLNL im Rahmen von „defense programme“. Damit ist das LLNL das größte Kriegsforschungslaboratorium der Welt. Darüber hinaus ist es, zum Teil ungewollt, ein treibender politischer Faktor in der amerikanischen Sicherheitspolitik und in der Friedensbewegung geworden. Aktuell zeigt sich dies in der gezielten Beeinflussung der öffentlichen Debatte überein vollständiges Atomwaffenteststop- Abkommen und das Reagan-Tellersche Star-wars-Konzept (Strategische Verteidigungsinitiative SDI). Eine ganz andere Richtung verfolgen dagegen die gewaltfreien Aktionen amerikanischer Friedensgruppen vor den Toren das Livermore Laboratoriums.
Während ihres mehrwöchigen USA-Aufenthaltes hatten Jürgen Altmann und Jürgen Scheffran die Gelegenheit eines Gesprächs mit Hugh DeWitt, einem langjährigen Mitarbeiter am Lawrence Livermore Laboratory. DeWitt hat sich auch in zahlreichen Veröffentlichungen als Rüstungskritiker profiliert.
Die mit der Stationierung der neuen Mittelstreckenraketen einhergehenden Friedensdiskussionen in der Psychologie vermittelten den Eindruck, als sei diese eine „friedliebende Wissenschaft“ - bei einer genaueren Betrachtung allerdings zeigten sich Risse in diesem Bild (vgl. ausführliche Darstellungen bei Brieler 1985; Mohr 1984; Riedesser, Verderber 1985).