Engagement alleine reicht nicht

Engagement alleine reicht nicht

Die Friedensarbeit professionalisieren

von Christiane Lammers

Rwanda, Bosnien-Herzegowina und Kosovo auf der einen Seite – Gewalt von SchülerInnen, rechtsradikale Terrorakte und eskalierende politische Auseinandersetzungen um Flughafenausbau, Castortransporte u. Ä. auf der anderen Seite haben in den letzten Jahren das Bewusstsein dafür geschärft, dass es einen dringenden gesellschaftlichen Bedarf an Kenntnissen und Fertigkeiten zum Umgang mit Konflikten gibt. Es ist eine Nachfrage nach professionellen Friedensfachkräften entstanden, der bisher kein adäquates personelles Angebot gegenübersteht. Zwar haben sich etliche Engagierte und »Friedensbewegte« im Laufe der Jahre mehr oder weniger autodidaktisch selbst qualifiziert, an ein professionelles Handeln müssen jedoch höhere Ansprüche gestellt werden. Learning by doing allein reicht nicht mehr angesichts der gewachsenen Anforderungen. Damit steht die Frage nach einem sowohl horizontal wie vertikal differenzierten Ausbildungssystem auch in Deutschland auf der Tagesordnung. Spät im Vergleich zum angloamerikanischen oder skandinavischen Raum, denn dort hat die Ausbildung von wissenschaftlichem Nachwuchs in der Friedensforschung und von FriedensarbeiterInnen für die Praxis schon eine jahrzehntelange Tradition.

In Deutschland gibt es bisher nicht einmal eine einheitliche Begriffsbildung für die friedensbezogenen Berufe.1 Wer sich als FriedensarbeiterIn, FriedensforscherIn oder FriedenswissenschaftlerIn bezeichnet, gerät schnell in Ideologieverdacht. Die im Vergleich zu anderen Ländern verspätete Entwicklung hängt mit verschiedenen Faktoren zusammen:

  • Trotz des Subsidiaritätsprinzips werden die sozialen Fragen in Deutschland im Wesentlichen dem Staat zugeschrieben. Damit wird deren Bearbeitung unmittelbar abhängig vom Staatshaushalt sowie von den Entscheidungen einiger weniger politischer HandlungsträgerInnen. In den USA ist das Sozial- und Gemeinwesen dagegen weitgehend entstaatlicht/privatisiert und in den Händen von zivilgesellschaftlichen Organisationen. Die positive Kehrseite dieses Systems ist, dass sich dort die Nachfrage nach entsprechend ausgebildetem Personal unmittelbarer entwickeln konnte und durch ebenfalls nicht-staatliche Ausbildungsinstitutionen gedeckt wird.
  • Aufgrund der Tabuisierung militärischen Eingreifens und einer insgesamt zurückhaltenderen internationalen Machtpolitik in den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik entstand für den internationalen Bereich kein unmittelbarer Bedarf an personellen »Gegenkapazitäten«. In den USA wirkte sich das Großmacht-Bewusstsein umgekehrt aus. Schon 1948 wurde dort der erste akademische Ausbildungsgang in der Friedenswissenschaft implementiert, inzwischen gibt es an fast allen großen Universitäten friedenswissenschaftliche Forschung und Lehre.

Jedoch nicht nur die gesellschaftliche Verfasstheit und die politischen Umstände sind ausschlaggebend für die international divergierende Entwicklung von Professionalität. Als ein wesentliches Hindernis erweist sich in der Bundesrepublik auch das größtenteils staatlich organisierte und strukturkonservative Ausbildungssystem, das Innovationen eher verhindert als fördert und oftmals auch nicht bedarfsorientiert ausbildet.

An der detaillierteren Darstellung des derzeitigen Angebots an friedenswissenschaftlichen Aus- und Weiterbildungen (siehe Kasten) wird dies sehr deutlich: Es gibt nur zwei Angebote, die innerhalb des Standardausbildungssystems (Fachschulen, Fachhochschulen, Universitäten) entwickelt wurden und mit einem in diesem System üblichen Abschluss zertifiziert werden.

Universitäre Studienangebote

Seit über 20 Jahren wird in Aufsätzen und Artikeln zu den Perspektiven der Friedenswissenschaft in der Bundesrepublik immer wieder bedauert, dass es keinen Studiengang »Friedens- und Konfliktforschung« gibt. Leider hat auch die Initiative einiger BildungsministerInnen Mitte der 80er Jahre für ein ausdrückliches Verbot militärischer Forschung an den Hochschulen nicht zu der Konsequenz eines ausdrücklichen Gebots von Friedensforschung geführt.

In den letzten fünf Jahren hat sich jedoch Wesentliches verändert: An mehreren Universitäten (Tübingen, Marburg, Hagen, Osnabrück, Frankfurt/M.) gibt es erfolgreiche oder zumindest erfolgversprechende Initiativen zur Implementierung der Friedens- und Konfliktforschung. In der Regel ist der erste Schritt die Integration in einen bestehenden Studiengang (Tübingen, Marburg). Für die Forschung (Theoriebildung, Methodenentwicklung) und fachliche Anerkennung der Friedenswissenschaft kann dieses Modell förderlich sein, bezogen auf den inter- oder transdisziplinären Anspruch der Friedenswissenschaft ist es jedoch eher begrenzt tauglich. Kaum übertragbar ist dieses Modell auf nicht-gesellschaftswissenschaftliche Fächer, wie z.B. die Naturwissenschaften. Möglicherweise ergeben sich positive Effekte durch die bundesweit angestrebte Einführung einer neuen Studienstruktur (bachelor, master). Bei dieser Studienreform geht es sowohl um die Verkürzung der Studienzeiten (um Geld einzusparen) als auch um die Förderung angewandter oder berufsbezogener Wissenschaft. Zum jetzigen Zeitpunkt, da selbst die Festlegung der formalen und inhaltlichen Strukturen des neuen Systems noch von Fachbereich zu Fachbereich und von Universität zu Universität divergiert, lässt sich noch nicht absehen, ob das Aufbrechen der alten Studienstrukturen auch Türen für die Friedenswissenschaft öffnet. Angesichts des Damoklesschwerts der Finanzhaushalte gibt es allerdings kaum Grund für Optimismus.

Die zweite Neuerung des Hochschulsystems wirkt sich von außen betrachtet ebenfalls positiv für die Friedenswissenschaft aus: Die Hochschulen werden zunehmend freie Anbieterinnen auf dem Weiterbildungsmarkt und damit ergibt sich auch für die Friedenswissenschaft die Möglichkeit, sich bedarfsorientiert zu plazieren. Vier Angebote (Bochum, Oldenburg und 2x Hagen) aus der Tabelle der wissenschaftlichen Studienangebote sind in diesem Bereich angesiedelt. Die negativen Seiten sind jedoch beachtenswert:

  • Die Angebote sind kostenpflichtig (1.500,- DM bis 4.000,- DM pro Semester),
  • die Zertifizierung der Studienabschlüsse ist rechtlich nicht geschützt und weniger aussagekräftig als normal üblich,
  • die Unterwerfung unter das Wirtschaftlichkeitsprinzip kann dazu führen, dass auch hier sich die Mechanismen des Marktes (Verwertbarkeitsprinzip, Verdrängungsmechanismus) durchsetzen.

Man darf gespannt sein, ob das in der Bundesrepublik bisher einmalige Projekt: ein grundlagenorientiertes, interdisziplinäres friedenswissenschaftliches Weiterbildungsstudium, dessen Beginn für das SS 2001 von der FernUniversität Hagen geplant ist, sich als marktfähig erweist.

Praxisorientierte Weiterbildungsangebote

Eine Berufsausbildung zur Friedensarbeiterin/zum Friedensarbeiter gibt es bisher nicht in der Bundesrepublik. Wer Kenntnisse und Fähigkeiten erwerben will, muss dies normalerweise berufsbegleitend in Form von Fortbildungen tun. In den letzten 15 Jahren haben sich eine Reihe von Bildungsträgern – vor allem von »Friedensbewegten« gegründete »alternative« Bildungswerke – als Anbieter hervorgetan, so dass es inzwischen eine Reihe von strukturierten Fort- und Weiterbildungsangeboten gibt.

Für die innergesellschaftliche Friedensarbeit sind es vorwiegend MultiplikatorInnen- oder TrainerInnen-Ausbildungen mit Bezug zur »gewaltfreien Aktion«. Auch für diese Angebote gelten die schon oben beschriebenen Nachteile: nicht-geschützte Zertifikate und Wirtschaftlichkeitszwang. Da meist eher mittelmäßig verdienende Berufsgruppen angesprochen werden und Fortbildungen sich finanziell für diese i.d.R. nicht auszahlen, sind das Engagement und die Selbstausbeutung der Anbietenden sehr groß, um die Kosten gering zu halten. Die staatlichen Zuschüsse, etwa geregelt über die Landesgesetze für Weiterbildungsträger, sind gering. Darüber hinaus gestellte Projektanträge für Drittmittel bedeuten Planungsunsicherheit und Diskontinuität..

Eine Ausnahme ist der Bereich »Mediationsverfahren«. Hier gibt es ein umfangreiches Angebot und vielfältige Anbieter, inzwischen haben sich Berufsverbände für Teilbereiche gegründet und es gibt Bestrebungen ein geschütztes Zertifikationssystem zu entwickeln. Ein Grund für diese relativ weit gediehene Infrastruktur bzw. Institutionalisierung ist, dass es sich hier um ein vielfältig anwendbares Konfliktbearbeitungsverfahren – einsetzbar von der Ehescheidung über Planungsverfahren bis hin zu betrieblichen Konflikten – handelt, für dessen Anwendung oft auch wirtschaftliche Interessen sprechen. So kann Mediation z.B. helfen kostenintensive juristische Verfahren einzusparen oder zumindest zu verkürzen.

Im Bereich der internationalen Friedensarbeit hat sich Wesentliches verändert: Mit dem Regierungswechsel ist auch das Verantwortungsbewusstsein für nichtmilitärische internationale Konfliktbearbeitung und die Ausbildung hierfür in Ministerien gewachsen. So bietet das Auswärtige Amt inzwischen einen zweiwöchigen offen ausgeschriebenen Lehrgang für potenzielle MitarbeiterInnen internationaler Einsätze an und das Entwicklungsministerium hat einen Haushaltstitel zur Finanzierung von Projekten des zivilen Friedensfachdienstes eingerichtet. Dazu gehört auch die Ausbildung für diesen Dienst. So erfreulich diese Initiativen sind, die Praxis erfordert Kritik:

  • Der zweiwöchige Lehrgang des Auswärtigen Amtes, der eine sehr hohe Bewerbungsquote hat, ist vom zeitlichen Umfang völlig unzureichend und auch die inhaltliche Ausgestaltung weist einige Mängel auf (siehe Rolf Paasch: Auf den Minenfeldern der Konfliktlösung, in www.fr-aktuell.de/fr/spezial/kosovo/t712059.htm und Monika Bendler/Winrich Kühne: Ausbildung und Rekrutierung von nichtmilitärischem Personal für Konfliktprävention und Friedenseinsätze. Bestandsaufnahme, Erfahrungen und Empfehlungen für einen substantiellen Beitrag der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von der Stiftung Wissenschaft und Politik, Ebenhausen 1999). Von außen betrachtet scheint dieser Lehrgang eher eine Feigenblattfunktion zu erfüllen. Sinnvoller wäre es ein eigenständiges Berufsausbildungsprofil zu entwickeln, in das friedenswissenschaftliche Kenntnisse strukturell eingebunden sind. Der Vorschlag des Vorstandes der Arbeitsgemeinschaft für Friedens- und Konfliktforschung (siehe Memorandum zum Regierungswechsel von 1998, zu beziehen über die Autorin) friedenswissenschaftliche Expertise unmittelbar in die Ausbildung des diplomatischen Dienstes zu integrieren, wurde bisher nicht aufgegriffen.
  • Die Bereitstellung der Mittel für Projekte des Friedensfachdienstes durch das BMZ hatte u.a. zur Folge, dass große Entwicklungsorganisationen einen neuen Zugang zur Finanzierung von Projekten gefunden haben. Wenn es hier nicht um »alten Wein in neuen Schläuchen« geht, dann müsste sich dies niederschlagen in der Konzeption der Projekte und den entsprechenden Qualifizierungsprogrammen. Die Diskussion hierzu ist in vollem Gange (siehe hierzu Konsortium Ziviler Friedensdienst: Gemeinsames Konzept für einen »Friedensfachdienst in der Entwicklungszusammenarbeit« in: www.forumzfd.de/konz-kon.htm sowie Andreas Mehler/Claude Ribaux: Krisenprävention und Konfliktbearbeitung in der Technischen Zusammenarbeit. Ein Überblick zur nationalen und internationalen Diskussion, Wiesbaden 2000).

Mindestanforderungen an ein Qualifizierungssystem für die Friedensarbeit

Aus dem Überblick über das derzeitige Qualifizierungsangebot ergeben sich fünf strukturelle Anforderungen zur weiteren Ausdifferenzierung:

  • Grundständige Ausbildungs- und Studienangebote sollten auf allen Ebenen des vertikalen Ausbildungssystem geschaffen werden;
  • in den bestehenden Ausbildungsgängen sollte Kompetenz für Friedensarbeit als fester Bestandteil integriert sein;
  • neben einem möglichst vielfältigen berufs- und disziplingebunden Angebot sollte es ein eigenständiges, interdisziplinäres Angebot der Friedenswissenschaft/Friedensarbeit geben;
  • Weiterbildungen sollten Qualitätskriterien genügen und mit vergleichbaren anerkennungsfähigen Zertifikationen ausgestattet werden;
  • Fort- und Weiterbildungen sind im unmittelbaren gesellschaftlichen Interesse, d.h. sie sollten stattlich gefördert werden um sie kostengünstig anbieten zu können.

Christiane Lammers ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Landesarbeitsgemeinschaft Friedenswissenschaft in NRW und Mitglied des Vorstands der Arbeitsgemeinschaft Friedens- und Konfliktforschung (AFK)


Wissenschaftliche Studienangebote

Aufgelistet sind nur die auf ein spezifisches Zertifikat ausgerichteten und damit strukturierten friedenswissenschaftlichen Studienangebote. Nicht aufgenommen sind einzelne Seminare. Die Auflistung steht unter dem Vorbehalt »work in process«. Bisher gibt es für den Bereich »Qualifizierungsangebote in der Friedensarbeit« noch keine umfassende Handreichung oder linkliste. Im Rahmen des 2001 in Hagen beginnenden Weiterbildungsstudium »IF« ist u.a. geplant, diese innerhalb der multimedialen »Lernumgebung« einzurichten.

Träger: Eberhard Karls-Universität Tübingen, Institut für Politikwissenschaft
Art: Erstes oder zweites Hauptfach im Magisterstudiengang
Inhalte: Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Internationale Beziehungen/Friedens- und Konfliktforschung
Infoadresse: s.o., Melanchthonstr. 36, 72074 Tübingen, www.uni-tuebingen.de/uni/spi/ab2mitar.htm

Träger: FernUniversität Hagen, Institut Frieden und Demokratie
Art: Berufsbegleitendes zweisemestriges interdisziplinäres friedenswissenschaftliches Weiterbildungsstudium »Konflikt und Frieden« (IF) im Fernstudium mit Präsenzanteilen mit Hochschulzertifikat (Beginn: SS 2001)
Inhalte: Friedenswissenschaftliches Grundlagenwissen, Wahlschwerpunkte »innergesellschaftliche Konflikte« und »internationale Konflikte«
Infoadresse: s.o., Im Dünningsbruch 9, 58084 Hagen, www.fernuni-hagen.de/FRIEDEN

Träger: FernUniversität Hagen, Lg. Öffentliches Recht, Juristische Rhetorik und Rechtsphilosophie
Art: Berufsbegleitendes zweisemestriges Weiterbildungsstudium »Mediation« im Fernstudium mit Präsenzanteilen mit Hochschulzertifikat
Inhalte: Mediation als Teil des Rechtsverfahrens mit Wahlschwerpunkten Umwelt-, Familien- und Wirtschaftsmediation
Infoadresse:, s.o., Feithstr. 140, 58084 Hagen, www.fernuni-hagen.de/OERV/Redaktion.html

Träger: Hessische Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung/Atlantische Akademie Rheinland-Pfalz
Art: Frühjahrsakademie mit Abschlusszertifikat
Inhalte: Friedenswissenschaftliche Themen mit politikwissenschaftlichem Schwerpunkt
Infoadresse: HSFK, z.Hd. Dr. B. Meyer, Leimenrode 29, 60322 Frankfurt/M. www.hsfk.de

Träger: Philipps-Universität Marburg, Institut für Soziologie
Art: Nebenfachstudiengang »Friedens- und Konfliktforschung« im Diplomstudiengang Soziologie
Inhalte: Konflikttheorie, -analyse und -bearbeitung mit Schwerpunkt auf innergesellschaftliche Konflikte
Infoadresse: s.o., Ketzerbach 11, 35032 Marburg, www.uni-marburg.de/fb03

Träger: Ruhr-Universität Bochum, Institut für Friedenssicherungsrecht und humanitäres Völkerrecht, und 14 weitere europ. Universitäten
Art: Zweisemestriger Postgraduierten-Studiengang mit Master-Abschluss: »European master's Degree in Human Rights and Democratization«
Inhalte: Multidisziplinäres Programm zu Menschenrechte und Demokratie (Geschichte, Politik, internationale Gesetzgebung, Durchsetzung)
Infoadresse: s.o. (IFHV), Universitätsstr. 150, 44780 Bochum, www.ruhr-uni-bochum.de/ifhv

Träger: Carl v. Ossietzky-Universität Oldenburg, Abt. für psychosoziale Weiterbildung
Art: Fünfsemestriges Kontaktstudium »Mediation« in Form von Wochenendseminaren
Inhalte: Wahlschwerpunkte Familien-, Umwelt, Wirtschafts- und Organisationsmediation
Zielgruppe: PädagogInnen, JuristInnen, PsychologInnen, WirtschaftswissenschaftlerInnen, Fachkräfte in Organisationen und Verwaltung
Infoadresse: s.o., Postfach 2503, 26111 Oldenburg, www.uni-oldenburg.de/ZWW

Anmerkung:

Die Mitte der 80er Jahre an manchen Hochschulen zusammengestellten friedensspezifischen Vorlesungsverzeichnisse sowie die mancherorts durchgeführten Ringvorlesungen gibt es fast ausnahmslos nicht mehr. Einen Eindruck vom heutigen Lehrangebot vermitteln zwei Länderstudien: Friedenswissenschaft in Niedersachsen. Lehre – Forschung – Umsetzung, bearbeitet von Gudrun Schwarzer, hrsg. vom Projektverbund Friedens- und Konfliktforschung in Niedersachsen, Osnabrück 1998; und: Zum Stand der Friedenswissenschaft (Friedensforschung, Friedenslehre) an den Hochschulen in Nordrhein-Westfalen, von Christiane Lammers/Hajo Schmidt, Hagen 1995.

Liste von praxisorientierten Weiterbildungsangeboten

Liste von praxisorientierten Weiterbildungsangeboten

Internationale Friedensarbeit

Träger: Auswärtiges Amt
Art: Zielorientierte Lehrgänge von zweiwöchiger Dauer
Inhalte/Schwerpunkte: UN- und OSZE-Friedensmissionen
Zielgruppe: Potenzielle MitarbeiterInnen internationaler Einsätze
Infoadresse: Auswärtiges Amt, Referat 203, Koordinator für die Ausbildung von zivilem Personal für internationale Einsätze, Adenauerallee 99-103, 53113 Bonn, www.Auswaertiges amt.de

Träger: Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe e.V.
Zielgruppe: Fachkräfte des zivilen Friedensdienstes
Art: Vier bis sechsmonatige Fortbildungen
Infoadresse: s.o., Abt. für intern. Zusammenarbeit und Begleitung, Riquarenstr. 8, 50679 Köln

Träger: Deutsche Stiftung für internationale Entwicklung
Art: Fünftägige Seminare und Trainingskurse
Inhalte/Schwerpunkte: Interkulturelle Kommunikation und Konfliktmanagement
Zielgruppe: Fachkräfte der Entwicklungsarbeit, die von deutschen Organisationen entsandt werden
Infoadresse: s.o., Zentralstelle für Auslandskunde, Lohfelder Str. 128, 53604 Bad Honnef, www.dse.de/za/za.htm

Träger: AG Modellvorhaben »Ausbildung in ziviler Konfliktbearbeitung«/Forum Ziviler Friedensdienst
Art: Dreimonatiges Qualifizierungsprogramm für Friedensfachkräfte
Inhalte /Schwerpunkte: Vorbereitung eines mindestens zweijährigen Einsatzes als Friedensfachkraft
Infoadresse: s.o. Wesselstr., 53113 Bonn, www.forumzfd.de

Träger: Bildungs- und Begegnungsstätte für gewaltfreie Aktion – Kurve Wustrow
Art: Zweiwöchiges InternationalesTraining zur Ausbildung von Peace-Team-Freiwilligen
Inhalte/Schwerpunkte: Gewaltfreiheit im Kontext von Krieg und bewaffnetem Konflikt
Infoadresse, s.o. Kirchstr. 14, 29462 Wustrow, www.apc.de/kurvewustrow/fried/index.html

Innergesellschaftliche Friedensarbeit

Träger: Arbeitsgruppe SOS-Rassismus NRW
Art: Zwölfmonatiger berufsbegleitender Ausbildungsgang zur Trainerin/zum Trainer für Muliplikatorenseminare und projekte
Inhalte/Schwerpunkte: Deeskalation von Gewalt und Rassismus, besonders in Schule, Jugendhilfe, präventiver Polizei- und Justizarbeit
Infoadresse: s.o., c/o Amt für Jugendarbeit der Evangelischen Kirche von Westfalen, Haus Villigst, 58239 Schwerte

Träger: Bildungs- und Begegnungsstätte für gewaltfreie Aktion – Kurve Wustrow
Art: Dreijährige berufsbegleitende Ausbildung zum Trainer/zur Trainerin
Inhalte/Schwerpunkte: Gewaltfreies Handeln
Infoadresse, s.o. Kirchstr. 14, 29462 Wustrow, www.apc.de/kurvewustrow/fried/index.html

Träger: Bund für Soziale Verteidigung
Art: Mehrstufige Ausbildung in je fünftägigen Seminaren zum Trainer/zur Trainerin
Inhalte/Schwerpunkte: Gewaltfreiheit und kreative Konfliktlösung
Zielgruppe: Personen, die in diesem Bereich handeln wollen
Infoadresse: s.o., Ringstr. 9a. 32427 Minden, www.dfg-vk.de/bsv/index.html

Träger: Europäisches Institut Conflict-Culture-Cooperation
Art: Mehrstufige Ausbildung fortlaufend über 31/2 Jahre zum Trainer/zur Trainerin
Inhalte/Schwerpunkte: Zivile und gewaltfreie Konfliktaustragung, interkulturelle Pädagogik
Zielgruppe: Aktive in der Menschenrechts-, Friedens- Entwicklungs- und Umweltarbeit, pädagogische MitarbeiterInnen
Infoadresse: Karl-Heinz Bittl, Hessestr. 4, 90443 Nürnberg

Träger: Fränkisches Bildungswerk für Friedensarbeit
Art: Diverse mehrstufige Ausbildungen zum Trainer/zur Trainerin
Inhalte/Schwerpunkte: 1. Interkulturelles Lernen und Zusammenarbeiten; 2. Zivile und gewaltfreie Konfliktaustragung; 3. Streitschlichterprogramme
Infoadresse: s.o., Hessestr. 4, 90443 Nürnberg, www.friedensdienst.de/fbf.html

Anmerkungen:

Nicht aufgelistet wurden einschlägige Fortbildungsangebote im Bereich Pädagogik, Psychologie und Sozialarbeit. Hier gibt es gerade für die innergesellschaftliche Konfliktbearbeitung traditionell sehr viele Angebote, aktualisiert auf die jeweils akuten gesellschaftlichen Problemlagen bzw. deren Wahrnehmung. Zur näheren Information ist es hilfreich sich an die einschlägigen Fachverbände und/oder die Landesinstitute für Schule und Weiterbildung wenden.

Anmerkungen

1) Nicht differenziert eingegangen wird in diesem Beitrag auf ein inhaltliches Anforderungsprofil der Friedensarbeit bzw. der Friedenswissenschaft. Hierzu sei z.B. verwiesen auf die Initiativgutachten, die im Vorfeld der Gründung der Deutschen Stiftung für Friedensforschung im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung erarbeitet wurden.

Auf den Bereich Mediation haben sich in den letzten fünf Jahren zahlreiche Bildungseinrichtungen spezialisiert; aufgeführt wurden in der Liste lediglich die wiss. Weiterbildungsangebote von Hochschulen. Interessierte sollten sich zur weiteren Information an die bundesweiten Netzwerke bzw. Dachorganisationen (z.B. Mediation e.V., Rosenanger 20, 31595 Steyerberg) zu wenden.

ZKB und ZFD

ZKB und ZFD

Ergänzung oder Alternative zu militärgestützter Politik?

von Andreas Buro

Erfreulicherweise haben in den letzten Jahren die Diskussionen und Aktivitäten zu den Themen Zivile Konfliktbearbeitung (ZKB) und Ziviler Friedensdienst (ZFD) nicht nur in Deutschland stark zugenommen. Der Begriff der ZKB findet zunehmend Eingang in die öffentliche Diskussion ebenso wie der des ZFD, der für viele sehr konkret vorstellbar ist. Eine Plattform ZKB wurde gebildet. Das Forum ZFD wurde gegründet und hat sich der Verwirklichung solcher Dienste und Projekte verschrieben. Es ist selbstverständlich, dass mit dieser neuen Orientierung der vergangenen Dekade viele Fragen und Schwierigkeiten auftauchen. Einer der zentralen Diskussionspunkte betrifft die Frage, ob denn die Entfaltung der anvisierten Alternative überhaupt möglich sei angesichts der benötigten finanziellen Mittel, die realistischerweise nur aus den öffentlichen Kassen kommen könnten.

Der Autor geht in diesem Artikel einer zweiten Grundsatzproblematik nach, nämlich der Gefahr, ZKB und ZFD könnten leicht in den Sog militärgestützter Politik kommen und die ursprüngliche Motivation und Zielrichtung, eine Alternative zum politisch-militärischen Konfliktaustrag anzustreben, verlieren. Mit dieser Problematik wird das Verhältnis von ZKB zu Staat, militärgestützter Politik und zum Militär angesprochen.

Der General und Militärtheoretiker Carl von Clausewitz beschreibt in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts eindringlich, dass Krieg und damit auch das jeweilige Militär Mittel der Politik seien: „Wir behaupten dagegen, der Krieg ist nichts anderes als eine Fortsetzung des politischen Verkehrs mit Einmischung anderer Mittel. Wir sagen mit Einmischung anderer Mittel, um damit zu behaupten, dass dieser politische Verkehr durch den Krieg selbst nicht aufhört, nicht in etwas ganz anderes verwandelt wird, sondern dass er in seinem Wesen fortbesteht, wie auch seine Mittel gestaltet sein mögen, deren er sich bedient, und dass die Hauptlinien, an welchen die kriegerischen Ereignisse fortlaufen und gebunden sind, nur seine Lineamente sind, die sich zwischen den Kriegen durch bis zum Frieden fortziehen. Und wie wäre es anders denkbar? Hören denn mit den diplomatischen Noten je die politischen Verhältnisse verschiedener Völker und Regierungen auf ? Ist nicht der Krieg bloß eine andere Art von Schrift und Sprache ihres Denkens?« (Carl von Clausewitz: Vom Kriege, TB-Ausgabe Berlin 1980, S. 674/5, zit. nach Senghaas, Dieter: Rückblick auf Clausewitz, in: Günter Dill (Hg.): Clausewitz in Perspektive, Frankfurt-Berlin-Wien 1980)

Über das Werk von Clausewitz und seinen historischen Erfahrungshintergrund ist viel debattiert worden (s. z.B. Dill, G. ebd.). Wichtig ist in unserem Zusammenhang Clausewitz' Sichtweise der engen Verbindung zwischen Politik und Krieg sowie von Militär als einem ständigen Instrument zur Gestaltung von Politik. Freilich wird man nach den Erfahrungen des totalen Krieges die großen Unterschiede zu den feudalen Kriegen im 18. und 19. Jahrhundert zu beachten haben, insbesondere dass der Krieg »das letzte Mittel« sei, auf das die Konflikteskalationsleitern sich ausrichten. Der ständig weitere Ausbau von Rüstung nach Zerstörungskraft und kontinentüberschreitenden Einsatzmöglichkeiten in der Gegenwart ist trotzdem eine deutliche Bestätigung des Satzes von Clausewitz, dass der Krieg bloß eine andere Art von Schrift und Sprache der Politik sei. Dies gilt auch, wenn die Politik auf den Samtpfoten der bewaffneten Friedenslyrik von Stufe zu Stufe auf die »humanitäre Intervention« zuschreitet. Krieg wird so zwar als Sonderfall wahrgenommen, ist aber als Option ein ständiges Element von Politik. Wir sprechen deshalb von militärgestützter Politik.

Solche Politik hat selbstverständlich nicht nur Militär als Mittel ihrer Verwirklichung, sondern viele andere Optionen, die im Konfliktfall dem »letzten Mittel« vorgelagert sind und in ihrer Anwendung von dem »letzten Mittel« bestimmt werden. Diese Grundsituation lässt sich am Verlauf des NATO-Jugoslawien-Krieges von 1999 gut erkennen. Ohne die Option des Krieges, der von der NATO mit großen Siegeschancen kalkuliert werden konnte, wären Scheinverhandlungen wie in Rambouillet/Paris undenkbar gewesen. Man hätte ernsthaft um Kompromisse ringen müssen.

Das Militär hat sich viele zusätzliche Bereiche angelagert

Aber nicht nur die Politik, sondern auch das Militär selbst hat sich im Laufe der historischen Entwicklung eine Fülle zusätzlicher Mittel und Instrumente angegliedert. Hier mögen Stichworte genügen: Das Sanitätswesen zur Wiederinstandsetzung beschädigter SoldatInnen. Der riesige Bereich der Ingenieurskunst, der in der Entwicklung immer neuer Waffensysteme sich zu engagieren hat. Die Psychologie für Propaganda und psychologische Kriegsführung. Die Informationstechnologie zur Erkundung/Spionage, Führung von Streitkräften, Lenkung von Waffensystemen usw. Militär benötigt ferner Katastrophenschutzsysteme, GeographInnen, LandeskundlerInnen, MeteorologInnen usw. Es dürfte kaum einen Bereich geben, der nicht in dieser oder jener Weise dem Militär für seine Vorbereitung auf mögliche Kriege zugeordnet worden ist.

Die Auflösungskriege im ehemaligen Jugoslawien, die zu NATO-dominierten Protektoraten führten, zeigen nun, dass auch zur Kriegsnachsorge spezielle Kräfte benötigt werden, um es der Politik zu ermöglichen, die dortigen durch den Krieg zugespitzten Verfeindungen zu entschärfen, die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse zu verbessern, um so die Protektorate überhaupt regierbar zu machen. Diese Leistungen kann das Militär nicht erbringen. SoldatInnen mit ihrer kriegsorientierten Ausbildung können PolizistInnen nur mangelhaft ersetzen und für Versöhnungsarbeit sind sie überhaupt nicht trainiert. Was liegt näher, als zivile »Friedensdienste« hierfür auszubilden und einzusetzen. Diese Funktionen könnten sogar auch »zivilgesellschaftliche« Gruppierungen zum Teil übernehmen, die vom Staat unabhängig ihre Projekte besonders im Bereich der »Nachsorge« verfolgen.

Dilemma der Friedens- und Versöhnungsarbeit

Ein potenzielles Dilemma der Friedens- und Versöhnungsarbeit wird erkennbar:

ZKB und ZFD können sich in Arbeitszusammenhänge begeben oder durch die Umstände gedrängt werden – auch ohne finanziell abhängig zu sein –, in denen sie nicht mehr die von ihnen ursprünglich angestrebte Überwindung militärgestützter Politik verfolgen, sondern in eine Rolle als Hilfskraft für die herrschende Politik geraten. Besonders gefährdet scheint mir der Bereich der humanitären Hilfe zu sein, der nicht friedenspolitisch kalkuliert ist. Einen Fingerzeig für solche Integrationsbemühungen in die herrschende Politik lieferten die ersten »Friedensdienst«-Gesetzentwürfe von SPD und CDU, die im Wesentlichen auf einen technischen Hilfsdienst zielten.

Die Gefahr einer Vereinnahmung für andere Zwecke durch die herrschende Politik ist seit der Bundestagswahl 1998 gestiegen. Von vielen Seiten richteten sich große Hoffnungen auf eine neue Friedenspolitik einer rot-grünen Bundesregierung. Im Koalitionsvertrag war von der Außenpolitik, die Friedenspolitik sein sollte, die Rede. Dort versprach die rot-grüne Regierung, sich „mit aller Kraft um die Entwicklung und Anwendung von wirksamen Strategien und Instrumenten der Krisenprävention und der friedlichen Konfliktregulierung“ zu bemühen. Nach fast zwei Jahren zeichnen sich jedoch ganz andere Weichenstellungen ab.

Aufrüstung und Vorbereitung auf Kriege als dominante Politikorientierung

Die erste rot-grüne Weichenstellung ist die deutsche Beteiligung am NATO-Jugoslawien-Kosovo Krieg. Sie liegt auf der Linie der früheren Kohl-Politik, systematisch alle rechtlichen und psychologischen Beschränkungen aus der Zeit nach 1945 in Hinblick auf die nationale Verwendung des deutschen Militärs abzubauen. Damit sollte Deutschland sein militärisches Potenzial in gleicher Weise wie die ehemaligen Siegermächte zum Einsatz bringen können. Der letzte Stein zur militärischen Gleichheit war der Kampfeinsatz der Bundeswehr in einem gemeinsamen Krieg mit den NATO-Alliierten. Diese Politik diente und dient nicht nur einer militärgestützten Außenpolitik, sondern auch der Stärkung der hegemonialen Position Deutschlands in der EU. Es kann nun auch seine militärische Komponenten ohne Abstriche in den Integrationsprozess einbringen.

Die zweite große Weichenstellung ist die Entscheidung der EU-Regierungen, die EU so weitgehend aufzurüsten, dass sie von den USA unabhängig Interventionskriege führen kann. Dies bringt die EU zu einer permanenten qualitativen Konkurrenzaufrüstung mit den USA, dem Ausbau einer EU-europäischen Rüstungsindustrie und einem ständigen, wahrscheinlich anschwellenden Rüstungsexport. Rot-Grün marschiert also mit großen Schritten auf die weitere und sich verstärkende Militarisierung der Außenpolitik zu.

Dem entspricht drittens, dass Rot-Grün bisher keine wesentlichen Anstrengungen gemacht hat, den OSZE-Raum zu einer Gesamteuropäischen Friedensordnung mit der Fähigkeit zu ziviler Konfliktbearbeitung auszubauen, wie es nach dem Ende des Ost-West-Konflikts in der Charta von Paris einmal vorgesehen war. Stattdessen wird die NATO als militärische »Ordnungsmacht« nach Osten erweitert. Das »Gemeinsame Haus Europa« verbleibt als Bauruine, auch wenn Berlin der OSZE ein paar mehr Millionen (Gegenwert von etwa 1-2 Panzerwagen) zur Verfügung stellt.

Berlins Förderung ziviler Konfliktbearbeitung ist dazu kein Gegengewicht

Der in der Friedensbewegung gut bekannte grüne Bundestagsabgeordnete Winni Nachtwei hat am 14.02.00 eine Übersicht zur »Förderung ziviler Interventionsfähigkeiten« der Berliner Regierung vorgelegt. Er nennt darin

  • die Förderung eines Zivilen Friedensdienstes in der Entwicklungsarbeit. Die Mittel hierfür werden in 2000 auf 17,5 Mio. DM erhöht. Eine Bundesförderung für die Ausbildung von 15 Personen für den NGO-ZFD ist eingeplant.
  • Ausbildung für zivile OSZE- und VN-Missionen betreibt das Auswärtige Amt in 14-Tage-Kursen, die 2000 auf dreistufige Lehrgänge erweitert werden sollen. 250 Personen sollen ausgebildet werden. Die Mittel steigen von 0,6 auf 2,1 Mio. DM. „Dabei wird die enge Kooperation mit bestehenden zivilen und militärischen Ausbildungsträgern (Polizei, Bundeswehr, Forum-ZFD) gesucht.“
  • Mitwirkung der BR an dem Beschluss der OSZE in Istanbul, bis Mitte 2000 »Schnelle Einsatzgruppen für Expertenhilfe und Kooperation« (REACT) sowie ein Operationszentrum zur Führung ihrer z.Zt. 19 Operationen aufzustellen. In diesem Zusammenhang steht die Bezuschussung des neugegründeten Zentrums für OSZE-Forschung in Hamburg durch das Auswärtige Amt. Es soll die Wirksamkeit verschiedener OSZE-Instrumente und die Institutionenbeziehungen bei Frühwarnung und Krisenbewältigung untersuchen.
  • Auf deutsche und schwedische Initiative beschloss der Rat der EU im Dezember 99 in Helsinki, einen »Mechanismus zur nicht-militärischen Konfliktbewältigung« zu schaffen und dafür einen Aktionsplan zu erstellen.
  • Das AA habe die Mittel zur „Unterstützung von internationalen Maßnahmen auf den Gebieten Krisenprävention, Friedenserhaltung und Konfliktbewältigung“ von 8,6 auf 28,6 Mio. DM erhöht. Hier werden höchst unterschiedliche Aktivitäten genannt, die zumindest zum Teil in den Bereich diplomatischer Aufgaben fallen. Aufgrund von Sparmaßnahmen wurden allerdings deutsche Botschaften auch in Krisengebieten geschlossen.
  • Eine Konferenzserie der BR zu »Smart sanctions – der nächste Schritt: Waffenembargos und Reisesanktionen«. Nachtwei fügt wörtlich hinzu: „Dass sich die Bundesregierung auch in der Praxis um eine Effektivierung von Sanktionen bemüht, zeigt die Politik der Staatengemeinschaft gegenüber dem Milosevic-Regime, wo sich die Bundesregierung für eine Aufhebung pauschaler Sanktionen (Ölembargo) und eine Stärkung gezielter Sanktionen (Einfrieren von Konten, Visabann für das Milosevic-Umfeld) einsetzt.“ Hat eigentlich der Versuch die Regierung in Belgrad zu stürzen etwas mit ziviler Konfliktbearbeitung zu tun?
  • Die Unterstützung der Friedens- und Konfliktforschung und den Aufbau einer unabhängigen Stiftung hierfür.

Nachtwei folgert, obwohl die Finanzausstattung im Vergleich zum Militär „lächerlich gering“ erscheinen müsse, begänne die Infrastruktur für zivile Konfliktbearbeitung zu wachsen.

Zivile Ergänzung der militärgestützten Politik?

Im Gegensatz zu Nachtwei sehe ich ganz andere Infrastrukturen wachsen. In seinem Vorwort zu der AA-Broschüre »Ausbildung für internationale Einsätze« bringt Ludger Vollmer, grüner Staatsminister im AA, die Grundorientierung auf den Punkt: „Die Kosovo-Missionen von NATO, OSZE und VN machen zugleich deutlich, wie wichtig die Zusammenarbeit von militärischen, polizeilichen und zivilen Komponenten in einem Einsatzgebiet sind.“ (S.7) Damit wird unmissverständlich ausgedrückt, es gehe nicht um die Entfaltung einer Alternative zur militärgestützten Außen- und Sicherheitspolitik, sondern um deren Perfektionierung. Der militärischen Komponente, die nachweislich viele Leistungen in einem besetzten Gebiet nicht selbst erbringen kann, soll eine zivile Komponente hinzugefügt werden. PolizistInnen, JuristInnen, Verwaltungspersonal bis hin zu Versöhnungsfachleuten, die das militärisch durchgesetzte Protektorat am Laufen halten sollen. Eine solche Ergänzungspolitik liegt durchaus in der Tradition des Militärs, sich viele eigentlich zivile Bereiche zuzuordnen. Ist aber dadurch der Charakter von militärgestützter Politik verändert worden? Im Gegenteil! Es handelt sich um Effektivierung von Militärpolitik, die auf diese Weise weitere Elemente der Politik durchdringt. So auch den rot-grünen Kurs mit seiner überwältigenden Orientierung auf militärische Aufrüstung.

Wo existiert denn eine zivile friedenspolitische Strategie Berlins? Etwa für Montenegro, das die DM als Zahlungsmittel für sein jugoslawisches Teilgebiet eingeführt hat und wo die NATO Belgrad schon wieder unverhohlen militärisch droht? Etwa für die Türkei, die im Kosovo angeblich für die Menschenrechte militärisch kämpfen durfte, die sie im eigenen Land systematisch unterdrückt? Während die PKK-KurdInnen einseitig einen Waffenstillstand verkündet haben, belohnt Berlin diese wichtige, ja dramatische friedenspolitische Weichenstellung mit einer verstärkten PKK-Verfolgung und KurdInnen-Abschiebung. Gleichzeitig liebäugelt es mit der Lieferung von 1.000 Panzern.

Der Stabilitätspakt für Südosteuropa, den die Friedensbewegung schon lange vor dem Kosovo-Krieg gefordert hatte, kommt zumindest gegenwärtig kaum voran. Offensichtlich sitzt für dieses zivile Projekt das Geld nicht so locker wie für Aufrüstung und Militärinterventionen. Auch hat man Serbien den Zugang zu diesem wichtigen Projekt versperrt und ist damit alten Mustern des militärischen Freund-Feind-Denkens treu geblieben. Doch ohne Einbezug Serbiens wird es auf dem Balkan keine Stabilität geben. Auch die Effektivierung von Embargo-Maßnahmen, die Nachtwei unter der Kategorie »zivile Konfliktbearbeitung« anpreist, kann da nicht weiter helfen. Offensichtlich ist Rot-Grün zu kurz gesprungen und voll im Militärgehege gelandet. Das alles bedeutet, Berlin setzt ganz vorrangig auf den Ausbau der militärgestützten Politik. ZKB und ZFD sollen unter diesen Umständen nur ein Bestandteil dieser Politik sein.

Zivile Konfliktbearbeitung als unabdingbarer Orientierungsrahmen

Seit dem Ende des Ost-West-Konflikts, ferner angestoßen durch den Golfkrieg und die Balkankriege, werden zivile und gewaltfreie Konzeptionen in den Diskussionen der Friedensbewegung zunehmend in einem Gesamtkonzept »Ziviler Konfliktbearbeitung« (ZKB) als einem Orientierungsrahmen zusammengeführt. In ihm sollen internationale, staatliche und gesellschaftliche AkteurInnen mit unterschiedlichen Instrumenten je spezifische Aufgaben übernehmen. Dieses normative Gesamtkonzept richtet sich nicht auf Sieg oder Niederlage. Es ist kein Nullsummenspiel, in dem die eine gewinnt, was der andere verliert. Es orientiert sich darauf, dass alle KonfliktpartnerInnen gewinnen sollen und zwar durch die (Wieder)Herstellung ihrer Fähigkeit zur Kooperation bei der Lösung von Konflikten. Der Zivile Friedensdienst ist darin eine wichtige Komponente, soll er doch nicht nur ein Instrument zur Friedensarbeit, sondern auch eines der friedenspolitischen Sozialisation der Gesellschaft werden.

Wenn Formen der Zivilen Konfliktbearbeitung mehr und mehr den kriegerisch-militärischen Konfliktaustrag verdrängen und schließlich ganz beseitigen sollen, so ist dies nur möglich, wenn alle Ebenen der nicht-militärischen AkteurInnen bei Konflikten einbezogen werden. Dazu gehören selbstverständlich sowohl die staatliche Ebene als auch die der internationalen AkteurInnen. Das Verhältnis der zivilgesellschaftlichen TrägerInnen von ZFD zu ihnen wird einen kooperativen und konfliktbereiten Charakter haben müssen. Kooperativ, weil nur gemeinsam ZKB als Alternative zum militärischen Konfliktaustrag zu erreichen ist. Konfliktbereit, weil Staaten und internationale, staatlich-zivile Institutionen einen zivil-militärisch ambivalenten Charakter haben. In ihnen selbst wird der Kampf zwischen zivilen und militärischen Optionen ausgetragen.

Die eigentliche Kontrahentin der ZKB ist nicht das Militär, sondern die militär-gestützte Politik der Nationalstaaten und ihrer Bündnisse. Sie instrumentalisiert das Militär für ihre Zwecke, wobei sie selbst vom Militär zum Teil instrumentalisiert wird. Diese Darstellung entspricht ganz der zivil-militärischen Ambivalenz der Politik, welche sowohl mit Mitteln der ZKB als auch mit militärischen Mitteln in ihren Aktivitäten auftritt. Die militär-gestützte Politik ist also zu überwinden. Eine Kooperation mit ihr würde sie nur stärken. Deshalb dürfen ZKB und ZFD keine Kooperationsverhältnisse mit Militär und militärgestützter Politik eingehen. Selbstverständlich kann man mit RepräsentantInnen dieser Bereiche diskutieren, aber es gilt den eigenen Weg in der eigenen Logik im Sinne von ZKB zu gehen.

Die von Regierungs- und Militärseite immer wieder ins Spiel gebrachte Kooperation von ZFD und Militär dürfte vielmehr dem Wunsch zu verdanken sein, das wichtige Instrument ZFD der eigenen Kontrolle zu unterstellen. So würde aus dem Ansatz für eine Alternative der Konfliktbearbeitung eine erweiterte Palette militärisch-ziviler Handlungsoptionen. Dies jedoch steht im Widerspruch zu allen Zielen, die zu den Bemühungen um eine Alternative zum militärischen Konfliktaustrag geführt haben.

Prof. Dr. Andreas Buro ist friedenspolitischer Sprecher des Komitees für Grundrechte und Demokratie