Im Kontext des Kriegs in der Ukraine wurde im März 2023 öffentlich bekannt, dass die britische Regierung überlegte, die „panzerbrechende Munition“ für die von ihr an die Ukraine gelieferten Panzer mitzuliefern.

In den vergangenen 30 Jahren ist vielfach versucht worden, zu dokumentieren, welche Langzeitauswirkungen diese Munition auf Bevölkerung und Umwelt haben kann. Einige Beiträge dazu sind auch in W&F erschienen.

Da die Verwendung der Munition potentiell dramatische Folgen für die Ukraine selbst haben kann, dokumentieren wir hier die Veröffentlichungen aus der Vergangenheit zu Informations- und Diskussionszwecken gebündelt in einem „virtuellen Dossier“.

  • in Ausgabe 2/1999 eröffnet die Redaktion im Hinblick auf den Einsatz im Krieg gegen Jugoslawien/Serbien 1999 mit einem Editorial, das auf die seit dem Golfkrieg 1991 etablierten Risiken von Uranmunition – primär für die Menschen, die mit ihr nach einem Treffer in Berührung kommen – hinweist. Im Beitrag wird der damalige Außenminister Fischer mit den Worten zitiert: „Dem Auswärtigen Amt ist bekannt, dass solche Munition im Kosovo-Konflikt zum Einsatz kommen kann… [Es] ist jedoch davon auszugehen, dass Gefährdungen der von Ihnen beschriebenen Art für Mensch und Umwelt nicht auftreten.“
  • in Ausgabe 2/2001 erörtert Rolf Bertram dann das damalige Wissen zu Gesundheitsgefahren dieses Munitionstyps. Sein Fazit: „Die Gesundheitsschäden durch radioaktiven Staub werden simultan durch Radioaktivität und chemische Toxizität hervorgerufen.“
  • In der gleichen Ausgabe 2/2001 führt Manfred Mohr (IALANA) seine völkerrechtlichen Vorbehalte gegen die Verwendung von DU-Munition aus. Dabei kommt er zu folgender offnungsvoller Einschätzung. „Zur Bekräftigung und Umsetzung dieser Rechtslage sollte schnellstmöglich eine spezielle Übereinkunft über die Nichtanwendung und allgemeine Ächtung von DU-Waffen erarbeitet werden.[…] In jedem Fall wäre eine spezielle DU-Übereinkunft ein wirksamer Schritt zur Durchsetzung der allgemeinen Waffenverbote des humanitären Völkerrechts; für die Ächtung und Beseitigung dieser gefährlichen, inhumanen Waffe unerlässlich. Für das erfolgreiche Beschreiten eines solchen Prozesses bestehen gute Aussichten.“ Ein solches Abkommen wurde nie angestrebt und auch nicht verabschiedet – bis heute besteht keine internationale Ächtung dieses Munitionstyps.
  • Um dem Thema etwas detaillierter nachzugehen veröffentlichte W&F 2008 das Dossier 56 „Kriegführung mit Urangeschossen“ in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis für Friedenspolitik und der IWIF. Die Autor*innen Brigitte Runge und Fritz Vilmar tragen in diesem Dossier den damaligen Wissensstand zur Uranmunition zusammen und kommen zu folgender Einschätzung: „Die eigentliche Katastrophe der Erfindung und des Einsatzes dieser »kleinen«, unscheinbaren Nuklearwaffen der »depleted uranium«(DU)-Waffen-Gattung ist der weitgehende Mangel ihrer angemessenen öffentlichen und offiziellen Wahrnehmung. Weder die Soldaten noch die Zivilbevölkerung in den betroffenen Waffengattungen bzw. Bereichen erhielten eine auch nur einigermaßen realistische Information über die hohe, tödliche Gefährlichkeit des radioaktiven Staubes, der durch die Explosion dieser Geschosse freigesetzt wird […]. Die internationale Friedensbewegung hat, von wenigen Ausnahmen abgesehen, angesichts dieser tödlichen Weltbedrohung versagt, obwohl die heimtückischen kleinen Uranwaffen inzwischen seit anderthalb Jahrzehnten in den Militärdepots existieren und in Kriegen (Kosovo, wahrscheinlich Afghanistan, Kuwait, Irak, wahrscheinlich Libanon) mit verheerenden Folgen »erprobt« wurden. Wie in unserem abschließenden Teil ausgeführt, sind Maßnahmen in Gang zu bringen und wesentlich zu intensivieren, die die Friedensbewegung in vorderster Reihe propagieren müsste, insbesondere eine Kampagne weltweiter Information auf wissenschaftlicher und allgemeinpublizistischer Ebene. Ferner die Organisation einer internationalen Forschungskampagne, die genauere Kenntnisse über die Folgen der Uranstaub-Infektion und mögliche Therapien zum Ziele haben müsste. Nicht zuletzt aber müsste die Friedensbewegung soweit wie möglich, durchaus auch »subversiv«, Informationen über die Lagerung von DU-Munition und stattfindende Manöver/Übungen mit dieser Munition veröffentlichen.Eine besondere, nicht zuletzt völkerrechts-gestützte Kampagne der Friedensbewegung und aller verantwortungsbewussten friedenspolitisch aktiven politischen Gruppierungen müsste auf das absolute Verbot und die Kriminalisierung dieser Waffen hinzielen.“
  • Mit einem Bericht zu einem Workshop zu „Toxischen Rückständen“ 2012 und einer Konferenz zur Verwendung von Uranmunition im Krieg gegen Jugoslawien 1999 kommt das Thema durch Manfred Mohr noch zweimal in den folgenden Jahren im Heft vor. Allerdings wird deutlich, dass es auch weiterhin keine signifikanten internationalen Bemühungen um die Regulierung von Urangeschossen gibt.
  • Natascha Mueller-Hirth verweist in ihrem Beitrag zu „Slow Violence“, also den zeitlich langandauernden und sich als Gewalt konstituierenden Effekten von Taten (kriegerischen wie nicht kriegerischen), auch auf die Umweltwirksamkeit von Uranmunition mit Bezug auf die Verwendung im Irakkrieg ab 1991.