Anlässlich der jüngst in Afghanistan getöteten Bundeswehr-Soldaten flackerte erneut die Diskussion auf, ob sich das deutsche Militär dort im Krieg befinde oder als »humanitärer Aufbauhelfer« tätig sei. Während der zuständige Minister noch immer für die letztgenannte Sprachregelung eintritt, stellen sich die Erfahrungen der in Afghanistan befindlichen SoldatInnen anders dar – und die Boulevardpresse mit ihrem Flaggschiff BILD spricht dies auch deutlich aus. Die dem militärischen Feld entlehnte Metapher ist nicht zufällig gewählt, tatsächlich geht es hier um die Frage, wie die mit der Wende zur »Armee im Einsatz« notwendig auftretenden Toten in den eigenen Reihen gegenüber der Öffentlichkeit begründet werden.
In den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg gab es viele Anzeichen dafür, dass die deutsche Gesellschaft den Militarismus, der nicht nur den Bevölkerungen der ehemaligen Feindmächte, sondern auch ihr selbst so viel Unheil gebracht hatte, gründlich satt hatte. Es herrschte damals eine radikal antimilitaristische Stimmung. Hatten die großen Kundgebungen der Friedensbewegung in der Weimarer Zeit noch unter der Parole »Nie wieder Krieg!« gestanden, so wurde nach dem Zweiten Weltkrieg die sehr viel konkretere und deutlich antimilitärische Forderung »Nie wieder deutsche Soldaten!« artikuliert. Der sozialdemokratische Politiker Carlo Schmid rief 1946 aus: „Wir wollen unsere Söhne nie mehr in die Kasernen schicken!“ Und der christlich-soziale Politiker Franz Joseph Strauß, der spätere Bundesverteidigungsminister, sekundierte Carlo Schmid 1947 mit dem markigen Spruch: „Wer noch einmal ein Gewehr in die Hand nimmt, dem soll die Hand abfallen!“ Bekanntlich sollten diese Beteuerungen nicht von langer Dauer sein. Gleichwohl symbolisierten sie eine weit verbreitete Stimmung.
Die Zustimmung der Bevölkerung zum Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan sinkt von Monat zu Monat, die Bundesregierung aber ändert – zum Teil in aller Stille – die Einsatzregeln für den Krieg am Hindukusch.
Die gegenwärtige sicherheitspolitische Debatte ist voll von Schlagworten, die ein neues Zeitalter der Sicherheit einläuten wollen. Die »neue Sicherheitsarchitektur« ist einer dieser Begriffe. Die »Synergien«, die aktiviert werden sollen, gehören ebenso in den Kanon des aktuellen Jargons wie die Forderung nach »vernetzter Sicherheit«, die mittlerweile sowohl den deutschen, aber auch – etwas anders benannt – den gesamten westlichen Sicherheitsdiskurs prägt. Wie vielen »erfolgreichen« Begriffen ist der ihr zugrunde liegende Gedanke auf den ersten Blick so trivial, dass kaum kritische Stimmen zu vernehmen sind.
Die privatwirtschaftliche Basis einer Armee im Einsatz
Der Trend zur Privatisierung originär staatlicher Aufgaben macht auch vor dem Militär nicht halt. Die Aktivitäten bewaffneter Söldner im Irak, deren Verhalten gelegentlich Schlagzeilen in der Weltpresse produziert, sind jedoch nur die Spitze des Eisbergs. Längst hat auch die Bundeswehr vormals in eigener Verantwortung betriebene Aufgaben, wie etwa die Instandsetzung oder das Fuhrparkmanagment, ausgegliedert.
Friedenswerkstätten oder zivilmilitärische Forschungskomplexe
Mit großem Aufwand wird in diesem Jahr das 60-jährige Jubiläum des Grundgesetzes gefeiert. Tatsächlich gibt es genügend gute Gründe zu trauern „angesichts seines schrecklichen Aussehens, nachdem es unter die Räuber gefallen ist.“ 1 Das gilt für die im Zuge des neoliberalen Umbaus der Gesellschaft in Angriff genommene Privatisierung der Hochschulen genauso wie für die in der Verfassung verankerte Wissenschaftsfreiheit (Artikel 5.3 GG), die mehr und mehr in ein Freiheitsrecht für Militärforschung umgefälscht wird. Das alles zeigt sich prototypisch am Projekt »Karlsruhe Institute of Technology« (KIT), der geplanten Verschmelzung der Universität Karlsruhe (TH) mit dem Forschungszentrum Karlsruhe.
Das monströse System des deutschen Heimatschutzes, das offiziell »Zivil-Militärische Zusammenarbeit« genannt wird, wurde von langer Hand aufgezogen. Im Gange ist eine Neuordnung der Streitkräfte unter Einbezug »aller« staatlichen Instrumente der Sicherheitsvorsorge, also ein totalitärer Ansatz, wie er schon in den Verteidigungspolitischen Richtlinien 2003 formuliert und im Weißbuch der Bundeswehr von 2006 konsequent weiterentwickelt wurde. Mit Erlassen wie der Reservistenkonzeption 2003 und Konzeption der Bundeswehr 2004 wie auch Gesetzen über die Neuordnung der Reserve der Streitkräfte 2005 wurde die »Zivil-Militärische Zusammenarbeit« (ZMZ) eingeleitet und im Territoriale Netzwerk bis 2010 weitgehend vollzogen. All dies geschieht ohne verfassungsmäßige Grundlage. Der systematische, flächendeckende und permanente Einsatz von Soldaten und Reservisten in der deutschen Zivilgesellschaft bleibt auch mit noch so vielen Regelungen eklatanter Verfassungsbruch.
Die Bundesregierung führt die Kategorie der Amtshilfeeinsätze ein
Das Weißbuch der Bundeswehr fordert die „Erweiterung des verfassungsrechtlichen Rahmens“, um Inlandseinsätze der Bundeswehr zu ermöglichen. An der Verfassungsänderung biss sich die große Koalition jedoch die Zähne aus. Sie ging stattdessen dazu über, Inlandseinsätze am Grundgesetz vorbei zu etablieren.
Nach dem DGB-Vorsitzenden Michael Sommer hatte in diesem Frühjahr 2009 auch die später bei der Wahl unterlegene Bundespräsidentenkandidatin Gesine Schwan (SPD) vor sozialen Unruhen in Deutschland als Folge der Wirtschaftskrise gewarnt. Sie löste damit in weiten Kreisen Verärgerung aus. Selbst Schwans Parteifreund, Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier (SPD), distanzierte sich von ihren Äußerungen. Ersichtlich liegt der gesamten Bundesregierung daran, keine ausufernde Debatte über die soziale Kluft und über denkbaren Widerstand dagegen aufkommen zu lassen. Hinter der Bühne aber wird ein anderes Stück vorbereitet.
Bei Diskussionen über Computerspiele geht es oft gleichermaßen wenig fundiert und fruchtlos um die Frage, ob gewalthaltige Inhalte pauschal Spieler aggressiver machen. Subtilere, aber vielleicht bedeutsamere Aspekte bleiben daneben meist unbeachtet. Welche Inhalte und Weltbilder beinhalten Computerspiele? Welche gesellschaftlichen Einflüsse und Auswirkungen können sich daraus ergeben? Im folgenden Beitrag soll es um einige inhaltliche und strukturelle Verbindungen von Militär und Spiele-Industrie gehen – nicht mit dem Anspruch einer vollständigen analytischen Aufarbeitung, sondern mit dem Ziel, die Art der Verbindungen exemplarisch zu skizzieren und damit den Blick auf gesellschaftlich gefährliche Einflüsse zu richten.
Anfang dieses Jahres sorgte beim Moskauer Armee-Club ZSKA Moskau (Zentralny Sportiwny Klub Armii) eine Direktive für nachhaltige Unruhe: Das Verteidigungsministerium hatte einen Erlass verkündet, demzufolge auch die in den Reihen des bereits zu Sowjetzeiten bestehenden Militärsportclubs trainierenden SoldatInnen Dienst in den russischen Streitkräften machen müssten. Zu den betroffenen Soldaten, die nie militärische Einheiten geführt hatten, aber Dienstgradabzeichen von Offizieren tragen, gehörte auch Islambek Albijew, der bei den Olympischen Spielen in China eine Goldmedaille errungen hatte. Gegen diese Initiative haben viele der betroffenen SportlerInnen protestiert, da sie ein Ende ihrer Karriere fürchten. Russland steht nicht alleine mit einem an nationalem und soldatischem Prestige und dem Ziel der Nachwuchsgewinnung orientierten System der militärischen Sportförderung.
In der Endphase der militärischen Auseinandersetzungen zwischen Regierungstruppen und den Befreiungstigern geriet vor allem die Zivilbevölkerung in die Schusslinie. Seit Mitte Mai ist der Inselstaat weiter denn je von Frieden entfernt.
Die noch immer vornehmlich nur in Fachkreisen geführte Auseinandersetzung über die Bundeswehr als Armee im weltweiten Einsatz ist an einen Wendepunkt geraten. Zumindest treten die Fragen nach der Legalität und Legitimität der Interventionen unter Beteiligung deutscher Streitkräfte zusehends in den Hintergrund – wie umstritten die einzelnen Einsätze diesbezüglich auch immer sein mögen. Derweil rücken die Fragen nach dem Erfolg bzw. Misserfolg dieser Einsätze erkennbar in den Vordergrund. An »harten« Erfolgskriterien mangelt es indes. Um so mehr ist genau hinzuschauen, wenn die Auslandseinsätze der Bundeswehr als Erfolg verkauft werden. Gegenüber vermeintlichen Erfolgsgeschichten bleibt jedenfalls auch weiterhin kritische Wachsamkeit angezeigt.
„Der Kalte Krieg muss im Sinne von Diskursen verstanden werden, die Technologie, Strategie und Kultur miteinander verknüpfen. Der Kalte Krieg wurde buchstäblich in einem im Wesentlichen semiotischen Raum ausgefochten.“ (Paul Edwards)
Im Juni 2007 hat das UN-Umweltprogramm (UNEP) einen umfänglichen Bericht über Umweltprobleme und militärische Konfliktaustragung im Sudan vorgelegt.1 Im Vorwort wird betont, damit solle nicht zuletzt eine Grundlage geschaffen werden für »recovery, reconstruction and development«, nachdem Anfang 2005 nach einem rund 20-jährigen Krieg zwischen dem vorwiegend arabisch-muslimischen Norden und dem schwarzafrikanisch-christlichen Süden ein umfassendes Friedensabkommen (Comprehensive Peace Agreement/CPA) zustande gekommen war. UNEP sieht »recovery, reconstruction and development« zwar durch den anhaltenden und seit 2006 verschärften Darfur-Konflikt weiterhin gefährdet, erhofft sich jedoch von seiner Analyse auch einen Beitrag zur Regelung dieses Konfliktes. Wir veröffentlichen die wesentlichen Teile des zentralen Kapitels 4 des UNEP-Reports. Es könnte ein Korrektiv darstellen für die herrschende undifferenzierte und voreingenommen moralisierende Sicht der Dinge.
Im Rahmen der diesjährigen Verleihung des Peter-Becker-Preises am 29. Mai 2009 in Marburg hielt Prof. Dr. Dieter Senghaas die Laudatio auf den Preisträger, das Projekt »Peace Counts on Tour«. Wir veröffentlichen Auszüge.
Prof. Dr. Albert Fuchs, Meckenheim, Kognitions- und Sozialpsychologe, Hochschullehrer i. R., Mitglied des Forums Friedenspsychologie – BewusstSein für den Frieden und Mitarbeiter des Instituts für Friedensarbeit und Gewaltfreie Konfliktaustragung. W&F-Redaktionsmitglied seit 1992.E-Mail: fuchs.albert@t-online.de
Die Konferenz »Visual Conflicts: Art History and the Formation of Political Memory« am University College in London befasste sich am 7. März 2009 mit den verschiedenen Arten, in denen sich visuelle Kultur mit bewaffneten Konflikten und allen Typen politisch motivierten Gewalthandelns befasst. Auf der Grundlage der analytischen Bezugssysteme der Disziplinen Kunstgeschichte und Visuelle Kultur wurde das ganze Feld der visuellen Repräsentation abgedeckt, so etwa wie bereits bestehende Konfliktnarrative darauf Einfluss nehmen, wie ForscherInnen den Repräsentationen von Konflikten Bedeutung zuweisen oder welche Auswirkungen Veränderungen der Bildtechnologien und der Erfahrungen des Krieges – auf dem Schlachtfeld wie darüber hinaus – auf wissenschaftliches Forschen haben.
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