Thomas Seibert: 2 Artikel
2014-1
Thomas Seibert
In Furcht vor dem Allerschlimmsten
Bei meinem letzten Besuch in Kabul, Mitte vergangenen Jahres, hörte ich überall fast wortgleich denselben Satz: „Niemand weiß, was im nächsten Jahr geschehen wird. Ich weiß nicht, wo ich dann sein werde.“ Einige meiner Gesprächspartner haben diese Ungewissheit zwischenzeitlich hinter sich gelassen. Sie nutzen ein US-Stipendium für Kulturschaffende, haben ein Auslandsstudium begonnen, folgten einer Einladung von Freunden. Bis zum Abzug der »Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe« (ISAF) aus Afghanistan werden ihnen andere nachreisen. Zur zermürbenden Ungewissheit gehört, dass nicht einmal sicher ist, ob die Truppen, deren Anwesenheit von immer weniger Menschen gewollt wird, überhaupt gehen werden. Die USA wollen mindestens bis 2024 bleiben, mit bis zu 15.000 eigenen Soldatinnen und Soldaten und mehreren Tausend anderer Länder. Der scheidende Präsident Karzai hat seine Zustimmung dazu noch nicht gegeben: Er verhandelt weiter den Geschäftsanteil der afghanischen Gewaltoligarchie. Die wiederum steht, da gibt es jetzt kein Vertun mehr, der Demokratie, den Menschenrechten und der Frauenbefreiung nur wenig ferner als die Taliban.